Steuer- und Zollblatt für Berlin 10. Jahrgang Nr.11 19. Februar 1960 107
Umsatzsteuer Nach 8 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit $ 57 Abs.1
E Ziff.3 UStDB ist Voraussetzung für die Gewährung des
Urteil des BFH vom 12. November 1959 — V 307/57 U%. ermäßigten Steuersatzes für den Großhandel u. a., daß
der Unternehmer den Gegenstand seiner Lieferung weder
(StZBIl. Berlin 1960 S. 107) bearbeitet noch verarbeitet hat. Eine Bearbeitung. oder
Verarbeitung liegt vor, wenn die Wesensart des Gegen-
x 9 - x . standes geändert wird ($ 12 Abs.1 Satzl UStDB). Sie wird
U bloß mengenmäßiges Zuteilen, sondern eine Bearbei- geändert, wenn durch die Behandlung des Gegenstandes
ngsmaßnahme ist anzunehmen, wenn ein Unternehmer nach der Verkehrsauffassun . ;
x Ss A . g ein neues Verkehrsgut (ein
mittels einer Schneidemaschine 45 cm lange Seifenstangen N CS :
z . x A .z genstand anderer Marktgängigkeit) entsteht (8 12
in der Querrichtung in sechs 7,5 cm lange Seifenstücke ıys 1 Satz 2 UStDB). Die 7,5 cm langen, an den Seiten
ten abrU GE in einer Stanzmaschine an den abgerundeten Seifenstücke sind Gegenstände anderer Markt-
© gängigkeit als die vom Bf. bezogenen 45 cm langen kan-
UStG 8 7 Abs. 3; UStDB 8 57 Abs. 1 Ziff. 3. tigen Seifenstangen. Die Seife hat sich durch das Zerschnei-
den der Seifenstangen in der Schneidemaschine und durch
Der Bf. betrieb 1952 und 1953 in X. einen Großhandel mit das seitliche Abrunden der so entstandenen Seifenstücke in
von ihm konfektionierter Lanolin- und Kernseife. Die Kon- der Stanzmaschine zwar nicht in ihrer Substanz, wohl aber
fektionierung der Lanolinseife spielte sich folgendermaßen in ihrer Form verändert. Aus der für Waschzwecke infolge
ab: Die von der Seifenfabrik A. in Y. in etwa 45 cm langen, ihrer Länge ungeeigneten Stangenseife ist handgerechte
nicht vorgekerbten Vierkantstangen bezogene Seife wurde Stückseife geworden. Lanolinseife, also Toilettenseife, in
von blinden Arbeitnehmern des Bf. ausgepackt, mit einer Stangen von 45 cm Länge ist kein Fertigprodukt. Aber
Schneidemaschine in Querrichtung in sechs Stücke von je auch Kernseife in Stangen, die im Einzelhandel erhältlich
7,5 cm Länge zerschnitten und mittels einer Stanzmaschine ist (jedoch in der Regel nicht glatt — wie im Streitfalle —,
mit dem Aufdruck „Medizinische Lanolinseife, garantiert sondern in Felder aufgeteilt und mit Aufschriften ver-
rein, mit hohem Lanolingehalt“ und mit einem einen Blinden sehen), muß vor ihrer Verwendung im Haushalt zer-
mit Führhund darstellenden Bild versehen. Die einzelnen schnitten werden. Diese Arbeit. nahm der Bf. dem Ver-
Seifenstücke wurden in Papier eingeschlagen, in Kartons braucher ab, indem er die Seifenstangen auf im Verkehr
verpackt und an die Kunden versandt. Die Verpackung trug mit Letztabnehmern gängige Maße (7,5 cm) zuschnitt.
außen auf der Rückseite den Aufdruck „Blinden-Unter- Eine solche Behandlung der Ware geht nach ständiger
nehmen B. in Z. Feinseifenkonfektion“. Der beim Schneiden Rechtsprechung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 284/39
und Stanzen entstandene Seifenabfall betrug. rd. 6,4 v.H. vom 15. Dezember 1939, RStBIl. 1940 S.231, Slg. Bd. 48
des Gewichts der Seifenstangen (35 g : 550 g); er wurde S.91, und Urteil.des Bundesfinanzhofs V 188/53 U vom
der Lieferfirma gegen Gutschrift des Wertes zurück- 5. November 1953, BStBl. 1954 III S. 31, Slg. Bd. 58
geschickt. In ähnlicher Weise wurde bei der Kernseife ver- S.3112”). — ebenso wie das Passendschneiden für einen
fahren. Die konfektionierte Ware ging an vier, buchmäßig bestimmten Zweck nach Weisung des Abnehmers (vgl.
als Auslieferungslager bezeichnete Großabnehmer und in Urteile des Reichsfinanzhofs V A 404/36 vom 11. Dezem-
jährlich rd. 10000 Einzelsendungen an zahlreiche Klein- ber 1936, RStBl. 1937 S. 81, Slg. Bd. 40 S. 233, und VA
abnehmer, und zwar Straßenhändler, die sich auf Annoncen 874/86 vom 15. März 1937, RStBl. 1937 S. 591, Slg. Bd. 41
des Bf. gemeldet hatten. Im Unternehmen des Bf. waren 8.130) — über eine, die Wesensart der Ware nicht än-
sechs Blinde und bis zum 31. August 1953 drei, ab 1. Sep- dernde und daher steuerlich unschädliche bloße mengen-
tember 1953 zwei sehende Arbeitnehmer beschäftigt. Der mäßige Zuteilung hinaus. Das Zerschneiden der Seifen-
Bf. ist selbst auch blind. stangen in je sechs 7,5 cm lange Stücke stellt eine
Maßnahme der Weiterverarbeitung dar. Die Änderung der
Das Finanzamt zog den Bf. für die Zeit vom 1. Januar Marktgängigkeit zeigt sich darin, daß die Abnehmer, auf
1952 bis 31. August 1953 mit 4 v.H. zur Umsatzsteuer deren Einstellung es bei der Beurteilung der Verkehrsauf-
heran: für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1953 fassung in erster Linie ankommt, der Seife in handgerechter
stellte es den Bf. gemäß 8 4 Ziff. 18 UStG in Verbindung Stückform vor der Seife in Stangenform den Vorzug geben,
mit 8 45 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB zunächst von der Umsatz- daß also nach Stückseife eine größere Nachfrage besteht
steuer frei. In den gegen die Umsatzsteuerbescheide ein- als nach Stangenseife. Zu dem Schneiden tritt als zweiter
gelegten Einsprüchen begehrte der Bf. Herabsetzung ‚des steuerlich schädlicher Vorgang das Abrunden der Schnitt-
Steuersatzes auf 1 v.H. gemäß 8 7 Abs.3 UStG. Das Fi- kanten der Seifenstücke in der Stanzmaschine. Selbst wenn
nanzamt wies in seinen Einspruchsentscheidungen vom es zutrifft, daß — wie der Bf. behauptet — das Abrunden
11. Februar 1955 und 14. April 1956 die Einsprüche als un- der Kanten durch das Einpressen der Kennzeichnung in die
begründet zurück und änderte den Steuerbescheid für 1953 Seife bedingt ist, weil durch den Druck der Stanzmaschine
gemäß 8 243 Abs.3 AO dahin ab, daß es unter Versagung die scharfen Kanten des Seifenstücks verlorengehen, so
der Steuerfreiheit nach 8 4 Ziff. 18 UStG den Steuerpflich- verfolgte doch das Abrunden der Kanten zweifellos auch
tigen auch mit den vom 1, September bis 31. Dezember 1953 den Zweck, das Seifenstück griffiger und dadurch für den
getätigten Umsätzen mit 4 v.H. der Umsatzsteuer unter- Gebrauch geeigneter zu machen. Durch den Gesamtvor-
warf. Das Finanzgericht bestätigte in seinem Urteil vom gang, nämlich das Zerschneiden der Seifenstangen in
27. Juni 1957 die Einspruchsentscheidungen. Es versagte Stücke einer bestimmten Größe und das Abrunden der
ne nn Kanten dieser Stücke, ist ein neues Verkehrsgut, nämlich
a) die Anwendung U NE ann EEE En en Den gebrauchsfertige Stückseife, entstanden.
und 1953, weil der Bf. die umgesetzte Ware Steuer ic) :
bearbeitet und außerdem die Voraussetzungen für die Durch $ 1 Nr. 10 der Zehnten Verordnung zur Änderung
Steuerermäßigung buchmäßig nicht ausreichend nach- ‚der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz
ewiesen habe vom 15. Oktober 1958 (BGBl.I S.721) ist in $ 57 Abs.2
8 . UStDB unter Ziff. 9 eine Bestimmung eingefügt worden,
5) die‘ Anwendung. der Steuerbefreiungsvorschrift für nach der es als besonders zugelassene Bearbeitung und Ver-
Blinde in den letzten vier Monaten des Jahres 1953, weil arbeitung im Sinne des 8 57 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 2 UStDB
die Voraussetzungen des 845 Abs.1 Ziff.2 UStDB gilt, wenn Schreib- und Druckpapier, Karton, Packpapier
nicht erfüllt seien. und Pappe in handelsüblichen Formaten auf handelsübliche
Formate geschnitten wird, sofern keine Abfälle entstehen.
Die Rb. wird darauf gestützt, daß die Vorentscheidung Hieraus ist ersichtlich, daß der Verordnungsgeber das Zer-
auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts (87 Schneiden einer Ware auf bestimmte im Verkehr gängige
Abs. 3 UStG in Verbindung mit $ 57 UStDB) und auf einem Maße nicht als eine steuerlich unschädliche Zuteilungsmaß-
Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten beruhe. Für nahme, sondern als eine steuerlich schädliche Bearbeitungs-
1953 wird außerdem gerügt, daß das Verfahren an wesent- maßnahme ansieht. Denn sonst hätte er den engumgrenzten
lichen Mängeln leide. Tatbestand des 8 57 Abs. 2 Ziff. 9 UStDB nicht in die Liste
der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbei-
Die Rb. kann keinen Erfolg haben. tungen beim steuerermäßigten Großhandel aufzunehmen
brauchen, weil er in dem weiteren Tatbestande des Zer-
schneidens. auf verkehrsgängige Maße aufgegangen wäre.
1) BStBl. 1960 III S. 11. 2) StZBl. Bln. 1954 S. 274.