209 Lucie Höflich
wenn man einmal entscheidend die Frage nac< dem Primat
der Scauspielfunst beantworten will. Denn wenn dem
Dichter die Wirklichkeit nur erstarrtes Symbol des Lebens
ist, das sie aussc<molz, so ist dem Schauspieler die Rolle
nur erstarrtes Symbol des Menschen, der im Schspfungs-
prozeß des Dichters wuchs und wurde. Und wie der Dichter
nie nach der Wirklichkeit, sondern aus der Wirklichkeit heraus
schafft, eine neue bildend, nicht eine Hülse der reglen, so
schafft auc< der Schauspieler nie nach der Rolle, sondern
aus der Rolle heraus kein Abbild der erdichteten Gestalt,
sondern ihr Neubild in anderer Materie, im Dreidimensio-
nalen, in Raum, Gebärde, Ton. Alles in allem entsteht das
Verhältnis: Dichter zur Wirklichkeit = Schauspieler zur
Rolle. Und wenn man abschätig sagt, daß es ja keine
Scauspieler gäbe, wenn es keine Dichter gäbe (was übrigens
schr zu bezweifeln ist, weil dann der Schauspieler unmittel-
bar aus der Wirklichkeit heraus bilden, improvisieren, würde),
so gäbe es ja auch keine Dichter, wenn es keine Natur gäbe.
Kein Zweifel, daß Lucie Höflich zu den Künstlerinnen
gehört, deren Leistungen sie in die Reihe der schöpferischen
Gestalter stellen. Aber dies in einem lückenlosen Schema
hergus zu argumentieren, ist nahezu unmögli<. Es bleibt
immer wieder nur das subjektive Erlebnis übrig, das es uns
sagt oder nicht sagt. Wahrscheinlich käme man dieser Be-
weisführung um ein Geringes näher, wenn die Künstlerin