Steuer- und Zollblatt für Berlin 11. Jahrgang Nr. 5 27. Januar 1961 vl
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und besondere durch Zeitablauf bedingten Schwierigkeiten und
zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur damit gegebenenfalls die Nichterweisbarkeit Seiner Be-
erneuten Prüfung und Entscheidung. hauptung gegenüber dem Rechtsscheincharakter der Voll-
Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde vom 4. Juni machtzurkunde auf Sich nehmen mus. Ds muSSen nier die
1957 umfaßt die in ihr niedergelegte Vollmacht auch die Sie GUS SUI id nenn 36
Befugnis zur Rechtsmittelrücknahme (Urteil des Bundes- 3 Entscheid 1 94/56 U 95. September 1956
finanzhofs I 235/54 U vom 6. November 1956, BStBl 1957 Seinen Eintscheldungen / NON 273: SEDLEINDEX
EN 33 NIE (BStBI. 1956 III S. 341, Sig. Bd. 63 S. 379) und IV 541/55 U
III S.7, Sig. Bd. 64 8S.192?)). Für die Begründung, Wirkung 22. August 1957 (BStBL 1957 III 8.366, Sig. Bd. 65
und die - teilweise oder völlige - Beendigung der Vollmacht 28 43) A 8 . < E . . S- SEIEN
. . . : | ) entwickelt hat. Soweit es im Falle der Bejahung
gelten nach 8 102 AO die Vorgchriften des bürgerlichen -. rk VENSCHESDRUDS der UFSDFÜINSUEH erteilten
Rechts, Soweit in den 88 103 bis 111 AO nichts anderes 8/78? WITK8Samen 8 Dns
VorzeSchricben 13t Vollmacht darauf ankommen Sollte, ob der Vertreter des
8 * Bf. - wie er in der Verhandlung vom 1. April 1958 erklärt
Da die Voraussetzung des 8 173 BGB -- mangelnde Gut- hat - die Rechtsmittelrücknahme mit Kenntnis und Billi-
gläubigkeit des Finanzamts im Sinne dieger Vorgchrift - gung des Bf. und Seiner Ehefrau erklärt hat, würde der
offensichtlich nicht gegeben ist, kommt es für die Ent- Nachweis hierfür dem Finanzamt obliegen.
Scheidung maßgeblich darauf an, ob der Bf. die von ihm ME . . A .
erteilte Vollmacht, Soweit Sie zur Rechtsmittelrücknahme VUnabhängig von diesen beweisrechtlichen Erwägungen
ermächtigt, dem Finanzamt gegenüber gemäß und den gich daraus ergebenden Folgen einer „etwaigen
8 168 BGB in Verbindung mit 8 167 Abs. 1 BGB wirksam Nichterweisbarkeit war das Finanzgericht gemäß 8 243
widerrufen hat (vgl. Kommentar zum BGB, heraus- APs.1 AO verpflichtet, die tatsächlichen Verhältnisse v on
gegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, Ber- Amts wegen zu prüfen. Der Bf. rügt mangelnde Sach-
lin 1959, zu 8 168 Anm. 13 8.612). Wenn das zu bejahen aufklärung. Seine Rüge ist begründet. Das Finanzgericht
Sein gollte, war die Rücknahmeerklärung vom 16. November Pat Sich mit den Erklärungen des Sachbearbeiters und des
1957 nur dann wirkeam, wenn der Bf. Seinem Vertreter Betriebsprüfers So, wie Sie abgegeben worden sind, be-
dazu neuerlich durch entsprechende Erklärung Vollmacht 82?ügt. Damit hat es den Grundsätzen zuwidergehandelt,
erteilt hatte (8 167 Abs. 1 BGB). die der erkennende Senat bereits in. Seiner Entscheidung
ME N N IV 305/55 U vom 7. März 1957 (BStBl. 1957 II S.197, Sig.
Nach 3 173 BGB könnte gich das Finanzamt auf den Ba. 64 8.5289) ausführlich dargelegt hat. In dieser Ent-
unveränderten Weiterbestand der Sich aus der Vollmachts- Scheidung hat der Senat unter anderem ausgesprochen, daß
urkunde ergebenden Vertretungsmacht (im Sinne des 8 172 für das steuergerichtliche Verfahren der Grundgatz der
BGB) dann nicht berufen, wenn es im maßgeblichen Zeit- unmittelbaren Beweisaufnahme mit der Maß-
punkt - d.h. am 16. November 1957 -- eine etwaige in- gabe gilt, daß in der Regel den Beteiligten Gelegenheit zur
terne Einschränkung der Vollmacht gekannt hätte oder Teilnahme am Beweistermin mit Fragerecht zu
hätte kennen müssen. Diese Möglichkeit Scheidet jedoch geben ist. Er hat insbesondere auch ausgesprochen, daß
hier aus. Für eine derartige Annahme bietet der Sach- daß beteiligte Finanzamt grundsätzlich nicht mit der Be-
verhalt keinen Anhalt, obwohl -- trotz der den Finanz- weisaufnahme betraut werden darf. Nach diesen Grund-
ämtern in 5 107 Abs. 4 Satz 2 AO gegebenen Befugnis - gätzen wird das Finanzgericht, an das die Sache zurück-
auffallen muß, daß es Sich wegen der Rechtsmittelbegrün- geht, nunmehr zu verfahren haben.
dung und einer etwaigen Rechtsmittelrücknahme nicht an
den Helfer in Steuergachen, Sondern an den Bf. und geine Das Finanzgericht bestimmt Umfang und Art der Be-
Ehefrau gewandt hat. Der Bf. stützt Sich auch nach der weisaufnahme. Es entscheidet nach Seinem Ermessen auch
Gegamtheit Seines rechtlichen Vorbringens ergichtlich nicht über die Abnahme eines Eides oder einer eidesstattlichen
auf 8 173 BGB. Er beruft gich vielmehr darauf, daß er die Vergicherung. Die Ehefrau des Bf. ist im Streitfall Steuer-
erteilte Vollmacht d em Finanzamt gegenüber plichtige (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 27/58 U vom
in dem Sstreitigen Punkt wirksam im Sinne der 88 167, 168 11. März 1958, BStBI. 1958 III S. 212, Sig. Bd. 66 S. 556%)).
BGB widerrufen habe. Wenn er in dieger Hingicht die Sie ist nicht „andere Person“ im Sinne der 88 175 ff. AO
von ihm behaupteten wiederholten Erklärungen, daß er die und kann deghalb auch nicht zur Eidesgleistung nach 8 182
Einsprüche bis zur Entscheidung ohne RückSgicht auf eine AO zugelassen werden.
etwaige Kostenlast durchführen wolle, für ausreichend er- . |
achtet, 80 kann dem nicht entscheidend entgegengehalten Der Senat empfiehlt in Anbetracht der Beweislage und
werden, daß diese Erklärungen deshalb nicht als Widerruf des Umstandes, daß zum Teil Behauptung gegen Behaup-
im Sinne der gegetzlichen Bestimmungen angegehen wer- tung steht, unter Hinweis auf Seine Entscheidung IV 410/52
den könnten, weil mit ihnen noch keine „ausdrückliche Ein- ÜO vom 29. Oktober 1953 (BStBI. 1954 III S. 6, SIg. Bd. 58
Schränkung der Vollmacht“ zum Ausdruck gebracht Sei. S. 239) die Durchführung der Beweisaufnahme in münd-
Der hierzu von der Vorinstanz vertretene Standpunkt er- licher Verhandlung vor der Kammer (88 272 ff. AO),
Scheint dem Senat zu formal. Die von dem Bf. behaupteten da nur gie lebendige und unmittelbare Eindrücke vermittelt
Erklärungen gind für die Zukunft 80 abschließend und aus- (V21. auch Berger, Der Steuerprozeß, S. 405). In seiner
schließlich, daß nach ihnen - wenn gie zutreffen gollten - Entscheidung IV 410/52 U hat der Senat ausgeführt:
für ein gegenteiliges Handeln des Vertreters auf der Grund- „--. Die Durchführung einer mündlichen Verhand-
lage der ursprünglichen Vollmacht kein Raum mehr lung ist wie keine andere prozesSuale Maßnahme ge-
bliebe. Zu Unrecht beruft Sich die Vorinstanz in diesem eignet, der Erforschung des Sachverhalts bis in alle
Zusammenhang auf die Verhandlungen, die der Vertreter Einzelheiten zu dienen und im Zusammenhang mit dem
des Bf. vor der Rücknahmeerklärung mit dem Betriebs- persönlichen Eindruck der Prozeßpartei ein Bild von
prüfer geführt hat. Diese Verhandlungen entsprachen Seiner den Beweggründen ihres Handelns zu geben. Welche
vertraglich übernommenen Aufgabe, die durch die vom überragende Bedeutung der Gegetzgeber der münd-
Bf. behauptete Vollmachtsbeschränkung unberührt blieb. lichen Verhandlung beimißt, erhellt aus der Tatsache,
0 6 : N . . daß ein Antrag des Steuerpflichtigen auf Anberau-
un MERE IE EERENEN 0 mung der mündlichen Verhandlung nur durch einstim-
S - .. ; , migen Gerichtsbeschluß zurückgewiesen werden kann
der die Rücknahmeerklärung entgegengenommen hat, wo- und daß die mündliche Verhandlung Schon dann an-
bei den Bekundungen des Betriebsprüfers und des Helfers geordnet werden m uß , wenn gie auch nur von einem
ES GLSIUGH unterstützender Beweiswert zukommen Mitglied des Gerichts verlangt wird.“
. | | 0: Sollte das Finanzgericht nach dem Ergebnis geiner er-
Erteilung Una WIGerTuf P2%: EUNSCHLÄNKUNG der Voll- neuten Prüfung zu einer Entscheidung in der Sache gelbst
macht bedürfen grundsätzlich nicht der Schriftform (88 167, elangen, wird das Urteil des Senats IV 27/58 U
168 BGB). Die von dem Bf. behaupteten Erklärungen E nE SE CSE be HT : : Vom
konnten daher mündlich wirksam erfolgen. Das hat in- II eL: CHTE EI
dessgen zur Folge, daß der Bf. die beweisrechtlichen, ins-
3) StZBIL. Bin. 1958 S. 206.
; TEE v 4) StZBI. Bin. 1957 S. 1266 (Leitgatz).
2) StZB]I. Bin. 1957 8. 427. : 5) StZBIL. Bin. 1958 S. 946.