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andere Lösung konnte das Räthsel nicht haben. Dieser
Gedanke, der keiner anderen vernünftigen Ueberlegung
mehr Raum gab, bohrte sih wie ein Dolch in das
Herz der Frau; die Furien der Eifersucht stellten zum
Besuch si< ein; und neben der Qual, welchen die sich
verrathen wähnende Frau nunmehr verzehrte, keimte
langsam aber sicher ein heißes Gefühl der Rache auf.
In diesem Rachedurst fand die verblendete Frau sich
niht nur mit der Thatsache ab, daß ihr Herr und
Gemahl ihr untreu geworden sei, sondern jie ent-
dedte auc< einen Weg, auf dem sie das Ziel ihrer
Rache zu erveihen vermeinte. War der Gatte ihr un-
treu geworden, warum sollte sie sich niht auch nach
einem passenden Ersaß umsehen? Wie du mir, so ich
dir. Es galt den Versuch, und allzu schwierig oder gar
ausfichtslo8 konnte dieser sicherlich nicht sein. Denn
Frau Lehmann war troß ihrer Jahre noh eine ange-
nehme Erscheinung, und der blonde Jüngling, welcher
im sc<räg gegenüberliegenden Hause wohnte, sandte
shon seit Monaten zärtlih s<macdtende und liebe-
glühende Blie herüber zu ihr. Dem Manne konnte
geholfen werden! = Unter sothanem Zeitläuften waren
neue vierzehn Tage zerronnen in die Ewigkeit, und
Onkel Lehmanns unseliger Spißabend war herein-
gedunkelt. Mit dem ironischen Lächeln, welches mit
großer Virtuosität der bo3hafte Mann sich eingeübt
hatte, ste>te er die vierzig Pfennige, welche die liebevolle
Gattin ihm reichte, in die Westentasche und suchte seine
Stammkneipe auf. Nachdem er dort etwa zwei Stunden
verweilt haben mochte, bra< er auf und begab sich
schnellen Schrittes in ein in der nächsten Querstraße