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nicht nur auf unsere eigenen Kinder, dann würde von selbst
vieles besser werden.
Der Ostdeutsche Jünglingsbund, der diesen Abend veran-
staltet hat, kennt ganz genau die Schäden, die an unserer
Volksjugend fressen, er sucht ihnen entgegenzuarbeiten. Auch
noch andere christliche. und auch nichtreligiöse Vereine suchen
auf die Jugend einzuwirken, auf die männliche sowohl
wie auf die weibliche. Die meisten Menschen in Berlin
kümmern sich um solche Bestrebungen nicht, und von
denen, die sich darum kümmern, thut die übergrosse Mehrzahl
nichts anderes, als einen Beitrag zu geben. Ich komme eben
aus der Generalversammlung eines grossen Vereins. Ausser dem
Vorstande waren nur 3 Mitglieder erschienen. Das wiederholt
sich in allen Vereinen. Diejenigen, welche an der Arbeit helfen,
sind nur eine ganz kleine Zahl. Ueberall fehlen uns die Kräfte,
sie fehlen uns. mehr wie das Geld, obgleich wir auch das not-
wendig brauchen... Sie sehen es an mir, dass das grosse Berlin
für einen Abend wie den heutigen, eine Hilfskraft aus Potsdam
herbeiziehen muss. Ich bin Vorstiandsmitglied vieler Vereine
in Berlin, ich habe mich nirgends gemeldet, immer hat man
mich aufgefordert und oft muss ich solche Aufforderung ab-
lehnen, weil Zeit und Kraft nicht ausreichen. Das dürfte
nicht sein; wenn der Geist der richtige wäre, dann müssten
sich die zahlreich vorhandenen Berliner Kräfte so zur Arbeit
drängen, dass ein Potsdamer gar nicht herankäme. Hundert
Redner aus Berlin hätten für den heutigen Abend dem Jünglings-
bunde zur Verfügung stehen müssen.
Die Zeit ist eine ernste. Wenn Grosse und Werner nicht
gemordet hätten, wären sie voraussichtlich Soldat geworden,
dazu berufen, den Thron unseres Kaisers, Obrigkeit, Gesetz
und Ordnung, Ehe und Familie im Innern, und die deutschen
Grenzen nach aussen zu schützen. Wir haben die allgemeine
Wehrpflicht; jeder, der gesund und nicht schon vor dem
20. Jahre zum Verbrecher geworden ist, wird in das Heer eingereiht.
Wenn die Werners und Grosses erst überhand nehmen, was
soll dann aus unserem Heere werden? Aber die Wehrpflicht
ist nicht das einzige, eine Nation, die gedeihen soll, muss nicht
nicht nur gute Soldaten, sondern auch gute Bürger haben. Der
Bürger wächst heraus aus der Jugend. Wir bedürfen eines
gesunden Bürgerstandes, der in der Gemeinde, im Staat, in der
Kirche, im bürgerlichen Leben, in der Familie seine Schuldigkeit
thut, der seinerseits wieder in seinen Kindern der Nation eınen
tüchtigen Nachwuchs erziehe. Werdie Jugend hat, hat die Zukunft,
Auf die Jugend zu wirken, ist Pflicht der Erwachsenen. Soll
die heranwachsende Jugend Berlin’s, unseres Vaterlandes, der
Gesinnung nach einem Werner und Grosse ähnlich werden?