Steuer- und Zollblatt für Berlin 83.Jahrgang XNr.11 8. Februar 1958 89
Bem.9d zu $8 1 S.17). Die Notwendigkeit solcher Berück- Erhebung betrauten Stellen — wozu für die Lohnsteuer
sichtigung beruht darauf, daß es sich beim Steuerrecht — auch der Arbeitgeber zu rechnen ist — müssen deshalb bei
anders als im allgemeinen im Zivilrecht — um Fragen der Auslegung berücksichtigt werden. Eine Auslegung, die
handelt, die für eine Vielzahl praktischer Fälle von Be- das Steuerrecht im wesentlichen unter dem Blickwinkel
deutung sind, eine Zahl übrigens, die gerade bei der Lohn- zivilrechtlicher Streitigkeiten einzelner Personen betrachtet,
steuer ins Millionenfache geht. Die Grenzen der Zumut- übersieht jenen dem Steuerrecht immanenten, sehr wich-
barkeit einer Verfahrensmaßnahme auch für die mit der tigen rechtlichen Gesichtspunkt.
Reichsabgabenordnung abgesetzten Beträge von dem Empfänger steuerlich zu-
x . treffend behandelt worden sind. Dabei steht das Interesse
Urteil des BFH vom 16. Juli 1957 — T 316/56 UM. der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen und gerechten
(StZBI. Berlin 1958 8.89) Besteuerung gegenüber dem Interesse an der Verhütung
S - verwerflichen Geschäftsgebarens deshalb im Vordergrund,
Hat ein Unternehmer nach der Währungsumstellung Waren, weil es in der Regel nicht Sache des Finanzamts ist, sich
z.B. Kohlen, am schwarzen Markt erworben, so bedeutet e;n Urteil über das ethische Verhalten eines Steuerpflich-
es DE der BUBEN Keinen DE SCHTOTON wa en WENN tigen zu bilden und davon die im Ermittlungsverfahren
as Fınanzamt die Benennung der Ver! er verlangt, zu treffenden Maßnahmen abhängig zu machen. Im Streit-
AO 8 205a. fall braucht zu der Frage nicht Stellung genommen zu
Die Steuerpflichtige, eine mechanische Weberei, deckte Werden, ob die verbotene Beteiligung der Steuerpflichtigen
im Jahr 1951 fast die Hälfte ihres Kohlenbedarfs auf dem am Schwarzhandel mit Rücksicht auf die Besonderheiten
Schwarzmarkt. Der auf $ 205 a der Reichsabgabenordnung der damaligen Versorgungslage jedenfalls so weitgehend
(AO) gestützten Aufforderung des Finanzamts, die Koh- entschuldbar erscheint, daß die in ihr liegende Gesetzes-
lenlieferanten so genau zu bezeichnen, daß deren steuerliche Verletzung bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage
Erfassung möglich würde, kam die Steuerpflichtige nicht außer Betracht bleiben kann.
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er unzureichenden Versorgung der Textilwirtschaft zum muß, daß die Aufklärungspflic es Steuerpflichtigen im
Erwerb von Kohlen auf dem schwarzen Markt gezwungen öffentlichen Interesse nicht ungebührlich eingeschränkt
gewesen, um nicht ihren Betrieb stillegen oder so stark werden darf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 242/54 U
einschränken zu müssen, daß er nicht mehr rentabel ge- vom 17.Januar 1956, Slg. Bd.62 S.182, BStBl. 1956 III
wesen wäre. Hätte sie bei Lieferung der Kohlen von den S. 68)%, so dürfen doch berechtigte Interessen des Steuer-
Lieferanten ordnungsmäßige Belege verlangt, so hätte sie pflichtigen bei der Entscheidung, ob von $ 205a AO Ge-
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es Hinanzamts sei deshalb unbillig und verstoße gegen werden. Allerdings gebührt bei der notwendigen Interessen-
das Rechtsgefühl. abwägung grundsätzlich dem berechtigten Verlangen der
Der Steuerausschuß beim Finanzamt und das Finanz- Allgemeinheit, daß die Steuerlasten gleichmäßig verteilt
gericht stimmten der Auffassung der Steuerpflichtigen zu, Und insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen zutreffend
sahen in dem Verlangen des Finanzamts einen Ermessens- ©!faßt werden, die unter Ausnutzung einer bestehenden
mißbrauch und erkannten die für die Kohlen tatsächlich Mangellage oft nicht unerhebliche Gewinne erzielen, der
gezahlten Preise als Betriebsausgaben an. ; ERS De TREE ALTE ehe Ne AZ
x 1 esha ann da us sverlang es Finanzamts
SEE DATEN erde (Rb.) des Vorstehers des Finanz- nicht schon dann als ein Fehlgebrauch des Ermessens an-
5 Dal . gesehen werden, wenn die Feststellung der Lieferanten den
‚Wenn der Steuerpflichtige beantragt, daß bei der Ge- Steuerpflichtigen weitgehend von den Bezugsquellen des
ae RE NO IE EEE 7 schwarzen Marktes ausschließen und ihn zu einer erheb-
ann das 4lnanzamt verlangen, daß er die Empfänger der ]lichen, die Rentabilität gefährdenden oder für eine vor-
verausgabten Beträge so genau bezeichnet, daß ihre steuer- üübergehende Zeit aufhebenden Betriebseinschränkung zwin-
liche Überprüfung möglich ist. Lehnt der Steuerpflichtige gen würde. Wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs
dieses Verlangen des Finanzamts ab, so werden die Be- 1v 81/50 S ergibt, kann eine Ausnahme von diesen Grund-
a ne Da AtenerCh. ind AnehESunE m nn sätzen nur gemacht werden, wenn die Gewerbetreibenden
un! ‚Seil der üntscheidung der Frage, ob das Finanz- allgemein gezwungen wären, Kohlen auf dem schwarzen
amt von der Vorschrift des $ 205a AO Gebrauch machen Markt zu kaufen, um die Betriebe aufrechtzuerhalten, weil
Soll, hat es die Grenzen zu beachten, die das Gesetz dem ger legale Markt vollkommen versagt. Es muß sich einmal
Ermessen zieht und die Grundsätze von Recht und Billig- um eine ernstliche Gefährdung der Existenz des einzelnen
ungen EEE ran & 2 x N ch En ee APR Betriebs und um ein völliges Versagen des legalen Marktes
SUNgSSESELZES — np —). Selne Entscheidung muß im handeln. Davon kann in der Zeit nach der Währungsumstel-
Ainzefei dem Zweck der bezeichneten Vorschrift ent- Jung grundsätzlich keine Rede mehr sein. Eine den Steuer-
Sprechen. pflichtigen etwa treffende Betriebseinschränkung, die die
Im Streitfall hat das Finanzgericht die Benennung der Interessen der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der
Empfänger für unzumutbar gehalten. Grundsätzlich ist es Produktion nicht entscheidend berührt und die die wirt-
Aufgabe der Tatsacheninstanzen, zu entscheiden, wie das schaftliche Existenz des Steuerpflichtigen nicht gefährdet,
Ermessen auszuüben ist. Im Berufungsverfahren tritt das ist nicht ausreichend, um das Verlangen des Finanzamts
Finanzgericht an die Stelle des Finanzamts. Die Entschei- als unbillig zu bezeichnen.
dung des Finanzgerichts kann im Rechtsbeschwerdever- Bei der Beurteilung der für die Interessenabwägung maß-
fahren nur angegriffen werden, wenn das Finanzgericht bei gebenden Belange der Steuerpflichtigen darf nach den vor-
der Ausübung seines Ermessens von unrichtigen Voraus- stehenden Ausführungen nicht nur gewürdigt werden, was
setzungen ausgegangen ist, also ein Fehlgebrauch des Er- qgamals geschehen wäre, wenn die Steuerpflichtige und
Er Diese Voraussetzung ist im vorliegenden andere sich in ähnlicher Lage befindende Unternehmer ord-
all erfüllt. nungsmäßige Belege gefordert hätten. Es ist vielmehr
Der Bundesfinanzhof hat in den Urteilen IV 81/50 S vom außerdem zu prüfen, ob, wenn sich die Steuerpflichtige
23. Februar 1951 (Slg. Bd.55 S. 204, Bundessteuerblatt — ordnungsmäßige Belege nicht hat erteilen lassen, die damit
BStBl. — 1951 III S. 77)” und I 106/56 U vom 5. Juni 1956 verbundene Verweigerung des Abzugs der Ausgaben jetzt
(Sig. Bd. 63 S. 29, BStBl. 1956 III S. 206)%® ausgeführt, die die Existenz der Steuerpflichtigen so entscheidend ge-
Vorschrift des $ 205a AO solle dazu dienen, allgemein fährdet, daß das in der Regel bevorrechtigte öffentliche
einem verwerflichen Geschäftsgebaren in der Wirtschaft Interesse zurücktreten muß. Der Steuerpflichtige hat im
entgegenzutreten und dem Finanzamt die Prüfung zu er- allgemeinen die Wahl, ob er die Lieferanten ausreichend
möglichen, ob und inwieweit die von einem Steuerpflichtigen feststellen und damit vielleicht die Rentabilität seines Un-
ternehmens beeinträchtigen will oder ob er diese Fest-
1) BStBl. 1957 III S. 364. stellung unterläßt und die entstehenden Ausgaben aus dem
2) BStBl. 1951 S. 312.
3) BStBl. 1956 S. 981. ‚4) BStBl. 1956 S. 834.