253 Steuer- und Zollblatt für Berlin 183. Jahrgang Nr.3 18. Januar 1963
und Auftragsbestätigungen den Schluß hätten ziehen müs- mit dem Finanzgericht davon aus, daß die Kaufverträge
sen, daß die Bfin. ihr Vertragsgegner sei. Denn in diesen der Kunden des Musterring-Möbelhauses bürgerlich-recht-
Formularen würden das Musterring-Möbelhaus Y als Liefe- lich mit der Bfin. zustande kamen und daß damit die Bfin.
rant bezeichnet und als Gerichtsstand der Sitz der Liefer- eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltete, und zwar als
firma, nämlich das Amts- oder Landgericht Y, angegeben. Verkaufskommissionär der KG. Daraus, daß die KG alle
Außerdem ersehe der Kunde aus dem Handelsregister des mit der Verkaufskommission zusammenhängenden Betriebs-
Amtsgerichts Y und aus dem Telefonbuch von Y, daß die ausgaben der Bfin. trug, ohne daß darüber schriftliche Ab-
Bfin. in. demselben Grundstück, in dem das Geschäftshaus machungen getroffen wurden, läßt sich der Umfang der
liege, ihr Geschäft betreibe. Auch das zwinge ihn zu der Verpflichtungen der KG, Verluste der Bfin. zu tragen, und
Annahme, daß die Bfin. es sei, die das Geschäft in Y unter- der Bfin., ihre Gewinne an die KG in vollem Umfang abzu-
halte, führen, weder sachlich noch zeitlich eindeutig bestimmen
Da somit die KG zwischen sich‘ und die Kunden des Mö- Und abgrenzen, Eine stillschweigende Vereinbarung einer
belhauses in Y die Bfin. als Kapitalgesellschaft eingeschaltet Ergebnisabführung im Rahmen eines Organverhältnisses
habe und die Kaufverträge mit der allerdings im Auftrage kann deshalb nicht anerkannt werden. Die Bfin. als echte
und für Rechnung der KG. handelnden Bfin. zustande ge- Verkaufsgesellschaft anzusehen, scheitert daran, daß sich
kommen seien, müsse die Bfin. die sich daraus ergebenden dieser Zweck nicht aus ‚dem Gesellschafts- und Gründungs-
steuerlichen Folgen tragen. Zwischen der Bfin. und der KG vertrag der Bfin. ergibt (Urteil des Reichsfinanzhofs I
bestehe kein Ergebnisabführungsvertrag im Rahmen eines A 135/32).
Organverhältnisses, und die Bfin. könne auch nicht als echte Nun hat der Reichsfinanzhof allerdings in den Urteilen
Verkaufsgesellschaft angesehen werden. Zu einer.solchen vı A 199/28 vom 7. November 1928 (RStBl. 1929 S. 60), VI
Annahme fehle es an einer eindeutigen und klaren Verein- A 191/33 vom 14. März 1934 (RStBl. 1934 S. 740) und VI
barung. Die Bfin. sei auch keine von der KG nur vorgescho- A 829/33 vom 17. Oktober 1934 (Steuer und Wirtschaft 1935
bene juristische Person im Sinn des Urteils des Reichs- 17 Nr.11) in Ausnahmefällen die Möglichkeit bejaht, daß
finanzhofs VI A 191/33 vom 14. März 1934 (RStBl. 1934 ger Gesellschafter die von ihm beherrschte Kapitalgesell-
S. 740). Die von der Bfin. im Interesse der KG ‚entfaltete, schaft als vorgeschobene Person zur Ausübung seines eige-
einer Verkaufskommission ähnliche Tätigkeit müsse daher nen, ihm unmittelbar zuzurechnenden Gewerbebetriebes mit
nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen beurteilt ger Maßnahme‘ benutzen könne, daß die Tätigkeit der Kapi-
werden. Daraus ergebe sich, daß eine der KG fremd gegen- talgesellschaft ihm unmittelbar als Gewerbebetrieb zugerech-
überstehende GmbH diese Verkaufstätigkeit nicht unent- net werde und ihn deshalb unmittelbar Gewinne und Verlu-
geltlich entfaltet hätte. ste der Kapitalgesellschaft träfen. Das setze aber unter
Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet. anderem voraus, daß die Kapitalgesellschaft alle Geschäfte
U Se unmittelbar im Auftrag und für Rechnung des Gesellschaf-
Der Bundesfinanzhof übernahm die ständige Rechtspre- ters tätige. Es mag sein, daß in Ausnahmefällen das Vor-
chung des Reichsfinanzhofs, daß derjenige, der Zwischen schieben der juristischen Person, die im Innenverhältnis im
sich und den Wirtschaftsverkehr eine Kapitalgesellschaft Avyftrage und für Rechnung ihrer Gesellschafter gewerblich
einschaltet, grundsätzlich die sich daraus ergebenden steuer- tätig ist, für die Art der Einkünfte der Gesellschafter von
lichen Folgen, besonders die sogenannte Doppelbelastung, Bedeutung ist. Zu einer Nichtanwendung der für die ver-
tragen müsse und daß mit diesem Grundsatz die steuerliche geckte Gewinnausschüttung geltenden Grundsätze kann aber
Anerkennung einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaf- gas Vorschieben der juristischen Person nicht führen, wenn
tern und ihrer Kapitalgesellschaft nicht vereinbar ist, wWo- die Voraussetzungen einer wirksamen. Gewinnabführungs-
nach "die Kapitalgesellschaft im Innenverhältnis nur für vereinbarung oder einer echten Ein- oder Verkaufsgesell-
Rechnung ihrer Gesellschafter und damit ohne eigenen Ge- schaft nicht vorliegen. Wer zwischen sich und den Kunden
winn tätig sein solle (vgl. z. B. Urteil des Reichsfinanzhofs I aus welchen betrieblichen Gründen auch immer eine Kapi-
A 135/32 vom 19. Dezember 1933, RStBIl. 1934 S. 663). Von talgesellschaft einschaltet, kann nicht verlangen, daß die
diesem Grundsatz wird nur für Organgesellschaften und so- Kapitalgesellschaft als steuerlich nicht bestehend behandelt
genannte echte Ein- und Verkaufsgesellschaften eine Aus- wirg. Stellt die Kapitalgesellschaft ihr wenn auch geringes
nahme gemacht (z.B. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 93/34 Betriebsvermögen und ihre Firma den Gesellschaftern un-
vom 30. Oktober 1934, RStBl. 1935 S. 808). Das Finanzge- entgeltlich zur Verfügung, so kann dieser Fall steuerlich
richt. hat zutreffend ausgeführt und begründet, daß zwi- nicht anders behandelt werden, als die Überlassung eines
schen der Bfin, und der KG keine Ergebnisabführungsver- „inslosen Darlehns. Deshalb prüfte das Finanzgericht mit
einbarung im Rahmen eines Organverhältnisses bestand und Recht, welche Vergütung die KG einer ihr fremd gegen-
daß die Bfin. auch nicht als echte Verkaufsgesellschaft an- überstehenden GmbH unter sonst gleichen Verhältnissen
gesehen werden kann. hätte zahlen müssen. Die Feststellung der Höhe dieser
Ein Ergebnisabführungsvertrag im Rahmen eines Organ- Vergütung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Da das Ergebnis,
verhältnisses bedarf einer eindeutigen, sich auf mehrere zu dem das Finanzgericht bei seiner Prüfung gelangte, im
Jahre erstreckenden Vereinbarung. Das gilt besonders für Rahmen des Möglichen liegt und keinen Rechtsirrtum er-
die Pflicht des beherrschenden Unternehmens, die Verluste kennen läßt, ist es für den Senat verbindlich ($ 288 Ziff. 1,
des Organs zu decken. Der Senat geht in Übereinstimmung 58 296 Abs.1 AO).
WE
Reichsabgabenordnung einer Steuererklärung nicht ausgeschlossen. Es mag dahin-
Beschluß des BFH vom 16. August 1962 — I 216 und 217/61 U%. gestellt bleiben, ob sich die Verweisung des $ 102 Abs.2 AO
auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Vertre-
(StZBIL Berlin 1963 8. 28) tung und Vollmacht (88 164ff. BGB) nur auf rechtsge-
nn - % schäftliche Willenserklärungen bezieht. Der in dieser Ver-
$ 107 Abs. 1 AO gilt auch für Wissenserklärungen. Er wejsung enthaltenen Einschränkung‘ „soweit in den 88 103
ist auch auf die Unterzeichnung von Steuererklärungen jv;s 111 nichts anderes vorgeschrieben ist“ kann jedenfalls
anzuwenden, nicht entnommen werden, daß sich auch die Anwendung des
. Zur Frage, wann ein Steuerpflichtiger im Sinne von 8 107 Abs.1 AO auf die Fälle der Vertretung im Willen
8 107 Abs. 1 AO „sonst verhindert“ ist, Pflichten.zu er- beschränkt. Sinn und Wortlaut dieser Vorschrift stehen
füllen, die ihm im Interesse der Besteuerung obliegen. einer solchen Auslegung entgegen. Sie läßt eine Bevoll-
AO 88 107 Abs. 1, 166; EStDV 1958 8 60 Abs. 1 Satz 2. mächtigung ohne Einschränkung in allen Fällen ZU, in denen
eine Person durch Abwesenheit oder sonst verhindert ist,
Aus den Gründen Pflichten zu erfüllen, die ihr im Interesse der Besteuerung
Ws trifft zu, daß die Steuererklärung in. der Hauptsache 1 9009s91, Oder: Rechte wahrzunehmen,‘ die ihr” nach “den
Sn Yan . 5 pP Steuergesetzen zustehen. Da die Pflichten, die im Interesse
eine Wissenserklärung ist (Becker, Reichsabgabenordnung, der Besteuerung zu erfüllen sind, in den weitaus überwie-
7. Auflage, 5 168, Anm.2). Deswegen ist jedoch die An- „cngen Fällen gerade darin bestehen, den Steuerbehörden
wendbarkeit des $ 107 Abs.1.AO auf den Fall der Abgabe das Wissen um die Grundlagen der Besteuerung mitzuteilen,
er umfaßt der Anwendungsbereich des $ 107 Abs.1 AO in be-
ı) BStBl. 1962 III S. 493. sonderem Maße die Fälle, in denen Wissenserklärungen ab-