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Restaurants, Weinstuben und Aehnliches

Full text: Berliner Kinder / Haering, Oskar (Public Domain)

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dem er seinen Rausc< bezahlte? Romane, Zeitungs- 
artikel und dergleihen Sachen schrieb er nicht, shon 
deShalb nicht, weil er überhaupt kein Freund vom 
Schreiben war, und irgend ein Amt als besoldeter 
Stadtrath, städtischer Nachtwächter u. s. w. beflei- 
dete er nicht. Er hatte also keine Nebeneinnahmen 
und dennoc< alle vierzehn Tage einen Hauptrausch. 
Onkel Lehmann mußte somit das Geld auf unrect- 
mäßige Weise erwerben. Aber wie? War er ein 
falscher Spieler, ein „Schlepper“, ein Complice von 
Bauernfängern, ein Falshmünzer? Der braven Frau 
schauderte bei diesem Gedanken. Aber nein, das Eine 
wie das Andere war völlig unmöglich. Denn erstens 
spielte Onkel Lehmann überhaupt nicht Karten; zweitens 
hatte er auf Bauernfänger, die ihn in seinen jungen 
Jahren auf irgend eine Weise einmal geprellt hatten, 
eine grenzenlose Wuth; und drittens war er viel zu 
ungeschi>t und zu fur<tsam, um sich mit der Fabrikation 
falshen Geldes abzugeben. War er etwa zu den 
Socialdemokraten desertirt, hielt er aufrührerische Reden 
und lebte aus der Tasche betrogener' und verführter 
Arbeiter? Auch das nicht, Denn Onkel Lehmann war 
hochconservativ: er las nur die Kreuzzeitung, die Nord- 
deutsche Allgemeine und das Deutsche Tageblatt. Woher 
in aller Welt stammte der Kneipschilling? Auf diese 
immer von Neuem aufgeworfene Frage gab es nur 
eine Antwort: Onkel Lehmann war seiner Frau untreu 
geworden. Eine andere Evastochter hatte sich in den 
immer noch stattlihen Mann verliebt und versorgte 
den Gegenstand ihrer Zuneigung mit reichlichem Taschen- 
geld. Ja, ja, so war es leider, leider. Denn eine
	        
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