Steuer- und Zollblatt für Berlin 183. Jahrgang Nr.74 13. Dezember 1963 „.,9
der gleiche ist wie in $ 9 Abs. 1, so ergibt sich, daß die gung. Durch sie würden Obergesellschaften, die. Verluste
Nachsteuer bei der Obergesellschaft auch in diesen Fällen haben, gegenüber Obergesellschaften, die Gewinne erzielen,
erhoben werden müßte. Es besteht allerdings kein Zweifel, stark benachteiligt. Denn .die mit Gewinn abschließenden
daß sich aus dieser wörtlichen Auslegung gerade in vielen Obergesellschaften kämen voll in den Genuß des Schachtel-
Fällen dieser Art erhebliche Härten ergeben würden. Außer- privilegs, während der Vorteil für Obergesellschaften ver-
dem würde beim Vorliegen von Verlusten neben Schachtel- lorenginge, die einen Verlust ausweisen. Eine solche Be-
gewinnen bei der Obergesellschaft die Erhebung der Nach- nachteiligung einer Gruppe von Obergesellschaften ist
steuer regelmäßig zu einer höheren Steuer nach dem KStG weder durch den Wortlaut noch den Zweck des Gesetzes
führen, als wenn $ 9 KStG, z. B. bei einer Beteiligung der gedeckt und auch nicht zwingend zu begründen.
OS aLt ME nur 24 v.H. des Kapitals, nicht zur In diesem Zusammenhang wird im übrigen auf die Aus-
g . führungen von Hoffmann, a. a. O., hingewiesen, wonach die
HT. Gründe, die für die Anerkennung der Schachtelvergünsti-
Eine Entscheidung über die Frage der Auslegung des 8 9 8Ung auch im Rahmen des Verlustvortrages nach dem
Abs. 3 KStG bei Vorliegen von Verlusten neben Schachtel- Zweck des Schachtelprivilegs sprächen, nicht ohne weiteres
gewinnen unter Berücksichtigung der vom Reichsfinanzhof %uch für die Behandlung anderer steuerbefreiter Einnah-
und vom Bundesfinanzhof in den genannten Urteilen ver- Men, insbesondere des Sanierungsgewinns, maßgebend sein
tretenen Rechtsauffassung braucht aber im vorliegenden Könnten.
Falle nicht gefällt zu werden, da der Senat diese Recht- Zu den im Urteil I 189/59 S vorgebrachten Bedenken
sprechung nach erneuter Überprüfung nicht mehr aufrecht- gegen die Änderung der Rechtsprechung hat der Senat fol-
erhält. Der Senat hat bereits im Urteil I 189/59 S (a.a.O.) gendes erwogen:
erklärt, daß sich gewichtige Einwendungen gegen die vom 1. Es ist zwar richtig, daß sich die Verhältnisse und Über-
Reichsfinanzhof und vom Bundesfinanzhof in ihren früheren legungen, die zur Einführung des Schachtelprivilegs ge-
Urteilen vertretene Rechtsansicht erheben lassen. Die führt haben, nicht in der Richtung geändert haben, daß
Gründe, die den Senat bewogen haben, dennoch nicht von eine Ausdehnung der Vorschrift geboten erscheint. Der
der Rechtsprechung abzugehen, hält der ‚erkennende Senat Senat glaubt aber, daß die angeführten Gründe für seine
nach erneuter 5 Prüfung nicht mehr für zwingend. Da Auslegung des 8 9 Abs. 1 KStG in Verbindung mit 8 10d
diese Fragen für die Auslegung des 8 9 Abs. 3 KStG iM EStG nach Wortlaut und vor allem auch Zweck des
vorliegenden Fall bedeutsam sind, war über sie zu entschei- Schachtelprivilegs so beachtenswert sind, daß es nicht
den, obgleich im Veranlagungsjahr 1958 ein Verlustabzug, mehr vertretbar erscheint, die bisherige einschränkende
auf den sich ein Schachtelgewinn auswirken könnte, nicht Auslegung aufrechtzuerhalten. Die Tatsache, daß dadurch
gegeben ist. in bestimmten, bisher benachteiligten Fällen der Anwen-
Die sachlichen Gründe, die für eine Änderung der Recht- dung des Schachtelprivilegs, nämlich bei Verlusten der
sprechung des Bundesfinanzhofs und eine Berücksichtigung Obergesellschaft, für diese günstige steuerliche Folgen
des Schachtelprivilegs auch im Rahmen des Verlustabzugs entstehen können, kann einer Auslegung nicht entgegen-
sprechen, sind im Schrifttum im Laufe der Jahre immer stehen, die als dem Sinn des Gesetzes entsprechend erkannt
erneut vertreten und begründet worden (vgl. zuletzt Schrif- ist. Gesetzliche Grundsätze oder Auslegungsregeln, die
tenreihe des Industrie- und Handelstags, Heft 49, und die gegen eine solche Änderung der Rechtsprechung sprächen,
dort aufgeführte Literatur). In diesem Zusammenhang sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht kein Anhalt zu
wird besonders auch auf die Ausführungen von Hoffmann der Annahme, daß in der Bundesrepublik eine Abschaffung
in der Finanz-Rundschau 1961 S. 184 verwiesen, in denen oder grundsätzliche Einschränkung des Schachtelprivilegs
es als außerordentlich naheliegend bezeichnet wird, die auf gesetzlichem Wege bevorstehe. In diesem Zusammen-
Grundsätze des Urteils I 41/58 S vom 28. Juli 1959 (BStBl. hang ist von Interesse, daß z.B. in dem Bericht des Steuer-
1959 III S.366, Slg. Bd. 69 S. 275%), in dem der Bundes- und Finanzausschusses der EWG-Kommission (des sog.
finanzhof die Verrechnung der steuerfreien Zinsen nach $ 3a Neumark-Ausschusses) für die EWG-Staaten und. den
EStG mit abzugsfähigen Verlusten abgelehnt hat, auch auf EWG-Raum vorgeschlagen wird, auch in Zukunft grund-
die Schachtelvergünstigung auszudehnen. sätzlich das Schachtelprivileg zur Anwendung zu bringen,
Für eine Änderung der Rechtsprechung in diesem Sinne das nach Ansicht der Gutachter für den Fall der aligemei-
sprechen vor allem folgende Gründe: Wenn Abs. 1 des 8 9 nen Einführung ‚eines „gespaltenen‘“ Körperschaftsteuer-
KStG von „außer Ansatz bleiben“ spricht, so liegt die Aus- Satzes durch eine durch Weiterausschüttung der Schachtel-
legung nahe, daß Schachteldividenden das Einkommen der 8°winne abwendbare Nachsteuer ergänzt werden müßte.
Obergesellschaft nicht erhöhen dürfen. Insoweit läßt sich 2. In einigen Punkten, auf die das Urteil des Bundes-
aus dem Wortlaut ein Unterschied gegenüber einer sach- finanzhofsI 189/598 nicht eingegangen ist, hat sich im
lichen Befreiung nicht feststellen. Insbesondere läßt sich übrigen die Lage seit den früheren Erkenntnissen geändert.
aus dem Wortlaut des $ 9 KStG nichts dafür entnehmen, So sind seit Erlaß des Urteils des ReichsfinanzhofsI A
daß sich die Schachteleinnahmen nur auf den steuerpflich- 104/31 vom 29. September 1931 (a.a.O.) die hier maßge-
tigen Gewinn im Jahre des Zuflusses auswirken dürfen und bpenden gesetzlichen Vorschriften in einem wichtigen Punkte
folglich den in den nächsten Jahren zu berücksichtigenden geändert worden. Der Reichsfinanzhof sagt in seiner Ent-
Verlustabzug mindern müßten. scheidung I A 104/31 unter anderem folgendes:
Aber auch aus dem Zweck des Schachtelprivilegs ist — Der Ausgangspunkt für die Feststellung der Grund-
entgegen der Auffassung im Urteil des Bundesfinanzhofs I „7a nach N eoneR bei Körperschaftsteuerpfichtigen der
26/00 07 ON 16. Januar 1051 (BStBl 1051 ILS. 63, SIE. vortragsfähige, steuerfrei abzudeckende Verlust zu ermit-
Bd. 55 S. 166 )), wonach hier wie in anderen ‚Fällen B ofrei- teln ist, muß $ 15 Abs.2 KStG in der neuen Fassung sein.
ungen mit Verlusten zu verrechnen seien — eine solche ein- $ 15 Abs.2 nennt als anwendbare Vorschriften des KStG
mehränKonde AUMeRUNS NICHT ZU EhineNMmeN. Das SChACh- Are Ss 14 bis 16 und 17 Nrn.1 bis 3. Als anwendbar ist also
telprivileg soll in bestimmten Fällen bei Bestehen einer jo Vorschrift über das Schachtelprivileg des $ 11 Nr.3
wesentlichen Beteiligung einer inländischen Kapitalgesell- nicht mitaufgezählt.“
schaft an einer anderen die/ Drei- (und ggf. Mehrfach-) ) e
Besteuerung derselben Einkünfte verhindern, die ohne eine _ In der Tat regelte 8 15 Abs. 2 KStG in der Fassung vom
solche Regelung bei der Untergesellschaft, der Obergesell- Jahre 1929 die Anwendung des Verlustabzugs (Verlustvor-
schaft und bei deren Gesellschaftern, ggf. noch bei anderen trags) bei Ermittlung des Einkommens von Körperschaften,
zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften entstehen würde, Während auf andere näher aufgezählte Bestimmungen des
Findet aber eine Verrechnung der Schachteldividende mit KStG Bezug genommen wurde, die in diesem Zusammen-
den Verlusten der Obergesellschaft statt, so wird die hang zu berücksichtigen waren, fehlte eine Verweisung auf
Schachteldividende im Jahre der Vornahme des Verlust- $ 11 Ziff,3 KStG, der das Schachtelprivileg zum Inhalt
abzugs praktisch nachträglich von der Steuer erfaßt. Die hatte. Der wenigstens zum Teil sein Urteil tragende Schluß
Drei- oder Mehrfachbesteuerung, die das Schachtelprivileg des Reichsfinanzhofs, der Wortlaut des Gesetzes gebiete
verhindern soll, würde damit wieder herbeigeführt. hiernach eine Verrechnung „von Schachteldividenden und
abzugsfähigem (vortragsfähigem) Verlust, war darum da-
Gegen eine solche Handhabung spricht vor allem auch mals begründet.
das Gebot einer gleichmäßigen Anwendung der Vergünsti In dem tür den vorliegenden Wall. maßgebenden 8.15
6) StZBl. Bln. 1959 S. 1112, KStDV 1958, der im wesentlichen schon in den KStDV 1949
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