Schliesslich erzwang sich Franz die Erlaubnis zum Studium des ausländischen Garten-
baues. Er arbeitete ein Jahr zu seiner weiteren praktischen Ausbildung in Gent bei
Papeleu, der damals besten Baumschule Belgiens, und besichtigte eingehend auf einer
längeren Reise alle grösseren Baumschulen in Belgien, Frankreich, England und Holland.
Hier in Gent schrieb der Einundzwanzigjährigeran einem Sonntagmorgen in seinem
Tagebuche folgende für seine ideale Charakterveranlagung bezeichnenden Gedanken
nieder: „Die höchste Wirkung, die eine Landschaft hervorbringen kann, scheint mir darin zu
liegen, dass sie den Menschen zum Bewusstsein seiner Natürlichkeit, seiner Ursprünglich-
keit bringt, die er durch unser verzerrtes Modeleben verloren hat. Wir fühlen einen
Mangel in ‚uns, für den wir in einer ungekünstelten Landschaft Ersatz finden. Hieraus
erklärt sich das namenlose Sehnen nach dem Leben auf dem Lande. Hieraus erklären
sich die zahllosen Reisen der Städter nach den Bädern und Gebirgen. Sich selbst meist
unbewusst, trachten sie danach, hier die verlorene Unschuld, das verlorene Paradies
wiederzufinden.“ ;
Nachdem er im Jahre 1861 nach Berlin zurückgekehrt war, stand sein Lebensziel für
ihn fest: er war entschlossen, den väterlichen Betrieb allmählich in eine Baumschule um-
zugestalten, die er zur grössten Deutschlands und — wenn möglich — zur grössten der
Welt auszubauen wünschte. Er wollte an seinem Teil dazu beitragen, Deutschland, das
bisher von belgischen, französischen und holländischen Baumschulerzeugnissen über-
schwemmt war, von der Einfuhr dieser Erzeugnisse nicht nur unabhängig zu machen, son-
dern es zu einem Lande zu machen, das solche Pflanzen ausführen könnte.
Nachdem er noch drei Jahre in voller Eintracht unter seinem Vater gearbeitet und
im Jahre 1863 das Geschäft von ihm erworben hatte, begann er nun — seine Absicht, das
Rittergut Britz zu erwerben, hatte sich nicht verwirklichen lassen — auf den 17 Morgen
grossen väterlichen Grundstücken in Neu-Britz bei Berlin mit der Gründung einer Baum-
schule und errichtete hier das erste kleine Gebäude als Wohnung für den ersten Ober-
gärtner. In demselben Jahre verheiratete er sich mit der Stieftochter des Hofbuchdruckerei-
besitzers Schäfer, geb. Reifschneider, aus Erfurt. — Während es früher üblich war, dass
die Gartenbaubetriebe nach ihrem jeweiligen Inhaber benannt worden, liess Franz Späth
nach der gesetzlichen Einführung des Handelsregisters im Jahre 1865 seine Firma zu
Ehren seines Vaters Ludwig Späth unter dem Namen L. Späth eintragen. Daher ist die
Firma nicht nach ihrem Gründer Christoph Späth benannt.
In den ersten Jahren betrieb Franz Späth ausser Baumschul- und Blumenzwiebel-
kulturen noch eine bedeutende Anzucht von tropischen Blattpflanzen, hauptsächlich für die
Ausfuhr nach Frankreich, Belgien und Russland.*) So zog er z. B. bis zum Jahre 1870 jähr-
lich 25 000 Stück Dracaenen, die zum grössten Teil nach Frankreich versandt wurden. Mit
dem französischen Kriege hörte die Ausfuhr nach Frankreich auf, und er stellte schliesslich
die Topfpflanzenkulturen gänzlich ein, vergrösserte aber jährlich durch den Ankauf
benachbarter Grundstücke die Baumschule so schnell, dass sie Anfang der 80er Jahre
bereits eine Grösse von 400 Morgen erreichte. Er beschäftigte darin unter der Aufsicht
von 8 Obergärtnern bereits 250 Leute und sah besonders darauf, einen Stamm
angesessener, verheirateter, eingearbeiteter Gartenarbeiter zu bekommen. Jährlich
wurden schon rd. 180000 Bäume veredelt, darunter 130000 Obstbäume. Ausserdem
wurden schon damals über 100000 Alleebäume für Chausseebepflanzungen gezogen.
Einen besonderen Zweig des Geschäfts bildete die Anzucht von Obst- und Gehölz-
sämlingen. Diese bezogen bisher die deutschen Baumzüchter grösstenteils aus Frankreich,
weil man der Ansicht war, dass unser Klima für die Anzucht dieser jungen Pflanzen zu
ungünstig sei. Diese Kultur betrieb er mit bestem Erfolg auf 40 Morgen, von denen er
30 durch einen aus Amerika bezogenen Windmotor nach dem Halladayschen System
— den ersten, der in der Berliner Gegend aufgestellt wurde — mit Wasser versorgte.
Die Bewässerungsanlage selbst richtete er nach einem in China gebräuchlichen Ver-
fahren ein; sie war damals zweifellos die zweckmässigste, die bisher für ähnliche Ver-
hältnisse eingerichtet worden war, und wird sogar heute noch teilweise in der Baumschule
in Berlin - Baumschulenweg benutzt. In dieser Abteilung wurden jährlich bis zu
300 Zentner Gehölzsamen ausgesät und Millionen von Pflanzen daraus gezogen.
Ferner wurden in der Baumschule viele — nach der neueren französischen Art regel-
mässig geformte — Zwergobstbäume gezogen. Es ist ein Verdienst Franz Späths, diese
Kultur in Deutschland heimisch gemacht zu haben, und durch die. peinlich genaue Form
der von ihm gezüchteten Obstbäume wirkte er bahnbrechend. Ferner wurden jährlich
gegen 30000 Stück Rosen und grosse Mengen von Ziersträuchern zur Bepflanzung von
Gärten aufgepflanzt. Die Blumenzwiebelfelder umfassten 10 Morgen und bildeten mit
ren an venprüchtigen Blütenflor in jedem Frühling das Ziel der Berliner Garten-
jebhaber.
Der Vater, der inzwischen das 80. Lebensjahr erreicht hatte, verfolgte anfangs die für
die damaligen Verhältnisse riesige Ausdehnung der Baumschule seines Sohnes mit grossem
— *\ Vgl. „Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues usw.‘*, Nr.. 32, S. 254. 1863.
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SPÄTH-BUCH