Steuer- und Zollblatt für Berlin 6. Jahrgang Nr.25 24. März 1956 277
Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts I.B. 95/53 vom ' (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 17/49 S vom
19. November 1953, Öffentliche Verwaltung 1954 $S.213). 21.Januar 1950). Dem Finanzgericht kann aber nicht bei-
Die: hierbei zutage tretenden scheinbaren Widersprüche gepflichtet werden, wenn es bereits wegen des Fehlens
lassen sich unter Heranziehung der Entscheidungsgründe einer Vorschrift über die Nachweispflicht in den genannten
klären, Für das Steuerrecht wird man als einheitliche Gesetzen die in $ 18 Abs.4 GemV vorgeschriebene Form
Rechtsauffassung etwa ansehen können: des Nachweises als eine neue im Gesetz nicht begründete
Grundsätzlich ist in schwebenden Rechtsmittelverfahren A Ba a
N GHEHRS ELOCHEAVOENAIETIS DSrIehEr 040 Wird TOOCHG ABO as Finanzgericht hat nicht geprüft, ob die Befugnis zu dieser
für die Zeit der Entstehung der Steuerschuld maßgebende FE AU En ASS
Recht sein. Rechtsänderungen, die vor der Rechtsmittel- Das Bundesverfassungsgericht hat für die Auslegung
entscheidung eingetreten sind, sind nur dann und nur inso- einer Gesetzesbestimmung den in dieser Bestimmung zum
weit zu berücksichtigen, als das zu beurteilende Rechtsver- Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetz-
hältnis durch die Rechtsänderung nach deren Sinn und gebers für maßgebend erklärt, wie ‚er sich aus dem Wort-
Zweck erfaßt wird. Hierher gehören: a) Gesetze (Rechts- laut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt,
verordnungen), die sich erkennbar und zulässigerweise in den diese hineingestellt ist (Entscheidungen des Bundes-
rückwirkende Kraft beilegen (Vereinbarkeit mit dem verfassungsgerichts Bd.1 S.16).
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland — GG — rDjeser Grundsatz wird auch für die Prüfung der Gesetz-
vorausgesetzt), b) Gesetze (Rechtsverordnungen) oder den #0; .
Rechtsänderungen gleichzuachtende höchstrichterliche Ent- AS KEIE VOR RECHESVELOTANUNEE DL ZEILE HEDEN,
scheidungen, die eine bindende Auslegung des anzuwenden- 3a) Nachweispflicht. Nach 8 27 Abs.3 in Verb.
den Gesetzes enthalten (Beispiel für den letzten Fall: Die mit $ 666 BGB ist von den Organen eines Vereins über die
oben angeführte Entscheidung des Obersten Finanzgerichts- Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen, Nach der all-
hofs I 17/49. S über die Gesetzwidrigkeit des Begriffs wirt- gemeinen Vorschrift des $ 259 BGB wird die Rechenschafts-
schaftlicher Geschäftsbetrieb in der GemV 1941). pflicht dadurch erfüllt, daß eine geordnete Zusammen-
. . e „stellung der Einnahmen und Ausgaben unter Beifügung der
Die 88 17 bis 19 StAnpG sind geschaffen, um die für verkehrsüblichen Belege vorzulegen ist. Diese Verpflich-
mehrere Steuern bedeutsamen Begriffe „gemeinnützige, tunx haben die Steuerpflichtigen auch im steuerlichen
mildtätige und kirchliche Zwecke“ zu vereinheitlichen. rnteresse zu erfüllen (8 160 AO). Ein allgemeiner. Grund-
Ein selbständiger Befreiungsgrund sollte damit nicht ge- satz des Steuerrechts besagt ferner, daß, wer eine steuer-
schaffen werden. Bei welchen. Steuern, in welchem Um- liche Vergünstigung in Anspruch nimmt, deren Voraus-
fang und unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen setzungen auf Anfordern nachzuweisen hat. Diese Pflicht
der genannten Zwecke zu Steuervergünstigungen führt, wirg häufig als eine Art Beweislast im Steuerrecht be-
sollte sich „nach den einzelnen Steuergesetzen bestimmen „eichnet. Der Steuerpflichtige hat außerdem in dem ihm
(vgl. Begründung zum StAnpG, RStBI. 1934 S. 1411). Der „yumutbaren Umfang bei der Ermittlung des Sachverhalts
1953 neu eingefügte $ 19a StAnpG enthält neben der Er- mitzuwirken (vgl. 88 205, 170, 171 AO). Zudem schreibt
mächtigung zur näheren Bestimmung der Begriffe „gemein- s 203 AO vor, daß dem Steuerpflichtigen, insbesondere auch
nützige usw. Zwecke“ die Befugnis zur näheren Bestim- „zur Überwachung, besondere Bedingungen auferlegt wer-
mung der Voraussetzungen der mit den genannten Zwecken gen können, wenn das Gesetz die Gewährung von Steuer-
verbundenen Vergünstigungen. Die Ausführungen der Be- vergünstigungen zuläßt. Mag auch diese Vorschrift an
gründung zum StAnpG 1934 (a.a.O, S, 1411) legen den sich eine auf den Einzelfall bezogene Anordnung des
Gedanken nahe, daß der zweite Teil der Ermächtigung die Finanzamts im Auge haben, so ergibt sich hieraus und aus
Befugnis zu einer Ergänzung der einzelnen Steuergesetze $ 12 AO doch die Befugnis der obersten Finanzverwal-
enthält. In der GemV 1953 sollte nach der Begründung -— tyngsbehörden, für die in $ 203 AO vorgesehenen Fälle all-
abgesehen von der durch die Rechtsprechung über den Be- %emeine Vorschriften über die Auferlegung von Bedingun-
griff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs veranlaßten — gen dieser Art zu erlassen. Eine solche allgemeine Anord-
keine wesentliche sachliche Änderung der Begriffe vorge- nung ist 8 18 Abs. 4 Gem V 1948
nommen werden, Geht man hiervon aus, so werden die Be- N 3
stimmungen der GemV 1953, die nur eine Erläuterung der _ Hinzu kommen folgende Erwägungen, Zum Wesen von
Begriffsbestimmungen der $8$ 17 bis 19 StAnpG bilden, Durchführungsbestimmungen auf Grund des $ 12 AO, die
auch auf die noch nicht rechtskräftigen Veranlagungen auch den Umfang von Steuerbefreiungen näher bestim-
der Jahre vor dem Inkrafttreten der GemV 1953 anzuwen- men können, gehört es, Art und Umfang des dem Steuer-
den sein. Bei der Anwendung der GemV’en von 1941, Pflichtigen obliegenden Nachweises vorzuschreiben. Der-
1948 oder 1953 ist im übrigen nach wie vor zu unter- artige, mehr die formale Seite betreffende Vorschriften
suchen, ob die einzelne Bestimmung der GemV festgelegten haben ihren zweckentsprechenden Platz in Durch- oder
Grundsätzen der einzelnen Steuergesetze widerspricht. Ausführungsbestimmungen, Dazu tritt die Erwägung, daß
En x x E im totalitären Staat, der der Verwaltung auch ‚die er-
$ 19a StAnpG enthält keine Befugnis zur rückwirken- ‚weiterte Ermächtigung des 8 12 AO erteilt hat, vielfach
den Regelung, Insoweit könnten Zweifel bestehen, ob die vorschriften in die Aus- oder Durchführungsbestimmun-
Rückwirkungsvorschrift des $ 21 GemV 1953 durch Art.80 on verwiesen wurden, die vordem in den Gesetzen selbst
Abs.1 GG gedeckt ist, wonach der Umfang der Ermächti- vorgesehen waren. Die Herausnahme aus dem Gesetz läßt
055 im Gesetz enthalten sein muß, Da nach $ 21 GemV noch nicht auf die Rechtsungültigkeit derartiger Vor-
953 das neue, Recht‘ auf frühere Rechtsverhältnisse nur schriften schließen. Von der damaligen Regierung erlassene
anzuwenden ist, wenn das neue Recht für den Steuer- Durchführungsbestimmungen bleiben weiter gültig, wenn
pflichtigen im Ergebnis günstiger ist, können die Bedenken sie sich im Rahmen der damaligen Vollmachten halten.
zurückgestellt werden. Die neue Regelung hat allerdings Die Anordnung der Nachweispflicht im $ 18 Abs. 4
die Folge, daß bei den noch nicht rechtskräftigen Fällen GemV widerspricht also dem Gesetz nicht
aus früherer Zeit von Verwaltung und Rechtsprechung zu
prüfen ist, welche der Verordnungen für den Steuerpflich- b) Aufzeichnungspflicht. Form und Um-
tigen günstiger ist. Daß dadurch die beabsichtigte und be- fang der. zur Erfüllung der Nachweispflicht von Steuer-
grüßenswerte Vereinfachung bei der Handhabung der Pflichtigen zu ergreifenden Vorkehrungen, wozu die Auf-
Vorschriften über die Gemeinnützigkeit wesentlich beein- zeichnungen gehören, müssen dem Zweck der Vorschrift
trächtigt wird, muß in Kauf genommen werden. gemäß gestaltet sein, nämlich darzutun, daß die tat-
HIT, Rechtswirksamkeit des $_18 Abs. 4 GomV 1948 Slaueicen Zweck uber lnstinunt. Dies Kann aus durch
(= 818 Abs. 5 GemV 1941 — 8 15 Abs. 3 GemV 1953) über £; 5 ; ia ; nn
die Nachweispflicht. eine fortlaufende ordnungsmäßige Aufzeichnung der ein
NEN, zelnen Einnahmen und der, einzelnen Ausgaben samt An-
Es trifft zu, daß weder in 8 4 Abs.1 Ziff.6 KStG oder gabe von Art, Höhe, beteiligten Personen geschehen. Nur
in den entsprechenden Vorschriften anderer Steuergesetze, durch solcherart geordnete. Aufzeichnungen und ihre sach-
noch in den 88 17 bis 19 StAnpG ein derartiger Nachweis gemäße Zusammenstellung wird das Finanzamt in die
vorgeschrieben ist. Das Finanzgericht geht auch zutreffend Lage versetzt, ohne erheblichen‘ Arbeits- und Zeitaufwand
davon aus, daß Rechtsverordnungen auf Grund des 8 12 AO _ zu prüfen, ob die Vergünstigung zu Recht in Anspruch ge-
festgelegte Grundsätze des Gesetzes nicht ändern können nommen ist. Ein Mehr ist der Behörde nicht zumutbar.