Leibniz-Institut für
Gewässerökologie
und Binnenfischerei
Ein Jahr
Gewässerforschung
Jahresforschungsbericht 2020
Biodiversität
Wie Arten überleben
und was die
aquatische Vielfalt
fördert
Ökosystemleistungen
Wie wir Gewässer
besser schützen und
nachhaltig
bewirtschaften
können
Globaler Wandel
Wie Ökosysteme
und Lebensgemeinschaften
widerstandsfähiger
werden
Angelfischerei
Aquakultur und Aquaponik
Biodiversität
Dialog und Transfer
Gewässerökosysteme
Nutzung und Management
Schadstoffe und Belastungen
Umweltwandel
Verhaltensbiologie und Schwarmintelligenz
Wasser- und Stoffkreisläufe
Forschen für die Zukunft
unserer Gewässer
Das IGB ist das größte deutsche und eines der international
führenden Zentren für die Binnengewässerforschung. Unsere
Vision ist es, aquatische Systeme in all ihrer Komplexität
zu verstehen und mit diesem Forschungswissen den nachhaltigen Umgang mit gewässerbasierten Ressourcen und
Ökosystemen zu unterstützen. Wir denken: Wissenschaftliche
Erkenntnisse, die auf exzellenter Forschung beruhen, sind eine
zentrale Grundlage für kluge Entscheidungen. Ein besseres
Verständnis der Gewässer und all ihrer ökologischen Aspekte
unterstützt Politik und Gesellschaft dabei, globalen Herausforderungen zu begegnen und Gewässer zum Wohl von Mensch
und Natur zu nutzen und zu erhalten.
Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen ausgewählte
Forschungsergebnisse und Aktivitäten aus dem Jahr 2020 vor.
Sie sind zehn Themenbereichen zugeordnet, in denen wir alles
bündeln, was für Sie rund um unsere Forschungsarbeit interessant sein könnte. Zu den einzelnen Themen finden Sie auf
unserer Website weitere Informationen, Materialien, Fachleute
sowie Hintergründe und aktuelle Meldungen.
Wir wünschen viel Freude beim Lesen und Entdecken!
Inhalt
9
Forschung
9
4
Vorwort
IGB-Direktor Luc De Meester blickt auf
sein erstes Jahr am Institut zurück. Es
waren in vielerlei Hinsicht besondere 12
Monate, in denen die globalen Herausforderungen unserer Zeit noch deutlicher
geworden sind. Trotz aller bekannten
Einschränkungen haben Forscher*innen
am IGB auch 2020 Experimente durch
geführt, Daten gesammelt sowie aus
gewertet, unzählige Videokonferenzen
geführt und gemeinsam neues Wissen
gewonnen – all das, um Umwelt
veränderungen nachhaltig zu begegnen
und Gewässer und ihre Lebensge
meinschaften besser zu schützen.
6
Nachrichten
Gute Neuigkeiten aus unserer Forschung.
2
Ökosystemleistungen
Mehr als eine Millionen Barrieren
zerschneiden Europas Flüsse – nur
ein Beispiel dafür, wie intensiv
wasserbasierte Ressourcen und
Ökosysteme vom Menschen genutzt
und beeinflusst werden. Forschende
am IGB wollen genau wissen, welche
Ökosystemleistungen Seen, Flüsse
und ihre Auen erbringen, wie sie auf
verschiedene Nutzungsarten reagieren und wie wir sie besser schützen
können. Unsere Erkenntnisse
sollen dazu beitragen, natürliche
Ressourcen künftig nachhaltiger zu
bewirtschaften – in Fischerei und
Aquakultur, bei der Binnenschifffahrt
und Energiegewinnung oder bei
Freizeitaktivitäten.
19
Biodiversität
Binnengewässer beherbergen eine
einzigartige Vielfalt an Lebewesen,
die komplexe Gemeinschaften
bilden. Doch sie sind bedroht: Gene,
Populationen, ganze Arten und
Lebensräume verschwinden im
Süßwasser deutlich schneller als an
Land oder im Meer. Dieser Verlust
gefährdet auch das menschliche
Wohlergehen und bleibt dennoch
zu häufig unbemerkt. Um die
biologische Vielfalt zu schützen
und zu erhalten, entschlüsseln
IGB-Wissenschaftler*innen die
Rätsel und Anpassungsstrategien
unterschiedlichster Süßwasser
organismen – vom aquatischen
Bakterium Achromatium oxaliferum
über den Stör bis hin zu ganzen
Fischschwärmen. Sie erkunden,
was deren Vielfalt ermöglicht oder
gefährdet; wie es etwa invasiven
Arten gelingt, sich zu etablieren oder
wie sich die Corona-Pandemie auf
die globalen Fischbestände auswirkt.
Jahresforschungsbericht 2020
Inhalt
36 Extra:
Datenschatz Internet
Fotos: Porträt De Meester u. Biodiversität © David Ausserhofer; Nachrichten © Solvin Zankl; Ökosystemleistungen © Francisco Kemeny/unsplash;
Globaler Wandel © Lukas Kleine/IGB; Social Media © Dmytrenko Vlad/Shutterstock; Jahresrückblick/Aquacosm © Frederico Cheda
Um wissenschaftliche
Erkenntnisse zu generieren, brauchen Forscherinnen und Forscher
Daten. Zwei neue F orschungszweige,
Culturomics und iEcology, nutzen
dafür das Internet. Das bietet viele
Chancen, insbesondere auch für die
Erforschung aquatischer Lebens
räume.
27
46
Über uns
Globaler Wandel
Gewässer reagieren sensibel auf
Klima- und Umweltveränderungen,
z.B. auf steigende Temperaturen
und extreme Wetterereignisse,
aber auch auf zu viele Nähr- und
Schadstoffe, die in Flüsse und
Seen gelangen. Manche Gewässer
trocknen temporär aus, schrumpfen
oder verschwinden dauerhaft. Einige
leiden unter Überdüngung und
entwickeln intensive Algenblüten.
Aus anderen entweichen Treibhausgase, die die globale Erwärmung
zusätzlich beschleunigen. Wir wollen
verstehen, was die Widerstandskraft
von Ökosystemen und Lebens
gemeinschaften fördert und wie
die Anpassung an den Klimawandel
gelingen kann. Forschende am IGB
analysieren, wie sich z.B. das wenige
Niederschlagswasser während
Dürren verteilt oder was gegen die
Eutrophierung von Seen und die
Massenentwicklung von Cyano
bakterien helfen könnte.
46 2020 in Zahlen
48 Köpfe
52
53
Publikationen
Finanzen
54 Struktur
39
Jahresrückblick
56 Impressum
Zwölf Monate am IGB, prall gefüllt mit
gestarteten Projekten und Initiativen
sowie zumeist virtuellem Austausch.
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
3
Vo r w o r t d e s D i r e k t o r s | Luc De Meester
Liebe Leserin, lieber Leser,
Zwei Worte fassen für mich die Zeit der
Pandemie ganz gut zusammen: Hoffnung und Verzweiflung. Hoffnung, weil
sich die Arbeitsweise des IGB in Zeiten
des Coronavirus als sehr widerstandsfähig erwiesen hat – wir haben unsere
Arbeit flexibel reorganisiert, Protokolle
für den Umgang mit der Pandemie entwickelt, Kolleginnen und Kollegen unterstützt, die von zu Hause aus arbeiten, und
alle wesentlichen Funktionen aufrechterhalten. Ich hoffe, das spiegelt die Profes-
4
sionalität und das Engagement aller Mitarbeitenden wider. Dennoch hätte ich
mir zu Beginn meines ersten Jahres viel
mehr Möglichkeiten für persönliche Besprechungen und engagierte Diskussio
nen in größeren Gruppen gewünscht –
Aspekte unserer Arbeit, die unter unserer
virtuellen Arbeitsweise gelitten haben.
Ich hatte nur wenige Gelegenheiten,
mich zum Mittagessen in einen der Sozialräume des Instituts zu setzen, bevor
es auf den Fluren des IGB sehr leer und
still wurde. Und obwohl viele die Gelegenheit nutzten, um sich in die Datenanalyse und das Schreiben zu vertiefen,
hat COVID-19 unsere Forschung doch
massiv beeinflusst. Als ökologisches Institut sind wir stark auf Feldarbeit und
Experimente angewiesen, auch auf groß
angelegte Versuche mit internationalen Gastwissenschaftler*innen. Und gerade neue Doktorierende und Post
doktorand*innen, die empirische Daten
sammeln mussten, haben sehr gelitten.
Das werden wir in den nächsten Jahren
spüren. Und sicher mussten viele Kolle-
ginnen und Kollegen – mehr als früher –
mit Arbeit und Betreuungspflichten
jonglieren.
Die weltweite Pandemie hat vielen Menschen bewusst gemacht, wie wichtig
verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse und Empfehlungen sind. Zugleich
sind zwei zentrale Herausforderungen,
vor denen die Welt steht, vorübergehend
etwas vom Radar verschwunden, obwohl
sie drohender denn je sind: der Klimawandel und die tiefe Biodiversitäts- und
Naturkrise. Für mich fühlten sich 2019
und 2020 wie zwei Jahre an, in denen
der Klimawandel mehr denn je außer
Kontrolle geriet – mit den immer größer
werdenden Bränden in Kalifornien, Australien und dem Amazonas, den Hitzewellen und anhaltenden Dürren, einem
Temperaturrekord nach dem anderen. Es
war verheerend zu sehen, wie das Pantanal, das größte Feuchtgebiet der Welt
und eines der artenreichsten Systeme
weltweit, brannte. Süßwassersysteme
gehören zu den am stärksten bedrohten
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: Porträt De Meester © David Ausserhofer
ich habe lange mit mir gerungen:
Coronavirus oder kein Coronavirus in
diesem Vorwort? Muss ich Ihnen wirklich
erzählen, dass 2020 das (erste) Jahr mit
dem Virus war, und dass auch das IGB betroffen ist? Dass viele Abläufe und Routinen plötzlich hinfällig waren? Dass ich
mir mein erstes Jahr am Institut etwas
anders vorgestellt hatte? Nun, ich bin zu
dem Schluss gekommen, dass ich nicht
drum herum komme, denn das Coronavirus hat und wird unsere Forschung und
unser Denken über Krisen beeinflussen.
Vo r w o r t d e s D i r e k t o r s
Lebensräumen der Erde. Daten belegen
einen rasanten Rückgang der Artenvielfalt im Süßwasser in den letzten Jahrzehnten. Kein schönes Bild! Diese Krisen
dürften schädlicher als COVID-19 sein,
wirken sich aber weniger akut auf uns
Menschen aus und machen die Welt
dennoch allmählich zu einem viel weniger angenehmen Ort zum Leben. Dieser
schleichende Prozess dürfte es erschweren, die zahlreichen gesellschaftlichen
Reformen durchzusetzen, die notwendig
sind, um zum Beispiel unsere Energieversorgung neu zu organisieren, und den
Druck massiv zu reduzieren, den wir auf
die natürlichen Systeme ausüben.
Aber es gibt Hoffnung. Erstens dürfte
die Pandemie zu einem gesteigerten
Bewusstsein dafür geführt haben, dass
die globalisierte Welt ein fragiler Ort ist,
und sie hat gezeigt, dass es tatsächlich
möglich ist, Veränderungen umzusetzen,
die man vorher für unmöglich gehalten
hätte. Zweitens gibt es zumindest die
Absicht, unsere Wirtschaft bei ihrem
Neustart in Richtung Nachhaltigkeit
zu lenken. Es bleibt zu hoffen, dass dies
mehr als nur ein kleiner Anstoß ist, ein
echter Vorstoß für ein Gleichgewicht mit
unseren globalen natürlichen Ressourcen und den Ökosystemen der Welt. Dabei wird es sehr wichtig sein, sich nicht
allein auf technische Lösungen zu verlassen, sondern auch die regulierenden
Ökosystemleistungen zu verbessern und
damit die Resilienz zu fördern. Süßgewässer spielen bei diesen regulierenden
Ökosystemleistungen eine Schlüsselrolle. Das IGB ist gerne bereit, diesen Wandel mit seiner Expertise zu unterstützen.
Auf den folgenden Seiten skizzieren wir
einige unserer Ergebnisse, die die zentralen Themen unserer Mission auf den
Punkt bringen. Sie zeigen einige der
wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir darüber gewonnen haben,
wie natürliche Systeme funktionieren
und wie sie auf Stressoren und Managementmaßnahmen reagieren. Die Beiträge verdeutlichen auch, wie wichtig diese
Erkenntnisse und Aktivitäten sind, um
die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Ab p Seite 9 konzentrieren wir uns auf
die Ökosystemleistungen unserer Flüsse, Auen und gewässerbasierten Ressourcen. Welche Phänomene setzen sie
unter Druck? Was kann man tun, um
sie zu erhalten und nachhaltig zu bewirtschaften? Nur ein Beispiel: Europas
Flüsse sind durch nicht weniger als eine
Million Barrieren fragmentiert, was, wie
man sich vorstellen kann, enorme Auswirkungen auf ihre Struktur und Funktion hat und viele Arten in Gefahr bringt.
Unsere Erkenntnisse sind wichtig, um
den Zielkonflikt zwischen Binnenschifffahrt, Energieerzeugung und Nahrungsmittelproduktion einerseits und dem
Schutz der Umwelt und der Erhaltung
von Natur und Biodiversität andererseits
in Einklang zu bringen.
Auf p Seite 19 widmen wir uns den
Treibern und Folgen der aquatischen
Biodiversität. Forschende am IGB entschlüsseln die Geheimnisse und Anpassungsstrategien ganz unterschiedlicher
Süßwasserorganismen – von Riesenbakterien wie Achromatium oxaliferum
bis hin zur aquatischen Megafauna wie
Störe. Was fördert oder bedroht ihre Vielfalt? Unsere Arbeit trägt dazu bei, eine
wissenschaftliche Grundlage für die
stärkere Berücksichtigung der Süßwasser-Biodiversität in nationalen und internationalen Regelwerken zu entwickeln.
Der globale Wandel und dessen Auswirkungen auf Ökosysteme und Lebensgemeinschaften ist ein weiterer wichtiger
Forschungsschwerpunkt am IGB. Wo
bleibt das Wasser bei einer Dürre? Haben
wir die CO2-Emissionen aus trockenen
Binnengewässern unterschätzt? Können
Pilzparasiten helfen, Cyanobakterien
in zunehmend wärmeren Seen einzudämmen? Und wie kann Phosphor in
Gewässern zurückgehalten werden, um
Eutrophierung zu vermeiden? Unsere
neuesten Erkenntnisse zu Themen wie
diesen stellen wir ab p Seite 27 vor.
Forschung am IGB beruht auf dem Verständnis, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Projekte grundsätzlich allen
Interessierten zur Verfügung stehen
sollen. Dieser jährliche Forschungsbericht ist ein Versuch – neben vielen anderen –, dies zu erreichen. Wir freuen uns,
wenn er eine gewisse Resonanz in der
wissenschaftlichen Gemeinschaft und
bei anderen gesellschaftlichen Akteuren
erzeugt. Und wir freuen uns noch mehr,
wenn er zu neuen Partnerschaften führt
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
und uns hilft, unser Forschungswissen in
die Praxis zu übertragen.
Apropos Praxis: Es war eine Freude, mit
so vielen engagierten Partnern und Stakeholdern zusammenzuarbeiten, die unsere Forschungs-, Lehr- und Transferaktivitäten unterstützt und inspiriert haben
und die das von uns gewonnene Wissen
nutzen. Was mich zu einer weiteren Anerkennung führt: Nur dank der finanziellen
und praktischen Unterstützung der Berliner Senatskanzlei für Wissenschaft und
Forschung und des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) kann
das IGB überhaupt arbeiten. Nach einem
Jahr, meist vor dem Computerbildschirm,
bin ich noch recht neu im deutschen und
Berliner Forschungssystem. Allerdings
habe ich bereits die große Unterstützung
des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts erfahren, mit dem wir schon einige
sehr inspirierende Diskussionen geführt
haben. Ich habe auch den starken Mehrwert der Verbünde und Netzwerke erlebt,
in die wir eingebettet sind, vor allem die
professionelle gemeinsame Verwaltung
des Forschungsverbundes Berlin und die
Leibniz-Gemeinschaft.
Wir am IGB sind stolz auf das, was wir
tun. Gerade in diesem Jahr kann nicht
oft genug betont werden, dass alle am
IGB einen hervorragenden Job gemacht
haben. Sie haben sich um ihre Kolleginnen und Kollegen gekümmert, sie bei
Laune gehalten, mich in meinem ersten
Jahr unterstützt, andere neue Mitglieder
bestmöglich willkommen geheißen und
„einfach“ ihren Job gemacht, obwohl wir
alle die täglichen sozialen Interaktionen
– vom Plaudern bis zum Brainstorming –
vermissen, die diesen Job so viel lohnender machen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine
angenehme und inspirierende Lektüre
dieses jährlichen Forschungsberichts,
entweder als gedrucktes Exemplar oder
als elektronische Version.
Ihr
Luc De Meester
Direktor
5
Nachrichten
Im Februar 2020 schlossen
sich fast alle außeruniver
sitären Institute und Zentren
im Berliner Raum zur Initiative BR50 (Berlin Research 50)
zusammen. Sie soll vor Ort
die Zusammenarbeit mit
den Universitäten und den
Austausch mit Gesellschaft
und Politik fördern und darüber hinaus eine Dialogplattform für die beteiligten Institutionen bereitstellen. Das Interesse an
dieser Vernetzung ist groß – insbesondere
um bei übergeordneten Themen gemeinsam auftreten
zu können. Von dieser Kooperation sollen aber nicht nur
die Forschungseinrichtungen selbst profitieren, sondern
auch die Politik, die Hochschulen und die Öffentlichkeit.
BR50 ist Ansprechpartner, Multiplikator und Katalysator
für aktuelle wissenschaftliche und auch gesellschaftliche Fragen. Als Mitgliedsinstitution mit von der Partie:
das IGB.
Mehr erfahren p www.br50.org
Prof. Dr. Luc De Meester, luc.demeester@igb-berlin.de
IUCN EICATStandard eingeführt
Invasive gebietsfremde
Arten gelten weltweit
als eine der Hauptursachen für den
Verlust der biologischen Vielfalt.
Will man Managementmaßnahmen
zum Schutz der einheimischen Biodiversität ergreifen, muss man diese
Auswirkungen zunächst besser verstehen. Sind zum Beispiel die Ressourcen knapp, ist es sinnvoll, dem
Management jener gebietsfremder
Arten Priorität einzuräumen, die die
schädlichsten Auswirkungen haben.
Aus diesem Grund hat die Weltnaturschutzunion (IUCN) die Environmental Impact Classification for
Alien Taxa (EICAT) entwickelt. EICAT
ist ein einfaches und objektives Instrument, das gebietsfremde Arten
nach Schwere und Art ihrer bekannten Umweltauswirkungen klassifiziert. Für die Entwicklung und Umsetzung des neuen Standards ist die
EICAT-Authority verantwortlich. Sie
besteht derzeit aus zehn internationalen Expert*innen für biologische Invasionen, darunter die IGBWissenschaftler Thomas Evans und
Jonathan Jeschke.
In einem Video stellt die IUCN den
neuen EICAT-Standard vor
p https://youtu.be/7GAax3xakJs
Dr. Thomas Evans, evans@igb-berlin.de
querFELDein
Prof. Dr. Jonathan Jeschke,
jeschke@igb-berlin.de
Die Online-Wissensthek querFELDein der Leibniz-Gemeinschaft bündelt Fakten, News und Ideen rund um die Landwirtschaft der Zukunft. Wie sehen nachhaltige Anbausysteme aus? Was
leistet die Digitalisierung auf dem Acker, was der Ökolandbau? Wie wird
die Aquakultur der Zukunft aussehen? Welche Auswirkungen hat die
Lichtverschmutzung auf die Landwirtschaft? Sie ahnen es: Das IGB ist
ebenfalls mit Themen vertreten. Initiiert wurde das Projekt vom LeibnizZentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).
Wissen finden p https://quer-feld-ein.blog/
6
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Berlin © Werner März/Pixabay; ZALF © suze/photocase; IUCN © IUCN YouTube Channel/Animation Riccardo Scalera;
Grundstein © Glass Kramer Loebbert BDA Gesellschaft von architekten; Invasionsbiologie © Webseite hi-knowledge.org
Außeruniversitäre
Forschung in und für Berlin
Nachrichten
Grundstein für
gemeinsames
Gebäude von IGB
und FU
Im Dezember 2020 wurde der Grundstein für das
Gemeinsame Wissenschaftsgebäude Biodiversität auf
dem Forschungscampus
Berlin-Dahlem gelegt. Das
Kooperationsprojekt von IGB
und Freier Universität Berlin
soll Forschung und Lehre zum
Zukunftsthema Biodiversität
vernetzen und stärken. Bislang
sind es vor allem die gemeinsa-
Navigationshilfe
für den Hypothesendschungel
men Professuren, über die der
spontane Fachaustausch vor
Ort stattfindet. Das neue, fünfeckige Gebäude soll diesem
Austausch im Wortsinne mehr
Raum geben und über 100
Biodiversitätsforscher*innen
und Studierende zusammenbringen. Wenn es 2023 fertig
ist, wird es nicht nur der Umweltforschung dienen, sondern
auch strengen Umweltstandards folgen. Derweil geht
die Biodiversitätsforschung
an den bisherigen Standorten
weiter. Wir freuen uns auf die
gemeinsame, interdisziplinäre
Zukunft.
Prof. Dr. Luc De Meester,
luc.demeester@igb-berlin.de
Wie und warum werden manche gebietsfremde Arten invasiv,
andere jedoch nicht? Zu dieser und anderen Fragen hat das
Fachgebiet der Invasionsbiologie viele Hypothesen und Konzepte
parat – einige davon überlappen sich, manche sind sogar wider
sprüchlich. Ein internationales Team unter der Leitung von IGB und
der Freien Universität Berlin bietet Orientierungshilfe.
Die Forschenden definierten 39 Invasionshypothesen und gruppierten sie in Cluster, die jeweils eine bestimmte Perspektive auf
biologische Invasionen einnehmen. So vereint zum Beispiel der
Trait cluster Hypothesen, die einen Schwerpunkt auf die biologischen Eigenschaften invasiver Arten legen, wohingegen der Propa
gule cluster Hypothesen enthält, die sich auf den Faktor Mensch beziehen, insbesondere wie häufig und in welcher Anzahl Individuen
oder Populationen gebietsfremder Arten durch Menschen eingeführt werden. Daraus entstand eine interaktive Übersichtskarte für
die Invasionsbiologie, die seit Juni 2020 online frei zur Verfügung
steht. Nutzer*innen können in die wichtigsten Konzepte und Hypothesen hineinzoomen sowie Studien und Meta-Daten auffinden.
Im September 2021 startet das Team ein neues Projekt, aus dem das
Wissensportal enKORE (EvolviNg Knowledge REsource) entstehen
soll. EnKORE wird modernste Visualisierungstechniken, künstliche
Intelligenz und neuartige Methoden zur Wissenssynthese anwenden. Navigationshilfen für verwandte Disziplinen wie die Stadtökologie, die Renaturierungsökologie oder andere Teilbereiche der
Biodiversitätsforschung sind ebenfalls denkbar.
Hi Knowledge 2.0 finden Sie online unter
p www.hi-knowledge.org
Prof. Dr. Jonathan Jeschke, jeschke@igb-berlin.de
Enders, M., et al. (2020). A conceptual map of invasion biology: integrating
hypotheses into a consensus network. Global Ecology and Biogeography,
29(6), 978-991. https://doi.org/10.1111/geb.13082
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
7
Nachrichten
Citizen Science Projekt
ausgezeichnet
Das Projekt „Artenschutz durch
umweltverträgliche Beleuchtung“
(AuBe) wurde im Oktober 2020 als offizielles
Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet.
Mehr Informationen unter
p www.tatort-strassenbeleuchtung.de
Twitter p @AubeNews
Facebook p @AubeProjekt
Instagram p @aubenews
Dr. Sibylle Schroer,
schroer@igb-berlin.de
PD Dr. Franz Hölker,
hoelker@igb-berlin.de
Projekt: AuBe – Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung, Laufzeit: 06/201905/2025, Gefördert durch: BfN und BMU
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung des Projekts
nahm das Team die Auszeichnung in
Neuglobsow entgegen.
Praxisleitfaden zum Streuabbau
in Gewässern
Nichts als welke Blätter? Der Abbau von Pflanzenstreu
ist nach der Produktion von Biomasse durch Pflanzen
der bedeutendste Ökosystemprozess der Biosphäre. Mark Gessner und Kolleg*innen aus Kanada und Portugal haben eine neue
Auflage ihres umfassenden Methodenbuchs zum Streuabbau in
Gewässern herausgegeben. Der Praxisleitfaden Methods to Study
Litter Decomposition richtet sich an Studierende ebenso wie an
Forscherinnen und Forscher, die ihren methodischen Werkzeugkasten erweitern wollen. Einen besonderen Schwerpunkt legt die stark
erweiterte und überarbeitete 2. Ausgabe auf die Fließgewässer. In
63 Kapiteln auf 600 Seiten widmen sich die Autor*innen dem Umsatz der Pflanzenstreu in Ökosystemen, chemischen und physikalischen Streueigenschaften, der Bestimmung, Quantifizierung und
Aktivität von Mikroorganismen (Pilze und Bakterien) und streukonsumierender wirbelloser Tiere sowie der Datenanalyse.
Prof. Dr. Mark Gessner, gessner@igb-berlin.de
Bärlocher, F., et al. (Eds.). (2020). Methods to study litter decomposition. A
practical guide (2nd ed.). Springer International Publishing.
GEWÄSSER-NEWS
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8
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: AuBe © David Ausserhofer; Streuabbau © Solvin Zankl
„Lieber ein atemberaubender Sternenhimmel
als artenberaubende Straßenleuchten“, das ist
das Credo des AuBe-Teams, zu dem Forschende und Bürgerwissenschaftler*innen gleichermaßen zählen. In den Kommunen Neuglobsow und Gülpe (beide BB), Krakow am See
(MV) und Fulda (HS) untersuchen sie, welche
Insektenarten durch Straßenbeleuchtung beeinträchtigt werden und wie umweltgerechte
Beleuchtungslösungen aussehen könnten.
Gemeinsam werden Fallen aufgestellt und
geleert, Insekten bestimmt und die Nachthimmelshelligkeit gemessen. In Interviews
wird erhoben, wie die Anwohnerschaft und
Besuchende das Straßenbeleuchtungsdesign
empfinden. Die Forschenden gehen davon
aus, dass weniger Licht dem Wohlbefinden
aller dient – dem der Insekten und dem der
Menschen.
Zerschnittene
Flüsse
p Seite 10
Risiko
Wasserkraft
p Seite 14
Ausbau
an der Oder
p Seite 16
Empfehlungen
für die
Angelfischerei
p Seite 16
Nachhaltige
Therapien für die
Aquakultur
p Seite 17
Neues über
Lichtverschmutzung
p Seite 18
Ökosystemleistungen
Gewässer schützen und nachhaltig nutzen
Foto: Frank Masese
Mehr als eine Millionen Barrieren zerschneiden Europas Flüsse. Das hat
enorme Auswirkungen auf die natürlichen Lebensräume, aber auch
auf die Funktionen der Gewässer. Und es ist nur ein Beispiel dafür, wie
intensiv wasserbasierte Ressourcen und Ökosysteme vom Menschen
genutzt und beeinflusst werden. Forschende am IGB wollen genau
wissen, welche Ökosystemleistungen Seen, Flüsse und ihre Auen
erbringen, wie sie auf verschiedene Nutzungsarten reagieren und
wir wir sie besser schützen können. Unsere Erkenntnisse sollen dazu
beitragen, natürliche Ressourcen nachhaltiger zu bewirtschaften – in
Fischerei und Aquakultur, bei der Binnenschifffahrt oder Energiegewinnung sowie bei Freizeitaktivitäten.
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
9
Fo r s c h u n g | Im Zeichen des Klimawandels
Verstopfte Lebensadern:
zu viele Barrieren in Europas Flüssen
Im Fluss Lim
(Bosnien und
Herzegowina)
verhindert ein
Seil mit Kanistern,
dass Müll in die
Turbinen eines
flussabwärts
gelegenen
Wasserkraftwerks
gelangt.
Frau Huđek, Herr Pusch, Sie haben für AMBER Querbauwerke in Flussläufen in Deutschland und 14 weiteren
europäischen Ländern gezählt. Warum?
Martin Pusch: Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt,
einen europäischen Atlas bestehender Querbauwerke
in Flüssen zu erstellen. Aus den EU-Mitgliedsländern
wurde hierzu eine offizielle Zahl von insgesamt 630.000
Barrieren gemeldet. Weil die Statistiken der Behörden
erfahrungsgemäß unvollständig sind, haben wir in 15
Ländern durch Fahrten entlang der Flüsse erfasst, wie
hoch die tatsächliche Zahl der Bauwerke ist. Daraus
wurde dann eine realistischere, aber immer noch konservative Zahl errechnet: 1,2 Millionen Barrieren in Europas Flüssen, davon in Deutschland 225.000 Barrieren,
von denen 179.000 den Behörden bekannt waren.
Helena Huđek: Ich habe die Barrieren in insgesamt 25
Flüssen in Deutschland, Tschechien und Ungarn sowie
sechs Balkan-Ländern jeweils auf einer Länge von 20
Kilometern dokumentiert. Wir haben alle Barrieren
erfasst, das heißt ihren Typ, ihre Nutzung, und ob in den
Flüssen noch ausreichend Wasser fließt.
Was haben Sie bei Ihren Erkundungen vorgefunden?
Helena Huđek: Wir haben viel mehr Barrieren entdeckt
als erwartet. Insbesondere in Tschechien fanden wir
10
zahlreiche kleine selbstgebaute Barrieren, etwa einen
Meter hoch, die einst errichtet wurden, um im Fluss
besser fischen oder schwimmen zu können. Niemand
wusste, dass diese Barrieren existieren.
Welche Auswirkungen haben Barrieren auf die Fließgewässer?
Helena Huđek: Sie zerschneiden den Fluss, das heißt, Fische können die Barrieren nicht überwinden. Wandernde Fischarten müssen zum Ablaichen stromaufwärts
schwimmen, gelangen aber nicht mehr dorthin…
Martin Pusch: … und die vorhandenen Fischtreppen
funktionieren meist nicht. Sie führen oft zu wenig
Wasser, sind außerdem oft zu steil, und die Fische
können ihren Eingang nur schlecht finden. Dämme und
Wehre haben außerdem zur Folge, dass der Sedimenttransport unterbrochen wird. Dadurch bilden sich keine
frischen Kiesbänke im Flussbett, die für eine erfolgreiche
Fortpflanzung etwa von Forellen notwendig sind, und
außerdem für die natürliche Selbstreinigungsfunktion
der Flüsse.
Warum wurden in Europas Flüssen so viele Barrieren
gebaut?
Martin Pusch: Die ältesten Querbauwerke stammen
aus dem Mittelalter und dienten dazu, Mühlen zu
betreiben, die ab dem 20. Jahrhundert oft in kleine
Wasserkraftwerke umgebaut wurden. Viele
andere Barrieren wurden gebaut, um die
Auswirkungen von Flussbegradigungen
zu kompensieren, die oft im Zuge
landwirtschaftlicher Bodenverbesserungsmaßnahmen durchgeführt
wurden. Die Begradigung eines
Baches oder Flusses führt ja wegen
des erhöhten Gefälles unweigerlich zur
Tiefenerosion, das heißt, das Sediment
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Müllbarriere © Helena Huđek; Porträt Pusch © David Ausserhofer; Porträt Huđek © privat
Das EU-Forschungsvorhaben AMBER deckte
2020 auf, wie zerstückelt unsere Flüsse sind:
1,2 Millionen Querbauwerke zerschneiden Europas
Fließgewässer, davon etwa 225.000 in Deutschland. Helena Huđek und Martin Pusch überprüften in 15 Ländern vor Ort, inwieweit behördliche
Angaben mit der tatsächlichen Zahl an Barrieren
übereinstimmen. Die Doktorandin und der sie betreuende Gewässerforscher berichten über den
Zustand der Flüsse, und wie man sie wieder zum
Fließen bringt.
Ökosystemleistungen | Fo r s c h u n g
wird vom fließenden Wasser mitgeführt. Dadurch wird
das Fließgewässer tiefer, und Ufer und Brückenfundamente werden instabil. Um das zu vermeiden, verlegte
man viele Sohlschwellen, brachte also weitere Barrieren
in den Fluss.
Welche aktuellen Entwicklungen sind
besonders problematisch?
Helena Huđek: Auf dem Balkan gab es 2015
noch 590 Wehre für kleine Wasserkraftwerke, inzwischen sind es über 1.300, die
Zahl hat sich also binnen fünf Jahren mehr als
verdoppelt. In den kommenden Jahren will man
weitere 3.000 Wasserkraftwerke bauen. Die geplanten
Wasserkraftwerke sind mit einer Kapazität bis zu zehn
Megawatt meist klein, sie erzeugen also wenig Strom.
Dennoch haben sie schlimme Auswirkungen, weil sie
oft das gesamte Bachwasser über lange Kanäle zu den
Turbinen leiten, so dass weite Fließstrecken komplett
trocken fallen, mit verheerenden Auswirkungen für
das Leben darin. Der Bau kleiner Kraftwerke wird leider
durch staatliche Subventionen gefördert, übrigens auch
in Deutschland.
Frau Huđek, wie würden Sie insgesamt das Bild beschreiben, das Sie vorgefunden haben?
Helena Huđek: Im Vergleich zu den Flüssen in Mitteleuropa gibt es auf dem Balkan noch mehr naturbelassene
Flüsse, aber diese werden dort derzeit durch eine „Welle“ von Wasserkraftwerken sehr schnell zerstört. Wir
haben gesehen, wie Flusswälder abgeholzt, natürliche
Flussbetten begradigt, neue Barrieren gebaut, Flüsse
kanalisiert wurden, wie Wasser verschmutzt und Müll in
Flüssen abgelagert wurde, und standen vor ausgetrockneten Flussbetten. Diese Probleme verbreiten sich in
der Balkanregion wie eine Krankheit, unberührte Flüsse
verschwinden dort vor unseren Augen.
Sie und Ihre Kolleg*innen schlagen vor, möglichst viele
vor allem kleinere Querbauwerke rückzubauen. Wo
lassen sich Barrieren am effektivsten entfernen?
Martin Pusch: Viele Querbauwerke werden tatsächlich
nicht mehr genutzt, so dass man diese systematisch
zurückbauen könnte. Auch viele der etwa 72.000
Verrohrungen hierzulande könnte man relativ einfach
durch größere Unterführungsprofile ersetzen oder die
Bäche wieder ans Tageslicht holen. Solche Verrohrungen finden sich überall, wo Straßen über Bäche geführt
werden oder die Bäche bei anderen Nutzungen störten.
Sie schrecken durch ihre glatte Oberfläche Fische, aber
auch andere Tiere wie den Fischotter ab. Wenn größere
Querbauwerke abgerissen werden, ist es allerdings oft
auch notwendig, frühere Flussbegradigungen wieder
rückgängig zu machen. Somit steht dann eine komplette Renaturierung an, damit der Bach oder Fluss wieder
länger und flacher wird. Dafür muss man Ufergelände
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
aufkaufen, das Gewässer verbreitern und in Kurven
legen. Das bedeutendste Beispiel in Deutschland für
eine solche Renaturierung ist die Lippe in NordrheinWestfalen, wo man mittlerweile auf langen Strecken
wieder einen schönen Fischbestand und eine sehr
interessante dynamische Flussaue vorfindet.
Die Ergebnisse dieser Fluss-Bestandsaufnahme flossen
direkt in die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 ein: Bis
dahin sollen europaweit 25.000 Kilometer Flussläufe
von Querbauwerken befreit werden. Ist das realistisch?
Martin Pusch: Das Ziel ist ambitioniert, weil viele
Flüsse dazu ja auch renaturiert werden müssen, aber
unserer Einschätzung nach machbar! Wir haben für
Europa bereits 27 Flüsse mit einer Gesamtlänge von
5.500 Kilometern identifiziert, wo sich Querbauwerke mit eher geringem Aufwand abreißen lassen.
Über welche Kosten sprechen wir dabei?
Martin Pusch: Die Renaturierung der genannten 27
Flüsse wird etwa 315 Mio. € kosten, was umgerechnet auf die Einwohnerzahl der EU einen Betrag von
70 Cent pro Bürger*in ergibt. Zum Vergleich: Die
Landwirtschaft wird durch jede/n EU-Bürger*in mit
etwa 100€ pro Jahr finanziell unterstützt. Dennoch
erscheinen die Kosten für Flussrenaturierungen
zunächst einmal hoch. In einem neuen EU-Projektantrag machen wir deswegen Vorschläge, wie man
die Akzeptanz von Renaturierungsmaßnahmen bei
der Bevölkerung erhöhen kann. Die Idee: den Leuten
zu vermitteln, welche Vorteile sie davon haben, wenn
„ihr“ Fluss für viel Geld renaturiert wird. Diese so
genannten Ökosystemleistungen sind beispielsweise
der Rückhalt von Hochwasserwellen, die Stabilisierung des Grundwasserstands in Trockenperioden,
bessere Selbstreinigung und ein größerer Erholungswert beim Spazierengehen, Angeln oder Baden.
Ein Positivbeispiel: ein renaturierter Abschnitt des
Flusses Ruhr in Arnsberg (NRW) hat sich zu einem
beliebten Fotohintergrund für frisch vermählte Paare
entwickelt!
Das Gespräch führte Wiebke Peters.
PD Dr. Martin Pusch, pusch@igb-berlin.de
Helena Huđek, hudek@igb-berlin.de
Belletti, B., et al. (2020). More than one million barriers
fragment Europe’s rivers. Nature, 588, 436–441.
https://doi.org/10.1038/s41586-020-3005-2
Projekt: Adaptive Management of Barriers in European Rivers (AMBER), Laufzeit: 06/2016-09/2020,
Gefördert durch: EU Horizon 2020
11
Fo r s c h u n g | Ökosystemleistungen
Weltweit werden Wildtiere durch Viehzucht verdrängt, so zum Beispiel
Flusspferde durch Rinderherden in Kenia. | Foto: Frank Masese/
Clara Romero González-Quijano
Alles Mist?
In Savannen gelangen über den Dung großer Weidegänger – wie zum
Beispiel Flusspferde – terrestrische Nährstoffe und organischer Kohlenstoff in Gewässer. Werden Flusspferde von großen Rinderherden verdrängt, verändert
sich die Art und Menge dieses eingetragenen Dungs. Wie ein Team vom IGB und der
Universitäten Innsbruck (Österreich) und Eldoret (Kenia) herausfand, hat das Konsequenzen für die Ökosystemfunktionen in Flüssen. Zwar bringt ein einzelnes Rind weniger Dung ins Gewässer als ein Flusspferd, viele Rinder erhöhen jedoch den Einfluss
dieser Tiergruppe. Experimente am Mara-Fluss in Kenia zeigten außerdem: Mit dem
Rinderdung gelangen mehr Nährstoffe ins Gewässer, was zu mehr Algenwachstum
führt. Der Eintrag von Flusspferden dient eher dem Wachstum von Bakterien und fördert Algen nur indirekt und zeitverzögert.
Prof. Dr. Gabriel A. Singer, gabriel.singer@igb-berlin.de
Clara Romero González-Quijano, romero@igb-berlin.de
Masese, F. O., et al. (2020). Hippopotamus are distinct from domestic livestock in
their resource subsidies to and effects on aquatic ecosystems. Proceedings of the
Royal Society of London: Ser. B, Biological Sciences, 287(1926), Article 20193000.
https://doi.org/10.1098/rspb.2019.3000
Fo r s c h u n g | Ökosystemleistungen
Erneuerbare Energien und Barrieren
gefährden Fischvielfalt
Wasserkraftanlagen, Staudämme und Wehre zerstückeln aquatische Lebensräume. Wie sich das auf die dort lebenden und wandernden Fische auswirkt, haben IGB-Forschende in mehreren Vorhaben untersucht. Die zentralen Ergebnisse: Insbesondere kleine Wasserkraftanlagen sind ökologisch problematisch und wären oft unrentabel,
würden sie mit dem notwendigen Fischschutz ausgerüstet. Wehre und Staudämme tragen dazu bei, dass einheimische Fischarten zurückgehen und invasive Fischarten sich leichter ausbreiten, wie eine Untersuchung im Ebro in Spanien zeigt. Forschende unter Leitung des IGB entwickelten ein Verfahren für die Bewertung der Fischsterblichkeit an
Wasserkraftanlagen und den Europäischen Fischgefährdungsindex (European Fish Hazard Index, EFHI). Beides hilft,
die Risiken von Wasserkraftwerken einzuordnen.
Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, aber nicht
unbedingt umweltfreundlich: Wasserkraftanlagen haben starke
Auswirkungen auf die Fluss-Ökosysteme, in denen sie errichtet
werden. Insbesondere der Turbinenbetrieb ist eine Gefahr für
viele Fischarten. In Planungs- und Genehmigungsverfahren birgt
diese Sterblichkeit Konfliktpotenzial, denn bislang gab es keine
standardisierten objektiven Verfahren, um Mortalitätsrisiken zu
bewerten.
Gefahr Turbine: Neuer Index bewertet Sterberisiko für Fische
Das Team von Christian Wolter hat im Auftrag des Bundesamts
für Naturschutz einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von
Fischen durch Wasserkraftanlagen entwickelt. Im ersten Schritt
definierten die Forschenden das allgemeine Sterberisiko für
alle im Süßwasser vorkommenden, einheimischen Fisch- und
Neunaugenarten, im zweiten Schritt bewertete das Team, wie
groß das Tötungsrisiko verschiedener Fischarten je nach Art der
Wasserkraftanlage ist. Bei der Turbinenpassage nimmt etwa die
Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Verletzung abwandernder
Fischarten mit der Körpergröße zu. Mortalitätsraten sind aber
auch abhängig vom Turbinentyp oder der Fallhöhe.
14
Das Tötungsrisiko an Wasserkraftanlagen kann gemäß der Studie
nur dann verringert werden, wenn ein effektiver Fischschutz installiert ist. Dazu gehören beispielsweise mechanische Barrieren
(z.B. Rechen) und Fischaufstiegs- und -abstiegshilfen, deren Funktionalität zudem geprüft und laufend sichergestellt werden muss.
Das lohnt oft nicht bei kleinen Wasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung von weniger als einem Megawatt, von denen es
in Deutschland rund 7.000 gibt. Mit etwa 14 Prozent des Gesamtstroms aus Wasserkraft, der etwa drei Prozent der gesamten Stromproduktion ausmacht, ist ihr Beitrag zur Energiewende gering. Die
von den Anlagen verursachten Schäden in Gewässerökosystemen
und an den Fischbeständen sind aber vergleichsweise hoch.
Im Rahmen eines internationalen, EU-geförderten Vorhabens
(FIThydro, Koordination TU München) wurde, ebenfalls unter Federführung des Teams von Christian Wolter, ein Index entwickelt,
der dabei hilft, die Umweltauswirkungen einzelner Wasserkraftanlagen objektiv zu prüfen. Eine solche Bewertungshilfe ist dringend
nötig: Bald muss ein beträchtlicher Teil aller Wasserkraftwerke
weltweit umgerüstet oder modernisiert werden, denn etwa 65
Prozent der Kleinwasserkraftwerke in Westeuropa und 50 Prozent
in Osteuropa sind über 40 Jahre alt.
Jahresforschungsbericht 2020
Ökosystemleistungen | Fo r s c h u n g
sächlich können sich gebietsfremde Fische durch die veränderten
Strömungs- und Lebensraumbedingungen, die sich durch das Aufstauen von Flüssen ergeben, sogar leichter ansiedeln. Fischgemeinschaften in stark fragmentierten und vom Klimawandel betroffenen Flüssen sind besonders vom Artenverlust bedroht.
Dr. Christian Wolter, wolter@igb-berlin.de
Dr. Johannes Radinger, jradinger@igb-berlin.de
Ruben van Treeck, van.treeck@igb-berlin.de
Van Treeck, R., et al. (2021). The European Fish Hazard Index – An
assessment tool for screening hazard of hydropower plants for
fish. Sustainable Energy Technologies and Assessments, 43, Article
100903. https://doi.org/10.1016/j.seta.2020.100903
Das BFN-Skript zum Bewertungsindex lesen Sie unter
Fotos: Staudamm Santa Ana (l.) © Manuel Portero; Damm Chile © FranciscoKemeny/Unsplash
p www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/
Skript561.pdf
Der Europäische Fischgefährdungsindex (European Fish Hazard
Index, EFHI) lässt sich für verschiedenste Anlagentypen anwenden und macht es möglich, das Sterberisiko von 168 in europäischen Gewässern beheimateten Fischarten zu beurteilen. Der
EFHI unterstützt die Planung von Schutzmaßnahmen, indem er
deren Auswirkungen in einem Gefährdungsscore abbildet. Dabei berücksichtigt der Index vor Ort relevante Gewässer- oder
Fischschutzziele und geltende europäische Regelwerke. Die Forschenden hoffen, dass eine weitverbreitete Anwendung des EFHI
potenziell gravierende negative Auswirkungen der Wasserkraft
systematisch aufdeckt und somit die Bemühungen, Europas
Flüsse zu schützen, effektiv unterstützen kann.
Ohne Ausweg: Dämme verschärfen die Folgen des Klimawandels
Ein weiteres Vorhaben unter IGB-Beteiligung beschäftigt sich
mit der Frage, welche Folgen Barrieren in Form von Staudämmen und Wehren für Fische haben: Die daraus resultierende
Fragmentierung führt dazu, dass einheimische Fische entlang
eines Flusses oft keine neuen Lebensräume besiedeln können,
auch wenn die Auswirkungen des Klimawandels wie Veränderungen der Wassertemperatur und -qualität sie dazu treiben.
Wie sich Lebensräume von einheimischen und gebietsfremden
Fischarten unter verschiedenen Klimaszenarien verändern und
welche Rolle Staudämme dabei spielen, haben IGB-Forschende
gemeinsam mit einem Team der Universität Girona am Beispiel
des Flusses Ebro im Nordosten Spaniens untersucht. Dort sind
die Fische besonders von den Auswirkungen des Klimawandels
und der Invasion gebietsfremder Fischarten betroffen. Zudem ist
der Ebro durch 300 große Staudämme und viele kleine Querbauwerke unterbrochen.
Johannes Radinger, Hauptautor der Studie, und das Projektteam
fanden heraus, dass Staudämme oft nicht die Ausbreitung invasiver Arten wie Moskitofisch, Wels und Karpfen verhindern. Tat-
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Van Treeck, R., et al. (2020). Fish species sensitivity classification for
environmental impact assessment, conservation and restoration
planning. Science of the Total Environment, 708, Article 135173.
https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2019.135173
Radinger, J., et al. (2020). The role of connectivity in the interplay
between climate change and the spread of alien fish in a large
Mediterranean river. Global Change Biology, 26(11), 6383-6398.
https://doi.org/10.1111/gcb.15320
Projekt: FIThydro – Fischfreundliche innovative Technologien
für Wasserkraft, Laufzeit: 11/2016-03/2021, Gefördert duch: EU
Horizon 2020
Fallbeispiel:
Fische im Anden-Amazonas
Klimawandel und physische Barrieren wie
Dämme bedrohen auch Fische des in den Anden liegenden Teils des Amazonasgebietes. Das zeigt
eine Studie, bei der IGB-Forschende Artverbreitungsmodelle mit funktionalen Merkmalen von Fischen des
Anden-Amazonas kombinierten und dies mit Staudammstandorten und Klimaprojektionen koppelten.
Das Team konnte zeigen, dass der Klimawandel für
die meisten Fischarten des Anden-Amazonas zu einer
Verkleinerung des Verbreitungsgebiets führen wird.
Dass Staudämme zukünftige Arealverschiebungen für
die meisten Arten stark einschränken werden, sagte
das Modell jedoch nicht aus. Einige dieser Barrieren
dürften jedoch für viele Arten die Ausbreitung flussaufwärts verhindern. Langfristig führt die Fragmentierung der Flüsse zusammen mit dem Klimawandel
zu einer beträchtlichen Abnahme der Wahrscheinlichkeit, dass Arten dauerhaft überleben.
Dr. Johannes Radinger, jradinger@igb-berlin.de
Herrera-R, G. A., et al. (2020). The combined effects of climate
change and river fragmentation on the distribution of Andean Amazon fishes. Global Change Biology, 26(10), 5509-5523.
https://doi.org/10.1111/gcb.15285
15
Fo r s c h u n g | Ökosystemleistungen
Schont die Alten! Entnahmefenster
schützen Fischbestände
IGB Policy Brief
IGB Policy Brief:
Ausbaupläne
an der Oder
Die Oder ist einer der letzten großen, relativ naturnahen Flüsse Europas. Noch, denn die Regierung
der Republik Polen plant den Ausbau des Flusses – und
auch Deutschland hat sich in einem beidseitigen Abkommen dazu verpflichtet.
In einem Policy Brief machen die IGB-Experten Christian Wolter und Jörn Geßner darauf aufmerksam, dass die
Maßnahmen wertvolle Lebensräume vieler seltener und
vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich zerstören werden. Die Planungen verstoßen nach Meinung der Forscher in mehrfacher Hinsicht
gegen geltendes EU-Recht und gefährden neben der Umwelt auch die Landwirtschaft beidseitig der Oder.
Die vorgebrachten Argumente für den Ausbau seien inhaltlich nicht belastbar. Die Forscher plädieren daher
dafür, Auen-Retentionsflächen an der Oder zu erhalten
und auszuweiten. Und sie empfehlen dringend, politische
Schritte gegen das Ausbauvorhaben und für den Erhalt
der Oder als ökologisches Vorranggebiet einzuleiten.
Den IGB Policy Brief können Sie kostenfrei herunterladen
p https://bit.ly/IGBPolicyBrief_Oder-Ausbau
16
Mit Fischereibiologen der Universitäten in Florida und
Vancouver untersuchte Robert Arlinghaus die optimalen Fangbestimmungen für eine große Bandbreite
an Fischarten. Sie verglichen die Wirkung klassischer
Mindestmaße mit einer selteneren Bewirtschaftungsmethode: dem Entnahmefenster, bei dem nur mittelgroße Fische entnommen werden. Die Forschenden
fanden heraus: Das Entnahmefenster stabilisiert
die Bestandsdynamik ohne relevante Einbußen bei
den Erträgen und steigert die Durchschnittsgröße
im Fang. Entnahmefenster sind vor allem dann dem
klassischen Mindestmaß überlegen, wenn intensiv
genutzte Bestände von Berufs- und Angelfischerei gemeinsam befischt werden.
Große Laichfische sollten in einer Population nicht
fehlen, denn ein einzelnes besonders großes Weibchen kann die Eizahl vieler kleiner Fische kompensieren. Außerdem vermehren sich verschieden große und
alte Fische zu unterschiedlichen Zeiten und häufig
auch an unterschiedlichen Orten.
Wenn Umweltereignisse die
Brut vernichten, kann eine
altersgemischte Population trotzdem eine
Nachkommenschaft
sicherstellen und so
zu stabileren Populationen beitragen.
Zudem haben Alt und
Jung unterschiedliche
Standplätze, Zugrouten
und Speisepläne, und junge Fische lernen von den erfahrenen Leittieren.
Prof. Dr. Robert Arlinghaus, arlinghaus@igb-berlin.de
Projekt: BODDENHECHT, Laufzeit 01/2019-06/2023,
Gefördert durch: EU und Land Mecklenburg-Vorpommern
Ahrens, R. N. M., et al. (2020). Saving large fish
through harvest slots outperforms the classical
minimum-length limit when the aim is to achieve
multiple harvest and catch-related fisheries objectives. Fish and Fisheries, 21(3), 483-510.
https://doi.org/10.1111/faf.12442
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Oder © Harald Schulz; Hecht © Philipp Czapla
Ausbaupläne an der Oder –
Gefahren für Natur und nachhaltige Nutzung
Maßnahmen gegen Überfischung schonen
mit dem „Mindestmaß“ bislang die jungen
Fische. Ein Forscherteam um Robert Arlinghaus
empfiehlt jedoch, neben dem Nachwuchs auch die
besonders großen, älteren Exemplare am Leben zu
lassen. Diese Art der Bewirtschaftung erzielt gute
Kompromisse zwischen den Ansprüchen von Berufs- und Angelfischerei und der natürlichen Vermehrungsfähigkeit der Fischbestände.
Ökosystemleistungen | Fo r s c h u n g
Aquakultur: Fischkrankheiten umweltfreundlich behandeln
Sie ist gefürchtet: die Samtkrankheit. Die Infektion
wird durch Dinoflagellaten der Gattungen
Amyloodinium und Piscinoodinium verursacht
und befällt Zier- und Speisefische im Süß- und
Meerwasser. In Aquarien und Aquakultur
sorgt sie immer wieder für erhebliche Sterberaten und daher finanzielle Verluste. Thora Lieke hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit
Risiken und Vorteile aktueller Behandlungsmöglichkeiten und neuer Ansätze kombiniert. Ihr Artikel wurde als „Top Downloaded
Paper“ ausgezeichnet.
Fotos: Siamesischer Kampffisch © Bernard Ladenthin, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons; Cover Policy Brief © IGB
Hüllen sich Fische in Samt, ist das ein Alarmsignal. Dann handelt es sich oft um die parasitäre Samtkrankheit. Sie ist hoch infektiös und endet, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird, tödlich.
Traditionell standen Therapeutika zur Verfügung, die Kupfer, Malachitgrün oder Methylenblau enthalten. Deren Rückstände gelangen aber in die Umwelt und sind für andere Organismen hoch
toxisch. Mehrere europäische Länder haben diese Chemikalien
deshalb für den Einsatz in der Aquakultur verboten; für die kommerzielle Zierfischhaltung werden ebenfalls Verbote erwartet.
Deshalb wird intensiv nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten gesucht, auch gegen andere Erreger. In der Fachzeitschrift
Reviews in Aquaculture geben Thora Lieke und Kolleg*innen einen
Überblick zu althergebrachten und neuen Mitteln gegen verschiedene parasitäre Erkrankungen. Sie raten, sich bei der umweltfreundlichen Behandlung von Fischkrankheiten auf zwei Aspekte
zu konzentrieren: Parasiten mit rückstandsfreien oder natürlich
vorkommenden Substanzen zu behandeln sowie das Immunsystem der Fische zu stärken. Zu den rückstandsfreien, sogenannten
„alternativen“ Therapeutika gehören Wasserstoffperoxid und Per
Warmwasserfische wie hier der Siamesische
Kampffisch (Betta splendens) sind häufiger
bedroht, denn die Reproduktion der Krankheits
erreger verläuft bei höheren Temperaturen
schneller.
essigsäure. Sie haben sich als wirksam
gegen eine Vielzahl von aquatischen
Krankheitserregern erwiesen, auch bei
der Behandlung der Samtkrankheit. Jedoch können sie das Stressniveau der infizierten Fische zusätzlich erhöhen. In zahlreichen Studien wird daher der Einsatz natürlicher
Futterzusätze wie Vitamine, Pflanzenextrakte und
Prä- und Probiotika untersucht. Diese aktivieren das Immunsystem und steigern das Wohlbefinden der Tiere. Dadurch verringert
sich deren Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Auch Huminstoffe
sind als Immunstimulanzien bekannt und Gegenstand weltweiter Forschungen. Als natürlicher Teil aquatischer Ökosysteme können sie über die Kiemen aufgenommen werden, wie Thora Lieke
und Kolleg*innen in einer weiteren Studie nachgewiesen haben.
Thora Lieke, lieke@igb-berlin.de
Dr. Thomas Meinelt, meinelt@igb-berlin.de
Projekt: Entwicklung von Produkten auf Basis von Huminstoffen zur Steigerung der Resistenz gegen Stress und Infektionen
in der Aquakultur, Laufzeit: 08/2017-01/2020, Gefördert durch:
AiF Projekt GmbH, BMWi
Lieke, T., et al. (2020). Sustainable aquaculture requires environmental-friendly treatment strategies for fish diseases. Reviews
in Aquaculture, 12(2), 943-965. https://doi.org/10.1111/raq.12365
Lieke, T., et al. (2021). Phenol-rich fulvic acid as a water additiIGB Policy Brief:
ve enhances growth, reduces stress, and
stimulates
Hat die Nachhaltige Aquakultur in Deutschland
eine Zukunft?
the immune
system of fish in aquaculture.
Die Aquakultur gilt als der am schnellsten wachsende Zweig der Lebensmittelproduktion weltweit – in
Deutschland fristet sie ein Nischendasein. Unter 3 Prozent
des Fischkonsums werden zurzeit durch heimische Aquakultur abgedeckt. Dabei könnte das Potenzial für eine
stärkere Eigenversorgung und für den Export von Fisch
mit nachhaltigen Verfahren entwickelt werden, statt den
Nutzungsdruck auf aquatische Ökosysteme und mögliche
Umweltfolgen ins Ausland zu verlagern.
Verbraucher*innen kennen Fisch oftmals nur als verarbeitetes und verzehrfertiges Produkt im Warenregal, das in den
meisten Fällen importiert wurde. Häufig findet die Aquakultur-Produktion im Ausland unter geringeren Sozial- oder Umweltstandards statt. Das ließe sich ändern, sagen die IGB-Forscher Fabian Schäfer und Werner Kloas. Deutschland verfüge
bezüglich Wasser, Fläche, Technik, Know-how und Kaufkraft
prinzipiell über genügend Ressourcen, um die eigene Produktion von Speisefischarten für den Binnen- und Exportmarkt
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
mit nachhaltigen Verfahren deutlich zu
erhöhen. Im einem IGB Policy Brief zeigen
die Autoren das Potenzial landbasierter
(teil-) geschlossener Kreislaufanlagen
(KLA) auf und regen eine gesellschaftliche Diskussion an. Ohne eine höhere
Zahlungsbereitschaft von Handel und
Konsument*innen wird sich diese
Form der Aquakultur voraussichtlich
nicht flächendeckend in Deutschland
durchsetzen können, denn nachhaltiger Fisch hat seinen Preis.
Der IGB Policy Brief steht kostenlos als
Download zur Verfügung
p https://bit.ly/IGBPolicyBriefNachhaltigeAquakultur
Dr. Fabian Schäfer, schaefer@igb-berlin.de
Prof. Dr. Werner Kloas, werner.kloas@igb-berlin.de
17
Fo r s c h u n g | Ökosystemleistungen
Mehr Sterne durch Corona?
Schlafen Stadt-Fische schlechter?
Als Maßnahme gegen COVID-19 wurde das öffentliche Leben im März 2020 zum ersten Mal stark eingeschränkt. Hat sich dadurch auch die Lichtverschmutzung verändert – die Aufhellung des Nachthimmels durch
zu viel künstliches Licht?
Das Hormon Melatonin taktet unsere
innere Uhr. Dank eines hohen Melatoninspiegels werden Menschen abends müde. Auch
bei Tieren ist es wichtig für den Biorhythmus.
Künstliches Licht bei Nacht kann die Bildung von
Melatonin bei Fischen schon bei sehr niedrigen
Lichtintensitäten unterdrücken, fanden Forschende des IGB heraus.
Diese Frage stellten sich die IGB-Wissenschaftler Andreas Jechow
und Franz Hölker und analysierten den Skyglow (Lichtglocke) in
der Region Berlin. Dazu verglichen die Forscher Daten der Himmelshelligkeit vom März 2017 mit denen vom März 2020, jeweils
unter den fast identischen Verhältnissen einer mondlosen, klaren
Nacht. Unter normalen Bedingungen – ohne Corona – hätte der
Nachthimmel über der Stadt heller werden müssen. Wie LangzeitSatellitendaten belegen, nimmt hier die künstliche Beleuchtung
wie nahezu überall auf der Welt zu. Doch das Gegenteil war der
Fall: Der Skyglow über Berlin verringerte sich um 20 Prozent im
Stadtzentrum und sogar um mehr als 50 Prozent in etwa 60 Kilometern Entfernung. Trotz erhöhter Lichtemissionen direkt nach
oben wurde in der Atmosphäre weniger Licht nach unten zurück
gestreut. Als Ursache vermuten die Forscher die verbesserte Luftqualität durch weniger Flug- und Staßenverkehr. Ihre These wird
durch statistische Daten und detaillierte Satellitenbildanalysen gestützt. Andere mögliche Ursachen sind Veränderungen in der privaten Beleuchtung und reduziertes horizontales Licht durch weniger
Autoverkehr. Luftverschmutzung scheint bei der Aufhellung des
Nachthimmels eine größere Rolle zu spielen als bislang vermutet.
Das macht sie zu einem wichtigen Faktor, will man Lichtverschmutzung besser verstehen und eindämmen.
Dr. Andreas Jechow, jechow@igb-berlin.de
PD Dr. Franz Hölker, hoelker@igb-berlin.de
Jechow, A., et al. (2020). Evidence that reduced air and road
traffic decreased artificial night-time skyglow during COVID-19
lockdown in Berlin, Germany. Remote Sensing, Article 3412.
https://doi.org/10.3390/rs12203412
Was sind Lichtglocken?
Lichtglocken entstehen, wenn nachts künstliches Licht in den
Himmel strahlt und durch Wolken und Partikel in der Atmosphäre zur Erde zurück gestreut wird. Sie bilden sich vor allem über
und um urbane Bereiche. Von dieser Art der Lichtverschmutzung
sind weltweit große Areale betroffen, denn Lichtglocken sind
noch aus vielen Kilometern Entfernung zu sehen. Sie schränken
astronomische Beobachtungen ein und wirken sich negativ auf
den Tag-Nacht-Rhythmus von Tieren und Menschen aus.
Wie hell ist 1 Lux?
18
Lichtglocken wie hier über Berlin entstehen,
wenn nachts zu viel künstliches Licht
in den Himmel strahlt.
In einer sternenklaren Nacht liegt die Beleuchtungsstärke bei weniger als 0,001 Lux. In einer Vollmondnacht erreicht sie ein Maximum von 0,3 Lux. Die Lichtglocke einer Stadt kann Beleuchtungsstärken bis zu 1 Lux und mehr, eine Straßenbeleuchtung sogar bis
zu 150 Lux erreichen.
Fische „verschlafen“ einen Großteil ihres Lebens, man
sieht es nur nicht, denn sie haben keine Augenlider.
Wie auch bei anderen Lebewesen dient ihnen der
Schlaf zur Regeneration. Doch was passiert, wenn
Fische nachts zu viel künstlichem Licht ausgesetzt
sind? Um das herauszufinden, untersuchte das Forschungsteam die Melatoninbildung von Europäischen
Flussbarschen. Tagsüber herrschte für alle Tiere Tageslicht, nachts variierte die Beleuchtung je nach Gruppe:
Die Kontrollgruppe verbrachte die Nacht in vollkommener Dunkelheit, die anderen drei Gruppen waren
Lichtintensitäten von 0,01, 0,1 oder 1 Lux ausgesetzt.
Nach zehn Tagen bestimmten die Forschenden die
Melatoninkonzentrationen im Abstand von drei Stunden über 24 Stunden hinweg.
Das Ergebnis: Schon die geringste Beleuchtungsintensität von 0,01 Lux verringerte die Melatoninbildung,
bei den höheren Beleuchtungsintensitäten reduzierte
sich Melatonin stufenweise immer stärker. Die Intensitäten von Skyglow reichen also aus, die Melatoninbildung bei Fischen zu unterdrücken.
Ob Stadt-Fische deshalb unter einem Schlafdefizit leiden, kann mit dieser Methode nicht bewertet werden.
Bekannt ist allerdings, dass Melatonin ein wichtiger
Einflussfaktor für den Schlaf von Fischen ist, und dass
andere Körperfunktionen wie die Immunabwehr, das
Wachstum und die Fortpflanzung durch eine veränderte Melatoninbildung beeinflusst werden können.
PD Dr. Franz Hölker, hoelker@igb-berlin.de
Prof. Dr. Werner Kloas, werner.kloas@igb-berlin.de
Projekt: ILES – Seeökosysteme erleuchten, Laufzeit:
07/2015-06/2018, Gefördert durch: Leibniz-Wettbewerb 2015
Kupprat, F., et al. (2020). Can skyglow reduce nocturnal melatonin concentrations in Eurasian perch?
Environmental Pollution, 226, Article 114324. https://
doi.org/10.1016/j.envpol.2020.114324
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: Andreas Jechow
Lichtverschmutzung
Ökosystemleistungen | Fo r s c h u n g
Biodiversität
Ursachen und Effekte aquatischer Vielfalt verstehen
Binnengewässer beherbergen eine einzigartige Vielfalt an Lebewesen,
die komplexe Gemeinschaften bilden. Doch sie sind bedroht: Gene,
Populationen, ganze Arten und Lebensräume verschwinden im
Süßwasser deutlich schneller als an Land oder im Meer. Dieser Verlust
gefährdet auch das menschliche Wohlergehen und bleibt dennoch
zu häufig unbemerkt. Um die biologische Vielfalt zu schützen und
zu erhalten, entschlüsseln IGB-Wissenschaftler*innen die Rätsel und
Anpassungsstrategien unterschiedlichster Süßwasserorganismen – vom
aquatischen Bakterium Achromatium oxaliferum über den Stör bis hin
zu ganzen Fischschwärmen. Sie erkunden, was deren Vielfalt fördert
oder gefährdet; wie es etwa invasiven Arten gelingt, sich zu etablieren
oder wie sich die Corona-Pandemie auf die globalen Fischbestände
auswirkt.
Geschlechtsbestimmung
beim Stör
p Seite 20
Besserer
Schutz für die
Biodiversität
p Seite 21
Invasive
Arten mit
Charisma
Foto: Solvin Zankl
p Seite 22
Anpassungsgenie
Achromatium
oxaliferum
p Seite 22
Kollektives
Verhalten im
Schwarm
Fischbestände
im Lockdown
p Seite 26
p Seite 23
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
19
Fo r s c h u n g | Biodiversität
Genetischer
Geschlechtsmarker
bei Stören entdeckt
Ob Männchen
oder Weibchen – das
könnte sich beim
Sterlet (Acipenser ruthenus)
künftig einfacher
bestimmen lassen.
Forschende haben im Rahmen des internationalen Projekts STURGEoNOMICS unter Leitung des IGB einen
molekularen Marker zur Geschlechtsidentifizierung bei Stören entdeckt. Dies ist ein wissenschaftlicher
Durchbruch für die Evolutionsbiologie, den Artenschutz und die kaviarproduzierende Aquakultur. Der genetische
Nachweis charakterisiert das älteste bekannte System genetischer Geschlechtsbestimmung bei Wirbeltieren mit
mikroskopisch nicht unterscheidbaren Geschlechtschromosomen. Die kurze geschlechtsspezifische DNA-Sequenz
wurde bei mehreren Störarten nachgewiesen und geht auf einen gemeinsamen Stör-Vorfahren vor 180 Millionen
Jahren zurück.
Bislang wird das Geschlecht der Störe per Ultraschalldiagnostik
oder durch Biopsien identifiziert. Mit Hilfe des entwickelten Markers reicht künftig ein Hautabstrich mit einem Wattestäbchen, um
anhand der DNA Weibchen von Männchen zu unterscheiden. Ein
solcher Test ist zuverlässiger und einfacher durchzuführen als die
bisher verwendeten Methoden.
Wichtiger Fortschritt für Artenschutz und Aquakultur
Viele Störarten sind stark gefährdet. Für den Artenschutz ist der
Marker ein gutes Instrument, um das Geschlecht von Zuchttieren
für Wiederansiedlungsprogramme zu bestimmen. Fische, die nicht
für den Aufbau von Laichbeständen ausgewählt werden, könnten
dann ausgewildert werden.
In der Aquakultur könnte die Methode künftig der Früherkennung
von Fischen dienen, die für die Aufzucht genutzt werden sollen. Das
ermöglicht eine Spezialisierung der Produktion auf Kaviar mit den
weiblichen und auf Fleisch mit den männlichen Tieren. Der Test sollte jedoch keinesfalls zum „Verwerfen“ männlicher Störe führen, wie
die Forschenden explizit betonen.
20
Rätsel um Geschlechtsevolution beim Stör
Heute gibt es 27 Stör- und Löffelstör-Arten, die sich vor etwa 330
Millionen Jahren von der Linie der 31.000 lebenden Knochenfische abgespalten haben, wie eine weitere unter Beteiligung des
IGB entstandene Veröffentlichung des ersten Störgenoms ergab.
Anders als bei vielen anderen Wirbeltieren war die Evolution der
Störe durch erstaunlich geringe Veränderungen im Erbgut und im
„Bauplan“ geprägt. Die Konservierung der weibchenspezifischen
Sequenz über 180 Millionen Jahre der Störevolution und trotz
Polyploidisierung – einer Vervielfachung der Chromosomen in der
Familie der Störe – wirft viele interessante biologische Fragen auf:
Wie konnte der Geschlechtslokus diese Verdopplung des gesamten Erbgutes überstehen? Warum wurde bei Stören die genetische
Geschlechtsbestimmung anscheinend konserviert, während viele
Fischarten vielfach wechselnde Geschlechtsbestimmungssysteme
evolviert haben?
Dr. Heiner Kuhl, kuhl@igb-berlin.de
PD Dr. Matthias Stöck, matthias.stoeck@igb-berlin.de
Dr. Jörn Geßner, sturgeon@igb-berlin.de
Projekt: STURGEoNOMICS, Laufzeit: 09/2017-12/2020, Gefördert
durch: COFASP/ERA-NET
Kuhl, H., et al. (2020). A 180 My-old female-specific genome region
in sturgeon reveals the oldest known vertebrate sex determining
system with undifferentiated sex chromosomes. bioRxiv. https://
doi.org/10.1101/2020.10.10.334367
Du, K., et al. (2020). The sterlet sturgeon genome sequence and
the mechanisms of segmental rediploidization. Nature Ecology &
Evolution, 4(6), 841-852. https://doi.org/10.1038/s41559-020-1166-x
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: Stör © Andreas Hartl
Jahrzehntelang wurde international nach geschlechtsgebundenen genetischen Markern bei Stören gesucht, denn an äußeren
Merkmalen lässt sich das Geschlecht der Tiere nicht ablesen. Wie
bei vielen Fischen und Amphibien unterscheiden sich ihre Geschlechtschromosomen nur auf der DNA-Ebene. Dem Genomiker
Heiner Kuhl und dem Evolutionsbiologen Matthias Stöck ist die
Entdeckung einer winzigen, nur bei Störweibchen vorhandenen
genetischen Region gelungen. Mit der Entdeckung dieses genetischen Elements wiesen die Forschenden gleichzeitig das älteste
bekannte geschlechtsbestimmende System mit undifferenzierten
Geschlechtschromosomen bei Wirbeltieren nach – es ist rund 180
Millionen Jahre alt.
Biodiversität | Fo r s c h u n g
Die Biodiversität
in Binnengewässern besser schützen
Weltweit geht die biologische Vielfalt in alarmierendem Ausmaß zurück. Die UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) hat im September 2020 in ihrem Bericht dargelegt, dass keines ihrer 20 Ziele für die
Zeit von 2011 bis 2020 erfüllt wurde. Ein Folgeabkommen ist in Arbeit. Auch die Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union wird aktuell neu ausgearbeitet. Für beide internationalen Regelwerke haben IGB-Forschende gemeinsam
mit anderen Biodiversitätsexpert*innen Empfehlungen entwickelt, um die Artenvielfalt insbesondere in Binnengewässern besser zu schützen.
Eine der beiden Studien, erschienen in Science, skizziert wissenschaftliche Empfehlungen für die Neugestaltung der Ziele der UNKonvention. Die mehr als 60 Forschenden aus 26 Ländern schlagen
vor, drei Punkte bei der Festlegung der neuen Biodiversitätsziele
zu berücksichtigen: So sollte kein Ziel ausgegeben werden, das
sich nur auf eine einzige Facette stützt. Gene, Arten, Ökosysteme
und die ökosystemaren Leistungen für den Menschen erfordern
gleich mehrere, unterschiedliche Ziele. Da in der Natur sämtliche
biologische und ökologische Prozesse eng miteinander verbunden
sind und sich gegenseitig beeinflussen, müssten diese Ziele zudem
miteinander verwoben und ganzheitlich umgesetzt werden. Der
dritte Punkt: Die einzelnen Ziele sollten äußerst ambitioniert angesetzt werden. Nur dann ergibt sich eine realistische Chance, den
rasant voranschreitenden Biodiversitätsrückgang bis 2050 aufzuhalten. „Die Biodiversität ist multidimensional. Die verschiedenen Dimensionen und Ebenen müssen synergetisch ausgerichtet
werden, um unser Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt zu
erreichen. Wir sind zum Scheitern verurteilt, wenn wir diese Multidimensionalität nicht berücksichtigen“, fasst IGB-Direktor Luc De
Meester zusammen.
Foto: Moorfrosch © Solvin Zankl
In einem weiteren Papier formuliert ein internationales Team
unter Federführung des IGB 14 Empfehlungen für politische Folgeabkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt in und an Binnengewässern. Die Empfehlungen für den weltweiten Schutz der
Süßwasser-Biodiversität basieren auf aktuellem Forschungswissen und Praxiserfahrungen und richten sich an die europäische Politik und Verwaltung.
„Politische Strategien und Entscheidungen müssen
viel stärker die einzigartige Ökologie von Süßwasserleben und deren vielfältigen Bedrohungen
berücksichtigen. Populationen von Süßwasserwirbeltieren sind im Vergleich mit Meeresoder Landwirbeltieren zwischen 1970 und
2016 am dramatischsten zurückgegangen,
um 84 Prozent. Unsere Empfehlungen
können helfen, die politischen Rahmenbedingungen für den Schutz der aquatischen Biodiversität zu verbessern“, betont
Sonja Jähnig, die die Studie geleitet hat.
Eine zentrale Empfehlung der Autor*innen
lautet, Binnengewässer neben dem Land
und dem Meer als eigenen ökologischen
„dritten Bereich“ mit besonderen Manage
mentanforderungen in zukünftigen Biodiversitätsabkommen zu berücksichtigen. Süßwasser-Monitoringprogramme sollten auf
nationaler und internationaler Ebene ausgebaut, koordiniert
und besser finanziert werden. Des Weiteren empfehlen die
Biodiversitätsexpert*innen, hydrologische und biologische Daten
zu Binnengewässern nach den FAIR-Prinzipien (auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar) zu verwalten, um
Zugang zu ihnen und ihre Nutzung zu erleichtern. Auch Monitoring und Management invasiver Süßwasserarten müssen nach
Ansicht der Forschenden verbessert werden.
Prof. Dr. Luc De Meester, luc.demeester@igb-berlin.de
Prof. Dr. Sonja Jähnig, sonja.jaehnig@igb-berlin.de
Díaz, S., et al. (2020). Set ambitious goals for biodiversity and
sustainability. Science, 370(6515), 411-413.
https://doi.org/10.1126/science.abe1530
Van Rees, C. B., et al. Safeguarding freshwater life beyond 2020: Recommendations for the new global biodiversity framework from
the European experience. Conservation Letters, Article e12771.
https://doi.org/10.1111/conl.12771
Der Moorfrosch (Rana arvalis) ist in Deutschland
nur selten anzutreffen und aktuell als gefährdet eingestuft.
Besonders der Verlust an Lebensräumen wie Flussauen,
Bruch- und Auwälder oder feuchtes Grünland durch
großräumige Trockenlegung bedroht diese Art.
Geschützt oder wiederhergestellt, bieten solche
Feuchtgebiete nicht nur viele Vorteile für die
Biodiversität, sondern beeinflussen auch positiv die
Kohlenstoffspeicherung als Maßnahme gegen den
Klimawandel.
Fo r s c h u n g | Biodiversität
Invasive Arten mit Charisma
haben’s leichter
Bilder der fluoreszierenden in-situ Hybridisierung einer eingefärbten Achromatium
oxaliferum Zelle.
Das größte Süßwasserbakterium, Achromatium oxaliferum, ist
außerordentlich flexibel in seinen Ansprüchen: Es lebt an Orten
mit extrem unterschiedlichen Lebensbedingungen. Die Anpassung
gelingt vermutlich durch einen für Bakterien einzigartigen Vorgang:
Relevante Gene werden in den Genomen angereichert und abgelesen, die anderen bleiben für alle Fälle in Zellkammern archiviert.
Achromatium ist in vielerlei Hinsicht besonders: Es ist 30.000 Mal größer als
andere im Wasser lebende Bakterien und dank seiner Kalkeinlagerungen sogar mit dem bloßen Auge erkennbar. Es hat einige hundert Chromosomen, die
höchstwahrscheinlich nicht identisch sind. Damit ist Achromatium das einzige
bekannte Bakterium mit mehreren verschiedenen Erbgut-Sätzen. Unter Leitung
des IGB haben Forschende Genarchive von Sedimenten analysiert und gezeigt,
dass Achromatium weltweit in vielen Ökosystemen verbreitet ist. Man findet es
in heißen Quellen und eiskaltem Wasser; in sauren und alkalischen Umgebungen und in besonders salzhaltigen Gewässern. Typischerweise führt ein solch
breites Spektrum an Umweltbedingungen zur Etablierung neuer Arten mit
unterschiedlichen Genomen, die an die jeweilige Umwelt angepasst sind. Bei
Achromatium ist es anders: Bakterien aus unterschiedlichen Ökosystemen haben das gleiche Erbgut, unterscheiden sich aber in ihren Genexpressionsmustern, indem sie nur die jeweils relevanten Gene ablesen. Das Team vermutet,
dass Achromatium Genome, die keinen unmittelbaren Nutzen haben, in Zellkammern archiviert. Dadurch enthält jede Zelle eine Vielzahl
an funktionellen Genen und kann sich schnell an sehr
Mina Bizic
unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen.
ist nicht nur
Diese Erkenntnis hat weitreichende Implikatioengagierte Forscherin,
nen für die mögliche Evolution der Vielzelligsondern auch
leidenschaftliche
keit in prokaryotischen und wahrscheinlich
Taucherin und Mutter von
auch in eukaryotischen Organismen.
zwei kleinen Entdeckern.
Mehr über ihren Weg in die
Dr. Danny Ionescu, ionescu@igb-berlin.de
Wissenschaft und ihr Leben
Prof. Dr. Hans-Peter Grossart, hgrossart@
jenseits der Forschung
erzählt sie im
igb-berlin.de
Marthe-Vogt-Podcast
Dr. Mina Bizic, mbizic@igb-berlin.de
des FVB
Dr. Luca Zoccarato, zoccarato@igb-berlin.de
p http://bit.ly/
Podcast_Mina_Bizic
Ionescu, D., et al. (2020). Heterozygous, polyploid,
giant bacterium, Achromatium, possesses an identical
functional inventory worldwide across drastically different ecosystems. Molecular Biology and Evolution, Article msaa273.
https://doi.org/10.1093/molbev/msaa273
22
Immer mehr Tiere und Pflanzen werden von Menschen aus ihrem Verbreitungsgebiet verschleppt –
bewusst und unbewusst. Die meisten davon können
sich nicht an die neuen Lebensbedingungen anpassen, manche aber etablieren sich fest. Einige werden
für die heimischen Arten zum Problem – als Räuber,
Konkurrenten um Nahrung und
Lebensraum oder Überträger von Krankheiten.
Als Zierpflanze, Aquarienbewohner oder
exotisches Haustier
werden charismatische Arten häufiger bewusst eingeschleppt als unscheinbare Spezies, wie
die Forschenden deutlich
machen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von attraktiven invasiven Arten mit Charisma ist generell höher als von
unattraktiven invasiven Arten. Das kann zum Beispiel
Naturschutzmaßnahmen behindern, die die Ausbreitung einer Art eindämmen sollen: Ein als schön oder
niedlich empfundenes Äußeres kann das Management erschweren, weil die öffentliche Unterstützung
fehlt.
In der Forschung beschäftigt man sich häufig mit jenen invasiven Arten, die ökologisch oder wirtschaftlich besonders problematisch sind. Und doch gibt es
einen stärkeren Fokus auf invasive Wirbeltiere sowie
auf große und charismatische Arten. Fazit: Das Interesse der Öffentlichkeit und auch der Forschung konzentriert sich überproportional auf solche Arten. So
können einseitige Wissenslücken entstehen, die dazu
führen, dass Schutzmaßnahmen falsch priorisiert
werden.
Prof. Dr. Jonathan Jeschke, jeschke@igb-berlin.de
Dr. Gregor Kalinkat, kalinkat@igb-berlin.de
Jarić, I., et al. (2020). The role of species charisma in
biological invasions. Frontiers in Ecology and the
Environment, 18(6), 345-353.
https://doi.org/10.1002/fee.2195
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Waschbär © shutterstock; Bakterium © Mina Bizic
Aquatisches Riesenbakterium
ist ein Anpassungsgenie
Die äußeren Werte zählen: Ihr Charisma hat einen Einfluss auf die Einschleppung und das Image gebietsfremder Arten
und kann sogar die Eindämmung behindern. Ein
internationales Team von Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern unter Leitung des Biology
Centre of the Czech Academy of Sciences und des
IGB hat den Einfluss von Charisma auf den Umgang mit invasiven Arten untersucht.
Biodiversität | Fo r s c h u n g
Durch Parasiten
ausgebremst
Viele Beutetiere reagieren kollektiv auf Fressfeinde.
Sie übertragen zum Beispiel in Windeseile Informationen über potenzielle Raubtiere, um Fluchtwellen
auszulösen und zu koordinieren. Jens Krause und IGBGastwissenschaftler Ralf Kuvers fanden mit Kolleg*innen
heraus, dass Parasiteninfektionen diese Übertragung in
einem Schwarm stören können.
Der Robofish mit echten Guppys.
Von der schnellen Sorte
Fotos: Stichlinge © David Ausserhofer; Robofish © David Bierbach
Ein Forschungsteam der Universität Konstanz, des Exzellenzclusters „Science of Intelligence“ und des IGB
zeigt mithilfe modernster Robotik, dass die individuelle Geschwindigkeit einzelner Tiere innerhalb der Gruppe kollektive Verhaltensmuster erklären kann, und dass das Gruppenverhalten durch die schnelleren Individuen bestimmt wird.
Um das Verhalten einzelner Tiere in einem Sozialverband gezielt zu
steuern und so Theorien zu generellen Mechanismen im kollektiven
Verhalten zu testen, baute das Forschungsteam den „Robofish“,
einen Roboter-gesteuerten künstlichen Fisch. Er sieht aus wie ein
Guppy – ein kleiner tropischer Süßwasserfisch – und interagiert mit
den echten Fischen. Das Team nutzte eine hochauflösende Videoerkennung und ein Feedback-System, um den Robofish in Echtzeit
auf die Aktionen der lebenden Fische reagieren zu lassen. Zunächst
wurde die natürliche Bewegungsgeschwindigkeit der Guppys
gemessen. Kamen die Fische anschließend mit dem Robofish in
Kontakt, schwammen Fisch und Robofish als Paar zusammen. Es
gab jedoch große Unterschiede im Sozialverhalten zwischen den
Paaren: Paare mit einem schnelleren echten Guppy schwammen
viel synchroner, aber weniger dicht beisammen und der echte Guppy kristallisierte sich zu einem klareren Anführer heraus – anders
als bei Paaren mit einem langsameren Guppy. Dies zeigt, dass die
individuelle Geschwindigkeit ein grundlegender Faktor bei der Entstehung kollektiver Verhaltensmuster ist. Zukünftige Studien mit
dem interaktiven Robofish sollen untersuchen, wie sich ein ganzer
Schwarm fast zeitgleich bewegen kann, obwohl die einzelnen Tiere
nur auf die Aktionen ihrer Nachbarn reagieren. Wie das genau gehen kann, hat das Team um Jens Krause in einem Übersichtsartikel
beschrieben.
Das Gruppenleben birgt viele Vorteile, es verringert zum
Beispiel das Risiko, gefressen zu werden. Doch einige Parasiten können beeinflussen, wie Tiere auf Angriffe von
Fressfeinden reagieren. Die Forschenden interessierte
deshalb, ob infizierte, verhaltensveränderte Individuen
die Ausbreitung von Fluchtreaktionen innerhalb eines
Schwarms beeinträchtigen. Sie infizierten Stichlinge mit
dem Bandwurm Schistocephalus solidus, denn dieser erhöht das risikofreudige Verhalten und verringert die soziale Reaktionsfähigkeit seines Wirts. Dann konfrontierten
sie die Stichlinge mit einem künstlichen Vogelangriff, wobei eine Gruppe infizierte Individuen enthielt, die andere
nicht.
Bei nicht infizierten Stichlingen breiteten sich die Fluchtwellen schnell durch den gesamten Schwarm aus und die
Fische suchten längere Zeit in der Tiefe Schutz. Mit infizierten Stichlingen wurde die Fluchtwelle unterbrochen
und auch nicht infizierte Fische kehrten schneller an die
Wasseroberfläche zurück. Sie sind also einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn sie sich mit infizierten Individuen
zusammenschließen. Die beobachteten Prozesse könnten
auch bei vielen anderen Beutearten und ihren Parasiten
eine Rolle spielen.
Prof. Dr. Jens Krause, j.krause@igb-berlin.de
Demandt, N., et al. (2020). Parasite infection disrupts escape
behaviours in fish shoals. Proceedings of the Royal Society of
London: Ser. B, Biological Sciences, 287(1938), Article 20201158.
https://doi.org/10.1098/rspb.2020.1158
Prof. Dr. Jens Krause, j.krause@igb-berlin.de
Dr. David Bierbach, bierbach@igb-berlin.de
Jolles, J. W., et al. (2020). Group-level patterns emerge from
individual speed as revealed by an extremely social robotic
fish. Biol Lett, 16(9), Article 20200436. https://doi.org/10.1098/
rsbl.2020.0436
Landgraf, T., et al. (2021). Animal-in-the-Loop: Using Interactive
Robotic Conspecifics to Study Social Behavior in Animal Groups.
Annual Review of Control, Robotics, and Autonomous Systems, 4.
https://doi.org/10.1146/annurev-control-061920-103228
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
23
Fo r s c h u n g | Biodiversität
Treibhausgase in Gewässern
Unermüdlicher Einsatz
245.000 kleine Baltische Störe (Acipenser oxyrinchus)
haben 2020 ihren ursprünglichen Lebensraum zurückerobert – die Oder. Ziel des Besatzes ist es, eines Tages wieder
Elterntierbestände dieser vom Aussterben bedrohten Art im
gesamten Ostseegebiet heimisch zu machen. Bis es soweit ist,
stammt der Stör-Nachwuchs aus Zuchten in Brandenburg und
Polen. Das Vorhaben erfordert nicht nur eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, sondern vor allem einen langen Atem:
Erst in ungefähr 15 Jahren werden die freigelassenen Störe als
Elterntiere in ihre Heimatgewässer zurückkehren – wenn alles
gut geht. Koordiniert wird das Wiederansiedlungsprogramm
von IGB-Wissenschaftler Jörn Geßner.
Dr. Jörn Geßner, sturgeon@igb-berlin.de
24
Jahresforschungsbericht 2020
Treibhausgase in Gewässern | Fo r s c h u n g
Masterstudentin Janina Fuest
unterstützt die Besatzaktion
an der Oder. | Foto: Jörn Geßner
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
25
Pandemie mit Folgen:
Wie sich Corona auf Gewässer
und Fischerei auswirken könnte
Schon vor COVID-19 waren Gewässer und Fischbestände einem
hohen Nutzungsdruck und vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt.
Doch der Zustand der Süßwasserökosysteme und der Fischbestände könnte sich nach der Pandemie weiter verschlechtern, zumindest wenn der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erholung
Priorität eingeräumt wird. Vor allem in Entwicklungsländern wird
diese Dynamik erwartet, während in Europa die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die Biodiversitätsstrategie viele Risiken abmildern dürften. Einige Beispiele:
1.
Invasive Arten gelten als eine der Hauptursachen für den
Rückgang der aquatischen Biodiversität. Durch weniger
Reiseverkehr sinkt auch der unbeabsichtigte Transport solcher Arten, aber nur auf kurze Sicht. Erholt sich die Wirtschaft, beschleunigen sich auch die Invasionen wieder. Erschwerend kommt hinzu,
dass COVID-19 weltweit zu erheblichen Budgetkürzungen bei der
Kontrolle invasiver Arten geführt hat; Überwachungs- und Regulierungsmaßnahmen sowie wissenschaftliche Programme wurden vielerorts eingeschränkt.
2.
Ein weiteres Beispiel ist die Fragmentierung von Fließgewässern durch den Bau von Staudämmen. Zwar hat sich
die Bautätigkeit zwischenzeitlich verlangsamt, nach der Pandemie
könnten jedoch Vorschriften und Umweltschutzmaßnahmen gelockert und umstrittene Projekte schneller denn je vorangetrieben
werden – vor allem in Ländern, in denen Umweltfragen schon vor
der Pandemie eine untergeordnete Rolle spielten. Umweltbelange
und Ausgaben für Renaturierungsprogramme könnten aufge
schoben oder zurückgestellt werden.
26
3.
In der Berufsfischerei sank während des Lockdowns vorübergehend der Druck auf die Fischbestände. Vielfach
brachen Absatzmärkte zusammen, insbesondere auch in der Direktvermarktung. Unterbrechungen in anderen Sektoren der Landwirtschaft und der Verlust von Einkommen könnten jedoch dazu
führen, dass Menschen vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern stärker auf die Süßwasserfischerei als Nahrungsquelle angewiesen sind. Die Forschenden befürchten auch eine Reduktion
der Kontrolldichte. Gleichzeitig hat das Angelinteresse durch die
Pandemie in vielen Gebieten spürbar zugenommen. Möglicherweise hat das den Fangdruck sogar gesteigert, insbesondere an
vielen kleineren Seen und Fließgewässerabschnitten. Reduzierte
Angelbeteiligungen in touristisch relevanten Gebieten dürften
den Beständen hingegen eher zugute kommen.
4.
Ähnlich ambivalent ist das Urteil hinsichtlich des Klimawandels: Die gesunkenen globalen Emissionen können die
Klimaauswirkungen zwar kurzfristig reduzieren, die Zeitspanne ist
jedoch zu kurz, um negative Trends umkehren zu können. Entscheidend wird deshalb sein, ob eine neue Klimapolitik umgesetzt wird,
die eine Umstellung auf saubere Energie vorantreibt.
Die Expertinnen und Experten empfehlen, Managementmaßnahmen und politische Entscheidungen so anzupassen, dass sie die
biologische Vielfalt schützen. Konkret heißt das: Umweltschutzbestimmungen überprüfen und effektiv gestalten, groß angelegte
Renaturierungs- und Monitoringprogramme in Konjunkturpakete
einbinden und eine Rückkehr zu hohen Emissionswerten verhindern. Die Fachleute plädieren außerdem dafür, die Auswirkungen
auf die biologische Vielfalt der Fische nach Aufhebung der Einschränkungen gründlich zu untersuchen und zu bewerten.
Prof. Dr. Robert Arlinghaus, arlinghaus@igb-berlin.de
Cooke, S. J., et al. (2021). A global perspective on the influence of
the COVID-19 pandemic on freshwater fish biodiversity. Biological Conservation, 253, Article 108932.
https://doi.org/10.1016/j.biocon.2020.108932
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: © Krisztian Tabori/unsplash
Profitieren Gewässer und Fischbestände von
der globalen COVID-19-Pandemie und ihren
Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft? Kurzfristig ja, langfristig vermutlich nicht – zu diesem Schluss
kommt ein internationales Expertenteam, darunter IGBWissenschaftler Robert Arlinghaus. Die Forschenden haben mögliche negative und positive Auswirkungen auf die
Biodiversität von Süßwasserfischen zusammengetragen.
Ökosystemleistungen | Fo r s c h u n g
Globaler Wandel
Veränderungen aquatischer Ökosysteme abschätzen
Gewässer reagieren sensibel auf Klima- und Umweltveränderungen,
z.B. auf steigende Temperaturen und extreme Wetterereignisse, aber
auch auf zu viele Nähr- und Schadstoffe, die in Flüsse und Seen gelangen. Manche Gewässer trocknen temporär aus, schrumpfen oder
verschwinden dauerhaft. Einige leiden unter Überdüngung und
entwickeln intensive Algenblüten. Aus anderen entweichen Treibhausgase, die die globale Erwärmung zusätzlich beschleunigen. Wir
wollen verstehen, was die Widerstandskraft von Ökosystemen und
Lebensgemeinschaften fördert und wie die Anpassung an den Klimawandel gelingen kann. Forschende am IGB analysieren, wie sich
z.B. das wenige Niederschlagswasser während Dürren verteilt oder
was gegen die Eutrophierung von Seen und die Massenentwicklung
von Cyanobakterien helfen könnte.
Widerstandskraft
von Landschaften
während Dürren
Phosphorbindung im
Sediment
p Seite 29
p Seite 28
Treibhausgase
aus trockenen
Gewässern
Foto © Carlo Verso/Unsplash
p Seite 30
Hoffnungsträger
Pilzparasiten
Gewässer
unter
vielfältigem
Druck
p Seite 30
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
p Seite 32
Verbreitung
von Arten im
Klimawandel
p Seite 35
Extra:
Datenschatz
Internet
p Seite 36
27
Fo r s c h u n g | Globaler Wandel
Wie Phosphor langfristig
im Sediment von Seen gebunden wird
Zu hohe Einträge von Phosphor durch Landwirtschaft und Klärwerke verursachen die Anreicherung dieses Nährstoffs in Gewässern. Seesedimente
können Phosphor speichern. Wenn diese Speicherung
langfristig wirkt, hilft sie, die Eutrophierung zu verhindern. In Laborversuchen hat ein IGB-Team einen Prozess
erforscht, der Phosphor dauerhaft im Sediment binden
kann.
Gelangt Phosphor in den See, läuft unter anderem der folgende Prozess ab: Unter sauerstoffreichen Bedingungen entsteht
an der Sediment-Wasser-Grenze an Eisenhydroxid gebundener
Phosphor. Das Eisen bildet in Anwesenheit von Sauerstoff rostrote Partikel, und Phosphor lagert sich an der Oberfläche dieser
Partikel an. Am Grund des Sees sammelt sich organisches Material (z.B. von abgestorbenen Algen) und wird dort abgebaut.
Dabei wird Sauerstoff verbraucht, und es tritt Sauerstoffarmut
oder das vollständige Fehlen von Sauerstoff, Anoxie, auf. Unter
diesen Bedingungen sind die Eisenhydroxide, die den Phosphor binden, nicht langfristig stabil.
Lena Heinrich und Michael Hupfer haben daher in Laborversuchen untersucht, was mit den Eisenhydroxiden und dem daran
Blaue Mineralkörner am Grund des Müggelsees: Der
blaue Vivianit ist ein Eisenphosphat, das sich unter
sauerstofffreien Bedingungen in Sedimenten bilden
kann. Zur besseren Sichtbarmachung wurden die relativ
schweren Vivianitpartikel mit
Hilfe einer Dichte
trennung ange
reichert.
angelagerten Phosphor unter Anoxie passiert. Die Bedingungen am Grund eines Sees haben sie in einer abgeschlossenen
Box simuliert, in der sich kein Sauerstoff befand. So konnten sie
beobachten, dass Eisenhydroxide mit angelagertem Phosphor,
die sie natürlichen Sedimenten beigemischt hatten, in Vivianit
umgewandelt wurden. Da die Umwandlung unter Laborbedingungen nur einige Wochen dauerte, vermuten die Forschenden, dass sich auch bei saisonaler Anoxie Vivianit bilden kann.
Die Bindung von Eisen und Phosphor als Vivianit ist für die
langfristige Festlegung von Phosphor in Seesedimenten besonders interessant, da das Mineral sich nicht nur unter sauerstofffreien Bedingungen bildet, sondern unter diesen Bedingungen auch stabil ist. Eisen und Phosphor bleiben so in
Partikelform im Sediment gebunden, und der Phosphor kann
nicht zurück in die Wassersäule gelangen und steht langfristig
nicht für das Algenwachstum zur Verfügung. Wenn sich Vivianit bildet, wirkt das Seesediment somit als eine dauerhafte
Senke für Phosphor auch unter sauerstofffreien Bedingungen.
Förderlich für die Bildung von Vivianit ist laut der Versuchsbedingung, dass an der Sediment-Wasser-Grenze zumindest saisonal Sauerstoff verfügbar ist. Unter dieser Bedingung können
sich Eisenausfällungen bilden, und an das ausgefällte Eisen
kann sich Phosphor anlagern. Beim Auftreten von Anoxie werden diese Verbindungen dann in Vivianit umgewandelt.
Bekannt ist, dass dieser Prozess nicht in allen Seen abläuft
und seine Wirkung zeigt. Ein Grund dafür kann ein Mangel an
Eisen sein. In eutrophierten Seen mit Eisenmangel kann eine
Zugabe von Eisen die Bildung von Vivianit und die dauerhafte
Phosphor-Speicherung im Sediment fördern und so zur Verbesserung des Seezustands beitragen. Dies muss aber wohlüberlegt sein. Denn auch wenn viel Eisen vorhanden ist, können
Konkurrenzreaktionen (zum Beispiel mit Schwefel) das Eisen
vorrangig binden, so dass für die Bildung von Vivianit nichts
übrig bleibt. Diese Konkurrenzreaktionen möchten die IGBWissenschaftler*innen im nächsten Schritt erforschen.
Lena Heinrich, heinrich@igb-berlin.de
Dr. Michael Hupfer, hupfer@igb-berlin.de
Heinrich, L., et al. (2021). Transformation of redox-sensitive to redox-stable iron-bound phosphorus in anoxic
lake sediments under laboratory conditions.
Water Research, 189, Article 116609.
https://doi.org/10.1016/j.watres.2020.116609
28
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: © Lena Heinrich
Projekt: Urban Water Interfaces (UWI), Teilprojekt
“Controlling of phosphorus fluxes in urban systems:
Analogous processes in limnic sediments and sewage sludges” (F3), Laufzeit: 10/2018-9/2021, Gefördert
durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), GRK
2032/2
Globaler Wandel | Fo r s c h u n g
mit Daten von Vegetationsdynamiken
gekoppelt, lässt sich zum Beispiel feststellen, woher, wann und in welcher
Geschwindigkeit Pflanzen ihr Wasser
beziehen.
Ausgetrockneter Bach
am Demnitzer
Mühlenfließ in
Brandenburg.
Dürren: Wie Landschaften
widerstandsfähiger
werden
Wie das Wasser nach einem Regen in der Landschaft aufgeteilt wird, hängt zum großen Teil von
Böden und der Landnutzung ab. Ein Forschungsteam um
Dörthe Tetzlaff untersuchte Landschaften in Brandenburg, wie sie typisch für die Nordeuropäische Tiefebene
sind. Sie stellten fest, dass in dieser Region zu viel Niederschlagswasser verdunstet, kaum Grundwasser gebildet
wird und Dürreperioden deshalb schlecht überbrückt
werden können. Besonders betroffen: Wälder auf sandigen Böden. Sie speichern Wasser noch schlechter als
Grünland.
Fotos: © Lukas Kleine/IGB
Dörthe Tetzlaff untersuchte mit ihrem Team, wie viel Niederschlag
direkt verdunstet und wie viel Grundwasser sich unter verschiedenen Böden und Landnutzungsarten neu bildet. Dafür wählten
die Forschenden zwei Standorte am Demnitzer Mühlenfließ in Brandenburg, einem dürreempfindlichen Teileinzugsgebiet der Spree:
das eine ein Mischwald mit sandigen
Böden und tief reichenden Wurzeln,
das andere Grünland mit lehmigerem und nur oberflächennah
durchwurzeltem Boden.
Dort analysierten sie die
Wasserflüsse zwischen Kronendach und Grundwasser während und kurz nach der großen
Trockenheit 2018. Dafür nutzten
sie sogenannte stabile Isotope, die
als „Markierstoffe“ dienen, um Fließwege, Alter und Herkunft von Wasser
zu bestimmen. Werden diese Informationen
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Die Ergebnisse zeigen: Der Waldboden
war wesentlich trockener. Im obersten
Meter des sandigen Bodens waren zeitweise nur 37 Liter Wasser pro Quadratmeter vorhanden, denn das Blätterdach
der Bäume schirmte einen Teil des Regens
ab, der direkt verdunstete und nie bis zum Boden gelangte. Die verbleibenden Niederschläge,
die tiefer in den Boden drangen, wurden während
der Wachstumsperiode von Bäumen aufgenommen,
noch bevor sie das Grundwasser erreichten. Unter der Grünlandfläche hingegen sickerte der Niederschlag kontinuierlich in
Richtung des für Ökosysteme so wichtigen Grundwasserspeichers.
Der Boden selbst konnte auch mehr Wasser aufnehmen: 146 Liter
waren es pro Quadratmeter.
Die Untersuchung zeigt exemplarisch, wie schlecht Landschaften in der Nordeuropäischen Tiefebene Niederschlagswasser
speichern und Perioden mit weniger Regen ausgleichen können.
Um die Widerstandsfähigkeit dieser Ökosysteme gegenüber Dürren und anderen Klimaveränderungen langfristig zu verbessern,
müssen Bodeneigenschaften geschaffen werden, die es erlauben,
mehr Wasser zu speichern, zum Beispiel durch höhere Humusgehalte und eine verbesserte Bodenstruktur. Zusätzlich spielt die
Landnutzung eine zentrale Rolle: Es gilt, die Bodenverdunstung in
der Agrowaldwirtschaft zu vermindern und von intensiven Monokulturen zu geringeren Vegetationsdichten überzugehen. Damit
könnten Verdunstungsraten reduziert und die Grundwasserneubildung gefördert werden.
Prof. Dr. Dörthe Tetzlaff, d.tetzlaff@igb-berlin.de
Dr. Aaron Smith, smith@igb-berlin.de
Lukas Kleine, l.kleine@igb-berlin.de
Projekt: VeWa, Laufzeit: 10/2013-03/2019, Gefördert durch:
European Research Council
Smith, A. A., et al. (2020). Isotope-aided
modelling of ecohydrologic fluxes and water
ages under mixed land use in Central
Europe: the 2018 drought and its recovery.
Hydrological Processes, 34(16), 34063425. https://doi.org/10.1002/hyp.13838
Kleine, L., et al. (2020). Using water stable isotopes to understand e
vaporation,
moisture stress, and re-wetting in
catchment forest and grassland soils of
the summer drought of 2018. Hydrology and
Earth System Sciences, 24(7), 3737-3752.
https://doi.org/10.5194/hess-24-3737-2020
29
Fo r s c h u n g | Globaler Wandel
Was passiert, wenn mehrere Stressoren
gleichzeitig auf aquatische Ökosysteme wirken? Eine Studie der Universität Duisburg-Essen, des
IGB und weiterer Partner untersuchte, wie etwa erhöhte
Nährstofffrachten, veränderte Flussmorphologie sowie
der Klimawandel ineinandergreifen.
Die Forschenden fanden heraus, dass verschiedene Stressoren gemeinsam oft viel stärker wirken, als die Summe
der Einzelwirkungen zunächst vermuten ließe. Sie untersuchten Seen und Fließgewässer in ganz Europa, führten
Experimente durch (u.a. am IGB Seelabor im Stechlinsee)
und unternahmen umfassende europaweite Modellierungen zu Nährstoffemissionen, dem Rückhalt im Gewässer und den daraus resultierenden Belastungen unter
natürlichen, gegenwärtigen und durch den Klimawandel
zu erwartenden Bedingungen.
Wie die breite Synthese zeigt, belasten vor allem Stickstoff
einträge aus der Landwirtschaft und Phosphoreinträge
aus urbanen Gebieten die Gewässer. Kommen steigende
Temperaturen oder Wasserknappheit hinzu, verstärken
sich die negativen Auswirkungen der einzelnen Stressoren. Ein nachhaltiges Gewässermanagement darf sich daher nicht auf einzelne Belastungen beschränken, sondern
muss deren lokale Kombination identifizieren und diese
gleichsam angehen.
Dr. Markus Venohr, m.venohr@igb-berlin.de
Prof. Dr. Mark Gessner, gessner@igb-berlin.de
Projekt: MARS, Laufzeit: 03/2014-02/2018, Gefördert durch:
Europäische Union
Der Stechlinsee war eines
der Forschungsobjekte
im MARS-Projekt.
Unterschätzt:
CO2-Emissionen
trockengefallener
Gewässerbereiche
Binnengewässer wie Flüsse, Seen oder Talsperren spielen im globalen Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle. In Hochrechnungen
zum Kohlendioxidausstoß von Land- und Wasserflächen werden zeitweise trockenfallende Bereiche
von Gewässern in der Regel nicht berücksichtigt.
Die tatsächlichen Emissionen werden dadurch
deutlich unterschätzt, fand ein Forschungsteam
heraus, an dem das IGB maßgeblich beteiligt war.
Ein Team aus sechs deutschen und spanischen
Wissenschaftler*innen vom Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ), vom IGB und vom Katalanischen Institut für Wasserforschung (ICRA) startete
2016 das Forschungsprojekt dryflux, das sich mit dem
Ausstoß von Treibhausgasen aus trockengefallenen
Gewässerzonen beschäftigt. Im Laufe des Projekts untersuchten 24 Forschungsteams in weltweit fast 200
Gewässern den Kohlendioxidausstoß in diesen Zonen.
Aus Proben des Sediments bestimmten sie den Gehalt
an Wasser, organischen Substanzen und Salzen sowie
die Temperatur und den pH-Wert.
IGB-Forscher Hans-Peter Grossart hat sich dabei die
Kleinstlebewesen genauer angesehen, denn bei den
Atmungsprozessen von Mikroorganismen entsteht
CO2. Je größer das Nahrungsangebot – die organische Substanz im Boden – und je höher die Temperatur und die Bodenfeuchte, desto aktiver sind sie und
umso mehr Kohlendioxid wird aus den Sedimenten
freigesetzt. Über alle Klimazonen hinweg stellten die
Forschenden deutliche Kohlendioxidemissionen aus
den trockenengefallenen Bereichen von Gewässern
fest. Diese waren häufig sogar höher als die Emissionen durchschnittlicher Wasseroberflächen vergleichbarer Größe. Am IGB wurde bereits in mehreren Studien nachgewiesen, dass Gewässer eine signifikant
unterschätzte Quelle für klimarelevante Gase wie
Methan oder Kohlendioxid sind. Die Empfehlung der
Wissenschaftler*innen lautet, trockenliegende Bereiche von Gewässern in künftige globale Bilanzierungen
einzubeziehen. Dies könnte die Kohlendioxidemission
rechnerisch um insgesamt sechs Prozent erhöhen.
Prof. Dr. Hans-Peter Grossart, hgrossart@igb-berlin.de
p https://gleon.org/research/projects/dryflux
Keller, P. S., et al. (2020). Global CO2 emissions from
dry inland waters share common drivers across
ecosystems. Nature Communications, 11, Article 2126.
https://doi.org/10.1038/s41467-020-15929-y
30
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: Stechlin © Solvin Zankl
Zu viel von allem:
Klimawandel und
Nährstoffeinträge
Globaler Wandel | Fo r s c h u n g
Vier Wochen lang nahmen Wissenschaftler*innen Proben
in der Antarktis – und trafen dabei auch auf neugierige Beobachter wie diesen Eselspinguin. | Foto: Hans-Peter Grossart
Nichts als Eis?
Dort, wo es das ganze Jahr über kalt und rau ist – in der Antarktis –,
vermutete man lange Zeit nur sehr wenige Arten. Heute weiß man
es besser, es gibt sogar Parasiten im Eis. Als Teil eines internationalen Teams reisten
Hans-Peter Grossart und Alexandra Livenets zur Potter Cove, einer Bucht an der Südwestküste von King George Island im Archipel der Südlichen Shetlandinseln, um dort
benthische polare Algen, Parasiten und deren Anpassungsstrategien zu untersuchen.
Benthische Algen stehen am Anfang der polaren Nahrungskette und beeinflussen somit indirekt auch das Leben von Pinguinen und See-Elefanten. Höhere Temperaturen
könnten zu höherem Parasitenbefall dieser Algen führen und somit die Nahrungsnetze
grundlegend verändern.
Prof. Dr. Hans-Peter Grossart, hgrossart@igb-berlin.de
Mehr Fotos von der Expedition
p www.igb-berlin.de/news/igb-forschende-im-endlichen-eis
Fo r s c h u n g | Globaler Wandel
Krankheit kann auch etwas Positives sein
Justyna Wolinska und Ramsy Agha
erforschen Organismen, die bislang
eher ein Schattendasein in der wissenschaftlichen
Welt fristeten: Parasiten. Im Interview erklären die
beiden, warum es sich lohnen kann, das Gute im
scheinbar Schlechten zu suchen, und wie sich aus
künstlich erwärmten Seen Schlüsse auf den globalen Klimawandel ziehen lassen.
Gegenteil eine positive Rolle im Ökosystem spielen dürften. Und das war etwas Unerwartetes, es war wirklich
faszinierend!
Ramsy Agha: Es ist eine Art Paradigmenwechsel. Krankheit ist etwas Schlechtes, aber im ökologischen Kontext
kann sie auch etwas Positives sein.
Frau Wolinska, Herr Agha, Sie beschäftigen sich in Ihrer
Arbeit mit Parasiten, einer ziemlich speziellen Gruppe von
Organismen. Was ist für Sie daran spannend?
Ramsy Agha: Wir haben uns die Beziehung von Parasiten und Wirt angeschaut, in unserem Fall Pilzparasiten
und Cyanobakterien. Dabei haben wir entdeckt, dass
dieser Parasit auch einen Effekt auf einen dritten Organismus hat, nämlich auf Daphnien, eine der wichtigsten
Zooplankton-Spezies in aquatischen Ökosystemen.
Unsere Beobachtung war: Daphnien profitieren vom
Pilzbefall der Cyanobakterien. Das ist insofern interessant, als diese Art Beute für sie normalerweise schlechte
Nahrung ist. Der Parasit wird hier selbst vom Zooplankton als Beute genutzt, und da er wichtige Fettsäuren
enthält, verbessert er dessen Nahrung. Das lässt sich
daran ablesen, dass die Daphnienpopulationen stark
anwachsen.
Justyna Wolinska: Der Pilzbefall bewirkt außerdem,
dass die Cyanobakterien effizienter von den Daphnien
konsumiert werden können. Cyanobakterien bestehen
aus langen Filamenten, was sie als Nahrungsquelle
Aber Parasiten sind nicht immer schlecht, richtig?
Justyna Wolinska: Genau. In unserer Gruppe haben wir
dann auch herausgefunden, dass Parasiten ganz im
32
„ Es ist eine Art Paradigmen
wechsel. Krankheit ist etwas
Schlechtes, aber im öko
logischen Kontext kann sie
auch etwas Positives sein.“
Ramsy Agha
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Daphnien © David Ausserhofer; Porträt Agha © privat
Ramsy Agha: Wir Biologinnen und Biologen vernachlässigen Parasiten meistens, weil wir sie als Ausnahmefall
in der Natur betrachten. Inzwischen wissen wir jedoch,
dass sie zahlreich und oft auftreten. Deswegen finde
ich es wichtig, mehr Aufmerksamkeit auf diese bislang
übersehene Organismengruppe zu richten: Welche Rolle
kommt ihnen in Ökosystemen zu? Wir wollen Parasiten
aus dem Hintergrund in den Vordergrund holen.
Justyna Wolinska: Ein Grund, warum sie bisher übersehen wurden, liegt darin, dass es schwierig ist, sich mit ihnen zu beschäftigen. Parasiten sind meist sehr klein, und
auch wenn sie es nicht sind, können wir sie nicht sehen,
denn in der Regel befinden sie sich mitten in einem anderen Organismus. Man muss sich also dem Inneren zuwenden, um zu erkennen, wie verbreitet Parasiten sind.
Ein wichtiger Grund, weshalb ich mich für Parasiten zu
interessieren begann, war diese negative Einstellung,
mit der wir ihnen begegnen: Sie verursachen Krankheiten, also glauben wir, dass Parasiten schlecht sind.
Was haben Sie untersucht?
Globaler Wandel | Fo r s c h u n g
„ Bislang dachte man über aquatische
Nahrungsnetze in einer simplen Kaskade:
Phytoplankton, Zooplankton und Fische
sind über eine Räuber-Beute-Wechselwir
kung miteinander verbunden. Aber da ist
dieser weit verbreitete Parasit, der
eine sehr häufig vorkommende
Phytoplankton-Art infiziert, die
Cyanobakterien, und es stellt
sich heraus: Das Nahrungsnetz
ist viel komplexer!“
Justyna Wolinska
ungünstig macht: Die Fäden verstopfen die Filterapparate der Daphnien, mit denen sie im Wasser Nahrung
aufnehmen. Durch die parasitäre Infektion werden die
Filamente in kleinere Stücke zerteilt, wie wir beobachten
konnten, so dass sie besser von den Daphnien aufgenommen werden können.
Ramsy Agha: Ich will das mit einem Beispiel illustrieren:
Im Sommer sind die Berliner Seen häufig nicht blau,
sondern grün, weil an ihrer Oberfläche massenweise
Phytoplankton schwimmt, häufig Cyanobakterien. Warum ist das so? Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sie von
ihren Fraßfeinden nicht effizient konsumiert werden.
Schlechte Nahrung eben. Mit dem Parasiten gewinnt
diese Nahrungsquelle an Qualität, und Cyanobakterien
werden dadurch besser in Schach gehalten.
Das heißt, gäbe es die Parasiten nicht, wären unsere Seen
noch schmutziger im Sommer?
Justyna Wolinska: Davon kann man ausgehen. Diese
Parasiten sind eine Gruppe sehr primitiver Pilze, die fast
überall zu finden sind und sehr virulent sein können, das
heißt, sie können Cyanobakterien-Vorkommen in kurzer
Zeit beseitigen. Das hat uns auf den Gedanken gebracht,
dass sie einen sehr wichtigen Einfluss auf die Kohlenstoffübertragung in ihrem jeweiligen Ökosystem haben.
Da diese Parasiten jegliche Phytoplanktongruppen befallen können und etwa die Hälfte der Kohlenstofffixierung
weltweit auf das Konto des Phytoplanktons geht, dürften solche Infektionen einen Einfluss auf den globalen
Kohlenstoffzyklus und die Klimaregulierung haben.
Foto: Porträt Wolinska © David Ausserhofer
Welche Erkenntnis hat Sie am meisten überrascht?
Ramsy Agha: Dass Parasiten auch als Beute dienen! Die
Infektion liefert nicht nur Nahrung, sie erleichtert ebenso
die Aufnahme einer anderen Beute. Parasiten haben also
sehr komplexe Effekte: Sie agieren als ein zusätzlicher
Link im Nahrungsnetz, und sie verändern existierende
Verbindungen.
Justyna Wolinska: Bislang dachte man über aquatische
Nahrungsnetze in einer simplen Kaskade: Phytoplankton, Zooplankton und Fische sind über eine RäuberBeute-Wechselwirkung miteinander verbunden. Aber da
ist dieser weit verbreitete Parasit, der eine sehr häufig
vorkommende Phytoplankton-Art infiziert, die Cyano-
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
bakterien, und es stellt sich heraus: Das Nahrungsnetz ist viel komplexer!
Haben Sie eine Idee, was sich aus Ihren Erkenntnissen
in Zeiten der globalen Erwärmung ergibt?
Ramsy Agha: Darüber können wir noch nicht viel
sagen, wollen uns mit dieser Frage aber auch beschäftigen. Wir wissen, dass Cyanobakterien infolge des
Klimawandels häufiger auftreten werden. Im Labor
haben wir uns angeschaut, was bei unterschiedlichen
Temperaturen passiert, und konnten feststellen,
dass bei höheren Temperaturen auch die Infektionen
zunehmen. Aber so funktioniert es ja nicht in der
Natur: Dort steigen die Temperaturen langsam und
über längere Zeiträume, und Parasiten und Wirtsorganismen haben Zeit, sich anzupassen. Solche
Bedingungen wollen wir im Labor simulieren und mit
Ansätzen der experimentellen Evolution untersuchen:
Das heißt wir erlauben den Organismen, sich an den
neuen Bedingungen über einen längeren Zeitraum
anzupassen, und vergleichen Krankheitsdynamiken.
Diese Experimente sind besonders spannend, da wir
Evolution in Echtzeit beobachten können! Ein Jahr
haben wir dafür eingeplant.
Mit welcher Fragestellung werden Sie sich dabei
beschäftigen?
Justyna Wolinska: Wir wollen grundlegende Prozesse
besser verstehen, an denen parasitäre Organismen
beteiligt sind, und werden auch weitere Parasiten untersuchen, die Zooplankton beeinflussen. Außerdem
planen wir ausgefeiltere Experimente, bei denen wir
versuchen, in die Zukunft zu schauen. In Polen gibt
es eine kleine Zahl von Seen, in die seit 60 Jahren
Kühlwasser aus Kohlekraftwerken eingeleitet wird.
In diesen Gewässern ist die Temperatur deswegen
um insgesamt 4 Grad angestiegen. Sie sind also
perfekte Modelle für das, was wir in den kommenden
Jahrzehnten erwarten. In einem großangelegten
Projekt nehmen wir Proben von Phytoplankton und
Zooplankton aus diesen Seen und vergleichen sie mit
anderen Seen in der Umgebung, in die kein wärmeres
Wasser eingeleitet wurde, die also als Kontrollgewässer dienen können. Wir vergleichen insbesondere, wie
sich parasitäre Epidemien in den erwärmten Seen im
Vergleich zu den Kontrollseen ausbreiten.
Frau Wolinska, Sie engagieren sich über Ihre Forschung
hinaus am IGB auch in der Inclusion and Diversity
Group, die 2019 gegründet wurde. Warum ist Ihnen
dieses Thema wichtig?
Justyna Wolinska: Ich denke, ein Institut, das stärker
auf Inklusion und Diversität achtet, bietet eine
freundliche und sichere Umgebung. Diversität meint
Unterschiede, die uns alle ausmachen, etwa geografische oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter,
Fähigkeiten, Religion, und es ist wichtig, diese anzuerkennen. Jeder Einzelne bringt einzigartige Perspek-
33
Fo r s c h u n g | Globaler Wandel
Unter dem Rasterelektronenmikroskop sind Cyanobakterienfäden erkennbar, die mit einem Chytrid-Parasiten infiziert sind.
Was haben Sie bislang erreicht?
Justyna Wolinska: Untersuchungen belegen, dass eine
lange Liste von Anforderungen in Stellenausschreibungen dazu führt, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass
sich Frauen bewerben. Wir haben der Institutsleitung
vorgeschlagen, Jobangebote am IGB künftig anders
auszuschreiben und die Liste der Anforderungen auf
ein angemessenes Maß zu reduzieren. Das ist bereits
umgesetzt worden. Außerdem haben wir ein Kolloquium
organisiert, bei dem es um unbewusste Vorurteile geht
und darum, wie man damit umgehen kann. Denn auch
wenn man gute Absichten hat, wird man häufig von Einstellungen gesteuert, die das eigene Urteil beeinflussen,
etwa in Bewerbungsverfahren. Das gilt übrigens auch für
die wissenschaftliche Arbeit, wie ich vor längerer Zeit bei
einer Lehrveranstaltung für 200 Studierende feststellen
konnte...
Bitte erzählen Sie mehr darüber.
Justyna Wolinska: Wir hatten ein Experiment vorbereitet,
bei dem es darum ging, die Reaktivität zweier unterschiedlicher Gruppen von Daphnien zu messen: die einen
hatten Erfahrung mit Räubern gemacht, die anderen
nicht. Die Studierenden sollten ermitteln, wie stark die
Daphnien reagieren, wenn sie mit einer Nadel bedroht
werden, die in die Petrischale eingetunkt wird, also messen, wie weit sie zurückweichen.
34
Und?
Justyna Wolinska: 80 Prozent der Studierenden wiesen
bei diesem Experiment nach, dass die Daphnien mit
„Räuber-Erfahrung“ stärker reagieren. Der Punkt war
bloß, dass es tatsächlich keine Unterschiede zwischen
den zwei Gruppen gab, alle Daphnien waren unter
gleichen Bedingungen aufgezogen worden. Ein klarer
Fall von Observer Bias also, der mich damals schockierte:
Ich spielte sogar kurz mit dem Gedanken, die Wissenschaft zu verlassen. Heute sehe ich dieses Experiment als
überzeugendes Beispiel dafür, dass wir unsere Proben
immer, wirklich immer blind untersuchen müssen. Und
mehr Unvoreingenommenheit wäre auch in anderen
Bereichen des wissenschaftlichen Lebens wichtig.
Das Gespräch führte Wiebke Peters.
Prof. Dr. Justyna Wolinska, wolinska@igb-berlin.de
Dr. Ramsy Agha, agha@igb-berlin.de
Projekt: Paradapt, Laufzeit: 06/2020-06/2023, Gefördert
durch: NCN-DFG funding initiative
Projekt: Parasites in food webs, Laufzeit 03/2019-03/2022,
Gefördert durch: DFG
Frenken, T., et al. (2020). Infection of filamentous phytoplankton by fungal parasites enhances herbivory in pelagic
food webs. Limnology and Oceanography, 65(11), 2618-2626.
https://doi.org/10.1002/lno.11474
Dziuba, M. K., et al. (2020). Countergradient variation
concealed adaptive responses to temperature increase in
Daphnia from heated lakes. Limnology and Oceanography,
Early View. https://doi.org/10.1002/lno.11680
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: REM Cyanobakterien © Ramsy Agha
tiven ein, und dieser Mix von Perspektiven ermöglicht
klügere Entscheidungen, bessere Ideen und Ergebnisse,
mehr Innovation, man maximiert das Potenzial, das in
einer Gruppe steckt. Wenn wir mehr auf Diversität und
Inklusion achten, können wir also enorm profitieren und
sowohl die die Kultur im Institut als auch unsere wissenschaftliche Arbeit stärken.
Globaler Wandel | Fo r s c h u n g
Ein neues Modell, um die räumliche Verteilung
von Arten besser zu verstehen
Wie verteilen sich verschiedene Arten in bestimmten Patches bzw. Habitaten in einer Landschaft, und wie steht es um die Dynamik ihrer Ausbreitung?
Mit dieser Frage beschäftigt sich die so genannte Theorie zu
Meta-Gemeinschaften, zu der auch am IGB gearbeitet wird.
Sabine Wollrab und Rajat Karnatak haben im Rahmen des
Projekts Bridging in Biodiversity Science (BIBS) einen neuen,
wahrscheinlichkeitsbasierten Formalismus zur Modellierung
der Artenverteilung entwickelt. Er wird als netzwerkbasierte
probabilistische Verbindung (Network based Probabilistic
Connectivity – NPC) bezeichnet.
Der Ansatz verspricht, wichtige Merkmale der Ausbreitung zu
erfassen: Diese ist stochastischer Natur, das heißt, einzelne
Ereignisse der Artenverbreitung sind nicht vorhersagbar. Außerdem ermöglicht der neue Formalismus eine allgemeinere
Beschreibung des Prozesses als bisherige Modelle, die oft die
räumliche Struktur der Landschaft zu stark vereinfachen und
annehmen, dass der Ausbreitungsprozess deterministisch festgelegt ist. Der neue Ansatz liefert insbesondere Vorhersagen
über die Verteilung und den Fortbestand von Arten auf verschiedenen Zeitskalen sowie deren Abhängigkeit von der PatchVerteilung und Patch-Dichte in der Landschaft.
Bisherige Ergebnisse, die Rajat Karnatak und Sabine Wollrab
mit dem NPC-Ansatz gewonnen haben, belegen, dass höhere
Ausbreitungsraten tatsächlich den Fortbestand von Arten beeinflussen: In Abhängigkeit von der Balance zwischen lokalem
Wachstum und ein- bzw. abgehender Biomasse wird eine höhere Ausbreitungsrate ab einem bestimmten Grenzwert zu einer
starken Abnahme der Wahrscheinlichkeit führen, dass die Art
fortbesteht. Dies scheint zwar logisch zu sein, wird aber von
klassischen Ansätzen (Deterministic Spatially Implicit Approaches) aufgrund einer inhärenten mathematischen Symmetrie
tatsächlich nicht erfasst. Darüber hinaus konnten die beiden
Forschenden zeigen, dass die Patch-Dichte die Wahrscheinlichkeit des Fortbestands von Arten signifikant beeinflusst, wobei
Schematische Darstellung eines probabilistischen Konnektivitätsnetzwerks am
Beispiel von Söllen im nördlichen Brandenburg: Die Linien zwischen den Kleinstgewässern zeigen, ob die Ausbreitungswahrscheinlichkeit eher hoch (durchgezogene
Linie) oder gering (gestrichelte Linie) ist. Bei der Berechnung mit dem NPC-Ansatz
wird nicht nur die räumliche Entfernung zwischen den Söllen, sondern auch die
artenspezifische Verbreitungsdistanz und die Größe der Patches berücksichtigt.
eine größere Patch-Dichte diese erhöht, weil selbst bei niedriger Verbreitungsrate Individuen andere Habitate mit größerer
Wahrscheinlichkeit erreichen.
Die Konnektivität zwischen Patches, also das Ausmaß und die
Art der Verbundenheit von Habitaten, ist kurzlebig und veränderlich. Die räumlich-zeitliche Flexibilität des NPC-Formalismus
verspricht, dies besser zu erfassen, und macht ihn breit anwendbar. Beispielsweise kann das NPC-Konzept dazu genutzt
werden, den Einfluss von Klima- und Landnutzungsänderungen
auf die Verteilungsmuster von Arten vorherzusagen.
Dr. Rajat Karnatak, karnatak@igb-berlin.de
Dr. Sabine Wollrab, wollrab@igb-berlin.de
Karnatak, R., et al. (2020). A probabilistic approach to dispersal in
spatially explicit meta‑populations. Scientific Reports, 10, Article
22234. https://doi.org/10.1038/s41598-020-79162-9
Partner beim Climate Change Center
Berlin Brandenburg
Mit einer Website und der Veranstaltungsreihe
CLIMATE:Lab ging im Dezember 2020 das Climate Change
Center Berlin Brandenburg (CCC) an die Öffentlichkeit. Das CCC
ist eine Gemeinschaftsinitiative von Technischer Universität
Berlin, Freier Universität Berlin, Charité – Universitätsmedizin
Berlin, der Universität der Künste Berlin, der Universität Potsdam und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Auch
das IGB ist beteiligt. Die Gemeinschaftsinitiative versteht sich
als transdisziplinäres Zentrum für Forschung und Wissenstransfer zu den Themen Klimawandel und Klimaanpassung.
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
p www.climate-change.center
35
EXTR
Um Rückschlüsse auf das Nutzungsverhalten an
Gewässern zu ziehen, nutzen IGB-Forschende unter
anderem Social-Media-Daten.
Datenschatz Internet
Um wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren, brauchen Forscherinnen und Forscher Daten.
Zwei neue Forschungszweige, Culturomics und iEcology,
nutzen dafür das Internet. Das bietet viele Chancen, insbesondere auch für die Erforschung aquatischer Lebensräume.
Jeden Tag werden im Internet gigantische Mengen Fotos, Videos und Texte aller Art veröffentlicht. Allein auf YouTube laden User*innen pro Minute 500 Stunden Videomaterial hoch,
die englischsprachige Wikipedia umfasst inzwischen mehr
als 6.000.000 Artikel. Diese internetbasierten Datenmengen
macht sich seit einiger Zeit auch die Wissenschaft zunutze:
Bereits 2010 tauchte der Begriff Culturomics erstmals in einem
Science-Artikel über digitalisierte Bücher auf, während der
letzten fünf Jahre hat die neue Forschungsrichtung auch in der
Biodiversitätsforschung an Bedeutung gewonnen.
„Bei Culturomics geht es darum zu analysieren, wie der Mensch
auf die Umwelt reagiert, bei iEcology liegt der Fokus auf der
Naturseite der Daten. Wir suchen beispielsweise nach Anzeichen, wie sich Populationen bestimmter Spezies entwickeln
oder ökologische Zustände verändern“, sagt Gregor Kalinkat,
Postdoktorand in der Arbeitsgruppe Lichtverschmutzung und
Ökophysiologie.
36
Der Forscher hat schon bei verschiedenen Untersuchungen mit
den neuen Methoden gearbeitet; oft zusammen mit einem der
Pioniere der beiden neuen Forschungszweige, mit dem ehemaligen IGB-Forscher Ivan Jarić vom Institut für Hydrobiology an
der tschechischen Akademie der Wissenschaften. Für eine Studie unter Leitung von Ivan Jarić, deren Ergebnisse im Sommer
2020 erschienen sind, analysierte ein Forschungsteam deutsche, britische und französische Webseiten, auf denen über
Spezies berichtet wurde, die auf der Roten Liste gefährdeter
Arten stehen. „Uns interessierte, welche Bedrohungsfaktoren
im Mittelpunkt der Darstellungen stehen, und dabei insbesondere, welchen Stellenwert invasive Arten einnehmen“, sagt
Ivan Jarić. Am häufigsten genannter Bedrohungsfaktor war
der Klimawandel, während über die Rolle invasiver Arten selten berichtet wurde. „Dass die Bedeutung des Klimawandels
für den Artenverlust viel bekannter ist und darüber häufiger
berichtet wird, hatte man zuvor angenommen, wir konnten
das nun aber mit unserer Analyse auf einfache, schnelle und
kostengünstige Art nachweisen“, bemerkt Gregor Kalinkat.
Schlüsselbereiche wären Artenmonitoring,
der Ökosystemstatus und menschliche Einflüsse
Das Beispiel zeigt, welches Potenzial Culturomics und iEcology
haben. Insbesondere um aquatische Lebensräume zu erfor-
Jahresforschungsbericht 2020
Foto: Social Media © Dmytrenko Vlad/Shutterstock
Wie IGB-Forschende die Netzwelt für Forschungswissen nutzbar machen
Datenschatz Internet | Fo r s c h u n g
„ Bei Culturomics geht es darum zu ana
schen, bieten die neuen, internetbasierten Methoden zahlreiche
Möglichkeiten, sind Gregor Kalinkat und Ivan Jarić überzeugt. Beide haben mit weiteren Forschenden eine Übersichtsstudie verfasst, in
der sie Schlüsselbereiche identifizieren,
für die Culturomics und iEcology besonders hilfreiche Erkenntnisse liefern können. Dazu gehören die Verbreitung bedrohter,
seltener und gebietsfremder Arten, der Ökosystemstatus und
anthropogene Auswirkungen. Besonders große Potenziale
sieht Gregor Kalinkat im Bereich Monitoring: „Uns schwebt
eine automatisierte Artenerkennung vor, mit der sich Hintergrundinformationen in digitalen Daten analysieren lassen,
wie zum Beispiel im Hintergrund von Fotos und Videos unbeabsichtigt aufgenommene Arten. Das würde das Monitoring
weniger auffälliger Elemente der Biodiversität, etwa der Vegetation, erheblich erleichtern“, sagt er.
Fotos: Porträt Podschun © privat; Porträt Kalinkat © David Ausserhofer
Auch Probleme, die mit den neuen, internetbasierten Methoden einhergehen, benennt die Ende Oktober 2020 erschienene
Studie. So existieren nur spärliche Daten von weiter entfernten
Punkten in Gewässern und unter Wasser. Zudem verwenden
nur bestimmte Nutzergruppen Social Media, sodass online veröffentlichtes Material von Touristen beispielsweise Einschätzungen und Verhaltensweisen von Ortsansässigen widersprechen kann. Eines der Hauptprobleme ist ein beträchtliches Bias
bei der Auswahl: Während es zahllose Filme über oder Fotos
von Vögeln, Amphibien und Säugetieren gibt, ist Material zu
Fischen oder Wirbellosen rar. Und auch der Datenabruf birgt
Probleme. Bei kommerziellen Plattformen wie Twitter, Google
oder Facebook nutzen die Forschenden ein Interface, um die
gewünschten Daten herunterzuladen. „Nehmen die Dienste
Änderungen an der Schnittstelle vor, ist das für uns ein Problem. Veränderte Algorithmen erschweren zeitliche Analysen,
denn die vor und nach einer Änderung erhobenen Daten sind
nur bedingt miteinander vergleichbar“, sagt Ivan Jarić.
Ein Vergleich mit Offline-Daten hilft,
die Ergebnisse zu validieren
Das Problem kennt auch Simone Podschun, Projektkoordinatorin von AQUATAG. Bei dem Projekt geht es darum zu
erkennen, wann und wo Gewässer besonders intensiv für
Freizeitbeschäftigungen genutzt werden, und herauszufinden, wie sich die Freizeitnutzung
besser managen lässt. Um Besucherzahlen
zu ermitteln, nutzt das Team Social-Media-Daten – und immer wieder kommt
es vor, dass der Code, der zum Abruf der
„ Onlinedienste liefern uns
Informationen fast in Echtzeit:
Wir konnten sofort sehen, dass
durch Corona die Freizeitaktivitäten
an Spree und Havel im Sommer anstiegen.“
Simone Podschun
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
lysieren, wie der Mensch auf die Umwelt
reagiert, bei iEcology liegt der Fokus auf
der Naturseite der Daten.“
Gregor Kalinkat
Daten verwendet wird, nicht mehr funktioniert oder dass die
Datenstruktur sich geändert hat. Die Forschenden werten unter anderem Daten von Twitter und Strava aus, einer App für
Lauf-, Rad- und Wassersportler*innen. „Wir sind besonders an
georeferenzierten Tweets interessiert; das heißt, wir sehen,
wann und wo er abgegeben wurde. Die Daten von Strava sind
eine gute Ergänzung, denn sie liefern uns zusätzlich Angaben
wie Distanzen, Zeiten, Art der Aktivität und Zahl der Sporttreibenden für ein beliebiges Gebiet“, sagt Simone Podschun.
Weil die Nutzerzahlen von Social Media zugenommen haben,
könne man zurückliegende Jahre nur mit Vorsicht vergleichen:
„Immer mehr Leute nutzen Fitnesstracker und stellen ihre Daten online“, sagt die Biologin und Expertin für Geoinformationssysteme. Deswegen achtet das Forschungsteam unter
Leitung von Markus Venohr vor allem auf die Relationen – wie
viele kommen, wenn es warm ist, und wie viele bei niedrigeren
Temperaturen? Die Vorteile der Nutzung von Social-Media-Daten liegen für Simone Podschun auf der Hand: „Zählungen vor
Ort sind enorm aufwändig, und man hat immer nur einen kleinen Ausschnitt. Onlinedienste liefern uns dagegen Informationen fast in Echtzeit: Wir konnten sofort sehen, dass durch
Corona die Freizeitaktivitäten an Spree und Havel im Sommer
anstiegen“, sagt sie. Die Forschenden sind sich auch bewusst,
dass Social-Media-Daten anfällig für Ausreißer sind, beispielsweise bei einem Marathonlauf oder in Gebieten ohne Mobilfunkanschluss. Daher verlassen sich die Forschenden nicht
alleine auf die Daten von Twitter und Strava. „Das AQUATAGTeam glich die über Social Media generierten Besucherzahlen
für Badeseen um Berlin mit Daten der Berliner-Bäderbetriebe
ab“, berichtet die Forscherin. Auch mit den elektronischen Zählungen, die die Stadt Berlin für Radfahrer eingeführt hat, vergleicht das AQUATAG-Team die Werte.
Mittels YouTube Artenverteilungen aufzeigen
oder Erkenntnisse zum Freizeitfischen gewinnen
Wie die Analyse von Videos wertvolle Einsichten liefert, zeigen
zwei aktuelle Studien des ehemaligen IGB-Forschers Valerio
Sbragaglia, die im Team von Robert Arlinghaus entstanden
sind. Der Verhaltensökologe wertete gemeinsam mit weiteren Forschenden YouTube-Videos aus, die von Freizeitfischern
aufgenommen und online gestellt worden waren. In einer der
Studien ging es darum, Freizeitangler und Speerfischer zu vergleichen. Das Team nahm dafür Videos italienischer Freizeitfischer unter die Lupe, die eine bedeutende Mittelmeer-Fischart,
die Zahnbrasse, gefangen hatten. Dabei interessierte die Forschenden, wie die Größe der gefangenen Fische und das soziale Feedback der YouTube-User korrelieren. „Wir haben dafür
YouTube nach für unsere Forschungsfrage passenden Videos
durchsucht und anschließend die Metadaten analysiert, also
37
EXTR
Fo r s c h u n g | Datenschatz Internet
Beide Forschungszweige
stehen vor Herausforderungen und Hindernissen,
die sich in fünf Gruppen
unterteilen lassen:
soziokulturelle Aspekte,
Probleme mit der Zugänglichkeit, geografische
Faktoren, Datenquellen
und ethische Fragen.
38
Angaben wie Titel und Beschreibung des Videos. Außerdem
haben wir uns angeschaut, welche Videos wie viele Likes,
Views und Kommentare haben“, berichtet der Forscher, der
2017 über ein Leibniz-DAAD-Postdoc-Stipendium in der Gruppe
von Robert Arlinghaus arbeitete und heute am Institute of Marine Sciences des Spanish National Research Council forscht.
Die Suche erledigte dabei eine in R (einer freien Programmiersprache) entwickelte Software – bei fast 20.000 Videos eine
enorme Arbeitserleichterung.
Gregor Kalinkat ist überzeugt, dass den neuen Methoden die
Zukunft gehört: „Das Potenzial von Culturomics und iEcology wächst so schnell, dass die aktuellen Probleme an Bedeutung verlieren werden“, sagt der Forscher. Auf klassische Forschungsmethoden werde man aber nicht verzichten können:
Fotos von Anglern, die ausgewertet werden, um mehr über
den Zustand eines Sees zu erfahren, können eine Beprobung
nicht ersetzen.
In der zweiten Studie standen makroökologische Muster der
Verteilung zweier Fischarten im Vordergrund, des Braunen und
des Weißen Zackenbarschs im Mittelmeer. Auch hierfür analysierte das Team um Valerio Sbragaglia eine hohe Anzahl an
YouTube-Videos. „Um die Arten korrekt zuzuordnen, haben wir
uns für diese Untersuchung die Videos teilweise auch angeschaut – aber wir arbeiten daran, diesen Prozess ebenfalls zu
automatisieren“, erläutert der Forscher. Das Team fand heraus,
dass der Braune Zackenbarsch in größeren Meerestiefen häufiger ein höheres Gewicht erreicht. Ein solches Muster scheint
nicht ausschließlich durch die Fischerei begründet und fügt einer kontroversen Diskussion in der Fischereiwissenschaft eine
neue Perspektive hinzu. Und für den Weißen Zackenbarsch
konnten die Forschenden nachweisen, dass die Art weiter in
den Norden des Mittelmeeres gezogen ist. Die Analyse lieferte
also wertvolle Aufschlüsse – ohne dass die Forschenden einen
einzigen Fisch selbst vors Gesicht bekamen.
Dr. Gregor Kalinkat, kalinkat@igb-berlin.de
Prof. Dr. Robert Arlinghaus, arlinghaus@igb-berlin.de
Dr. Simone Podschun, podschun@igb-berlin.de
Dr. Markus Venohr, m.venohr@igb-berlin.de
Jarić, I., et al. (2020). Expanding conservation culturomics and
iEcology from terrestrial to aquatic realms. PLoS Biology, 18(10),
Article e3000935. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3000935
Jahresforschungsbericht 2020
Abb.: © Ivan Jarić
Projekt: AQUATAG, Laufzeit: 03/2019-02/2022, Gefördert durch:
BMBF
Jahresrückblick
Foto: © David Ausserhofer
2020 am IGB
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
39
J a h r e s r ü c k b l i c k | 2020
IGB Academy: Nachhaltiges
Hygiene-Management für die
Aquakulturpraxis
Die IGB Academy widmete sich im Januar dem Wissensaustausch zwischen
Forschung und Aquakulturpraxis. Beleuchtet
wurde insbesondere das Potenzial des Einsatzes von Peressigsäure (PES), durch die Keime
im Haltungswasser und Fischverluste effizient
reduziert werden können – ohne negative Effekte auf Umwelt, Tiere, anwendende Betriebe
und Verbraucher*innen.
Dr. Dibo Liu, liu@igb-berlin.de
Dr. Thomas Meinelt, meinelt@igb-berlin.de
Beratung:
EU-Biodiversitätsstrategie
Das IGB hat sich an der EU-Konsultation zur Biodiversitätsstrategie beteiligt.
Ihre Expertise brachten Sonja Jähnig, Michael
Monaghan, Jonathan Jeschke und Hans-Peter
Grossart ein. Die Forschenden unterstrichen, dass selbst in der Biodiversitätspolitik
die hohe ökologische, wirtschaftliche und
gesellschaftliche Relevanz von Binnengewässer-Ökosystemen und deren aquatischer
Biodiversität oft übersehen wird. Sie empfahlen, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse
in diesem Bereich in den EU-Fahrplan für die
EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 zu integrieren und diese auch in die Strategie selbst
aufzunehmen.
Intern: IGB unter neuer Führung
Der belgische Gewässerökologe und Evolutionsbiologe Luc De Meester ist seit Januar
2020 neuer IGB-Direktor und Professor für
Freshwater Science an der Freien Universität
Berlin. Zuvor wurde das Institut kommissarisch von Mark Gessner, Leiter der Abteilung
Experimentelle Limnologie, geführt.
Prof. Dr. Luc De Meester,
luc.demeester@igb-berlin.de
Projektstart: Langzeitentwicklung
von Seen infolge des Klimawandels
Wie verändern sich durch den Klimawandel die physikalischen Prozesse in
Seen? Dieser Frage gehen Forschende in einem neuen IGB-Projekt nach. In unterschiedlichen Seen installieren sie Messketten, mit
denen sie untersuchen, wie sich Temperaturen
und Schichtungsverhalten entwickeln und
wie die Gewässer auf sich wandelnde meteorologische Randbedingungen reagieren.
Veränderte physikalische Verhältnisse können
sich zum Beispiel auf den Nährstoffhaushalt
oder die Treibhausgasbilanz auswirken. Aus
den Ergebnissen sollen Empfehlungen für ein
deutschlandweites Klimamonitoring in Seen
abgeleitet werden.
Dr. Michael Hupfer, hupfer@igb-berlin.de
40
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Porträt De Meester © David Ausserhofer; IGB-Academy © IGB; Langzeitentwicklung © Sylvia Jordan
JANUAR
2020 | J a h r e s r ü c k b l i c k
Projektstart: AQUA-KI
Veranstaltung: Aquakultur
in nachhaltige Bahnen lenken
Angesichts des wachsenden Bedarfs
an Proteinen spielen Aquakulturen im
Süß- und Salzwasser eine immer wichtigere
Rolle. Gemeinsam mit dem Leibniz-Zentrum
für Marine Tropenforschung (ZMT) lud das
IGB deshalb zum Workshop The Blue Sector
at the Crossroad – Moving Aquaculture Into
More Sustainable Waters. 31 Teilnehmer*innen
aus unterschiedlichen Leibniz-Instituten und
Universitäten sowie der FAO diskutierten
neue Forschungsansätze und Strategien, die
ein nachhaltiges und vielfältiges Wachstum
des blauen Sektors unterstützen können.
Dr. Hendrik Monsees,
monsees@igb-berlin.de
Mikroorganismen wie Phyto- und
Zooplankton spielen eine wichtige
Rolle in aquatischen Ökosystemen. Bislang
fehlen jedoch geeignete Methoden, um
diese in ausreichend hoher räumlicher und
zeitlicher Auflösung in ihrer natürlichen
Umgebung untersuchen zu können. Dieser
Herausforderung begegnet ein interdisziplinäres Forschungsteam im Projekt AQUA-KI,
das künstliche Intelligenz mit neuartigen
ökologischen Ansätzen kombiniert. Ziel sind
automatisierte Komplettsysteme, die planktonische Mikroorganismen in-situ und im Labor
erfassen und somit Frühwarnsysteme für
Algenblüten oder invasive Arten verbessern.
Dr. Stella A. Berger, berger@igb-berlin.de
Dr. Jens C. Nejstgaard,
nejstgaard@igb-berlin.de
Fotos: Tagliamento & ITN RIBES © Alexander Sukhodolov; Aquakultur-Workshop © Gabriele Heinzel
MÄRZ
Unterwegs: Forschung
am Tagliamento
Alexander Sukhodolov reiste zu einem
der letzten frei fließenden Alpenflüsse,
dem Tagliamento (Italien). Dort dokumentierte er die Folgen eines Hochwassers auf die
Morphologie der Flussaue, etwa vertikale und
flächige Flussbettverformungen, die durch
Erosion und Ablagerungen an Treibholz und
bewachsenen Uferzonen entstehen.
Dr. Alexander Sukhodolov,
sukhodolov@igb-berlin.de
Projektstart: ITN RIBES
Mit gleich zwei Teilprojekten ist die
Forschungsgruppe von Alexander
Sukhodolov am Europäischen Trainingsnetzwerk RIBES (River flow regulation,
fish BEhavior and Status) beteiligt. Es soll
Nachwuchswissenschaftler*innen in der
Ökohydraulik ausbilden, um Lösungen für den
Schutz von Flüssen und Fischbeständen zu
entwickeln. Hintergrund ist die zunehmende
Fragmentierung von Fließgewässern durch
Kleinwasserkraftwerke, die endemische Fischarten wie z.B. die Marmorforelle gefährdet.
Dr. Alexander Sukhodolov,
sukhodolov@igb-berlin.de
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
41
J a h r e s r ü c k b l i c k | 2020
Projektstart: Zukunft
der limnischen Megafauna
Groß, größer, weg? Die limnische Mega
fauna – also im Süßwasser vorkommende Organismen mit einer Körpermasse von über
30 Kilogramm wie Flusspferde, Schildkröten
oder Störe – ist besonders stark vom Aussterben
bedroht. Doch was passiert mit Ökosystemen,
wenn diese sehr großen Arten verschwinden?
Wie nehmen Menschen diese Arten wahr und
wie kann dies für Schutzkonzepte genutzt werden? Das im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs
geförderte IGB-Projekt Zukunft der limnischen
Megafauna soll diese Wissenslücken schließen,
ein internationales und interdisziplinäres Kooperationsnetzwerk aufbauen und den Schutz der
Süßwasser-Biodiversität unterstützen.
Veranstaltung:
Leibniz im Bundestag
Bei Leibniz im Bundestag können
Abgeordnete Beratungsgespräche
mit Leibniz-Forscher*innen buchen. Markus
Venohr erläuterte die Nährstoffbelastung
von Grundwasser durch undichte Kanalisationen; Gösta Baganz und Hendrik Monsees
informierten zur kombinierten Fisch- und
Gemüsezucht (Aquaponik).
Prof. Dr. Sonja Jähnig,
sonja.jaehnig@igb-berlin.de
MÄRZ
APRIL
MAI
Intern: IGB Task Force Corona
Der erste Corona-Lockdown war auch die
Geburtsstunde einer weiteren Video-Runde:
anfangs täglich, nun wöchentlich treffen
sich Vertreter*innen aus allen Bereichen und
Standorten, um die Umsetzung der CoronaPräventionsmaßnahmen am Institut zu
besprechen und Lösungen für die einhergehenden Widrigkeiten zu finden. Das IGB
arbeitet seit März 2020 – auf Abstand – eng
zusammen, um die Sicherheit und Gesundheit aller zu gewährleisten. Wir gehen trotz
der Einschränkungen für unsere Forschungsaktivitäten, die nicht am heimischen Schreibtisch stattfinden können, gerne mit gutem,
kontaktfreiem Beispiel voran.
42
AQUACOSM-plus verbindet experimentelle Binnengewässer- und Meeresforschung in Europa. Das EU-geförderte
Infrastrukturprojekt mit 31 Partnern soll u.a.
den Zugang zu experimentellen Forschungsinfrastrukturen fördern und Expertisen, Daten
sowie Kapazitäten bündeln. Gemeinsam
möchten die Forschenden Zukunftsaufgaben
der Gewässerforschung definieren, Anforderungen an Forschungsinfrastrukturen erfassen
und enger mit anderen Forschungsinfrastrukturen (z.B. LTER) zusammenarbeiten. Koordiniert wird das Netzwerk vom IGB.
Dr. Jens C. Nejstgaard, nejstgaard@igb-berlin.de
Dr. Katharina Makower, makower@igb-berlin.de
Dr. Stella A. Berger, berger@igb-berlin.de
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Limnische Megafauna © Zeb Hogan; Aquacosm © Frederico Cheda
Projektstart: AQUACOSM-plus
2020 | J a h r e s r ü c k b l i c k
Projektstart: IDES
Im Juli startete das aus dem EU
INTERREG Danube Transnational
Programme geförderte Verbundprojekt
IDES. Es untersucht am Beispiel der Donau,
wie Auen mittels naturbasierter Lösungen
zu einer Verbesserung der Wasserqualität
beitragen können, zum Beispiel indem sie
Pflanzennährstoffe zurückhalten. Das Projekt
wendet dabei den unter Federführung des
IGB entwickelten River Ecosystem Service
Index (RESI) im gesamten Flusseinzugsgebiet
an. Darauf aufbauend wird ein mit bestehenden Bewertungsmethoden harmonisiertes
IDES-Tool entwickelt. Es soll in Pilotregionen
zum Einsatz kommen und aufzeigen, wie sich
verschiedene Managementszenarien auf die
Ökosystemleistungen des Flusses und seiner
Auen auswirken.
Veranstaltung: ARS ELECTRONICA
Und ACTION! Mehr partizipative
Wissenschaft gegen Umweltverschmutzung hat sich das ACTION LAB auf die
Fahne geschrieben. Reinhören, zusehen und
mitmachen konnten Interessierte bei einer
ganzen Reihe von öffentlichen Live-Streams
im Rahmen des ARS ELECTRONICA Festivals
zwischen dem 9. und 11. September.
Dr. Kat Austen, austen@igb-berlin.de
Dr. Sibylle Schroer, schroer@igb-berlin.de
PD Dr. Martin Pusch, pusch@igb-berlin.de
Fotos: IDES ©Martin Pusch; Besuch Bender © Sarah Bude; Ars Elcetronica © Charis Dittmar ; Soapbox © soapbox science
JUNI
JULI
AUGUST
Beratung: Chemikalien
in der Umwelt
Welche Gefahren gehen von
hormonstörenden Chemikalien
in der Umwelt und im Wasser aus? Zu
dieser Frage berichtete Werner Kloas
am 17. Juni im Umweltausschuss des
Deutschen Bundestags.
Prof. Dr. Werner Kloas,
werner.kloas@igb-berlin.de
SEPTEMBER
Veranstaltung: Soapbox Science
Besuch von: Staatssekretärin
Silvia Bender
Die Agrar- und Umweltstaatssekretärin von Brandenburg, Silvia Bender,
besuchte am 20. August das IGB am Stechlinsee. Mark Gessner informierte die Politikerin
über die besorgniserregende Entwicklung der
Gewässerqualität des berühmten Klarwassersees.
Spannende Kurzvorträge von Forscher
innen – leicht verständlich, kostenlos
und unter freiem Himmel – gab es am 19.
September vor dem Berliner Hauptbahnhof.
Mit dabei: IGB-Nachwuchsforscherinnen
Mina Bižić und Marta Alirangues. Die Initiative
Soapbox Science wirbt für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft. Das
IGB unterstützt die Veranstaltungsreihe als
Mitorganisator.
p Twitter: @berlin_soapbox
Prof. Dr. Mark Gessner, gessner@igb-berlin.de
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
43
J a h r e s r ü c k b l i c k | 2020
Veranstaltung: Bürger*innen
forschen mit
Projektstart: BiCEST
Im Oktober startete ein DFG-gefördertes
Graduiertenkolleg zur Rolle von Biota im
Kohlenstoffkreislauf von Ästuaren (BiCEst). 26
Nachwuchsforscher*innen untersuchen an der
Elbemündung, welchen Einfluss Pflanzen, Tiere
und Mikroorganismen auf den Kohlenstoffkreislauf haben. Ihr Ziel ist es, diese Prozesse besser
in Erdsystemmodellen abbilden zu können und
die Auswirkungen des Klimawandels zu erfassen.
Die Leitung hat die Universität Hamburg inne.
Beteiligt sind neben dem IGB auch das Institut für
Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, das Max-Planck-Institut für Meteorologie
sowie die Bundesanstalt für Wasserbau.
Am 30. Oktober waren Bürgerinnen
und Bürger zur hybriden Auftaktveranstaltung des Citizen Science Projekts AuBe
eingeladen. Präsentiert wurden Informationen rund um die Themen Lichtverschmutzung
und umweltverträgliche Beleuchtung. Live
dazugeschaltet war auch die Präsidentin des
Bundesamts für Naturschutz (BfN), Prof. Beate
Jessel, die Handlungsempfehlungen aus der
Bundessicht vorstellte. p Seite 8
PD Dr. Franz Hölker, hoelker@igb-berlin.de
Dr. Sibylle Schroer, schroer@igb-berlin.de
Prof. Dr. Hans-Peter Grossart,
hgrossart@igb-berlin.de
Sven Hünefeldt, sven.huenefeldt@igb-berlin.de
SEPTEMBER
OKTOBER
Im September fand die erste Konferenz
des gemeinsam von IGB und TU Berlin
organisierten DFG Graduiertenkollegs Urban
Water Interfaces (UWI) statt. Die 53 Präsentationen und 5 Keynotes von Expert*innen aus
Forschung, Praxis und Verwaltung stellten den
aktuellen Wissensstand zum urbanen Wassermanagement vor. Etwa 170 Teilnehmer*innen
nahmen an dem Online-Format teil – mehr
als bei der ursprünglich in Berlin geplanten
Präsenzveranstaltung Platz gefunden hätten.
Vorträge unter
p http://bit.ly/UWI-Konferenz
PD Dr. Sabine Hilt, hilt@igb-berlin.de
Prof. Dr. Mark Gessner, gessner@igb-berlin.de
Veranstaltung:
2. Nationales Wasserforum
Mit dem 2. Nationalen Wasserforum,
organisiert von Bundesumweltministerium (BMU) und Bundesumweltamt (UBA),
wurde im Oktober ein zweijähriger Dialogprozess zur Zukunft der Wasserwirtschaft in
Deutschland abgeschlossen. Aus dem IGB
haben sich Jörg Lewandowski, Martin Pusch
und Markus Venohr in den Fachpanels eingebracht. Die Ergebnisse fließen in die Erarbeitung der Nationalen Wasserstrategie ein, die
die Bundesregierung 2021 vorlegen will.
p www.bmu.de/wasserdialog
44
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: BiCEST © Gaby Stein/pixabay; AuBe © David Ausserhofer
Veranstaltung: UWI-Konferenz
Intern: Für mehr Gleichstellung
Im November hat das IGB einen Gleichstellungsplan für die nächsten zwei Jahre
verabschiedet. Er umfasst zentrale Grundsätze, Ziele und Maßnahmen zur Förderung der
Chancengleichheit von Frauen und Männern.
Zu den Aktionsbereichen gehören zum
Beispiel eine Verbesserung des Geschlechtergleichgewichts der Forschenden in allen
Karrierestadien und die Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen am Institut.
Dr. Kirsten Pohlmann,
kpohlmann@igb-berlin.de
Projektstart: Ponderful
Seit Dezember ist das IGB Teil des EU-Projekts PONDERFUL.
Der Name ist Programm, geht es doch um Teich-Ökosysteme (engl. Ponds). Studien deuten darauf hin, dass diesen wegen
ihrer Anzahl, ihrer Heterogenität und Biodiversität sowie ihrer
biogeochemischen Besonderheiten eine wichtige Rolle im Kampf
gegen die Folgen des Klimawandels zukommt. Unter der Leitung
der Universität Vic (Spanien) untersuchen Forschende aus elf Ländern – unter ihnen Thomas Mehner und Luc De Meester –, welchen
Nutzen Teiche und Teichlandschaften für die Bewältigung des
Klimawandels, für die Biodiversität und für den Menschen haben.
PD Dr. Thomas Mehner, mehner@igb-berlin.de
Prof. Dr. Luc De Meester, luc.demeester@igb-berlin.de
NOVEMBER
DEZEMBER
Fotos: Book a Scientist © Leibniz Gemeinschaft; Ponderful © Thomas Mehner
Veranstaltung: Falling Walls
Die Falling Walls Conference in
Berlin fand dieses Jahr digital
statt – aber nicht ohne IGB-Themen: Sonja
Jähnig und Robert Arlinghaus gehörten
zu den Finalist*innen der Science Break
throughs of the Year. In fünfminütigen
Videos haben sie erklärt, welche Mauern
ihre Forschung zum Einstürzen bringen
soll.
Veranstaltung: Book a scientist
Bei Book a Scientist, dem Speeddating mit der Wissenschaft,
hatte jedermann Gelegenheit, sich 25
Minuten lang mit einer Expertin oder einem Experten der Leibniz-Gemeinschaft
zu dessen Forschungsthemen auszutauschen. Mit von der Partie waren die
IGB-Forschenden Sibylle Schroer, Gregor
Kalinkat, Ruben van Treeck und Fabian
Schäfer.
Alle Finalist*innen
p https://falling-walls.com/remote2020/
finalists/
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Beratung: Nationaler
Strategieplan Aquakultur
Im Jahr 2020 wurde der Nationale Strategieplan Aquakultur
für Deutschland (NASTAQ) überarbeitet und aktualisiert. Auch das IGB
brachte sich ein, u.a. beim Runden
Tisch zur Aquakultur des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL), wo
Fabian Schäfer über die Erfahrungen
zu Verbraucherwahrnehmung und
-information mit dem IGB-Portal
www.aquakulturinfo.de berichtete.
Mehr zum dazugehörigen
IGB Policy Brief
p Seite 17
Dr. Fabian Schäfer,
schaefer@igb-berlin.de
45
Ü b e r u n s | 2020 in Zahlen
Über uns
2020 in Zahlen
365 Institutsangehörige
darunter 155 Wissenschaftler*innen
und 94 wissenschaftsunterstützende Mitarbeiter*innen,
114 Gäste und sonstige am IGB tätige Personen
289 Berichte in Print-Medien
1.246 Berichte in Online-Medien
323 Publikationen
davon 171 Open Access
davon 276 referierte Zeitschriftenbeiträge
32 wissenschaftliche
Veranstaltungen und Workshops
17
davon
mit internationaler Beteiligung
123 eingeladene Vorträge
inklusive Plenarvorträge und
Keynote Lectures sowie weitere
wissenschaftliche
Gesprächsrunden
mit insgesamt
46
Stand: 31.12.2020
1.550 Teilnehmenden
Jahresforschungsbericht 2020
2020 in Zahlen | Ü b e r u n s
25
Mitarbeitende
aktiv in der Lehre
54 Doktorand innen
9 Promotionen
19 Diplom-, Master- und Bachelorarbeiten
*
12
gemeinsame Berufungen
mit Universitäten
.
28 IGB-Kolloquien
Drittmittel insgesamt: 7,474 Mio. €
Institutionelle Förderung: 16,161 Mio. €
Gesamtbudget: 23,635 Mio. €
Drittmittelquote: 32 %
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
47
Ü b e r u n s | Köpfe
Köpfe
Das
IGB hat
eine neue
Professorin:
Sonja Jähnig wurde im
Leibniz-Professorinnenprogramm ausgewählt
und im April 2020 gemeinsam durch das IGB
und die Humboldt-Universität zu Berlin zur
Professorin für Aquatische Ökogeographie
berufen. Im Rahmen der Förderung erforscht
sie große Süßwasserarten (Megafauna) wie
Störe, Biber oder Flussdelfine und wie sich
deren Verschwinden auf die Stabilität und die
Funktionen von Süßwasserökosystemen auswirkt. Zudem untersucht sie die gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Tierarten und
wie Erkenntnisse hierzu für den Naturschutz
genutzt werden können. Das Leibniz-Professorinnenprogramm richtet sich an internationale Spitzenwissenschaftlerinnen aller
Disziplinen. Sonja Jähnig ist Mitbegründerin
der Alliance for Freshwater Life und gilt in der
Limnologie als exzellente Wissenschaftlerin.
p Seite 42
Prof. Dr. Sonja Jähnig,
sonja.jaehnig@igb-berlin.de
Communicator-Preis
Für sein vielfältiges Engagement hat Robert
Arlinghaus den Communicator-Preis 2020 der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
erhalten. Die höchste nationale Auszeichnung für Wissenschaftskommunikation ist
mit 50.000 € dotiert und soll den Austausch
zwischen Forschung und Gesellschaft
48
stärken. Mit dem Preis wird er für seine
herausragende Kommunikation zu einer
nachhaltigen Fischerei im Spannungsfeld
zwischen Gewässernutzung und dem Erhalt
der biologischen Vielfalt unter Wasser geehrt.
Ihm gelingt es, „ein scheinbares Spezialthema
wie das Angeln mit den gesellschaftlich
relevanten Fragen der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes und
des verantwortungsvollen
Umgangs mit der Natur
zu verknüpfen“, urteilte
die Jury.
Die Preisverleihung
musste wegen Corona
leider ausfallen. Stattdessen präsentierte die
DFG einen Film über den
Preisträger
p https://youtu.be/zifRTURfk7c.
p Seiten 16 und 26
Prof. Dr. Robert Arlinghaus,
arlinghaus@igb-berlin.de
Gleichstellungsbeauftragte
Die IGB-Nachwuchswissenschaftlerin Marta
Alirangues wurde im November 2020 durch
alle weiblichen Beschäftigten des Forschungsverbundes Berlin (FVB) zur ersten Zentralen
Gleichstellungsbeauftragten gewählt. Mit
der neu geschaffenen Stelle
stärkt der FVB seine
Gleichstellungsarbeit erheblich. In den
kommenden
vier Jahren
soll Marta
Alirangues
vor allem die
strategische
Entwicklung in den
Themenfeldern
Chancengleichheit
und Vereinbarkeit von
Jahresforschungsbericht 2020
Fotos: Porträts Arlinghaus, Jähnig © David Ausserhofer; Porträt Aliranguez © privat
Neue Professur
Köpfe | Ü b e r u n s
Beruf und Familie in der Wissenschaft vorantreiben. „Ich möchte die Situation von Frauen
in der Wissenschaft verbessern. Und ich bin
überzeugt, dass große Veränderungen nur
gemeinsam erreicht werden können. Deshalb
möchte ich ein Netzwerk und eine Austauschplattform mit Vertreterinnen und Vertretern
anderer nationaler und internationaler
Forschungseinrichtungen aufbauen“, sagt sie
über ihre neue Aufgabe.
Marta M. Alirangues Núñez,
alirangues@igb-berlin.de
Mehr Informationen zur Chancengleichheit
im FVB
p https://www.fv-berlin.de/karriere/chancengleichheit
Institutsangehörige 2020
155 Wissenschaftler*innen
inkl. 57 Postdoktorand*innen
inkl. 36 Doktorand*innen
94 wissenschaftsunterstützende Mitarbeiter* innen
2 Auszubildende
1 Stipendiat*innen des IGB
24 Hilfskräfte und Aushilfen
114 Gäste (sonstige am Institut tätige Personen wie
Gastwissenschaftler*innen, Fremdstipendiat*innen,
Student*innen, Praktikant*innen, FÖJ)
365 gesamt
Anteil nach Geschlecht
Wissenschaft:
Frauen 41%
Männer 59%
Wissenschaftsunterstützender Bereich:
Außerdem gratulieren wir:
• Dörthe Tetzlaff wurde im April 2020 zum Fellow
der Geological Society of America (GSA) gewählt.
Damit wird ihr nachhaltiger Beitrag zu den
Geowissenschaften anerkannt. Die ausgewiesene
Expertin ist außerdem Mitglied des ERC Advanced
Grant Panels 2020.
• Fengzhi He belegte den 1. Platz beim Studierenden-Wettbewerb der International Society of
Limnology (SIL), die den Preis alle zwei Jahre für
die drei besten Publikationen im Fachgebiet Limnologie vergibt. Fengzhi He erhielt ihn für seinen
Fachartikel zum weltweiten Rückgang großer
Süßwassertierarten.
• Mandy Velthuis hat beim gleichen Wettbewerb
den 2. Platz für ihre Publikation zum Einfluss der
globalen Erwärmung auf den Kohlenstoffkreislauf
in flachen Gewässern erhalten.
• Philipp Wolke, einstiger Masterand am IGB, belegte den 3. Platz des Schwoerbel-Benndorf-Nachwuchspreises der Deutschen Gesellschaft für Lim
nologie (DGL). Ausgezeichnet wurde er für seine
Masterarbeit und einen Fachartikel zum Einfluss
der Migrationsgeschwindigkeit von Bettformen
auf die Sauerstoffdynamik in der hyporheischen
Zone.
• Mina Bizic ist eine von 25 Frauen, die für das
16-monatige Leibniz-Mentoring-Programm
ausgewählt wurden. Das Programm unterstützt
exzellente promovierte Forscherinnen auf ihrem
Weg in eine Führungsposition oder Professur.
• Hans-Peter Grossart wurde von der Fachzeitschrift Limnology and Oceanography (L&O) als
„Outstanding Associate Editor“ geehrt. Für das
Aushängeschild der Association for the Sciences of
Limnology and Oceanography (ASLO) betreute er
im Jahr 2020 mehr als 35 Manuskripte.
• Robert Schwefel, Postdoktorand am IGB, wurde
von der L&O als “Outstanding Reviewer” hervorgehoben.
• Alexander Sukhodolov ist zum Mitglied des Führungsteams des Strömungsmechanik-Ausschusses (Fluid Mechanics Committee) der International
Association of Hydraulic Research (IAHR) ernannt
worden.
• Klement Tockner, der das IGB von 2007 bis 2016
leitete, ist neuer Senckenberg-Generaldirektor.
Wir freuen uns, unseren ehemaligen Direktor und
Gastwissenschaftler in der Leibniz-Gemeinschaft
wiederzusehen!
Frauen 65%
Männer 35%
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
49
Ü b e r u n s | Personalentwicklung
Ausgezeichnete Personalentwicklung
am IGB
Für unsere Personalentwicklungsstrategie wurden wir von der Europäischen Kommission mit dem „HR Excellence in Research Award“ ausgezeichnet. Alle drei Jahre nehmen wir neue Aufgaben ins Visier, deren Umsetzung
regelmäßig extern begutachtet wird. Kirsten Pohlmann, unsere Koordinatorin für Karriereentwicklung, erklärt den
Prozess hinter der „Human Resources Strategy for Researchers“ (HRS4R).
Das IGB durchläuft zurzeit die dritte Evaluierung nach
dem HRS4R-Standard der Europäischen Kommission.
Die erste Frage ist einfach: Warum?
Der Statistikkurs hat also Karriere gemacht…
Kirsten Pohlmann: Die Antwort ist eigentlich auch simpel: Wir wollen dafür sorgen, dass gute Leute gerne und
unter den besten Bedingungen bei uns arbeiten – und
dass die, die noch am Anfang stehen, bestmöglich auf
ihre Laufbahn innerhalb und außerhalb der Wissenschaft vorbereitet werden.
Warum hat sich das IGB für den „extra Aufwand“
eines EU-Programms entschieden?
Als ich als Postdoktorandin ans Institut kam, gab es weniger Doktorand*innen und Postdocs als heute, sodass
deren Weiterbildung noch leichter individuell durch die
Betreuer*innen abgedeckt werden konnte. Dann wurde
unser wissenschaftlicher Nachwuchs erfreulicherweise
immer internationaler und zahlreicher, und damit die
Schwerpunkte in den Studiengängen unterschiedlicher.
Aus anfänglichen Statistikkursen entwickelte sich das
IGB-Promotionsprogramm. Und dadurch wiederum
erkannten wir den Bedarf für eine systematische Karriereunterstützung für alle Mitarbeitenden am IGB.
Förderung von Doktorand*innen
64
12
5
47
67
66
7
5
10
10
7
6
43
45
…und den Weg für weitere zentral organisierte Personalentwicklungsmaßnahmen geebnet. Es folgten Schulungen für junge Gruppenleiter*innen und dann für alle
Führungskräfte – und schließlich der Wunsch nach noch
mehr Stringenz und Verbindlichkeit. Weil das IGB ein international ausgerichtetes Forschungsinstitut ist, haben
wir uns für das HRS4R-Programm der EU entschieden.
Ein weiterer Pluspunkt ist hier, dass wir viel von anderen
europäischen Institutionen lernen, die schon weiter bzw.
besser sind.
Was hat sich durch den HRS4R-Prozess für die
Mitarbeitenden am IGB verändert?
Wir hätten natürlich auch weiterhin „aus freien Stücken“
an uns arbeiten können. Aber durch den offiziellen Prozess hat die Personalentwicklung am IGB noch einmal
an Priorität gewonnen – und wir können die nötigen
Veränderungen gezielter vorantreiben. Die Entwicklung
der Maßnahmen ist sehr partizipatorisch angelegt: dass
wir unsere Personalentwicklungsstrategie verbessern,
wurde von der Institutsleitung entschieden. Die konkreten Maßnahmen aber werden von Vertreter*innen aller
50+31+4211v
Afrika: 1
Süd- und Lateinamerika: 1
53
54
5
8
6
4
5
37
6
36
Nordamerika: 2
Asien:
5
Herkunft
Doktorand*innen
2020
weitere am IGB betreute
Doktorand*innen
Deutschland:
26
Europa
(ohne D):
19
sonstige extern finanzierte
Doktorand*innen
Fremdstipendiat*innen
angestellte Doktorand*innen
2016
50
2017
2018
2019
2020
jeweils per 31.12.
Jahresforschungsbericht 2020
Personalentwicklung | Ü b e r u n s
Mitarbeitendengruppen entwickelt
und mit der Direktion abgestimmt.
Eine hervorragende Arbeitsteilung,
die sicherstellt, dass alle hinter den
Maßnahmen stehen. Dank des Prozesses müssen wir uns immer wieder
ehrlich und strukturiert fragen, in welchen
Bereichen es bei uns hapert.
Und wo hapert es am IGB?
Das waren zu Beginn zum Beispiel die Themen Internationalisierung und die damit einhergehende
Zweisprachigkeit des Instituts, die „vergessenen“
Postdoktorand*innen oder intransparente Stellenvergabe- und Entfristungsverfahren. Inzwischen sind wir
in Sachen Englisch gut aufgestellt und müssen eher
wieder ein Auge auf die deutschsprachigen Inhalte
haben – die Mehrsprachigkeit für alle zufriedenstellend
umzusetzen, begleitet uns also über längere Zeit. Für die
Postdoktorand*innen haben wir jetzt eine Postdoc-Society, einen Fortbildungsetat und jährliche Vernetzungstreffen. Und unsere Rekrutierungsrichtlinie und das TenureTrack-Verfahren sind nun klar strukturiert, verbindlich
und dienen sogar anderen Instituten als Vorlagen.
Welche Maßnahmen haben es in den aktuellen
Aktionsplan geschafft?
Mittlerweile interpretieren wir „4R“ – also „for Researchers“ – deutlich breiter und haben auch unseren Blick
für das wissenschaftsunterstützende Personal geschärft,
ohne das die IGB-Forschung ja nicht möglich wäre. Wir
wollen unsere technischen und methodischen Kompetenzen besser bündeln und in diesem Feld auch die
Weiterbildung unserer Mitarbeitenden stärken. Außerdem wollen wir bis 2023 ein Diversity-Konzept fürs IGB
Abschlüsse & Co.
56
2
Foto: Porträt Pohlmann © David Ausserhofer
19
17
40
35
2
20
24
29
1
9
14
13
9
10
9
4
2016
Sorgen Sie sich um das Ergebnis der aktuellen
Evaluierung?
Nun ja, wer wird schon gerne examiniert? Eigentlich
bin ich vor allem gespannt. Die Gutachter*innen
schauen sich an, ob wir unseren Aktionsplan 20172020 erfolgreich umgesetzt haben. Und sie beurteilen, ob wir für 2021-2023 zu ambitioniert oder nicht
ambitioniert genug sind, ob die Maßnahmen erfolgsversprechend sind oder ob wir wichtige Aspekte unter
den Tisch haben fallen lassen. Natürlich könnten wir
uns freuen, wenn das Ergebnis lautet, dass einfach
alles perfekt gedacht und umgesetzt ist. Aber besser
geht ja bekanntlich immer. Also sind wir gespannt auf
die Vorschläge, wo und wie wir noch an uns arbeiten
können. Die Gutachter*innen bringen die Erfahrungen aus ihren eigenen und anderen europäischen
Forschungseinrichtungen ein, sodass wir mit vielen
guten Ideen rechnen können.
Das Gespräch führte Katharina Bunk.
Dr. Kirsten Pohlmann, kpohlmann@igb-berlin.de
Mehr Informationen zu unserer Philosophie sowie
zum Arbeiten und Forschen am IGB haben wir auf
unserer Website zusammengestellt. Hier finden Sie
auch aktuelle Stellenangebote.
p www.igb-berlin.de/karriere
50
16
35
erarbeiten und unsere Gleichstellungsbemühungen
noch einmal deutlich intensivieren. Fast fertig sind
wir mit unserer Richtlinie gegen sexuelle Belästigung, die dann auch durch Schulungen flankiert
wird. Weitere Schwerpunkte für die nächsten drei
Jahre sind die Themen Open Science, unsere interne
Kommunikation sowie die Erneuerung unserer
IT-Infrastruktur, wodurch unter anderem hybrides
Arbeiten erleichtert werden soll. Die Unterstützung
internationaler Forschungspraktika für unsere
Nachwuchswissenschaftler*innen steht auch im Plan
– um nur einige der rund 70 Maßnahmen zu nennen.
2017
2018
2019
6
2020
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Rufe an IGB-Mitarbeiter*innen
Dissertationen
Diplom- und Masterarbeiten
Bachelorarbeiten
jeweils per 31.12.
51
Ü b e r u n s | Publikationen
Publikationen
Wissenschaftliche
Highlights
Auf der IGB-Website präsentieren
wir Ihnen eine neue Übersicht
ausgewählter Publikationen, die
Sie nach Themen, Abteilungen und
Programmbereichen filtern können:
p www.igb-berlin.de/ausgewaehltepublikationen
Im Jahr 2020 wurden insgesamt 323 Publikationen des IGB veröffentlicht, darunter
276 Beiträge in referierten Fachzeitschriften. Alle Veröffentlichungen sind im OnlineKatalog (OPAC) unserer Bibliothek nachgewiesen und recherchierbar:
p www.igb-lib.igb-berlin.de
Das IGB unterstützt die Prinzipien einer offenen Wissenschaft (Open Science). Mit
unserer Open Access Policy machen wir stetig mehr Forschungswissen frei zugänglich: So erschienen im Jahr 2020 171 IGB-Publikationen direkt im Open Access. Die
Open-Access-Quote liegt somit bei 53 Prozent.
Durch die Teilnahme an Transformationsverträgen konnten 27 Publikationen im
Hybrid Open Access veröffentlicht werden. Aus Mitteln des IGB-Publikationsfonds
wurden zudem die Article Processing Charges (APC) für 25 Publikationen im Gold
Open Access übernommen. Darüber hinaus bemühen wir uns, alle Nicht-OpenAccess-Artikel, die am IGB entstanden sind, als Zweitveröffentlichung im Fachrepositorium PUBLISSO frei zugänglich zu machen. 2020 kamen so 14 Publikationen im
Green Open Access hinzu.
Bibliothek
Der bisher am
meisten
zitierte Artikel
aus 2020
Die Bibliothek des IGB ist eine limnologische
Spezialbibliothek mit einem Bestand von etwa 46.000
gedruckten Medieneinheiten und umfangreichen
elektronischen Lizenzen. Sie bietet ein breites Serviceangebot
und berät bei Fragen rund ums Publizieren und Open Access.
Wijayawardene, N. N., et al. (2020).
Outline of fungi and fungus-like
taxa. Mycosphere, 11(1), 1060-1456.
https://doi.org/10.5943/mycosphere/11/1/8
In erster Linie ist die Bibliothek eine Serviceeinrichtung für die
Mitarbeiter*innen des Instituts. Als Präsenzbibliothek
steht sie aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit
nach telefonischer Anmeldung zur Verfügung.
p www.igb-berlin.de/bibliothek
Dr. Thomas Gerdes und Caroline Schmunck,
library@igb-berlin.de
Transformationsverträge
■ gesamt
■ referierte Publikationen
89
OAAnteil
26 %
2016
52
105
OAAnteil
32 %
2017
115
OAAnteil
32 %
2018
360
342
331
323
295
273
345
291
276
273
Publikationen
Open-Access-Publikationen
■ Monografien
p bit.ly/IGB-Publikationen-2020
Foto: David Ausserhofer
Ein Weg hin zu einer offeneren
Wissenschaft ist die Umwandlung der
Subskriptionsmodelle etablierter
Fachzeitschriften in Open-Access-Modelle.
Transformationsverträge, wie DEAL, enthalten
dabei Lese- und Publikationskomponenten.
Durch die Zahlung von Publish and
Read Fees werden die im Rahmen der
Verträge in Closed-Access-Zeitschriften
publizierten Artikel im Open Access
zugänglich (Hybrid Open Access).
Alle
IGB-Publikationen
2020 als Liste
171
■ gesamt (ohne Abschlussarbeiten)
163
■ Monografien
■ referierte Publikationen
130
OAAnteil
45 %
2019
OAAnteil
53 %
6
9
9
5
8
2020
2016
2017
2018
2019
2020
Stand: 30.01.2021
Jahresforschungsbericht 2020
Finanzen | Ü b e r u n s
Finanzen 2020
Stand 31.12.2020
Institutionelle Förderung durch Bund und Länder����� 16.161.100 €
davon Kernhaushalt ������������������������������������������������������������ 14.127.100 €
davon für große Baumaßnahmen�������������������������������������� 2.034.000 €
36+14+26742101v
Stiftungen
EU/international
Wirtschaft
Sonstige öff.
Bund
Drittmittel
auf Ausgabenbasis
Leibniz-Wettbewerb
Drittmittel inkl. fremdverwaltete Drittmittel��������������������7.474.168 €
davon Bund���������������������������������������������������������������������������������������2.507.181 €
davon Länder��������������������������������������������������������������������������������������� 870.478 €
davon DFG�����������������������������������������������������������������������������������������1.751.530 €
davon Leibniz-Wettbewerb������������������������������������������������������������� 531.728 €
davon sonstige öffentliche Zuwendungsgeber������������������������ 158.629 €
davon Wirtschaft/nichtöffentliche Zuwendungsgeber�������� 111.242 €
davon EU/internationale Zuwendungsgeber��������������������������� 961.934 €
davon Stiftungen����������������������������������������������������������������������������������84.865 €
Mitarbeitende nach Finanzierung
229
85
144
235
233
98
93
242
104
Länder
DFG
251
92
drittmittelfinanziert
137
140
138
159
haushaltsfinanziert
Wissenschaftler*innen, wissenschaftsunterstützende Mitarbeiter*innen
und Auszubildende (ohne Stipendiat*innen des IGB, Hilfskräfte/Aushilfen
und Gäste)
2016
2017
2018
2019
2020
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
53
Ü b e r u n s | Struktur
Struktur
Immer aktuell auf unserer Webseite
p www.igb-berlin.de/structure
Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Wissenschaftlicher
Beirat
Direktor
Geschäftsführerin
Forschungsverbund
Berlin e.V.
Vorsitz: Bernhard Wehrli
Luc De Meester
Manuela Urban
Wissenschaftliche
Referentin
Kommunikation und
Wissenstransfer
Karriereentwicklung
Ina Severin
Angelina
Tittmann
MD 310
MD 310
Verwaltung
Gwendolyn Billig
Einkauf,
Finanzen,
Personal
IT
Bibliothek
Betriebstechnik
Kirsten
Pohlmann
Gwendolyn
Billig
Enrico
Willenbücher
Thomas
Gerdes
Bernd
Schubert
NGL
MD 310
MD 310
MD 310
MD 301
Forschungsabteilungen
1
Ökohydrologie
2
Ökosystemforschung
3
Experimentelle
Limnologie
4
Biologie und
Ökologie der
Fische
5
Ökophysiologie
und Aquakultur
6
Chemische
Analytik und
Biogeochemie
Dörthe Tetzlaff
Rita Adrian
Mark Gessner
Jens Krause
Werner Kloas
Michael Hupfer (a.i.)
MD 310
MD 301
NGL
MD 310
MD 310
MD 301
Querschnittsthemen
PB 1 – Aquatische Biodiversität
Hans-Peter Grossart und Jonathan Jeschke
NGL und FU Berlin
PB 2 – Aquatische Stoff- und Energieflüsse im globalen Wandel
Tobias Goldhammer (a.i.) und Sabine Hilt (a.i.)
MD 301
Stand: Febraur 2021
PB 3 – Interaktion Mensch-Gewässerökosystem
Christian Wolter
MD 310
MD 310: Müggelseedamm 310, Berlin | MD 301: Müggelseedamm 301, Berlin | NGL: Neuglobsow, Stechlin
54
Jahresforschungsbericht 2020
Struktur | Ü b e r u n s
Wissenschaftlicher Beirat des IGB
Prof. Bernhard Wehrli
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats
Abteilung Oberflächengewässer, Eawag, Schweiz
Prof. Christoph Schneider
Stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats
Geographisches Institut, Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Prof. Beatrix Beisner
Département de Sciences Biologiques, Université du Québec à Montréal, Kanada
Prof. Petra Döll
Institut für Physische Geographie, Johann Wolfgang Goethe-University Frankfurt am Main, Deutschland
Prof. Nelson G. Hairston Jr.
Frank H. T. Rhodes Professor of Environmental Science, Emeritus, USA
Prof. Ken Irvine
UNESCO-IHE Institute for Water Education, Niederlande
Dr. Anita J. T. Narwani
Abteilung Aquatische Ökologie, Eawag, Schweiz
Prof. Gunilla Rosenqvist
Uppsala University - Campus Gotland, Schweden
Vertretungen und Beauftragte
Ombudsperson
Sabine Hilt, Sabine Wollrab (Stellvertreterin)
Gleichstellungsbeauftragte
Kirsten Pohlmann, Justyna Wolinska (Stellvertreterin)
Schwerbehindertenvertretung
Stand: Febraur 2021
Georg Staaks
Doktorand* innenvertretung
Benjamin Archer, Laura Jentzsch, Birgit Müller,
Hanna Schulz, Kai-Ti Wu
Postdoc-Vertretung
Andreas Jechow (Sprecher), Gregor Kalinkat,
Renee van Dorst, Simone Podschun,
Kingsly Chuo Beng
Betriebsrat
Sascha Behrens (Vorsitzender), Thomas Hintze,
Eva Kreuz, Marén Lentz, Kerstin Schäricke,
Claudia Schmalsch, Viola Schöning, Georg Staaks,
Antje Tillack
Immer aktuell auf unserer Webseite
p www.igb-berlin.de/structure
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
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Impressum
Der Jahresforschungsbericht des IGB soll Ihnen einen Einblick in die Forschungsarbeit, Struktur und Organisation unseres Instituts geben. Wenn Sie
mehr über uns erfahren wollen, besuchen Sie unsere Webseite oder wenden
Sie sich direkt an uns:
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Müggelseedamm 310
12587 Berlin
www.igb-berlin.de
Telefon: +49 30 64181-500
E-Mail: info@igb-berlin.de
Facebook: IGB.Berlin
Twitter: @LeibnizIGB
Newsletter: www.igb-berlin.de/newsletter
Impressum
Vielen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die an diesem Jahresforschungsbericht mitgewirkt und uns unterstützt haben!
Herausgeber: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
V.i.S.d.P.: Luc De Meester, Manuela Urban
Redaktion: Angelina Tittmann
Lektorat: Wiebke Peters
Gestaltung: Stephen Ruebsam
Alle nicht gezeichneten Fotos: IGB
Druck: dieUmweltDruckerei GmbH
Gedruckt auf Recycling Circle Offset Premium White.
klimaneutral
natureOffice.com | DE-275-24FDVL5
gedruckt
Copyright: IGB, März 2021
https://dx.doi.org/10.4126/FRL01-006426131
Mit Ausnahme von Fotos und Abbildungen ist der Inhalt dieses Dokuments
lizenziert unter Creative Commons BY-NC 4.0 Germany.
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Jahresforschungsbericht 2020
Leibniz
Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Standorte Berlin-Friedrichshagen:
Müggelseedamm 301 und 310
12587 Berlin
Standort Berlin-Adlershof:
Justus-von-Liebig-Str. 7
12489 Berlin
Standort Stechlin:
Zur alten Fischerhütte 2
16775 Stechlin OT Neuglobsow
Foto: © Solvin Zankl
www.igb-berlin.de