1312 Steuer- und Zollblatt für Berlin 13. Jahrgang Nr.69 15. November 1963
Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.), ein selbstän- Verpachtung im Sinn von 8 21 EStG sind (siehe z. B. Urteil
diger Zahnarzt, hat 1952 rund 98 ha Grund und Boden er- des Senats VI 169/59 S vom 21. Oktober 1960, BStBl. 1961
worben, von denen 91 ha Heideland und der Rest Wald sind. III S. 45, Slg. Bd. 72 S. 119%).
Das Finanzamt hat diesen Besitz bei der Einkommensteuer- N . 7
veranlagung für 1952 als Liebhaberei behandelt. Dabei hat Der Einwand des Bf., die Verpachtung der Kiesgrube
es auch eine Einnahme von 200 DM, die der Bf. als Ertrag unterliege als Teil seines steuerlich als Liebhaberei behan-
einer Kiesgrube in seiner Steuererklärung angegeben hatte, delten landwirtschaftlichen Besitzes nicht der Einkommen-
bei der Einkommensermittlung außer Betracht gelassen. In Steuer, ist unbegründet. Wenn ein Steuerpflichtiger Ein-
den Einkommensteuerveranlagungen für 1953 bis 1958 gab nahmen hat, die mit einer steuerlich der Liebhaberei zU-
der Bf. keine Erträge aus seinem landwirtschaftlichen Be- Zerechneten Betätigung zusammenhängen, so unterliegen
sitz an. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 stellte der diese Einnahmen nicht der Einkommensteuer, wenn sie noch
Prüfer fest, daß der Bf. durch die Ausnutzung der in seinem in den Rahmen der Liebhabereibetätigung gehören. Das ist
Besitz befindlichen Kiesgrube 1957 — 1665 DM, 1958 — bei den Einnahmen aus der Kiesgrube aber nicht der Fall.
1740 DM und 1959 — 1020 DM eingenommen hatte. Das Das Finanzgericht weist mit Recht darauf hin, daß die
Finanzamt legte diese Einnahmen bei den Berichtigungs- Streitigen Einnahmen dem Bf. auf Grund eines Pachtver-
veranlagungen für 1957 und 1958 und bei der erstmaligen trages zugeflossen sind, der nicht als Ausfluß der zur Lieb-
Veranlagung für 1959 als Einkünfte aus Vermietung und haberei gehörenden landwirtschaftlichen Betätigung des
Verpachtung. der Besteuerung zugrunde. Die Sprungberu- Bf. anzusehen ist. Diese Beurteilung beruht auf einer Wür-
fung des Bf. hiergegen wurde als unbegründet zurück- digung, der tatsächlichen Verhältnisse, an die der Senat
gewiesen. nach 8 288 AO gebunden ist, da sie weder einen Verstoß
T gegen das geltende Recht noch gegen den klaren Inhalt der
Das Finanzgericht führte aus, die auf die Nutzbar- Akten erkennen läßt.
machung der Heidefläche gerichtete Bewirtschaftung ge-
höre in den für die Einkommensteuer unbeachtlichen Be- Das Finanzgericht hat auch mit Recht angenommen, daß
reich der Liebhaberei. Die vom Bf. aus der Kiesausbeute das Finanzamt nicht verpflichtet gewesen sei, wegen der
erzielten Einnahmen ständen in keinem wirtschaftlichen Freistellung der 200 DM bei der Einkommensteuerveran-
und rechtlichen Zusammenhang mit der Urbarmachung des lagung für 1952 für die folgenden Jahre das gleiche zu tun.
Grund und Bodens. Sie könnten daher auch nicht in die Jeder Veranlagungszeitraum ist für die Einkommensteuer
steuerliche Behandlung als Liebhaberei einbezogen werden. ein selbständiger Besteuerungsabschnitt, bei dem die Vor-
Die Ausbeutung des Kiesvorkommens sei für die Besteue- aussetzungen der gesetzlichen Vorschriften jeweils erneut
rung selbständig zu würdigen. Es handle sich dabei um Ein- zu beurteilen sind. Dieser Grundsatz gilt nur ausnahms-
nahmen aus der zeitlich begrenzten Überlassung von Grund- weise nicht, wenn ein Steuerpflichtiger vom Finanzamt eine
stücken zum Abbau von Bodenschätzen, die der Einkunfts- Zusage erhalten hat, die ihn zu irgendwelchen wirtschaft-
art Vermietung und Verpachtung zuzurechnen seien. Für lichen Dispositionen veranlaßt hat (siehe z.B. Urteile des
1957 und 1958 sei.die Heranziehung im Rahmen von Berich- Bundesfinanzhofs I 90/57 U vom 3. Dezember 1958, BStBl.
tigungsveranlagungen nach 8 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zulässig, 1959 III S. 53, Sig. Bd. 68 S. 1409; I 176/57 U vom 18. No-
die bereits aus anderen Gründen vorzunehmen gewesen vember 1958, BStBl. 1959 III S.52, Slg. Bd. 68 S. 1375;
seien. Berichtigungen dieser Art führten zur Wiederaufrol- VI 269/60 S vom 4. August 1961, BStBl. 1961 IIT S. 562, Slg.
lung des gesamten Steuerfalles, so daß dabei auch etwaige Bd. 73 S.813%). Legt das Finanzamt eine bestimmte Rechts-
Fehler der früheren Veranlagungen berichtigt werden könn- auffassung bei einer Veranlagung zugrunde, so hat das für
ten. Im übrigen sei die Feststellung‘ der in den Jahren 1957 spätere Veranlagungszeiträume jedoch nicht die Wirkung
und 1958 aus der Ausbeutung des Kiesvorkommens erzielten einer Zusage; denn diese Beurteilung gilt regelmäßig nur
Erträge auch für sich eine neue Tatsache im Sinne von 8 222 für diesen einen Veranlagungszeitraum. Es ist auch zu be-
Abs. 1 Ziff. 1 AO. Wegen der anderen festgestellten neuen achten, daß für spätere Jahre schon verhältnismäßig ge-
Tatsachen bedürfe es auch keiner Prüfung, ob der Umstand, ringe Unterschiede im Sachverhalt eine andere rechtliche
daß der Bf. für 1952 Einnahmen aus der Kiesausbeute in Beurteilung erfordern können. So ist z.B. für die Zurech-
seiner Einkommensteuererklärung angegeben habe, das nung der Einnahmen aus der Kiesgrube zur Liebhaberei
Finanzamt in der Folgezeit hätte veranlassen müssen, von nicht unwesentlich, daß diese Einnahmen im Jahre 1952
sich aus Ermittlungen über den Zufluß derartiger Einnah- nur 200 DM betragen haben, während sie in den Streitjahren
men anzustellen. Aus der. Behandlung dieser Einnahmen die fünf- bis achtfache Höhe hatten.
im Jahre 1952 sei auch keine Bindung der’ Finanzverwaltung . x A Sr er
herzuleiten; den gleichen Fehler in späteren Veranlagungs- Schließlich verstößt die Berichtigung der rechtskräftigen
zeiträumen zu wiederholen. Dem stehe der bei der Einkom- Veranlagungen für 1957 und 1958 auch nicht gegen $ 222
mensteuer geltende Grundsatz der Abschnittsbesteuerung Abs. 1 Ziff. 1 AO. Der Betriebsprüfer hat festgestellt, daß
entgegen. die Einnahmeaufzeichnungen des Bf. bei seiner-selbständi-
gen Tätigkeit als Zahnarzt für den Prüfungszeitraum nicht
...Der Bf. führt zur Begründung seiner Rb. aus, die gesamte vollständig waren und daß in 97 Fällen Einnahmen von ins-
Fläche bilde eine Einheit. Die Kiesausbeute sei demgemäß gesamt 4054 DM .nicht aufgezeichnet waren. Davon ent-
vom Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung für fallen auf die Jahre 1957 und 1958 — 2095 DM. Nach der
1952 bewußt als Teil der Liebhaberei behandelt worden. An Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs rechtfertigt zwar die
diese Beurteilung sei die Finanzverwaltung bis zum Wider- Feststellung neuer Tatsachen die Wiederaufrollung ‚von
ruf gebunden. Ein Widerruf könne nicht rückwirkend im rechtskräftigen Veranlagungen nur, wenn die neuen Tat-
Rahmen einer Berichtigung nach $ 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO sachen von „einigem Gewicht“ sind. Der V. Senat des Bun-
erfolgen, weil es sich dabei nicht um eine Fehlerberichtigung desfinanzhofs hat für. die Umsatzsteuer im Urteil V 180/59 U
oder um die Beseitigung eines Rechtsirrtums handle. Auch vom 8. Februar 1962 (BStBl. 1962 III S. 225, Slg. Bd. 74
verstoße es gegen Treu und Glauben, die langjährige steuer- S, 6107) feste Grundsätze aufgestellt, wann dies für die
liche Behandlung, der eine mögliche rechtliche Beurteilung Berichtigung von rechtskräftigen Umsatzsteuerveranlagun-
zugrunde gelegen habe, rückwirkend zu beseitigen. Die Ab- gen der Fall ist. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat diese
schnittsbesteuerung rechtfertigte nicht ohne weiteres ein Abgrenzung für die Ertragsteuern nicht übernommen (Ur-
Abgehen von der bisherigen steuerlichen Behandlung. Es teil I 95 und 110/60 S vom 5. Juni 1962, BStBl. 1963 III
könne lediglich in jedem Jahr darüber befunden werden, ob S. 100%). Er nimmt zwar gleichfalls an, daß eine neue Tat-
gine Betätigung noch Liebhaberei sei. Werde festgestellt, sache, die eine Steuermehrung oder Steuerminderung von
daß dies nicht mehr der Fall sei, könne vom nächsten Ver- weniger als 100 DM zur Folge hätte, im allgemeinen kein
anlagungszeitraum ab anders verfahren werden, nachdem so bedeutsamer Umstand ist, daß die Durchbrechung der
der Steuerpflichtige von der anderen Beurteilung in.Kennt- Rechtskraft ‘bereits vorhandener‘ Veranlagungen gerecht-
nis gesetzt worden sei. fertigt wäre. Von diesem Mindestbetrag abgesehen, stellt
; A N der I. Senat es aber auf die Verhältnisse des Einzelfalles ab,
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum angenommen, 3) StZBl. Bln. 1961 S. 284 (Leitsatz)
daß die Zahlungen, die ein Steuerpflichtiger dafür erhält, 4) StZBl. Bln. 1959 S. 469.
daß er einem anderen gestattet, die auf seinem Grund und 5) StZBl. Bln. 1959 S. 329.
Boden vorhandene Bodensubstanz (Kies, Lehm usw.) ab- 6) StZBl. Bln. 1962 S. 310.
zubauen, grundsätzlich Einnahmen aus Vermietung und ır7) StZBl. Bln. 1962 S. 1883.