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Full text: Der Berliner Tiergarten von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart / Meyer, Ferdinand (Public Domain)

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hatte der Hoftheater-Konditor Neibedanz ein Leinwandzelt 
errichtet, in welchem er Gefrorenes und Kirschkuchen feilbot. 
Damen und Herren aller Stände, meistens im Neglige, 
gehen, sißen und-stehen hier bunt durcheinander; und neben 
einer Dame, die ihre Tasse Chokolade mit ungemeiner Grazie 
schlürft, steht ein derber Handwerker, welcher sein Brod und 
eine Flasche hervorzieht und dem „Bruder Breslauer“ zutrinkt. 
In Bezug auf das Kostüm „Neglig8“ entnehmen wir 
Folgendes: Der Kopfputß bestand in einem leichten Aufsaß 
von schwarzem Flor oder Sammet und breiten Blonden mit 
violettem oder gelbem Bande; er verdankte seinen Ursprung den 
ehemaligen Schleiern und Kappen, welche über die Hüte getragen 
wurden. Zu den Übrigen Variationen des Kopfschmuckes gehörte eine 
Art von kleinen Müßen, wie sie auf dem Lande getragen wurden 
und nicht nur das Haar verbargen, sondern dasselbe so dicht an den 
Kopf drückten, als ob überhaupt keines vorhanden war. Eine 
Art gößerer Mützen hing mehr nach hinten herab, war am 
Gesicht aber mit einer Feder so besezt, daß sie über die rechte 
Schläfe und Stirn sich legte. Dies gab dem Gesicht einen 
doppelten, aber geschmacklosen Anblick, denn während die linke 
Hälfte oft mit schwarzen oder braunen Lö><hen umrahmt war, 
umschloß eine weiße Feder die andere Hälfte des Gesichts. 
Zum Glück sah man, wie es heißt, diese „Karrikaturen“ nur selten. 
Das Gewand bestand aus Mousselin oder Kattun, mit 
langen, enganschließenden Aermeln und wurde vorn überein- 
andergeschlagen. Die Taille war etwas länger wie gewöhnlich, 
was sehr zum Vorteil der Kleidung gereichte, weil sie das 
schöne Ebenmaß des Körpers mehr zu Geltung brachte. Ein 
roter Shawl von Kameelgarn wurde über die rechte Schulter 
geworfen und mit der linken Hand unten zusammengehalten. 
Bei eintretender Kühle diente er gleichzeitig als wärmende 
Bedeckung. 
Wir wenden uns der Tiergartenstraße zu, woselbst 
kein Geringerer als der General-Direktor des „Königlichen
	        
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