Der Name sollte einen glauben machen, daß die Gesellschaft
politische Tendenzen verfolgte, doch die Tagespolitik gab nur Ber-
anlassung zu wißigen persiflirenden Reden, welche die gute Laune
in dem geistvollen Kreise erhöhten. Litteratur und Kunst waren
das vorwiegende Unterhaltungs-Thema, wobei denn im angeregten
Wechselgespräch oder in längeren Reden und lustigen Gelegenheits-
liedern Geist und Humor leuchtende Funken sprühten. Von den
damals entstandenen Gelegenheitsliedern sollen die beiden be-
kanntesten und verbreitetsten, die jekt noch in jedem guten Kommer83-
buch zu finden sind, das Lied vom Bürgermeister Tschech und
Freifrau von Droste-Vischering, Rudolf Löwenstein zum
Verfasser haben. Einer der Begründer des „Rütli“, Rudolph Genee,
nennt in seinem interessanter Buche: „Zeiten und Menschen“ als
hervorragende Rütli-Mitglieder Ernst Kossak, Titus Ullrich,
Gustav v. Szepanski, der jekt noch in Weimar lebt, die
Musiker und Musikschriftsteller Bern8dorf, Krigar, Hieronymus
Tr uhn, den Buchhändler Grüttefien, Carl Gaillard, Theophil
Pusch, Leopold Arend3, den Erfinder der bekannten Arendsschen
Stenographie, und die später als „Gelehrte des Kladderadatsch“ be-
rühmt gewordenen Ernst Dohm, Rudolf Löwenstein und
Wilhelm Scholz. Letterer lieferte für die angelegte „Rütli-
Mappe“ geistreiche und wißige Zeichnungen, während Kossak und
v. Szepanski vorwiegend die Redaktion der „Rütli - Zeitung“ be-
sorgten. Die Rütli-Mappe sowohl wie die Zeitung müssen einen
reichen Schaß von originellem Wik und Humor, welcher der Welt
bis jezt noch nicht erschlossen ist und vielleicht nie der Oeffentlichkeit
übergeben wird, bergen. Mit dem Revolutions8tage, dem denk-
würdigen 18. März, hörte die Rütli-Gesellschaft auf.
Die Berliner Theatergenüsse waren in jener Zeit nur auf
ein paar Kunsttempel beschränkt. Die beiden Königlichen Theater,
das Schauspielhaus und die Oper, pflegten hervorragend die
klassische Richtung und brachten daneben gute alte Werke zur Auf-
führung, die heute zum Theil mit Unrecht in Vergessenheit gerathen sind.
Das Königstädtische Theater, außer deim Opern- und Schau-
spielhause das einzige Theater von Bedeutung für das damalige
Berlin, war 1824 unter Friedrich Cerf (Hirsch) am Alexander-
plaß erbaut. Es pflegte mit großem Glü> das Volksschauspiel
und das heitere Genre. Die Stücke von Charlotte Birch -
Pfeiffer, Karl von Holtei, Kokzebue, Raupach, Töpfer, Angely,
W. Friedri<, sowie die Wiener Gesang8- und Zauber - Possen
von Raimund und Nestroy beherrschten das Repertoire. Klassische
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