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II. Eine Premieren-Kritik

Full text: Berliner Musikkritik / Schrattenholz, Joseph (Public Domain)

Orchesters und um wie vieles leuchtender die den psychischen Momenten 
entsprechenden, die Situation ergänzenden Motive unter dem Zauber- 
stabe von Dy. Muck zur Geltung kamen, als bei den ersten, von 
Herrn Schalk geleiteten Aufführungen. Nichts, aber auch rein gar 
nichts, was dem lesenden Publikum zu wirklicher Anregung und Be- 
lehrung, dem Autor zum künstlerischen Nuen und der durch ihn ver- 
tretenen idealen Sache zur Förderung gereichen könnte. Es ist nicht 
zu glauben. Und so etwas sollte ungerügt und ungestraft bleiben? 
Sollte keine energische Castigation verdienen? Oh -- selbst die strengste 
ist noch lange nicht strenge genug dafür. Mag man die öffentliche 
Abstrafung, die ich hier vollziehe, loben oder tadeln, möge das Wuth- 
und Schmerzgebrüll, das sie erzeugt, sich noch so laut erheben -- ich 
nehme feinen meiner Hiebe als kommentwidrig zurück. Die Hiebe 
sind wohlverdient und --: Tu l'as youlu, Georges Dandin! -- -- 
In einer der lezten Nummern des Leipziger „Musikalischen 
Wochenblatt3“ findet sich eine Aeußerung über die wahre Aufgabe 
der Kritik, deren Publikation in diesem Organ wohl nur durch ein 
redaktionelles Versehen erfolgt ist, die aber troßdem eine weitere Ver- 
breitung verdient. Die Auslassung lautet wörtlich wie folgt: 
„Die wahre Kritik soll, wie bekanntlich shon v. Bülow 
eindringlich ausSeinandergeseßbt hat, in erster Linie auf alles 
Hervorstehende, Werthvolle, Bedeutende und Eigenartige 
aufmerksam machen und es dem allgemeinen Verständnisse näher 
zu bringen suchen. Das ist nun aber leider Gottes nicht gar so 
einfa<g. Man braucht dazu einen gewissen angeborenen 
Spürsinn, unverdorbenen Instinkt, gründliche Fachkenn tniß 
umd auch soust eine umfassende Bildung. Da3 Alles scheint 
jedoch unserer zünftigen Kritik so ziemlich ganz zu fehlen. 
Denn in Wahrheit ist gerade unter ihrer unverantwortlich 
gedanfenlosen Führung die öffentliche Meinung in allen 
entscheidenden Fällen noc< immer so mißleitet worden, 
daß man die einem Meister vorurtheil8lo8 und offenherzig zustimmende 
Anhängerschaft in der Oeffentlichkeit entwever überhaupt gar nicht zu 
Worte kommen ließ oder wie auf gemeinsame Verabredung todtschwieg 
oder als „anmaßend überspannte Sippschaft“ u. dgl. lächerlich zu 
machen suchte oder --- wenn das Alles noch nicht genügend half =- 
schließlich sogar mit den unlauteren Mitteln der Verdächtigung 
und Verleumdung bis auf's Blut bekämpfte. Nun läßt sich 
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