Steuer- und Zollblatt für Berlin 13. Jahrgang Nr.74 13. Dezember 1963 1385
Auffassung kurz dargelegt hat. Das Finanzamt ist sodann Vorinstanz, die an sich der gleichen Auffassung zuneigte,
von der Oberfinanzdirektion angewiesen worden, die Streit- hätten sich solchenfalls Zweifel aufdrängen müssen, ob der
frage im Rechtsmittelverfahren klären zu lassen. Nach der Zolltarif (ZT) hinsichtlich der Edelmetallegierungen ver-
Zulassung des Einspruchs als Sprungberufung hat das gleichbare Begriffsabgrenzungen enthält. Unter die Zoll-
Finanzamt sodann seine ablehnende Stellungnahme erstmals tarif-Nr. 3005 fallen sicherlich auch Fertigerzeugnisse, wie
ausführlich begründet, die das Finanzgericht sodann — zum Z. B. chirurgische Nähseide. Andererseits sind nicht alle
Teil wörtlich — in seinen Urteilsgründen verwendet hat, ohne Waren, die als Edelmetall oder .Edelmetallegierungen nach
der Bfin. auch nur einmal Gelegenheit zu geben, die Rechts- $ 29 Abs. 2 Ziff. 9 a UStDB 1951 begünstigt sind, im Kap. 71
auffassung des Finanzamts, der sich das Finanzgericht an- ZT enthalten. So gehören Silbernitrat oder Legierungen der
geschlossen hat, anzugreifen oder zu widerlegen. Ein solches Edelmetalle mit Quecksilber unter die Zolltarif-Nr. 2843 (vgl.
Verfahren entspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 228/57 U vom 4. Septem-
zumal nach Lage des Falles durchaus die Möglichkeit be- ber 1958, BStBl. 1958 III S. 435, Slg. Bd. 67 S. 426%”). Dem
steht, daß das Finanzgericht, wenn es der Bfin. Gelegenheit Umstand, daß die Legierungen «des Streitfalls nicht unter
gegeben hätte, auf die Ausführungen des Finanzamts einzu- Kap. 71 ZT fallen, kommt mithin entscheidende Bedeutung
gehen, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Vor- nicht zu.
entscheidung ist deshalb schon ehe Verletzung des Grund- Unter diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt, die
satzes des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Verkehrsanschauung über die Frage, ob die in Rede stehen-
Nach Aufhebung der Vorentscheidung ist der Senat in der den Legierungen Fertigerzeugnisse sind, besonders zu ermit-
Lage, auch das neue Vorbringen in der Rechtsbeschwerde- teln. Die Bfin. hat eine Reihe von Gutachten sämtlicher in
instanz selbst zu würdigen (vgl. $ 296 Abs. 3 in Verbindung Betracht kommenden Verbände vorgelegt. Die Gutachten,
mit 88 298 Abs.1, 270 AO). Hiernach ist die Sache spruch- insbesondere das des Bundesverbandes der deutschen Zahn-
reif. ärzte als der Abnehmer der gelieferten Erzeugnisse, sind
: : din : unter Anführung tatsächlicher Umstände schlüssig begrün-
Nach $ 4 Ziff. 4 UStG sind die Lieferungen notwendiger det und kommen übereinstimmend zu dem Brgebnis, daß im
Rohstoffe und Halberzeugnisse im Großhandel steuerfrei. Streitfall“nicht ein Ferti . N
: : . ; x gerzeugnis, sondern ein Werkstoff
Notwendige Rohstoffe und Halberzeugnisse im Sinne dieser z : : ) z x R
a z . geliefert worden ist. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit
Vorschrift sind u.a. Edelmetallegierungen ($ 29 Abs.2 den oben geschilderten Verwendungsmöglichkeiten
Ziff. 9 a UStDB 1951). Daß es sich bei dem Liefergegenstand 5 ESSMOB HEY
des Streitfalles um Edelmetallegierungen im Sinne des $ 29 Der erkennende Senat hat in seinem Urteil V 48/59 S vom
Abs.2 Ziff. 9a a.a.0O. handelt, wird nunmehr auch vom 24. August 1961 (BStBl. 1961 III S. 558, Slg. Bd. 73 S. 804%)
Finanzamt nicht mehr bezweifelt. Es bleibt daher nur noch darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen steuer-
zu prüfen, ob die Bfin. das Bearbeitungsprivileg des 8 30 freien Halberzeugnissen und Fertigerzeugnissen technisch
Abs.1 Ziff.5 UStDB 1951 überschritten hat. Nach dieser und wirtschaftlich nicht immer genau zu bestimmen ist. Der
Vorschrift gilt als besonders zugelassene Bearbeitung im Gesetzgeber hat darum angeordnet, daß die Bundesregie-
Sinne des 8 29 Abs. 1 Ziff. 4, wenn die in $ 29 Abs. 2 Ziff. 9a rung die Gegenstände bestimmt, die nach $ 4 Ziff. 4 UStG
a.a.0O. genannten Edelmetallegierungen zu Gegenständen steuerfrei geliefert werden können. Grundsätzlich sind des-
verarbeitet werden, die weder als fertige Erzeugnisse noch halb die in dem Verzeichnis des $ 29 Abs.2 UStDB aufge-
als solche Halberzeugnisse anzusehen sind, die ohne weitere zählten Gegenstände begünstigt, ohne daß überhaupt zu
wesentliche Veränderung ihrer Zusammensetzung oder Form prüfen ist, ob es sich noch um notwendige Rohstoffe oder
dem Fertigerzeugnis oder einem anderen Halberzeugnis Halberzeugnisse handelt. Eine Prüfung in dieser Richtung
eingefügt werden können. Nun ist es unstreitig, daß der kam im Streitfall 'nur deshalb in.Betracht, weil das Bearbei-
Liefergegenstand nicht ohne weiteres vom Zahnarzt als tungsprivileg für Edelmetalle einerseits in 8 30 Abs. 1 Ziff. 5
Zahnfüllstoff verwendet wird, sondern unter Zusatz grund- UStDB eine Grenze zu den fertigen Erzeugnissen zieht. Der
sätzlich etwa der gleichen Menge von Quecksilber werden Umstand, daß die Legierungen vor ihrer Verwendungsmög-
die Splitter usw. in einem Mörser oder Mischgerät beim Zahn- lichkeit einer weiteren wesentlichen Verarbeitung unter-
arzt verrieben, bis sich das Quecksilber mit den anderen zogen werden müssen und noch nicht die Endform einer
Teilen verbunden hat. Es entsteht dadurch eine knetbare gebrauchsfertigen Zahnfüllung‘ darstellen, spricht jedoch
Masse, die erst der Zahnarzt zum Ausfüllen oder Stopfen allein schon gegen die Auffassung der Vorinstanz.
der Kavitäten benutzen kann. Es entstehen durch das Hin- N N ;
zufügen des Quecksilbers neue Verbindungen, die als wesent- Da die sonstigen Voraussetzungen des $ 4 Ziff. 4 UStG
liche Veränderung der Zusammensetzung und der Form an- nicht streitig sind, war die Umsatzsteuer für das Kalender-
zusehen sind. Man wird den Liefergegenstand, der bis zu jahr 1957 unter Aufhebung der Vorentscheidung entspre-
seiner Verwendung als Zahnfüllstoff hiernach noch wesent- Chend dem Antrage der Bfin. auf... DM festzusetzen,
liche Veränderungen sowohl hinsichtlich der Form als auch _ nn
hinsichtlich seiner Zusammensetzung erfahren muß, deshalb 5) s+7B]. Bin, 1959 S. 406 (Leitsatz).
auch schwerlich als Fertigerzeugnis ansehen können. Der 3) StZBl. Bln. 1961 S. 1368.
Umsatzsteuer I1L.Bescheid
Urteil des BFH vom 5. September 1963 — V 117/60 UV Streitig ist für 1956, ob
(StZBl. Berlin 1963 8.1385) 1 der Pauschbetrag für kleine durchlaufende Posten der
Rechtsanwälte nach $ 79 Abs.3 UStDB 1934 von den
li. Die Erlasse des Reichsministers der Finanzen und des steuerpflichtigen Einnahmen der Bfin. abgesetzt werden
Bundesministers der Finanzen, die die Weitergeltung des kann,
8 79 Abs.3 UStDB 1934 (Pauschalabzug für kleine 9 ; ; ; ; 4
durchlaufende Posten der Rechtsanwälte) anordnen, sind S a Tr N ES AdSIINE. der Uns
Verwaltungsweisungen, die der Vereinfachung dienen, satzsteuergesetzes vom 5. Oktober 1956 — 7. UStGÄndG
und daher für die Steuergerichte nicht rechtsverbindlich. — (BGBl. I S. 787, BStBl. 1956 I S. 437) von 2000 DM der
Der Freibetrag des 8 7a UStG 1951 kann einer nach Bfin. nur einmal oder nach der Zahl der an ihr beteilig-
außen hin auftretenden Anwaltsgemeinschaft nicht nach ten Rechtsanwälte mehrmals zusteht. ww
der Zahl der an ihr beteiligten Rechtsanwälte mehrmals, je Bfin. ist eine aus drei Rechtsanwälten bestehende
sondern nur einmal gewährt werden. Anwaltsgemeinschaft. Zwei der Anwälte sind zugleich
Das gilt auch, wenn zu der Anwaltsgemeinschaft Rechts- Notare, der dritte Anwalt ist zugleich Fachanwalt für
anwälte gehören, die zugleich Notare sind und die an- Steuerrecht. Die Bfin. hatte in der Umsatzsteuererklärung
fallenden Notariatsgeschäfte wahrnehmen. für 1956 den Abzug des Pauschbetrages und des Freibetra-
AO 88 96, 243 Abs.2 und 3, 259 Abs.1; UStG 1951 88 2 ges beantragt. Das Finanzamt hatte bei der Veranlagung
Abs.1, 7a; Siebentes Gesetz zur Änderung des Umsatz- den Abzug des Pausch betrages (oben unter 1.) vorge-
steuergesetzes; UStDB 1934 & 79 Abs. 3: UStDB 1951 & 57a. | "0mmen, die Abzeizung des Freibetrages (oben unter 2.)
dagegen mit. der Begründung abgelehnt, der in der Zeit
1) BStBl. 1963 III S. 520. vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1956 erzielte Gesamtum-