schwere Entscheidung für Vater und Sohn: weiterer Schulbesuch oder praktische Lehr-
zeit? Der Vater, der, wie wir wissen, von wissenschaftlicher Bildung nicht allzuviel hielt
und durchaus ein Mann der Praxis war, wünschte das letztere, der Sohn erstrebte das
erstere. Man verständigte sich dahin, dass der Sohn zunächst noch auf ein Jahr in der
Gärtnerei des Vaters praktisch tätig‘ sein sollte. Wenn seine Lust nach weiteren Studien
dann noch vorhanden sei, so solle sein Wunsch erfüllt werden. Franz Späth hielt das Probe-
jahr zur vollen Zufriedenheit des Vaters durch, aber diese praktische Tätigkeit bestärkte
ihn noch in der Erkenntnis, dass er ohne umfassende wissenschaftliche Bildung nicht
imstande sein würde, seine grossen Zukunftspläne auszuführen. Er besuchte nun das
Köllnische Gymnasium in Berlin und erlangte auch schliesslich von seinem Vater die
Erlaubnis, an der Universität Berlin zu studieren. Er hörte — wie aus den heute noch
vorhandenen Kollegienheften und Zeugnissen ersichtlich — bei Alexander Braun „mit
vorzüglichem Fleisse“ Vorlesungen über allgemeine und spezielle Botanik, über Blatt-
stellung und allgemeine Naturgeschichte, „mit ausgezeichnetem Fleiss‘“ bei Karsten
Pflanzenhistologie und botanische Systematik; ferner belegte er Vorlesungen über
Philosophie und neuere Geschichte, Experimentalchemie und Meteorologie. Ausserdem
hörte er sämtliche Vorlesungen über Goethes „Faust‘“, was von grossem Einfluss auf
sein künftiges Leben war. Ging ihm doch hier schon die bleibende Erkenntnis auf, dass
es für jeden strebsamen Menschen drei Stufen des Lebensgenusses gibt, von denen er
zwei überwinden muss, um in der dritten zu verharren. Die erste Stufe ist das egoistische
Geniessen geistiger oder sinnlicher Freuden, die zweite der hohe Genuss der Betätigung
menschlicher Kraft, die dritte und höchste das beglückende Gefühl schöpferischen Wirkens
für andere, der reinste Genuss, der dem Menschen zuteil werden kann. — Auch juristische
und theologische Vorlesungen besuchte er und konnte den Vater, der auf baldigen
Abschluss der Studien drängte, nur dadurch zur weiteren Gewährung bringen, dass er
drohte, umzusatteln und Jurist zu werden. Diese Angaben sind nur deshalb so ausführlich,
weil sie zeigen sollen, wie hoch Franz Späth, der selbst ein hervorragender Praktiker war,
den Wert wissenschaftlicher Durchbildung für eine erfolgreiche Betätigung im Garten-
au hielt.
Nach Abschluss seiner Universitätsstudien hatte er dann den Wunsch, in anderer prak-
tischer Tätigkeit auch ausländische Baumschulen und Gartenbaubetriebe kennenzulernen.
Wieder hatte er mit dem Widerstand seines Vaters zu kämpfen, der darauf hinwies, dass
der Sohn in seiner Gärtnerei genug lernen könne, und seinen Standpunkt damit
begründete, dass ihm selbst und allen seinen Vorfahren — mit Ausnahme seines Gross-
vaters — die Ausbildung im väterlichen Betriebe genügt und jedenfalls noch keiner zum
Studium ins Ausland zu gehen für nötig befunden habe, Er betrachtete dieses Streben
seines Sohnes gewissermassen als einen Bruch mit der Familientradition.
Allegorie des Gartenbaues, dargestellt durch Ludwig Späth und seine Familie.
Hodhırelief im Besitz der Frau Sanitätsrat Dr. Meurer in Wiesbaden.
a Sn n sg
1863—1912