Aber es genügt nicht, solche Häuser zu bauen. Wir
müssen auch dafür sorgen, dass die jungen Leute hineingehen,
wir müssen wieder Zucht und Ordnung einführen. Der
Gymnasiast, von dem ich oben sprach, der bis zum 19. Jahre
auf der Schule bleibt, hat keinen freien Willen. So ‚darf
z. B. ein Oberprimaner in Potsdam nicht einmal in ein Bier-
haus gehen. Warum bestehen solche Schulgesetze? Um
die jungen Leute vor Verführung zu bewahren. Wer jung
ist, soll lernen, nachher darf er geniessen. Sicherlich soll der
Jugend nicht jede Freude versagt werden, aber die Freude soll
eine echte, rechte und gute sein. In der Kneipe und in das
Tanzlokal gehört der junge Bursche noch nicht hin, wohl aber
in die Fortbildungsschule und in die Lesehalle. Wir müssen
die elterliche Zucht für diejenigen verstärken, die noch Eltern
haben und dafür sorgen, dass Vater und Mutter ihre
Schuldigkeit ihun, vor allem aber müssen wir für Diejenigen
sorgen, welche keinen Vater und keinen Vormund am Orte
haben. In meinem schon erwähnten ‚Buche „Reform oder
Revolution“ habe ich vorgeschlagen, jedem Minderjährigen, der
seinen Vater oder Vormund nicht in Berlin oder überhaupt
nicht an dem Ort hat, an dem sich seine Arbeitsstelle befindet,
einen Ortsvormund, einen‘ Pfleger zu geben, der ihn beauf-
sichtigt, der darüber bestimmt, wo er arbeitet, wo er wohnt,
ob er Abends ausgeht oder nicht und wie lange, wieviel Geld
er von seinem Lohn für Wohnung, Kost, Kleidung u. s. w.
ausgiebt, wie viel er als Taschengeld für Vergnügungen ver-
wenden darf. Den Ueberrest müsste der Pfleger dann für den
Pflegling auf die Sparkasse thun. Es würde ‚aber nicht ge-
nügen, wenn der Staat alles das durch Gesetz vorschriebe,
geschähe das, dann müssten Sie alle, die in diesem Saale
Sind, Ihre bürgerliche Pflicht thun. Sie müssten sich erbieten,
solche Ortspflegschaft zu übernehmen und in getreuer Pflicht-
Srfüllung Ihres Amtes zu walten.
; Ich könnte noch 3 Stunden reden und noch vieles ans
führen, aber dazu reicht die Zeit und Ihre Geduld nicht aus.
Nur auf das Eine möchte ich noch hinweisen... Wir alle
kommen mit jungen Leuten in Verbindung. Da ist der Bäcker-
junge der uns das Brot, der Bursche, der ‘uns die Zeitung
bringt, da kommt der Lehrling in unser Haus, den der Meister
schickt, um uns Ware abzuliefern. „Ein gutes Wort findet
einen guten Ort“, sagt ein Sprichwort. Wenn wir alle, die wir
unser Volk lieb haben, uns bemühen wollten, keine Gelegen-
heit zu versäumen, ein solches. gutes , Wort bei unsern jungen
Mitbürgern anzubringen, wenn wir uns alle bestrebten, sittlich
und religiös auf unsere erwerbsarbeitende Jugend einzuwirken,
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