1114 Steuer- und Zolblatt für Berlin 11. Jahrgang Nr.72 6. Oktober 1961
zutrifft, ist die Vorinstanz mit Recht davon ausgegangen, sonderheiten gewisser gerichtlicher Verfahren, die dem-
daß nach 8 32 des bereits erwähnten VGG vom 8. Januar gemäß eine andere Behandlung verlangen, ist in $ 114
1951, soweit nach der AO das Berufungsverfahren gegeben Abs. 2 die in Abs. 1 generell ausgesprochene sinngemäße
ist, an die Stelle des Finanzgerichts das Verwaltungsgericht Anwendung des Dritten Abschnitts derart näher bestimmt
Berlin getreten ist und nach $ 8 Abs. 1 des Dritten Über- worden, daß in Abweichung von der Regelung in der
leitungsgesetzes bis zum Inkrafttreten einer bundesgesetz- früheren RAGebO im Verfahren vor dem Finanzgericht
lichen Regelung der Finanzgerichtsbarkeit das Verwaltungs- der Rechtsanwalt nicht die erhöhte Gebühr, wie sonst in
gericht Berlin als Finanzgericht gilt. Sie hat zutreffend Berufungsverfahren erhält. Das hat seinen Grund darin,
darauf hingewiesen, daß auch das Gesetz über Maßnahmen daß nach der Verfahrensregelung der AO das Finanzgericht
auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit vom 22. Oktober im. steuerlichen Berufungsverfahren nicht als zweite ge-
1957 (BGBl. I S. 1746, GVBl. Berlin 1957 S. 1692) es dem richtliche Instanz entscheidet, sondern die Entscheidung
Land Berlin überläßt, ob das Finanzgericht vom Verwal- einer Verwaltungsbehörde vorausgeht, das Finanzgericht
tungsgericht zu trennen ist, und damit anerkennt, daß das also die erste Gerichtsinstanz ist. Das gleiche ist aber bei
Verwaltungsgericht zugleich die Finanzgerichtsbarkeit aus- der Übereinstimmung des Verfahrens auch bei den vor den
übt und insoweit den Finanzgerichten im Bundesgebiet Steuerkammern des: Verwaltungsgerichts Berlin schwe-
gleichgestellt ist. Mit Rücksicht auf diese durch gesetzliche benden Berufungen der Fall. Daher kann der Umstand, daß
Fiktion geschaffene Gleichstellung ist. nach Auffassung 8 114 Abs. 2 BRAGebO nur vom Finanzgericht spricht und
des Senats auch gebührenrechtlich kein Unterschied nicht daneben auch das Verwaltungsgericht Berlin in seiner
zwischen den Finanzgerichten des Bundesgebiets und den Funktion als Finanzgericht besonders erwähnt, nicht
Steuerkammern des Verwaltungsgerichts Berlin zu machen. dazu führen, diese Vorschrift entgegen den oben aufgeführ-
: . S .. ten, für eine gebührenrechtliche Gleichstellung sprechenden
Der Einwand der Bfin., daß eine Ausnahme, wie sie T . ; :
$ 114 Abs. 2 BRAGebO für die Finanzgerichte enthalte, ME auch auf das Verwaltungsgericht Berlin
nhicht ausdehnend ausgelegt werden könne, kann dem- BRZHWENGEN,
gegenüber nicht durchgreifen. Mit Rücksicht auf die Be- Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Reichsabgabenordnung Der Sachbearbeiter wurde wegen in Tateinheit began-
ei X gener Vergehen nach 88 332, 267 des Strafgesetzbuches
yrieil des BFH vom 18. Aprıl 1961 -— 1. 19/60: 0). (StGB) und 8 8396 AO rechtskräftig verurteilt. Der Gesell-
(StZBIl. Berlin 1961 S. 1114) schafter-Geschäftsführer wurde von dem Vorwurf, Ver-
A AR gehen im Sinne des $ 333 StGB, 8$ 48, 267 StGB und 8 48
Unrichtige Steuerfestsetzungen, die durch Bestechung ver- StGB in Verbindung mit 88 391, 396 AO begangen zu haben,
anlaßt sind, können insoweit geändert werden, als die mangels Beweises freigesprochen.
Bestechung für sie ursächlich war. . N
AO 88 94, 96 Abs. 2 Nachdem die Verfehlungen des Sachbearbeiters entdeckt
" waren, erließ das Finanzamt am 9. September 1957 neue
Aus den Gründen Körperschaftsteuerbescheide, die es auf $ 92 Abs. 3 AO
Auf Grund der bei der Bfin., einer GmbH, im Jahre 1953 Stützte. Diesen Bescheiden liegen die Ermittlungen der im
durchgeführten Betriebsprüfung wurde der körperschaft- Jahre 1953 durchgeführten Betriebsprüfung zugrunde.
steuerpflichtige Gewinn für 1950 und für 1951 erhöht. Der ; ru nd die B n 5 ;
Sachbearbeiter stellte die Berechnungsbogen für 1950 und ans der Test aesbtslen DELETE ut a SS
für 1951 her und versah sie mit seinem Namenszeichen;
der zuständige Sachgebietsleiter, der Vorsteher des Finanz- Mit der Rb. wendet sich die steuerpflichtige GmbH
amts, zeichnete die Berechnungsbogen ebenfalls ab. Die in Weiterhin gegen die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der
den Bescheiden festgesetzte Körperschaftsteuer wurde in Bescheide vom 9. September 1957. Sie ist im Ergebnis
die V-Liste eingetragen. Um diese Zeit sprach der Proku- unbegründet.
rist der Bfin. bei dem Sachbearbeiter vor, um eine Vermin- ni : x
derung der Gewinne oder Billigkeitsmaßnahmen zu er- Karen CS Sn EEE TEE CT
reichen. Zeitlich danach vernichtete der Sachbearbeiter die ascheide Oeauchen aur dann zurü cChernommen Oder. ge-
eiden Berechnungsbogen. ie für die GmbH bestimmten AU - DE
Körperschaftsteuerbescheide zu dieser Zeit noch nicht aus- Sa Dejaben. Der Mensel der Mitw han des Sechgemets
gefertigt waren oder die Ausfertigungen” ebenfalls | ver leiters als des berufenen Organwalters hat nicht zur Folge,
nNichtet wurden, ist nicht feststellbar. Am 12. Oktober 1953 daß die im Oktober 1953 erfolgten Steuerfestsetzungen
stellte der Sachbearbeiter neue Berechnungsbogen aus, in 1. Nicht Akte anzusehen sind. Sie sind auch nicht nichti
denen er die Gewinne um je 3000 DM minderte; er versah weil sie durch Bestechung veranlaßt wurden, Nach all S
sie mit seinem Namenszeichen. Auf den Berechnungsbogen meiner Meinuns ist. ein Verwaltunesakt nicht deswe en
brachte er auch das Namenszeichen des Sachgebietsleiters |... EEE 8 5
. : ; nichtig, weil eine Täuschungs- oder Bestechungshandlung
an. Ob dies vor der Eintragung der in den Berechnungs- eines Beteiligten für seinen HErlaß ursächlich war (vgl
bogen ermittelten Körperschaftsteuer in die V-Liste oder Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl, S. 278; N Dersthetr
danach geschah, konnte nicht festgestellt werden. Auf Verwaltungsrecht 7. Aufl Ss 92921 ff nn Wolff. erwaltun 8
Grund der Berechnungsbogen wurden die Steuerbescheide recht; 3, Aufl, S "962: Urteil‘ des Verwaltungsgeri N ShtelLofs
ausgefertigt. Die Ausfertigungen wurden am 20. Oktober Stuttgart 1 S 94 /57 v om 26. Juni 1958, Die öffentliche Ver-
1953 zur Post aufgegeben. Nach Absendung der Ausferti- „aıtung 1958, S. 713). Für den Streitfall enthält wohl die
gungen radierte der Sachbearbeiter den in der Erläute- AQ_ keine besondere Vorschrift die bei Bestechung die
rungsspalte des Körperschaftsteuerberechnungsbogens 1950 Zurücknahme oder Änderung eines Steuerbescheides ‚aus-
von ihm angebrachten Vermerk „Die Veranlagung erfolgt drücklich vorsieht (vgl. 8892 Abs. 3, 94, 196, 201 Abs. 3
nach Rücksprache mit dem Betriebsprüfer“ aus; er ersetzte „7.4 6. 222 bis 225 AO vgl auch: 8’ % Abs 5 und 3 des
ihn durch den Vermerk: „Der Veranlagung liegt das sta ueranpassungsgesetzes). Man muß aber bei Bestechungs-
Ergebnis der Betriebsprüfung zugrunde.“ In dem gegen den ,.glungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen jedenfalls
Sachbearbeiter durchgeführten Strafverfahren stellte sich Änderungen, soweit die Bestechungshandlung reicht, zu-
heraus, daß er den Gesellschafter-Geschäftsführer der Bfin. lassen. Dieser Rechtsgedanke kommt z. B. auch in 8 96
auf dessen Einladung aufgesucht hat; es konnte nicht fest- Abs. 2 AO zum Ausdruck. Im Streitfall hat das Finanzamt
Eee du En N de ED im ee Te BETEN die Steuerbescheide in der Weise geändert, daß sie inhalt-
(ORT 9 we & re un N Sachbeerpeiter dt einem verschletsenen lich den auf Grund des Ergebnisses der Betriebsprüfung
dr A tun schlas 500 DM. vom Sachbearbeiter hergestellten und vom Sachgebiets-
K ° leiter abschließend gezeichneten Berechnungsbogen ent-
Sn sprachen, die der ungetreue Sachbearbeiter nachträglich
ı) BStBl. 1961 III S. 342. vernichtete. Hiergegen bestehen keine Bedenken.