162 Steuer- und Zollblatt für Berlin 6. Jahrgang Nr.16 18. Februar 1956
über die umfassenden bürgerlich-rechtlichen Fragen der bereits Rechtskraft erlangt zu haben, vorgelegen. Der
rückwirkenden Wiederherstellung des Eigentums, der Nut- Treuhänder hat offenbar damit gerechnet, daß die RE-
zungen für die Zeit ab Entziehung, der Rückgewähr- Anordnung alsbald in Rechtskraft erwachsen werde, und
ansprüche, der Ansprüche auf Erstattung von Aufwendun- die Entwicklung hat ihm recht gegeben. Der RE-Berech-
gen usw. zu entscheiden sein wird, wie auch sonst dem tigte und sein Bevollmächtigter sind mit dieser Regelung
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums derjenige der einverstanden gewesen und der RE-Berechtigte hat. durch
bürgerlichen Rechte zu folgen pflegt. seinen Bevollmächtigten das Grundstück als ihm gehörig
be . x n x ;„ besessen und die Nutzungen gezogen. Damit ist er
Een Falle hat der für beide Parteien mit Eigenbesitzer geworden und das wirtschaft-
) ung des Grundstücks hetrante Treuhänder der ih o Eigentum ist ihm ab 1.Jahuar 1953 zuzurechnen
Militärregierung schon vor Ablauf der förmlichen Ent- & 714” vochtfertiet sich die streitige Zurechnungsfort.
ziehungsperiode den Besitz am streitigen Grundstück im schreibun 5 8 B
Jahre 1952 auf den RE-Berechtigten bzw. seinen Bevoll- 8.
mächtigten zurückübertragen und ihn die Nutzungen Die Rb. des Bf. ist mit der Kostenfolge des 8 307 der
ziehen lassen. Die RE-Anordnung hat, ohne allerdings Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Grunderwerbsteuer fall dem Sinn und Zweck der Vorschrift des 84 Abs.i
a Ziff.1 GrEStG, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu för-
Urteil des BFH vom 14. September 1955 - II 212/54 U1). dern, nicht gerecht werden.
(StZBI. Berlin 1956 8. 162) In dem Urteil vom 27.Januar 1931 hat der Reichs-
A . A A finanzhof zu der Befreiungsvorschrift in 8 8”Nr. 9 GrEStG
Krwirbt ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen Trüm- 1919 ausgeführt, größere Siedlungen seien ohne An-
mergrundstücke zur Schaffung von Kleinwohnungen, so ist legung von Straßen überhaupt nicht denkbar, Erwerbe
die Befreiung des Erwerbs der ganzen Grundstücke von der „]s9 eine steuerbegünstigte Körperschaft ein größeres
Grunderwerbsteuer nicht ausgeschlossen, ‚wenn zur Stra- Gelände zur Schaffung von gesunden Kleinwohnungen,
ßenverbreiterung abzugebende, aber noch nicht vermessene <o diene die notwendige Anlage von Straßen ebenfalls
Teile miterworben werden müssen, diesem Zwecke. Das Straßengelände falle deshalb eben-
GrEStG 84 Abs.1 Ziff. 1 Buchst. a. falls unter die Befreiungsvorschrift des 88 Nr.9, gleich-
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), ein gemeinnütziges viel, ob die Straßen von dem Siedlungsunternehmen Oder
Wohnungsunternehmen, erwarb seit September 1952 unge- der Gemeinde angelegt würden, ob sie öffentliche oder
fähr 50 in einer Großstadt im Bereich einer Straßen- Privatstraßen seien,
kreuzung und deren Umgebung gelegene Trümmergrund- Was hier allgemein von der Anlegung von Straßen ge-
stücke zur Errichtung von. Hunderten von kleinen Woh- Sagt ist, muß nach den im zweiten Weltkrieg herbeige-
nungen im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützig- führten Zerstörungen auch für Straßenerweiterungen gel-
keit im Wohnungswesen, So kaufte sie durch Vertrag vom ten, die in den für den Wiederaufbau maßgebenden
5. Februar 1953 das Trümmergrundstück X-Straße 46. Fluchtlinienplänen ‚vorgesehen sind, ohne deren Beach-
z . ; Gr % tung die Bgin. die in Rede stehenden Gebäudekomplexe
em tete die ih die Sin 84 nicht wieder aufbauen konnte. Daß die Straßenerweite-
uchstabe a des Grunderwerbstenergesetzes (Gr ) VON ung auch durch den gesteigerten Allgemeinverkehr ver-
Grunderwerbsteuer frei. Als es jedoch feststellte, daß auf „nıaßt sein mag, ist dabei unerheblich. Die Bgin. hat dar-
Grund des am 23. März 1953 rechtskräftig gewordenen woran daß sie mit der eilbedürftigen Bebauung jedes
nen festgelegten Fluchtlinienplanes ein ‚Tell. des Grund- Grundstücks nur nach seinem Erwerb beginnen
Stücks Zur Erweiterung der Straße an die Stadtgemeinde konnte, wohingegen die Vermessung der Grundstücks-
Sn übertragen sei, zog es die Bgin. hinsichtlich dieses zo;10 im Streitfall erst am 11. Februar 1954 erfölgt ist.
rundstücksteils nach $ 4 Abs. 2 GrEStG zur Grunderwerb- Dieser Umstand verhinderte auch, daß die Bgin. ledig-
steuer heran, lich den ihr endgültig verbleibenden Grundstücksteil
Das Finanzgericht stellte die Bgin. in Anwendung der kaufte ‚und daneben den Auflassungsanspruch hinsicht-
Grundsätze der Urteile des Reichsfinanzhofs II A 264/31 lich des Straßenerweiterungsgeländes im Sinne des Ur-
vom 22. September 1931 (Mrozek-Kartei, GrEStG 1919 teils des Reichsfinanzhofs II 168/41 vom 1. Oktober 1942
$ 8 Nr.9 Abt. I.Rechtsspruch 81) und II A 30/31 vom (Slg.Bd.52 S.172, RStBl. 1942 S.1077) nach $ 328 BGB
27. Januar 1931 (Reichssteuerblatt — RStBl. — 5$.311, mit unmittelbarer Wirkung zugunsten der Stadtgemeinde
Mrozek-Kartei, GrEStG 1919 8 .8 Nr. 9 Abt. I Rechts- erwarb.
spruch 80) von der nachgeforderten Steuer frei, Hiernach war auf die Frage der Anwendbarkeit von
Die /Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts Grundsätzen des den Erwerb eines Hausanwesens betref-
hat keinen Erfolg. fenden Urteils des Reichsfinanzhofs vom 22. September
N - 1931, auf das sich das Finanzgericht ebenfalls bezogen
5 EEE Een EN N ES hat, nicht mehr einzugehen,
er‘ höchsten euergerichte di uerbefreiungen d' R g
84 Abs.1l GrEStG ür zum Teil anwendbar sind, wenn Umfaßt hiernach der Erwerb „zur Schaffung von Klein-
ein erworbenes Grundstück in der Hand des Erwerbers Wohnungen“ auch das abzutretende Straßengelände, so
nur zu einem Teil dem steuerbegünstigten Zweck dienen ist die Befreiung zu gewähren, und es geht auch der
soll, und zwar auch dann, wenn der andere Teil auf Einwand des Vorstehers des Finanzamts fehl, nicht die
Grund der Umstände des Hrwerbsfalles miterworben wer- Bgin., sondern die Stadt habe diesen Grundstücksteil dem
den mußte. Die Versagung der Steuerbefreiung für den Steuerbegünstigten Zweck zugeführt. Die Bgin. hat das
Erwerb des später für Straßenzwecke weitergegebenen zo ET BD eg StG), Ag
Sm eerBekste ns Anvehudie Bein Sy Brde aber im Streit einen Teil zur Verbreiterung der Straße (Ziff.4 Buch-
1) BStBl. 1955 III S. 326. stabe a daselbst) erworben.
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