264 Steuer- und Zollblatt für Berlin 9. Jahrgang Nr.17 27. Februar 1959
D. Rechtsprechung
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
Einkommensteuer Einkommensteuer ohne Einfluß. Unerheblich sei, ob der Bf.
: die Ablösungsbeträge aus seinem laufenden Einkommen
Urteil dcs BFH vom 23, April-31958 — VL 176/57 09. oder seinem Vermögen aufgebracht habe. Die Ablösung der
(StZBI. Berlin 1959 8. 264) Rentenverpflichtung habe auch nicht zu einer außergewöhn-
N 5 u. nn lichen Belastung im Sinne des 8 33 EStG geführt. Es könne
Wird eine auf Grund letztwilliger Verfügung geschuldete dahingestellt bleiben, ob der Bf. durch die Übernahme der
und nach $ 10 Abs.1 Ziff.1 EStG als Sonderausgabe ab- Rentenverpflichtung im Erbvertrag überhaupt „belastet“
zugsfähige Versorgungsrente vom Rentenschuldner abge- worden sei, da er durch die Übernahme der Verpflichtung
löst, so kann dieser die Ablösungssumme nicht als Sonder- 4]s Erbe die Anwartschaft auf das Vermögen seines Vaters
ausgabe absetzen. Beim Rentengläubiger unterliegt die Ab- erworben habe. Jedenfalls fehle die Zwangsläufigkeit der
lösungssumme nicht der Einkommensteuer. Belastung; der Bf. habe die Rentenverpflichtung im Erb-
EStG 88 10 Abs.1 Ziff. 1, 22, 24, 33. vertrag freiwillig übernommen.
Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte auf Grund eines 1940 Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. weiter-
geschlossenen Erbvertrags mit seinem 1942 verstorbenen hin den vollen Abzug der Ablösungszahlung.
Vater als Alleinerbe an dessen Frau (die Stiefmutter des Die Rb. ist im Streitpunkt nicht begründet.
Bf.) eine monatliche Rente von 1000 RM steuer- und kosten- Nach $ 10 Abs.1 Ziff.1 EStG gehören Schuldzinsen so-
frei zu zahlen. Die Zahlungen wurden bis 1945 geleistet bzw. wie Renten und dauernde Lasten, die auf besonderen Ver-
mit Sparguthaben, deren Bücher die Stiefmutter in der pflichtungsgründen beruhen, zu den Sonderausgaben. Als
Hand hatte, verrechnet, Seit 1947 schwebte ein Rechtsstreit solche können sie im Jahr der Zahlung vom Gesamtbetrag
zwischen dem Bf. und seiner Stiefmutter über die Zahlun- der Einkünfte abgesetzt werden. Die 1952 gezahlten Schuld-
gen. Der Bf. hatte die Zahlungen in der bisherigen Höhe zinsen sind deshalb mit Recht zum Abzug zugelassen wor-
verweigert, da sie nach seiner Auffassung die Leistungs- den; ebenso die Beträge, die der Bf. für die Zeit bis 1951
fähigkeit des Betriebs überstiegen. Der Rechtsstreit wurde als Rente an die Stiefmutter gezahlt (nachgezahlt) hat. Die
am 5. April 1951 durch Vergleich vor dem Landgericht be- Rente hat das Finanzgericht mit Recht als Versorgungs-
endet. Der Bf. hatte danach die Stiefmutter mit dem rente angesehen.
kapitalisierten Rentenwert abzufinden und die rückständi- Den Betrag, der im Vergleich als Ablösung für die zu-
gen Rentenraten und Zinsen zu zahlen. Dadurch waren alle künftigen Rentenzahlungen festgesetzt wurde, haben die
Ansprüche der Stiefmutter abgegolten. Der Bf. hatte auf Vorinstanzen dagegen zutreffend nicht zum Abzug zuge-
Grund des Vergleichs zu zahlen: lassen. Die Zahlungen wurden in zwei Jahresraten geleistet.
Errechneter Kapitalwert der im Verhältnis Sie sind keine Rente oder dauernde Last im Sinne des 8 10
5 RM — 1 DM umgestellten Rente Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Denn zum Begriff Rente oder dauernde
am 21. Juni 1948... 0, .„....... 82800 DM Last gehört, daß auf Grund eines Stammrechts über län-
Ausgleich für die Rentenansprüche gere Zeit verteilt (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 75/55 U
bis 21. Juni 1948. 001 ee LO 3000 DM vom 12. April 1957 — Slg. Bd. 65 S. a ET
x { 1957 III S. 275 —)%” wiederkehrend Beträge gezahlt werden.
da ir aus 85.300 DM ab 9026 DM Einmalige oder kurzfristige Zahlungen für Ablösung einer
) A —_— WVersorgungsrente sind begrifflich keine Rente und fallen
insgesamt 94826 DM. deshalb nicht unmittelbar unter den Wortlaut des 8 10
Den Ausgleich von 3000 DM hatte der Bf, bereits 1950 Abs.1 Ziff. 1 EStG.
gezahlt. Den Betrag von 91826 DM zahlte er in zwei Mit der Frage, ob Zahlungen zur Ablösung von Versor-
Jahresraten, und zwar 1951 mit 50900 DM und 1952 mit gungsrenten, die als Sonderausgabe abzugsfähig sind, wenn
40926 DM. Er will diese Beträge in vollem Umfang als auch nicht nach dem Wortlaut, so doch bei sinngemäßer
Sonderausgaben, hilfsweise als außergewöhnliche Belastung Auslegung des $ 10 Abs.1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben
berücksichtigt haben. Das Finanzamt setzte die Renten- abzugsfähig sind, hat sich der Reichsfinanzhof in den
nachzahlungen von 3000 DM als Sonderausgaben für 1950 bereits von den Vorinstanzen angezogenen Entscheidungen
ab. Für 1951 ließ es von dem kapitalisierten Renten- VI 75/42 und IV 44/42 befaßt. In beiden Fällen ging es, wie
betrag von 82 800 DM einen Teilbetrag von 12 650 DM als im Streitfall, um die Ablösung von Versorgungsrenten, die
Rentennachzahlung für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum ein Steuerpflichtiger auf Grund einer letztwilligen Verfü-
Tage des gerichtlichen Vergleichs am 5. April 1951 als gung einer anderen Person schuldete. In der Entscheidung
Sonderausgabe zum Abzug zu. Für 1952 berücksichtigte VI 75/42 stellte der VI. Senat klar, daß eine Ablösungs-
es die Zinsen von 9026 DM als Sonderausgaben. Den Rest zahlung beim Rentenschuldner nicht als Sonderausgabe
der kapitalisierten Rente von (82800 ./. 12650 DM =) abgezogen werden kann, wenn die Ablösungssumme beim
70150 DM berücksichtigte es unter Berufung auf die Ur- Rentenberechtigten keine steuerpflichtige Einnahme ist.
teile des Reichsfinanzhofs VI 75/42 vom 25. März 1942 Als steuerpflichtige Einnahme kann- sie beim Empfänger
(Reichssteuerblatt — RStBl. — 1942 S. 563) und IV 44/42 nicht angesetzt werden, wenn das Kapital, sofern es von
vom 27. August 1942 (RStBl. 1942 $S. 931) nicht. Die Ein- vornherein an Stelle der Rente geschuldet worden wäre,
sprüche blieben erfolglos. nicht unter eine der Einkunftsarten des EStG gefallen wäre.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet Kapitalzuwendungen auf Grund letztwilliger Verfügung
zurück. Es führte im wesentlichen aus: Die vom Finanzamt fallen aber unter keine Einkunftsart. In der Sache IV 44/42
nicht anerkannten Beträge seien keine Sonderausgaben im ist der IV. Senat des Reichsfinanzhofs der Entscheidung
Sinne des 8 10 Abs.1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes VI 75/42 beigetreten. Er gab aber eine andere Begründung
(EStG). Die Rente, die der Bf. auf Grund des Erbvertrags Und führte aus, Renten würden zum Abzug zugelassen, weil
an seine Stiefmutter habe zahlen müssen, sei eine Versor- Sie in der Regel aus dem Einkommen gezahlt würden, Das
gungsrente gewesen, die auf dem Erbvertrag als besonde- Gesetz habe allerdings aus Vereinfachungsgründen darauf
rem Verpflichtungsgrund beruht habe. Die als Rente ge- verzichtet zu bestimmen, daß Renten nur abzugsfähig seien,
zahlten Beträge seien deshalb als Sonderausgaben abzugs- Wenn sie aus dem Einkommen gezahlt würden. Kapital-
fähig. Die Kapitalablösung der Rentenverpflichtung sei da- Zahlungen und Ablösungen von Renten würden indessen
gegen weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des gewöhnlich aus dem Vermögen aufgebracht; sie lägen auf
& 10 Abs.1 Ziff.1 EStG eine Sonderausgabe. Kapitalablö- dem Vermögensgebiet und könnten deshalb die Einkommen-
sungen lägen auf dem Gebiet des Vermögens. Das Vermö- Steuer nicht berühren.
gen des Bf. sei durch die Rentenverpflichtung belastet ge- Der Senat tritt diesen Entscheidungen im Ergebnis bei.
wesen; das entsprechende Rentenstammrecht habe zum Im EStG ist die steuerliche Behandlung von Versorgungs-
Vermögen der Stiefmutter gehört. Durch die Ablösung des renten beim Verpflichteten und Berechtigten‘ aufeinander
noch nicht aufgezehrten Rentenstammrechts sei eine Um- abgestimmt. Als Renten geleistete Beträge sollen nur ein-
schichtung im Vermögen der beiden Beteiligten vor sich mal der Einkommensbesteuerung unterliegen. Kann der
gegangen; der Vorgang sei auf ihr Einkommen und ihre Rentenverpflichtete seine Leistungen als Sonderausgabe
1) BStBl. 1958 III S. 277. 2) StZBIl. Bln. 1957 S. 1343.