960 Steuer- und Zollblatt für Berlin 10. Jahrgang Nr.80 9. Dezember 1960
Allein entscheidend ist, ob der Schaffende schöpferische mangels hinreichender eigener Fachkenntnisse das Gut-
Leistungen vollbringt, das heißt Leistungen, in denen sich achten eines geeigneten Sachverständigen einholen müssen.
seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft Wenn von den Beteiligten keine gerechtfertigten Einwen-
widerspiegeln und die neben einer hinreichenden Beherr- dungen erhoben werden, bestehen keine Bedenken, daß die
schung der Technik der betreffenden Kunstart eine ge- Gerichte auf die bei den einzelnen Oberfinanzdirektionen
wisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Hieran zu diesem Zwecke gebildeten Gutachterkommissionen zu-
und damit an der Tätigkeit als Künstler fehlt es, wenn rückgreifen. Es besteht kein Anlaß, der Unparteilichkeit
sich der Graphiker an ins Einzelne gehende Angaben und dieser Kommissionen’ nur deshalb zu mißtrauen, weil sie
Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihm von Verwaltungsbehörden bestellt worden sind.
infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine ? «
Schöpferische Leistung bleibt; ferner dann, wenn seine Das Gutachten muß so gehalten sein, daß es die Bildung
Erzeugnisse nicht Ausdruck seiner individuellen Anschau- einer sicheren Überzeugung ermöglicht. Es ist keineswegs
ungsweise und Gestaltungskraft sind, sondern beispielsweise ©Iforderlich, daß jedes einzelne vom Steuerpflichtigen im
nur dem Geschmack der Masse, einer neuen Moderichtung, Streitjahre geschaffene Werk daraufhin untersucht wird,
einem neuen Stilgefühl folgen oder wenn die Formgebung ob es ein Kunstwerk darstellt oder nicht. Es ist vielmehr
aus dem allgemeinen Formenschatz genommen ist oder auf die vom Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum aus-
bekannte Vorbilder zurückgeht; schließlich auch dann, ‚ve Tätigkeit ra Ob nn Celle — N
wenn die Erzeugnisse zwar eigenartig oder technisch Anlegung eines strengen Maßstabs — festzustellen, ob sie
vollendet sind und gutes oder sogar bestes handwerkliches - im ganzen gesehen — als eine grundsätzlich schöpferische
Können zeigen, aber eine gewisse künstlerische Gestaltungs- Und damit künstlerische anerkannt werden kann oder
höhe vermissen lassen. Unter diesen Gesichtspunkten wird Nicht. Ein Steuerpflichtiger, dessen Erzeugnisse auf dem
die Tätigkeit von Graphikern, die sich darauf beschränken, einen Gebiet (z. B. dem der Gebrauchsgraphik) — im gan-
Entwürfe für Werbebilder, Prospekte, Buchumschläge, zen gesehen — nicht als Kunstwerke anzuerkennen sind,
Warenumhüllungen, Schaufensterdekorationen und der- kann dennoch auf einem anderen Gebiete (z. B. als Kunst-
gleichen zu fertigen, Photomontagen auszuführen oder auf Maler) künstlerisch tätig sein und dann insoweit die Be-
dem Gebiete der Formgebung industrieller Erzeugnisse günstigungsvorschrift des 8 4 Ziff, 17 UStG beanspruchen,
Aare LES vielfach nicht als die eines Künstlers Soweit in. dem mehrfach erwähnten Urteil des Bun des-
4 finanzhofs 134 vom . November 8.8.0.
Ob im HEinzelfalle schöpferische Leistungen vorliegen Av HE DCR zum Ausdruck kommen, hält der
und infolgedessen den Werken eines Gebrauchsgraphikers Senat an ihnen nicht fest.
der Rang von Kunstwerken zukommt, ist eine Frage, die
tatsächliche Verhältnisse betrifft. Hierüber entscheidet das Die angefochtene Entscheidung, die von anderen recht-
Finanzgericht nach seiner freien Überzeugung (8 278 AO). lichen Gesichtspunkten ausgegangen ist, wird aufgehoben.
Wie es sich seine Überzeugung bildet, steht im Rahmen Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen,
seines pflichtmäßigen Ermessens. In der Regel wird es, damit es unter Beachtung der obigen Ausführungen erneut
um eine sachgerechte Feststellung treffen zu können. entscheide.
Umsatzsteuer im September 1951 stattgefundenen Betriebsprüfung nicht
% als Werbungsmittler, sondern als Werber an und unter-
Urteil des BFH vom 1,‘ September 1960 — V 165/58 U“. warf insoweit die von ihm vereinnahmten Vorführgebühren
(StZBI. Berlin 1960 S. 960) in vollem Umfange der Umsatzsteuer. Nach erfolglos ge-
. . . bliebenem Einspruch schloß sich das Finanzgericht im
Ein Unternehmer, der von Kinobesitzern das Recht zur Berufungsurteil der Ansicht des Steuerpflichtigen, er sei
Auswertung der gesamten Lichtspielwerbung in ihren auch bei den Geschäften mit den Vertragskinos als Wer-
Lichtspieltheatern erhalten hat, ist insoweit nicht Wer- bungsmittler tätig gewesen, an und setzte die Umsatz-
bungsmittler, sondern Werber; er kann insoweit die Um- steuer entsprechend herab. Die Vorinstanz vertrat die Auf-
satzsteuervergünstigung des S 48 UStDB 1938 (— 8 53 fassung, daß auch in diesen Fällen die Tätigkeit des
UStDB 1951) nicht beanspruchen. Steuerpflichtigen nicht über die eines Werbungsmittlers
UStDB 1938 $ 48 — UStDB 1951 8 53. hinausgegangen sei. Die Werbung habe. nicht der Steuer-
CE Er & z pflichtige, sondern das Lichtspieltheater mittels seiner
EEE Dei ligter Sich” DIS an technischen Einrichtung durchgeführt. Dadurch, daß die
leuten kurz- und] PIC ti Sn Heaufträ ‘€ N und Vertragskinos ihm für die Lichtspielwerbung aus-
EYES AUF UN Jangfris Ce eßlich zur Verfügung gestanden hätten, habe er
ließ die Reklamebilder in Lichtspielhäusern vor dem jeweili- lediglich eine größere Bewegungsfreiheit in seiner
A en A SIDE Se N Er A Tätigkeit als Werbungsmittler erlangt. Er habe insbeson-
SUMME tönende Werbediapositive ur Werbefilme, dere nicht die einem Werber entstehenden Risiken
stammte teils von seinen Auftraggebern, teils stellte es der eträgen
Steuerpflichtige selbst her. Zwischen dem Steuerpflichtigen 8 Sch
und den Kinobesitzern spielten sich die Geschäfte in zwei Die hiergegen vom Vorsteher des Finanzamts eingelegte
Formen ab: Entweder gab der Steuerpflichtige die Werbe- Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
aufträge einzeln an die Lichtspielhäuser weiter oder die Die Werbungsmittler sind befugt, der Berechnung der
Vorführung des Werbematerials erfolgte m Tichtepiel- Umsatzsteuer lediglich die Vermittlungsgebühr ZABTUndE
häusern, deren Besitzer dem Steuerpflichtigen nach einem )
einheitlichen Vertragsmuster für längere Zeit, meistens zu legen (8.418 Abs, 1 UStDE 1938 — $ 53 USIDB 1051).
für die Dauer von mehreren Jahren; die Aus w ertung Werbungsmittler ist, wer Personen und Gesellschaften, die
der sesamten Kinorekl am e“ gegen Beteiligung Werbung für andere durchführen (Werbern), Werbeauf-
den n den Geschäftsleuten zu htrichtenden Vorführ- träge für andere im eigenen Namen und für eigene Rech-
N Sebüh vo durch hr ittlich i v Alni 50:50) üb nung erteilt ($ 7 der Zweiten Verordnung zur Durchführung
gebühren ( AT ENASEHMLLIC en EINS : 50) über- des Gesetzes über Wirtschaftswerbung vom 27. Oktober
lassen hatten (im folgenden: Vertragskinos). In den erst- 1933, RGBI. I ©. 791). Die. Werbungsmittler werden also
genannten Fällen besteht zwischen den Parteien Einigkeit At ft N htli % 5 d inf S N A für
darüber, daß der Steuerpflichtige als Werbungsmittler tätig N rem de N echnul 7 tis en Rn ben und a Mobile] ee i n
geworden ist und infolgedessen — von den Entgelten für Stel Dar Sen DEE W Der. SE ni A die” ich
die Anfertigung des Werbematerials bzw. der Werbe- Se SACHEN DEN VErDEr, AISO Ciejehigeh, die nic
3 . . ® erbeaufträge vermitteln, sondern die Werbung selbst aus-
entwürfe abgesehen — nur die Vermittlungsgebühren, d. h. führen, ihr Gesamtentgelt zu versteuern
den ihm verbleibenden Teil der Vorführgebühren, ? .
zu versteuern brauchte ($ 48 UStDB 1938 — 8 53 UStDB Der Steuerpflichtige ist in den Streitfällen nicht als Wer-
1951). Bei den Geschäften mit den Vertragskinos dagegen bungsmittler, sondern als Werber aufgetreten. Er hat den
sah das Finanzamt den Steuerpflichtigen auf Grund einer Inhabern der Vertragskinos nicht — wie es zur Annahme
eines Werbungsmittlerverhältnisses erforderlich wäre —
ı) BStBl. 1960 III S. 454. Werbungsaufträge erteilt. Denn nach dem Vertragsmuster