Steuer- und Zollblatt für Berlin 8. Jahrgang Nr. 70° 10. Oktober 1958 967
mit bindender Kraft bestimmen konnten. Das verneint der Der Bundesminister der Finanzen betont in Seiner
Senat. Die LStDB 1939, die erstmalig die von der Recht- Stellungnahme die Zweckmäßigkeit und Einfachheit der
sprechung abweichende Behandlung der Pauschalzuwei- getroffenen Regelung, die langjährige entsprechende Rechts-
sungen festlegten, waren unter anderem auf die inzwischen übung, die unerwünschten sozialen Folgen bei einer AÄnde-
aufgehobenen Generalermächtigungen in 88 12 und 13 der rung der Rechtsauffassung und die Schwierigkeiten in der
Reichsabgabenordnung (AO) alter Fassung gestützt. Nach Abgrenzung des Begriffs Pauschalleistungen. Es kann
8 12 AO konnte der Reichsminister der Finanzen zur dahingestellt bleiben, wieweit diesen Überlegungen Zzuzu-
Durchführung und zur Ergänzung der‘ Steuergesetze stimmen wäre und ob gegen die derzeitige Handhabung
Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. nicht umgekehrt die innerlich nicht gerechtfertigte un-
Wegen ‚der besonderen -staatsrechtlichen Verhältnisse in gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer mit Pensions-
der autoritären Zeit, in der bewußt die Rechtsetzungs- anwartschaften sprechen könnte, die nach der Einführung
befugnis in weitem Umfang auf die Verwaltung über- des $ 22 Ziff. 1a EStG 1955 besonders in Erscheinung tritt.
tragen wurde, hat die Rechtsprechung die Begriffe „Durch- Denn jedenfalls handelt es sich nicht um Fragen der Aus-
führung“ und „Ergänzung“ nicht eng ausgelegt (vgl. legung des ordnungsmäßig gesetzten Rechts, wie sie den
z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli Steuergerichten nach Art.20 Abs.3 GG obliegt, sondern
1956, Slg. Bd. 63 S. 306, BStBl. 1956 III S.316%”). Von um Fragen einer zweckmäßigen Rechtsgestaltung, also um
„Durchführung“ und „Ergänzung“ eines Gesetzes kann Fragen der Steuerpolitik, die der Gesetzgeber zu regeln
aber nicht mehr gesprochen werden, wenn das Gesetz ein- hat.
deutig geändert wird. Daß die ständige Rechtsprechung
des Reichsfinanzhofs über die einkommensteuerliche Be- Das Finanzgericht hat demnach mit Recht angenommen,
handlung von Pauschalzuweisungen an sich dem EStG daß das Finanzamt den Haftungsbescheid gegen die Bgin.
entsprach, ist nie in Zweifel gezogen worden. Sie schien nicht auf die Pauschalzuweisungen an die Kasse stützen
nur damals dem Reichsminister der Finanzen unzweck- konnte. Es hat den Haftungsbescheid zutreffend aufgeho-
mäßig; er wollte deshalb eine steuerliche Behandlung ein- ben; die dagegen gerichtete Rb. des Vorstehers des Finanz-
führen, die in entscheidenden Punkten von den Grund- amts ist nicht begründet.
sätzen des EStG abwich. 8 13 AO ermächtigte den Reichs-
minister der Finanzen zu allgemeinen Billigkeitsrege- “ Es steht dem Finanzamt frei, die Lohnsteuer auf die
lungen. Auf diese Bestimmung konnten nur Maßnahmen laufenden Bezüge nachzuerheben, die die Versorgungs-
gestützt werden, die objektiven Härten der Steuergesetze empfänger aus der. Kasse erhalten haben, soweit sie nach
begegnen und bewußt solche Härten mildern sollten allgemeinen Grundsätzen der Lohnsteuer unterliegen. Die
(Urteil des Bundesfinanzhofs I 98/54 U vom 23. Juli 1957, Bezüge aus der Kasse sind, wie ausgeführt, Arbeitslohn
Slg. Bd. 65 S. 232, BStBl. 1957 III S. 3239). Dazu gehört ger auf Grund des früheren Dienstverhältnisses der Ver-
die streitige Neuregelung der Pauschalzuweisungen im sorgungsempfänger zur Bgin. ausgezahlt wird; die Kasse
Jahre 1939 nicht. Die Einführung des Freibetrags von zahlt den Arbeitslohn aus Mitteln, die ihr die Bgin. zur
312 DM war zwar eine echte Milderungsmaßnahme, die in Verfügung gestellt hat. Die Verpflichtung, die Lohnsteuer
erster Linie mit der steuerlichen Doppelbelastung der Auf- bei der Auszahlung einzubehalten, obliegt der Bgin. Sie
wendungen für die Zukunftssicherung zusammenhing, wie kann sich dabei der Kasse als Erfüllungsgehilfin bedie-
in Abschnitt II des Urteils VI 1/54 U% näher dargelegt nen,.ohne aber ihre nach den Steuergesetzen begründete
ist. Die bisherige einkommensteuerliche Behandlung der KEinbehaltungspflicht als. Arbeitgeberin ($1LStDV) mit
Pauschalzuweisungen führte aber objektiv nicht zu Härten. Wirkung. gegenüber den Finanzbehörden auf die Kasse
Gegen die vom Reichsminister der Finanzen getroffene abwälzen zu können. Unterbleibt der Steuerabzug, so kann
Regelung sind insbesondere von Enno Becker (Steuer und demnach die Bgin. nach 838 Abs.3 EStG, $46 Abs.1
Wirtschaft 1939 Spalten 420 ff., 564 ff.) alsbald gewichtige LStDV in Anspruch genommen werden (vgl. Urteil des
Bedenken erhoben worden. $ 2 Abs. 3 Ziff, 2 Satz 5 LStDV Reichsfinanzhofs IV 294/38 vom 8. Dezember 1938, RStBl.
kann deshalb nicht als nach Art. 123 Abs. 1 des Grund- 1939 S.191). Es wird noch darauf hingewiesen, daß die
gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) fort- Grundsätze der Entscheidung IV 331/53 U vom 11. Februar
geltendes Recht aus der autoritären Zeit angesehen 1954 (Slg.Bd.58 S.597, BStBl. 1954 III S. 139%), denen der
werden. Senat in dem Gutachten VI D1/57 S vom 27. März 1958
Der Bundesminister der Finanzen sieht die Rechtsgrund- (BStBl. 1958 III S.258%) beigetreten ist, auf Fälle der
lage für 8 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV 1952 in der Ermächtigung vorliegenden Art nicht anzuwenden ist. Nach diesem Gut-
des 851 Abs.1 Ziff, 1 Buchstabe c EStG (Vereinfachungs- achten sind Zuweisungen an Versorgungseinrichtungen, die
maßnahme) und 83 Ziff. 14 EStG (volle oder teilweise der Aufstockung des durch die Währungsumstellung ver-
Steuerfreiheit aus sozialen Gründen). Der Senat tritt dieser loren gegangenen Kassenvermögens dienen, weder Arbeits-
Auffassung nicht bei. Er läßt, wie bereits in Abschnitt II lohn der aktiven Betriebsangehörigen noch Arbeitslohn
des Urteils VI 1/54 U% dahingestelllt, ob die vom Bundes- der Ruhegeldempfänger. Diese Grundsätze gelten nur, wenn
minister der Finanzen angeführte Ermächtigung dem die von den Kassen gezahlten Renten als wiederkehrende
Grundsatz der Spezialität des Art. 80 Abs.1 GG entspricht. Bezüge im Sinne des $22 EStG besteuert werden. Sind
Denn es liegt nicht eine Maßnahme zur „Durchführung“ die Renten Arbeitslohn im Sinne des 819 EStG, der erst
vor, sondern eine solche zur sachlichen „Änderung“ des bei der Gewährung der Lohnsteuer unterliegt, so spielt
EStG, die von der Ermächtigung keinesfalls gedeckt ist. °S keine Rolle, aus welchem Grund der Kasse die Mittel
zur Zahlung des Arbeitslohns zugeflossen sind.
5) StZBl. Bln. 1957 S. 118. TA
6) StZBl. Bln. 1958 S. 13. 7) Wird demnächst im StZBIl. Bln, veröffentlicht.
Umsatzsteuer Die Beschwerdeführerin (Bfin.) führt in ihrem Schlach-
tereibetrieb auch Lohnschlachtungen für Landwirte durch,
Urteil des BFH vom 13. Februar 1958 — V 209/57 UV. welche die von ihnen aufgezogenen Schlachttiere bei der
E Bfin. schlachten lassen und das Fleisch dieser Tiere durch
(StZBI. Berlin 1958 8.967) die Zentralgenossenschaft für Viehverwertung (ZG) best-
Hat ein Gläubiger in Ansehung derselben Forderung zwei Möglich verwerten. Die Tiere gelangen vom Landwirt in
Schuldner, und fordert er den Betrag vom Schuldner A, das Schlachthaus der Bfin. und werden dort geschlachtet;
geht der von A gezahlte Betrag sodann durch die Hand des für den Landwirt kühl gelagert und später an die von der
Schuldners B an den Gläubiger, so ist der Betrag bei B ein ZG dem Landwirt vermittelten Käufer gesandt. Die gesetz-
durchlaufender Posten. lich vorgeschriebene Schlachttier- und Fleischbeschau wird
UStG 8 5 Abs. 3 im Schlachthaus der Bfin. vorgenommen. Für die gemäß
a der Niedersächsischen Verordnung betreffend die Kosten
u und Gebühren der Schlachttier- und Fleischbeschau sowie
1) BStBl. 1958 III S. 158. der Trichinenschau bei Schlachtungen, im Inland außerhalb