Steuer- und Zollblatt für Berlin 11. Jahrgang Nr. 92 29. Dezember 1961 1367
Reichsabgabenordnung Mit der Rb. rügen die Bf. insbesondere Verletzung der
Vorschrift des $ 222 Abs. 1 Ziff, 4 AO sowie Verkennung des
Urteil des BFH vom 15. September 1961 — 11T 108/61 U), rechtlichen‘ Umfanges der Verpflichtung des Finanzamts
n zur Erteilung eines ordnungsmäßigen Bescheides auf einen
(StZBI. Berlin 1961 8. 1367) Antrag der Bf. Im einzelnen wird in der Rb. ausgeführt,
ein formell und materiell ordnungsmäßiger Bescheid auf
Zur Frage der Vornahme einer Tätigkeit des Finanzamts, gen Antrag zur Fehleraufdeckung sei nicht erteilt worden
insbesondere der Vorlage eines Antrages zur Aufdeckung Das Urteil der Vorinstanz sei auch deswegen fehlerhaft.
eines Fehlers durch die Aufsichtsbehörde gemäß S 222 weil es eine Untätigkeit des Bg. nicht angenommen habe.
Abs. 1 Ziff, 4 AO. ; Es könne nicht gebilligt werden, daß der stärkere Anspruch
VwGG Berlin $8 29 ff.; GG Art. 19 Abs. 4; AO $8 222 auf der 9: AbgabenDV-LA. und der schwächere Anspruch
Abs. 1 Ziff. 4, 285 ££. ; auf $ 222 AO beruhen solle. Rechtsirrtüumlich sei auch die
Auffassung der. Vorinstanz, wegen des damals rechtshängig
Der Treuhänder eines Berliner Grundstücks beantragte gewesenen. Rechtsmittelverfahrens habe kein Anlaß be-
im ‚Jahre 1954, für das Grundstück, das Kriegssachschäden standen, einen behaupteten Fehler durch die Aufsichts-
erlitten hatte, den Einheitswert. auf den 1. Januar 1950 fort- behörde beseitigen zu lassen. Die Fehlerhaftigkeit des am
zuschreiben und den fortgeschriebenen Einheitswert als 1.Januar 1950'noch gültigen Einheitswertes ergebe sich
Sonderwert auf den 1. April 1949 nach der Verordnung daraus, daß der Einheitswert auf den 1.Januar 1955 im
über’ die Behandlung‘ von Grundbesitz in Berlin (West) bei wesentlichen wegen Kriegssachschadehs durch eine Wert-
den Lastenausgleichsabgaben (9. AbgabenDV-LA) vom fortschreibung herabgesetzt worden sei. Da der Krieg 1945
28. Juni 1954 (BGBl. 1954 I S. 158, GVBl. Berlin 1954 S.425) zu Ende war, müsse der auf den 1.Januar 1955 ermittelte
festzustellen. Das’ Finanzamt hat die beiden Anträge ab- Einheitswert schon zum 1. Januar 1950 berechtigt gewesen
gelehnt. Einspruch ‚ist nur gegen- die‘ Ablehnung des Sein. Rechtsirrtümlich sei weiter die Auffassung der Vor-
Antrages auf Sonderwertfeststellung, nicht gegen die Ab- instanz, einem Steuerpflichtigen stehe ein Rechtsanspruch
lehnung des Antrages auf Wertfortschreibung des Einheits- aus 8 222 AO auf Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde
wertes auf den 1. Januar 1950 eingelegt worden. Der Treu- nicht zu.
händer erklärte sich im weiteren Verfahren beim Finanzamt
mit der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1955,.durch Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
die der Einheitswert wegen Kriegssachschadens herab- : En =. An
gesetzt worden ist, einverstanden, Den Einspruch gegen die Fine Klage, wie die Bf. sie erhoben haben, ist in der AO
Ablehnung des Antrages auf Sonderwertfeststellung nahm Nicht vorgesehen. Die Vorinstanz hat sie aber ohne Rechts-
er zurück. irrtum auf Grund des $ 195 Abs. 6 Ziff. 6 der Verwaltungs-
gerichtsordnung (VwGO) vom 21.Januar 1960 (BGBl. 1960
Die Bf. leiteten durch Schreiben vom 28. Dezember 1956 I 8.17 ) —- für Berlin übernommen durch das Gesetz zur
ein neues Verfahren zur. Wertfortschreibung des Einheits- Übernahme der Verwaltungsgerichtsordnung vom 4. März
wertes für Zwecke des Lastenausgleiches ein. Das Rechts- 1960 (GVBl. Berlin 1960 S. 207), —-, des Berliner Gesetzes
mittelverfahren ist in dieser Sache bis zum Bundesfinanzhof über. die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 8. Januar 1951
durchgeführt worden. Die Rechtsmittel sind in allen In- (VOBL. Berlin 1951 S. 46) sowie auf Grund des. Art. 19
stanzen ohne Erfolg geblieben. Im Verlaufe dieser. Streit- Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) für zulässig‘ angesehen (vgl.
sache hat der Bevollmächtigte der Bf. in ‚der mündlichen auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 76/57 S vom 3.März
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Untätigkeits- 1959, BStBl. 1959 III S. 251, Slg. Bd. 68 S..6612).
klage zu Protokoll des Gerichts erhoben. Die Klage wurde - . ß
damit begründet, daß schon der Antrag der ‚Bf. vom ‚Der Klageantrag geht dahin, festzustellen, daß das Fi-
28. Dezember 1956 auf Wertfortschreibung des Einheits- Nanzamt verpflichtet sei, das Bewertungsverfahren entspre-
wertes zum 1. Januar 1950 für Zwecke des Lastenaus- Chend den Anträgen der Bf. an das Landesfinanzamt als
gleiches pflichtgemäß als Antrag auf Berichtigung des Aufsichtsbehörde gemäß 8222 Abs. 1 Ziff. 4 AO abzugeben.
die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950 ablehnenden Es kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt auf einen
Bescheides hätte aufgefaßt und ‚der Aufsichtsbehörde Solchen Antrag hin tätig werden muß, sei es, daß es den
gemäß 8222 Abs. 1 Ziff. 4 AO zur Nachprüfung vorgelegt Antrag auf Vorlage der Akten an die Aufsichtsbehörde
werden müssen. Darauf habe der Vertreter der Bf. auch in ablehnt, sei es, daß es ihn vorlegt. Das Finanzamt ist nicht
einem besonderen Schriftsatz hingewiesen. Weiter sei aber Untätig geblieben. Es hat dem Bevollmächtigten, der /Bf.,
ausdrücklich beim Finanzamt beantragt worden, nach 8 222 Wenn auch nur fernmündlich, mitgeteilt, der Antrag auf
Abs. 1 Ziff, 4 AO zu verfahren. Über diesen‘Antrag sei nicht Fehleraufdeckung betreffe dieselbe Sache, die Gegenstand
antschieden worden. des schwebenden Rechtsmittelverfahrens sei; deshalb be-
X ı Ce stehe für eine Weitergabe des Antrages an die Aufsichts-
Das Finanzamt hatte dem Bevollmächtigten der Bf. fern- pehörde keine Veranlassung, Wenn die. Aufsichtsbehörde
mündlich mitgeteilt, eine Berichtigung des‘ Einheitswertes neben dem gerichtlichen Verfahren mit’ der Sache befaßt
auf den 1. Januar 1950 komme nicht in Betracht, weil der werden solle, mögen sich die Bf. unmittelbar an das Landes-
Antrag auf Wertfortschreibung zu diesem Stichtage unan- finanzamt wenden. Hierdurch ist das Rechtsschutzinteresse
fechtbar abgelehnt worden sei und offenbare Bewertungs- der Bf. vom Finanzamt. nicht verletzt worden. Die Bf.
fehler nicht vorlägen. Im übrigen sei die Sonderwertfest- hatten jederzeit die. Möglichkeit, ihre. Anregung: auf Fehler-
stellung Gegenstand des Berufungsverfahrens, in dem über aufdeckung bei der Aufsichtsbehörde vorzutragen oder sich
dieselbe Frage entschieden werde. Zu,einer Weitergabe des im Beschwerdeverfahren an sie zu wenden, Sie wurden in
Antrages auf Fehleraufdeckung an die Aufsichtsbehörde dieser Richtung durch das Finanzamt nicht gehindert. Ein
bestehe deshalb keine Veränlassung. Wenn neben dem Anspruch auf einen schriftlichen rechtsmittelfähigen Be-
gerichtlichen Verfahren die Dienstaufsichtsbehörde mit der scheid durch das Finanzamt besteht nicht.
Sache befaßt werden solle, mögen sich die Bf. unmittelbar
an das Landesfinanzamt wenden. Hiernach bedarf es keines Eingehens auf die Einwendun-
. has : & % gen der Bf., ob der stärkere Anspruch auf der 9. Abgaben-
ES OT NE De det RATES Die DV-LA. und der schwächere auf 8222 AO beruhe, ob sich
N Vornetanz et der AUPfMSS m Di den Nat S nn die Fehlerhaftigkeit des Einheitswertes-auf den 1. Januar
verhalte hinsichtlich. der N EraChle N ehen N REG En We +. 1950 durch den auf den 1. Januar 1955 fortgeschriebenen
fortschreib des Einheit ; rage auf Wert- mMinheitswert ergebe, und ob schließlich den. Bf. ein Rechts-
OrtSCchreIDUNG des Minheitswertes und Feststellung eines anspruch auf eine Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde
Sonderwertes sei. eine angebliche Untätigkeit. und eine zustehe.
ungebührliche Verzögerung seitens des Finanzamts nicht
festzustellen. Die Rb. war als unbegründet zurückzuweisen.
I) BStBl. 1961 III S, 524. 2) StZBl. Bln. 1959 S. 942.