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Spanne Zeit der Fertigstellung zur Verfügung stand und die
Arbeitsstätte, das Redaktionszimmer der Druckerei mit dem e3 um-
gebenden Lärm, nichts weniger als geeignet zur Sammlung der Ge-
danfen war. Man kann wohl sagen, daß die besten Gedichte, die Dohm
geschrieben, in der Druckerei entstanden sind. Auch das im vorher-
gehenden Abschnitte abgedruckte, nach Form und Inhalt klassische
Gedicht Dohms auf den Tod König Friedrich Wilhelm IV. entstand
dort und im Zeitraum einer halben Stunde. Er schrieb das
Gedicht, während der Druckerjunge eine jede einzelne Strophe,
ein jedes Oktavblätthen mit der noc< nicht getro>neten Schrift ihm
unter den Fingern fortzog. Und so geschah es des Oefteren. Wäh-
rend die anderen Mitarbeiter angestrengt die Woche über für den
Kladderadatsch zu arbeiten pflegten und das Geschaffene am
Donnerstag, dem Redaktions8tage, zur Stelle brachten, kam Dohm
meist mit leeren Händen, höchstens mit einigen ihm für den Kladde-
radatsch eingesandten Artikeln. Was nun aber fehlte oder der
Ergänzung bedurfte, schrieb er an Ort und Stelle aus dem Steg-
reif nieder.
Ein ganz besonderes Verdienst Dohm's für den Kladderadatsch
aber lag in der Kunst seiner Redaktionsführung.
Sein feines Verständniß für die jeweilige politische Lage, die
Kunst der Abwägung des richtigen, der Situation entsprechenden
Maßes in den Formen von Angriffen und Abwehrungen, ließen
ihn stets aus dem vorhandenen Stoffe dasjenige wählen, oder --
wo es grade fehlte -- selbst schaffen, was am treffendsten der
herrschenden Stimmung Ausdruk gab. So kam es, daß der
Kladderadatsch troß seines Festhaltens an dem einmal gesteckten
Ziele, die lächerlichen und verächtlichen Ausgeburten des öffent-
lichen und geistigen Lebens zu geißeln, niemal8 nach irgend
einer Seite hin verlekend wirkte und dadurch sein hohes An-
sehen bei Freund und Feind gewann. Es ist dies zweifellos
ein hohes Verdienst Dohm's, wenngleich nicht vergessen werden darf,
daß ihm dieses Verdienst durch die Qualität seiner Mitarbeiter, die
selbst in hohem Grade das Verständniß für die hohen Aufgaben
de8 Blattes besaßen, leicht gemacht worden ist. Ueberhaupt würde
es dem Wesen dieses eigenartigen Zusammenschaffens durchaus
widersprechen, wollte man, =- wie Paul Lindau in einem Aufsake
über Dohm und den Kladderadatsch*) richtig bemerkt =- aus jener
Summe von Geistesarbeit, die eben „Kladderadatsch“ heißt, die eine
*) Nord und Süd 1879.
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