Du Steuer- und Zollblatt für Berlin” 12. Jahrgang Nr. 3 19. Januar 1962
Lotteriesteuer keitsspiel. Er bezog sich dabei auf drei das Vorliegen eines
Urteil des BFH vom 8. Juni 1961 — II 115/57 UV. NND bejahende Gutachten von Universi-
. äten bzw. technischen Hochschulen. Überdies sei ihm kein
(StZBI. Berlin 1962 8. 30) Gewinn angefallen, da den 7392 DM Bruttoeinnahmen Un-
Ist der Veranstalter einer Ausspielung gutgläubig zu der kosten in Höhe von 9800 DM gegenüberstünden. Das
Überzeugung gelangt, daß das von ihm betriebene Kugel- Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.
spiel ein Geschicklichkeitsspiel darstelle, während es sich n -
in Wirklichkeit um ein Glücksspiel handelt, so kann sich Auf die Berufung des Bg. kam das Finanzgericht zur
dieser Umstand auf die Festsetzung der Höhe der Lotterie- Aufhebung der HEinspruchsentscheidung und des. Steuer-
steuer auswirken. A Sol setzte die Steuer auf 0 DM fest. Zwar
öÖnne das Spiel nicht als Geschicklichkeitsspiel angesehen
RennwLottG & 17. werden, da die Beurteilung auf den Durchschnitt der Spieler
Der Bg. betrieb in der Zeit vom 16. Oktober 1954 bis abzustellen sei. Auch nach einem der Gutachten sei eine
zum 20. Januar 1955 in einer öffentlichen Gaststätte ein gewinnversprechende, Beobachtung des Spielablaufs nur
rouletteartiges, als „Troulettespiel“ bezeichnetes Kugel- beim Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen möglich,
spiel, Das eigentliche Spielgerät, um das es sich handelte, die der Einflußnahme der Spielenden entzogen seien (z.B.
besteht aus einer kreisrunden polierten Holzscheibe von ordnungsmäßige Aufstellung des Spielgeräts, ständiges,
etwa 1,5 m Durchmesser, die, zur Mitte hin trichterförmig etwa jede Viertelstunde vorzunehmendes Nachpolieren des
mit leichter. Neigung abfällt. In der Mitte befindet sich Kessels unter Befreiung: von Staub, Art und Größe der
eine drehbar gelagerte Messingscheibe mit einem Durch- benutzten Kugel). Die Spieler könnten im Regelfall keines-
messer von etwa 37 cm, die während des Spielablaufs fest- wegs von ihren Plätzen aus den Ablösezeitpunkt wahr-
steht, deren Stellung aber von Spiel zu Spiel verändert nehmen, den vermutlichen. Auftreffpunkt bestimmen und
wird. Die Messingscheibe weist an ihrem Rand 39 halb- danach ihren Einsatz machen, ehe die Zeit bis zur Schluß-
kreisförmige gleich große Auffanglöcher auf, die als ansage abgelaufen sei. Auch nach dem vom Bg. weiter
Fanggruben für die Spielkugeln dienen. Der Fanggruben- beigebrachten vierten Gutachten erfordere die zielstrebige
ring ist in drei Abteilungen gegliedert. Die 13 Fanggruben Ausnutzung der im Spiel gegebenen Gewinnchancen Vor-
jeder Abteilung sind mit den Zahlen 0 bis 12, bei zwei aussetzungen, die beim Durchschnitt der Spieler nicht als
Abteilungen in unregelmäßiger Reihenfolge, bezeichnet. erfüllt angesehen werden könnten. Die vom Bg. für den
Die Fanggruben mit der Zahl 0 haben einen weißen Unter- Fall der Bejahung des Glücksspielcharakters erstrebte Be-
grund, von den übrigen Fanggruben haben je zwei neben- handlung der Veranstaltung nach den für die öffentlichen
einanderliegende Fanggruben einen schwarzen und je zwei Spielbanken geltenden Grundsätzen sei nicht möglich.
nebeneinanderliegende Fanggruben einen roten Untergrund; Öffentliche Spielbanken im Sinne des Gesetzes vom 14, Juli
zwischen den Nummernpaaren. mit schwarzem Untergrund 1933 (RGBI.I S. 480) seien — abgesehen von ihrer Zulas-
liegen je zwei nebeneinanderliegende Fanggruben mit Sung als Voraussetzung ihrer steuerlichen Anerkennung
rotem Untergrund. In die kesselförmige Holzscheibe mün- im Sinne der Veroränung vom 27. Juli 1938 (RGBIl. I S. 955)
det tangential eine horizontal konische Anlaufbahn für die - ausdrücklich auf Bade- und Kurorte beschränkt und ver-
Kugel von im Mittel etwa 112 cm Länge und etwa 15cm langten nach Art des in ihnen verkehrenden Publikums
Breite ein. In diese Anlaufbahn wird von einem der Spieler Nicht nur eine ganz andere Art des Spiels, sondern auch
eine Gummikugel eingeworfen. Die Kugel bewegt sich-nach viel weiterreichende Gewinnchancen und höhere Limitie-
dem Einlaufen in die kesselartige Holzscheibe zunächst je rungen. Die Spielbankabgabe ($ 5 der Verordnung vom
nach der Stärke des Einwurfs einigemal am Rande dieser 27. Juli 1938) sei eine ausschließlich für zugelassene Spiel-
Scheibe entlang und läuft dann infolge Verminderung ihrer banken im Sinne des Gesetzes vom. 14. Juli 1933 geschaffene
Geschwindigkeit durch Reibung in einer Spirale der Abgabe und finde auf die Veranstaltung des Glücksspiels
Messingscheibe zu, wo sie in einer der Fanggruben liegen- in nicht genehmigten Ausspielungen der hier vorliegenden
bleibt. Die Holzscheibe und die Anlaufbahn sind fest mit Art keine Anwendung. Die Befreiungsvorschrift des $ 18
dem Boden verbunden und werden durch den um sie RennwLottG greife nicht Platz, zumal der Bg. die erfor-
herumführenden Spieltisch nicht berührt. Der Spieltisch derliche Genehmigung der zuständigen Behörde unstreitig
trägt 13 Felder mit den Nummern 0 bis 12 und je ein Feld Nicht beantragt habe. Was die Berechnung der Steuer
mit rotem und schwarzem Viereck zum Setzen der Spiel- anlange, so sei Steuerberechnungsgrundlage die Summe
marken. Setzen können alle Spieler, und zwar auf eine der Einsätze der Spieler, die das Finanzamt im Streitfall
oder mehrere Nummern oder auf eine Farbe. Je Spieler auf das Zwölfeinhalbfache der Bruttoeinnahme geschätzt
und Spiel können bis zu fünf Marken gesetzt werden. habe, was nicht zu beanstanden sei. Zwar komme es für
Beim Setzen auf eine Zahl beträgt in dem Fall, daß die Bejahung oder Verneinung der Steuerpflicht nach dem
die Kugel eine Fanggrube mit dieser Zahl erreicht, der Urteil des Reichsfinanzhofs II A 86/22 vom 6. Oktober 1922
Gewinn des Spielers das Zwölffache des Einsatzes. Beim (Sig. Bd.10 S. 218, Mrozek-Kartei, Rennwett- und Lotterie-
Setzen auf eine Farbe beträgt der Gewinn nur das Doppelte gesetz, $ 17, Rechtsspruch 3) grundsätzlich nicht auf die
des Einsatzes. Der Mindesteinsatz beträgt 1 DM. Die Ein- Tragbarkeit der Steuer an, auch nicht darauf, daß der
sätze sind für die verschiedenen Gewinnmöglichkeiten ver- Unternehmer das Spiel als Geschicklichkeitsspiel. ange-
schieden hoch begrenzt. Die Zeitdauer vom Einwurf der Sehen und die Möglichkeit seiner Steuerpflicht nicht in
Kugel bis zur Ruhelage liegt über eine halbe Minute. Es Betracht gezogen habe. Jedoch widerspreche es nach dem
kann auch noch während des Laufes der Kugel auf der Urteil des Bundesfinanzhofs IV 241/52 U vom 3. Dezember
Spielbahn bis zu einem vom Spielleiter jeweils bekannt- 1953 (BStBl. 1954 IIT S.72, Slg. Bd. 58 S. 417) dem Gesetz,
gegebenen Zeitpunkt gesetzt werden. Dieser Zeitpunkt soll die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Feststellung
jedoch nicht vor dem letzten Umlauf der Kugel vor Be- der Besteuerungsgrundlagen zu unterlassen und dem wirt-
rührung mit dem Nummernkranz liegen, um dem Spieler schaftlich gegebenen Tatbestand erst mit Hilfe des 8 131
genügend Möglichkeiten zur Abschätzung der vermutlichen AO Rechnung tragen zu wollen. Die Prüfung ergebe, daß
Endlage der Kugel zu geben. Die Gewinnchance des Ver- die Steuerfestsetzung $ 1 Abs.2 des Steueranpassungs-
anstalters ist nach den in den Akten befindlichen Gut- Zesetzes (StAnpG), d.h. den Zweck und die wirtschaftliche
achten auf lange Sicht mit 5 v.H. bis höchstens 7,7 v.H. Bedeutung des RennwLottG und die Entwicklung der Ver-
der Einsätze anzunehmen. KEe nicht ausreichend DE habe. Hiernach
x a as Önne es nicht im Sinne des Gesetzes liegen, den Steuer-
5 DT ES RE Er N OS HS ES TEE (RERRWLOLEUN pflichtigen mit einer Steuer zu belasten, die im Ergebnis
fallende Ausspielung, da die Entscheidung über den Gewinn aan an Dan VermöSenSEeWIN weit Übhersteige,
Oherwt BR © jel. wenn auch der Gesetzgeber von der Voraussetzung aus-
Bapas Spielregeln so gestalten, daß ihm insgesamt ein den Steuer-
von 92400 DM (= das Zwölfeinhalbfache der Brutto- Anspruch überstel ender Nutzen aus der Veranstaltung
einnahmen des Bg. von 7392 DM) forderte das Finanzamt D ® ı B 2 be . en
Lotteriesteuer in Höhe von 15400 DM verbleiben würde. Im Streitfall habe sich kein Reingewinn
} 7 ergeben, daher sei die Steuer auf 0 DM festzusetzen.
Gegen den Steuerbescheid legte der Bg. Einspruch ein . « EN
mit der Begründung, es handle sich um ein Geschicklich- Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Auf-
hebung der Vorentscheidungen und zur anderweitigen
1) BStBl. 1961 III S. 553. Festsetzung der Steuer.
N)