GE Steuer- und Zollblatt für Berlin 12. Jahrgang‘ Nr.46 27. Juni 1962
(2) 833 EStG setzt dem Grunde nach voraus:
1. Der Steuerpflichtige muß belastet sein, d.h. in seine persönliche Lebenssphäre
muß ein Ereignis eintreten, das für ihn eine Last darstellt. Eine Belastung liegt nur‘
insoweit vor, als der Steuerpflichtige die Ausgaben selbst zu tragen hat. Deshalb
sind Unterstützungen, die der Steuerpflichtige zum Ausgleich der Belastung von
dritter Seite erhält (z. B. Beihilfe des Arbeitgebers in Krankheitsfällen; BFH-Urteil
vom 19. 7. 1957 — BStBl III S. 329), von den berücksichtigungsfähigen Aufwen-
dungen abzusetzen. Das gleiche gilt für Versicherungsleistungen, soweit diese nach
Inhalt und Zweck der Versicherung die betreffenden Ausgaben decken sollen (z. B.
Ersatzleistungen aus einer Krankenversicherung für Arztkosten; BFH-Urteil vom
15. 9. 1961 — BStBl III S. 516%). Vorgänge, die auf der reinen Vermögensebene
liegen (vgl. BFH-Urteile vom 11. 10. 1956 — BStBl III S. 383%” und vom 27. 3. 1958
— BStBl III S. 290%), können im Rahmen des 8 33 EStG grundsätzlich nicht be-
rücksichtigt werden. Das gleiche gilt im allgemeinen auch dann, wenn der Steuer-
pflichtige für seine Aufwendungen einen Gegenwert erhält (BFH-Urteile vom 20. 5.
1960 — BStBl III S. 3095 und 310%).
Dieses Ereignis muß für ihh außergewöhnlich sein, Voraussetzung ist nach
$ 33 Abs. 1 Satz 1 EStG, daß dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der
überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-,
Vermögens- und Familienverhältnisse erwachsen. Das bedeutet, daß es sich um
Aufwendungen handeln muß, die in den besonderen Verhältnissen des einzelnen
Steuerpflichtigen oder einer „kleinen Minderheit“ von Steuerpflichtigen begründet
sind (RFH-Urteil vom 28. 1. 1937 — RStBl S. 359 und OFH-Urteil vom 25, 11. 1949 —
MinBlFin 1949/50 S.3417)). Ereignisse, die in einem VZ bei der überwiegenden
Mehrzahl der in den gleichen Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen eintreten,
können also nicht im Rahmen des 8 33 EStG berücksichtigt werden. Fälle dieser Art
bedürfen vielmehr einer gesetzlichen Regelung. Hinsichtlich der Aufwendungen für
die Wiederbeschaffung von Hausrat oder Kleidung wird auf Abschnitt 189 hinge-
wiesen.
3. Das Ereignis und die Beseitigung seiner Folgen müssen für den Steuerpflichtigen
zwangsläufig sein, d.h. er muß sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder
sittlichen Gründen nicht entziehen können (Beispiele: Krankheit, Tod, Unfall,
Unwetterschäden). Diese Voraussetzung wird in der Regel nur bei dem Steuer-
pflichtigen und seinen Angehörigen im Sinn des 8 10 StAnpG vorliegen. Ausnahms-
weise können jedoch auch Aufwendungen für andere Personen zwangsläufig sein,
z. B. Zuwendungen eines Steuerpflichtigen an die Mutter seines unehelichen Kindes
(RFH-Urteil vom 3. 12. 1942 — RStBI 1943 S. 20) oder an eine arbeitsunfähig ge-
wordene langjährige Hausgehilfin (BFH-Urteil vom 8. 4. 1954 — BStBl III S. 1885)).
Die allgemeine sittliche Pflicht, in Not geratenen Mitmenschen zu helfen, kann die
Zwangsläufigkeit nicht begründen (BFH-Urteil vom 8. 4. 1954 — BStBl III S. 1888)).
Es müssen Aufwendungen vorliegen. Darunter sind Ausgaben zu verstehen. Be-
träge, die zur Bestreitung künftiger Ausgaben angesammelt werden, sind keine
Aufwendungen im Sinn des 8 33 EStG. Eine außergewöhnliche Belastung kann
erst im Zeitpunkt der späteren Verausgabung der angesammelten Beträge ein-
treten (BFH-Urteil vom 2. 12. 1954 — BStBl] 1955 III S. 43%)
(3) 833 EStG setzt der Höhe nach voraus:
Die Aufwendungen müssen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Der
Begriff der Zwangsläufigkeit ergibt sich aus 8 33 Abs. 2 EStG. Danach können die
Aufwendungen nur insoweit berücksichtigt werden; als sie den Umständen nach
notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die zwangs-
läufig erwachsenen Beträge sind notfalls zu schätzen. Dabei sind die Verhältnisse
des Einzelfalls zu berücksichtigen. Für die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
ist die Höhe des Vermögens des Steuerpflichtigen ohne Bedeutung. Unerheblich
ist auch, ob der Steuerpflichtige die Aufwendungen aus seinem Einkommen oder
seinem Vermögen bestritten hat.
Die zwangsläufigen Aufwendungen müssen die dem Steuerpflichtigen zumutbare
Eigenbelastung übersteigen (8 33 Abs. 1 EStG). Nur insoweit kommt es bei An-
wendung des 8 33 EStG auf die Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit
an. Die Höhe der zumutbaren Eigenbelastung ergibt sich aus der Übersicht in 8 64
EStDV. In die Spalte 3 dieser Übersicht fallen auch Steuerpflichtige, auf die nach
Abschnitt 184 Abs. 2 aus Billigkeitsgründen 8 32a Abs. 2 EStG angewendet wird und
die keinen Kinderfreibetrag erhalten. Als Kinder im Sinn der Spalten 4 und 5 gelten
auch Enkelkinder, für die der Steuerpflichtige nach Abschnitt 183 aus Billigkeits-
gründen einen Kinderfreibetrag erhält. Bei der Berechnung der zumutbaren Eigen-
belastung bleiben die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Kinder, die nach
$ 27 EStG mit dem Steuerpflichtigen zusammen veranlagt werden, außer Ansatz.
Wegen der Ermittlung der zumutbaren Eigenbelastung im Fall der getrennten Ver-
anlagung von Ehegatten nach 8 26a EStG wird auf Abschnitt 187 hingewiesen.
1) StZBl. Bln. 1958 S. 172. 6) StZBl. Bln. 1960 S. 800.
2) StZBl. Bln. 1961 S. 1346. 7) StZBl. Bln. 1951 S. 158.
3) StZBl. Bln. 1957 S. 295. 8) StZBl. Bln. 1954 S. 807.
4) StZBl. Bln. 1959 S. 310. 9) StZBl. Bln. 1955 S. 349
3) StZBl. Bln. 1960 S. 799.
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