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möglichst vermeiden zu wollen, und oft sauste sie in so vück-
sichtslosem Galopp davon, daß, wie Max bemerkte, fich der
Diener veranlaßt sah, nicht nur ihrem Pferde in die Zügel
zu fallen, sondern auch, bis daSsselbe fich beruhigt hatte, bei
seiner Herrin zu verbleiben.
Vielleicht zum ersten Male fühlte Max ein wärmeres
Interesse für ein weibliches Wesen; seine vorsichtige, ja miß-
trauische Sinneöart hatte ihn biSher davor bewahrt. In
seinen, nur zu zahlreichen, Mußestunden malte er sich ein
Bild der schönen Unbekannten aus und sann auf einen Plan,
sich ihr nähern zu können = ohne jedes Resultat. Jedoch
der Zufall war ihm hold. Bei einer jener stürmischen
Galoppaden war der Schönen die Reitgerte entfallen und be-
vor sie ihr Roß zügeln und den Diener verständigen konnte,
war Max vom Pferde gesprungen, hatte die Gerte aufgehoben
und überreichte sie der Göttin seiner Träume mit einer ver-
bindlichen Redewendung.
Eigentlich hatte er sich diese Göttin anders vorgestellt:
ein frischer, rosiger Teint, reiches, blondes Haar, ein Paar
freundliche, blaue Augen und ein nicht allzu kleiner Mund,
den aber zwei Reihen tadelloser Zähnchen zierten -- so sah
das junge Mädchen aus, dem er in seinen Gedanken bereits
etwas Dämonisches angedichtet hatte. Jm Grunde genommen
war es ihm so lieber =- vor dämonischen Schönheiten hatte
er stets eine gewisse Scheu empfunden: diese junge Dame
schien aber durchaus bon enfant zu sein.
Er stellte sich vor und bat um die Erlaubnis, seinen
Spazierritt an ihrer Seite fortsezen zu dürfen, während --
nach einigem ;Zögern = die Dame auch ihren Namen nannte.
Marie -- hier folgte der Name eine5 altadligen Geschlechtes,
aber ohne das obligate „von“.
Max fand, daß es sich mit dem jungen Mädchen ganz
allerliebst plauderte: sie erzählte ihm, daß sie bei einem
alten Großoheim, den der Schlag gerührt habe, lebte, und das;
sie stet5, sobald derselbe das Bett verlassen habe, ihm Gesellschaf:
leisten müsse; deshalb habe der HauSarzt darauf bestanden,