-=- 169 -
dem er seinen Rausc< bezahlte? Romane, Zeitungs-
artikel und dergleihen Sachen schrieb er nicht, shon
deShalb nicht, weil er überhaupt kein Freund vom
Schreiben war, und irgend ein Amt als besoldeter
Stadtrath, städtischer Nachtwächter u. s. w. beflei-
dete er nicht. Er hatte also keine Nebeneinnahmen
und dennoc< alle vierzehn Tage einen Hauptrausch.
Onkel Lehmann mußte somit das Geld auf unrect-
mäßige Weise erwerben. Aber wie? War er ein
falscher Spieler, ein „Schlepper“, ein Complice von
Bauernfängern, ein Falshmünzer? Der braven Frau
schauderte bei diesem Gedanken. Aber nein, das Eine
wie das Andere war völlig unmöglich. Denn erstens
spielte Onkel Lehmann überhaupt nicht Karten; zweitens
hatte er auf Bauernfänger, die ihn in seinen jungen
Jahren auf irgend eine Weise einmal geprellt hatten,
eine grenzenlose Wuth; und drittens war er viel zu
ungeschi>t und zu fur<tsam, um sich mit der Fabrikation
falshen Geldes abzugeben. War er etwa zu den
Socialdemokraten desertirt, hielt er aufrührerische Reden
und lebte aus der Tasche betrogener' und verführter
Arbeiter? Auch das nicht, Denn Onkel Lehmann war
hochconservativ: er las nur die Kreuzzeitung, die Nord-
deutsche Allgemeine und das Deutsche Tageblatt. Woher
in aller Welt stammte der Kneipschilling? Auf diese
immer von Neuem aufgeworfene Frage gab es nur
eine Antwort: Onkel Lehmann war seiner Frau untreu
geworden. Eine andere Evastochter hatte sich in den
immer noch stattlihen Mann verliebt und versorgte
den Gegenstand ihrer Zuneigung mit reichlichem Taschen-
geld. Ja, ja, so war es leider, leider. Denn eine