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Volume Nummer 23, 18. April 1961

Full text: Steuer- und Zollblatt für Berlin (Public Domain) Ausgabe 11.1961,1 (Public Domain)

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(LA 810) Steuer- und Zollblatt für Berlin 11. Jahrgang Nr. 23 18. April 1961 
ren - Teils der von der KriegsschadensberückSgichti- gen zuteil werden. Noch weniger liefert die Gegen- 
gung betroffenen Ehepaare im Vergleich zu zwei Le- überstellung der. beanstandeten Norm mit familien- 
digen kann daher bei dem begonderen Charakter freundlichen Bestimmungen anderer Steuergegetze 
der Vermögensgabgabe als Nebenfolge der über- oder des gesamten Rechtssystems eine geeignete 
wiegend die Ehe begünstigenden oder neutralen Basis für die Prüfung, ob „im Ergebnis“ eine Be- 
Regelung hingenommen werden, zumal der ent- nachteiligung vorliegt. 
Stehende Nachteil häufig durch eine Erhöhung der Die mit der Zusammenveranlagung verknüpften 
Hauptentschädigung ausgeglichen wird. Begünstigungen wiegen aber die Benachteiligung 
Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch die Preibetragsregelung nicht auf: Bei der 
Regelung des allgemeinen Freibetrags beruhen auf Möglichkeit, die Schulden des einen Ehegatten vom 
einer bestimmten Interpretation von 8 29 Abs. 1 Vermögen des anderen abzuziehen, handelt es Sich 
LAG. Bei dieger Auslegung wären gie begründet. um Einzelfälle, die für die Gesamtheit der Zusam- 
Sie ist jedoch nicht zwingend. Die Bestimmung menveranlagten ohne Bedeutung Sind (vgl. BVerfGE 
kann auch 80 ausgelegt werden, daß gie mit der 6, 55 [84]). Die Familienermäßigung kann als Aus- 
Verfasgung in Einklang steht. gleich für die Freibetragsregelung nur wirken, 8o- 
" ; weit gie auf der Ehe beruht - „Ehefrauenermäßi- 
2) 3 29 Abs. 1 LAG wird bisher von den Steuer- gung“ --, nicht Soweit gie als „Kinderermäßigung“ 
behörden mit Billigung des Bundesfinanzhofs (vgl. der Belastung des Vaters mit Unterhaltspflichten 
ingbesondere Urteil vom 7. Dezember 1956 in BStBl. Rechnung trägt. Sogar für die Ehefrauenermäßi- 
1957 I11 S. 235)) dahin ausgelegt, daß „der Wortlaut, gung ist nicht zweifelsfrei, ob gie als Ausgleichs- 
bei unbeschränkt abgabepflichtigen natürlichen Per- faktor angegehen werden darf. Das kann jedoch 
Sonen ... Sowohl den Fall der jeweils Selbständig dahingestellt bleiben, denn die Ermäßigung macht 
für gich als der zusammen veranlagten Ehegatten“ im Höchstfall 20 DM im Jahr aus, ist also im Ver- 
decke; mit dem „der Abgabe unterliegenden Ver- gleich zu der möglichen Benachteiligung unbeträcht- 
mögen“ Sei bei den nach 8 38 LAG Zusammenver- lich. Daß Schließlich die geringfügigen Vorteile 
anlagten „gemäß 385 21, 22 LAG das zusammen- durch Berücksichtigung der Vermögensabgabe bei 
gerechnete Vermögen der Ehegatten“ zu verstehen; der Einkommen- und Vermögengteuer als Kompen- 
zusammen veranlagten Ehegatten dürfe der Frei- gation Keine Rolle spielen, bedarf keiner besonderen 
betrag demnach nur einmal gewährt werden. Begründung. 
So ausgelegt wirkt aber 8 29 Abs. 1 LAG für alle dd) Die Benachteiligung Zusammenveranlagter 
zusammen veranlagten Ehepaare, deren Vermögen durch die Freibetragsregelung kann auch nicht als 
- einzeln oder zusammengerechnet - innerhalb der „unbeabsichtigte Nebenfolge“ in „bestimmten Fäl- 
Besteuerungsgrenze von 35 000 DM liegt, abgabe- len“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesver- 
erhöhend; damit enthält er ingoweit einen stören- fasSungsgerichts gewertet werden (BVerfGE 6, 
den Eingriff zum Nachteil Verheirateter. Der vom 55.1771). 
wi dam Bodega vert AnnE Os Bs mag Sein, daß der Gegetzgeber die nachteiligen 
Solcher Eingriff Sei noch mit Art. 6 Abs. 1 GG ver- Wirkungen der Freibetragsregelung für Ehepaare 
einbar, kann nicht beigepflichtet werden. Keines wi Ea 20 in na ' ma ie ch uns 
der vorgebrachten Argumente überzeugt. noch nicht klargestellt war. Darauf kann es aber 
aa) Daß es gSich nur um einen „Reflex von Ver- nicht ankommen. Eine - bei der bisherigen Aus- 
günstigungen“ handele, ist ohne Bedeutung. Ver- legung - allgemein und unverkennbar aus dem 
fasSungsrechtlich entscheidend ist die Ungleichheit, Inhalt des Gegetzes Sich ergebende Auswirkung, 
die darin liegt, daß zwei Pergonen zusgammen nur wie hier die Abgabeerhöhung für Zusammenver- 
dieselbe Vergünstigungsmöglichkeit eingeräumt ist anlagte, kann nicht als unbeabgichtigte Nebenfolge 
wie Sonst einer Einzelperson und daß diegse - Schon im Sinne der Rechtsprechung des Bundegverfas- 
mit Art. 3 Abs. 1 GG kaum vereinbare - Benach- Sungsgerichts angesehen werden. 
teiligung zudem an die Ehe geknüpft ist. Ob die Die Benachteiligung ist ferner nicht auf „bestimmte 
Benachteiligung in eine erhöhte Verpflichtung der Fälle“ beschränkt. Benachteiligt Sind zwar nicht 
Ehepaare oder in eine erhöhte Begünstigung der alle Zusammenveranlagten oder alle, für die die 
anderen Abgabepflichtigen gekleidet ist, Spielt keine Freibetragsregelung gilt, wohl aber alle, die Sowohl 
Rolle. Die Benachteiligung verliert auch dadurch, von der Zusammenveranlagung wie von der Frei- 
daß Sie in der Verkürzung von Freibeträgen besteht, betragsregelung betroffen Sind. Auf diese aber 
nicht den Charakter als Akt der Eingriffsverwal- kommt es hier allein an. 
tung. Die Regelung bestimmt - ingofern ähnlich Die ab * . | : 
: . . N gabeerhöhende Wirkung der Verbindung von 
wie der Tarif = nur das Maß des Eingriffs. Zusammenveranlagung und Freibetragsregelung für 
bb) Unerheblich ist, daß die Zusammenveranlagung diese Gruppe kann auch inhaltlich nicht als „Neben- 
zur Vermögensabgabe keine „Gefährdung der Be- folge“ charakterisiert werden; die Mehrbelastung 
reitschaft zur Ehegschließung“ herbeiführen kann. ist vielmehr für die Abgabepflichtigen die einzige 
Es genügt, daß bestehende Ehen betroffen werden. Folge dieser Verbindung. Auch liegt gie je nach 
I. . der Zusammensgetzung des Vermögens im BEinzel- 
ec) Der Donäehfcn2ung Stichen auch Reine Aus fall zwischen 50 me 000 DM, kann also Schon 
reichenden Kompengationen gegenüber. Die Frage . : 06.252 
nach einer „Saldierung“ von Vorteilen und Nach- nicht als absolut geringiügig und deghalb unbcacnt- 
: „„ . . lich abgetan werden. Vor allem fällt gie relativ ins 
teilen kann nur innerhalb der von der Freibetrags- : 20 2e ; 
. : . Gewicht, da gie gich nur innerhalb der Besteue- 
regelung in Verbindung mit der Zusammenveran- EEN ; 
. 3 35 000 DM augwirkt. 
lagung materiell betroffenen Gruppe von Ehe- VUNSSSPCBZG VON 
paaren gestellt werden, denn nur innerhalb dieger ee) Die Abgabeerhöhung durch die Freibetrags- 
Gruppe ist es möglich, Vorteile und Nachteile der regelung in ihrer herkömmlichen Interpretation 
Regelung festzustellen und zu würdigen. Es dürfen kann endlich weder aus dem Wegen der Ehe noch 
nicht Personengruppen in den Kreis der Betrach- aus einer größeren wirtschaftlichen Kraft der Ver- 
tung einbezogen werden, die von der zu prüfenden mögen von Eheleuten gerechtfertigt werden. 
Norm nicht betroffen Sind. Für die Vermögensabgabe gilt ebenso wie für die 
Die Nachteile der Freibetragsregelung für Zusgam- Einkommensteuer, daß das Wesen der Ehe allen- 
menveranlagte können daher nicht durch Vorteile falls eine Steuerliche Besserstellung der Ehegatten 
aufgewogen werden, die einzelveranlagten Verhei- begründen könnte; doch ist „nicht verständlich, 
rateten in Gestalt der Familienermäßigung auf die wie eine steuerliche Schlechterstellung der Ehe- 
Vierteljahrsbeträge oder Ausgleichsberechtigten gatten mit der höheren sittlichen Bewertung ihres 
durch gewisse familienbezogene Ausgleichsleistun- der Besteuerung zugrunde liegenden Status Sollte 
gerechtfertigt werden können“ (BVerfGE 6, 55 
5) StZBL. Bin. 1957 S8. 489. [79]).
	        
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