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I. Berlin's Lage, Physiognomie und geschichtliche Entwickelung

Full text: Kiessling's Berliner Baedeker / Kiessling, Alexius (Public Domain)

Geschichte Berlin’s, N 
sog. Wurstlprater Berlin’s. An grösseren Bauwerken treten noch hervor: 
das St. Gertraudtstift und die mächtigen Kasernen des 1. und 
2, Dragoner-, sowie des Kaiser-Franz-Garde- Grenadier-Regiments. 
Die Rosenthaler- und Oranienburger-Vorstadt, letztere einschliess- 
lich Wedding und Moabit, gehören zu den bevölkertsten und be- 
deutendsten Vorstädten Berlin’s. Die Rosenthaler, die älteste Vor- 
stadt Berlin’s, schliesst das sogenannte Voigtland in sich, das jedoch 
sein sprüchwörtlich gewordenes ärmliches Aussehen längst verloren. 
Die beiden Hauptstrassen, Schönhauser - Allee und Brunnenstrasse, 
welch’ letztere, an dem alten Berliner Viehmarkt, jetzigen 
Lagerhof, und dem Humboldthain vorüberführend, in den Ge- 
sundbrunnen ausläuft, sind mit den besuchtesten Brauereilokalen und 
Cafegärten übersäet. In der Oranienburger Vorstadt, einschliesslich 
Wedding und Moabit, hat die Berliner Eisenindustrie vorwiegend ihren 
Sitz. An Sehenswürdigkeiten treten hervor: der Stettiner Bahnhof, 
die königl. land wirthschaftl. Hochschule, Geolog. Landes- 
anstalt 7”! Nerg-Akademie, das Museum für Naturkunde, 
das Tnvalıicrhaus mit Park, die grossartigen Anlagen am Hum- 
boldtshafen, die Alsenbrücke, der vereinigte Le hrter-und Ham- 
burg*°r Dahnhof, der Neue Packhof, der Ausstellungs-Park, 
das Zeilengefängniss, die "Tlanen- und Artillerie-Kasernen, 
das Criminal-Gerichts-Gebäude, das Städtische Kranken- 
haus „Moabit“, die Borsig’schen Treibhäuser u. A. 
Die regelmässige Bauart der meisten Stadttheile, die Breite der 
meisten Strassen, welche die stattliche Zahl von 900 bereits überschritten 
haben, die grosse Zahl der Paläste und Prachtbauten, die weiten von 
Jahr zu Jahr mehr mit Parkanlagen versehenen Plätze erheben Berlin 
schon an und für sich zu einer der schönsten Städte Europa’s. Was 
ihm jedoch vor allen diesen den Vorrang verleiht, ist die Pflege von 
Kunst und Wissenschaft, die in den vielen Museen, Kunstsammlungen, 
Theatern, Akademien nnd wissenschaftlichen Instituten ihren Aus- 
Aruck findet. Auch Handel und Industrie sind hinter den geistigen 
Interessen nicht zurückgeblieben, sondern haben im Gegentheil in den 
letzten Jahrzehnten einen so gewaltigen Aufschwung genommen, dass 
die Bezeichnung Berlin’s als „Weltstadt‘* eine wohlgerechtfertigte ist, 
Werfen wir nun einen Blick auf Berlin’s Geschichte. — Die 
Gründung der Stadt, fälschlich Albrecht dem Bären zugeschrieben, 
liegt im Dunkeln. Soweit wir die Geschichte zurückverfolgen können, 
waren Kölln und Berlin um die Mitte des 13. Jahrhunderts zwei 
unbedeutende Fischerdörfer, woran noch heute die Strassennamen: 
Fischerstrasse, Fischerbrücke, Kölln. Fischmarkt erinnern. 1307 ver- 
einigten sich die beiden, inzwischen zu Städten herangewachsenen, 
bis dahin unabhängig von einander gebliebenen Ortschaften unter 
einem gemeinschaftlichen Rathe. Durch die Vereinigung erstarkt, 
blühten die beiden Städte mächtig empor und erlangten durch Er- 
werbung mannigfacher Privilegien, als Marktrecht, Niederlagsrecht, 
Zollfreiheit und städtische Gerichtsbarkeit, die sie von den Fürsten 
theuer erkauften, letzteren gegenüber eine immer grössere Selbst-
	        
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