-- 20 -
daß jeder Zeitungsleser in seinem Morgenblatt eine aus-
führliche Kritik über den gestrigen Theaterabend oder einen
eingehenden Bericht über den Ball, von dem er vielleicht
eben erst nach Hause gekommen ist, vorfindet. Besonder3
wichtige Nachrichten pflegen die größeren TageSzeitungen
ihren Lesern durch Extraausgaben bekannt zu geben; eine
Neuerung, die leider auch von der unlauteren Spekulation
oft genug ausgenüßt wird, wie die von obskuren Verlegern
und Druckern herausgegebenen Ertrablätter, die mit auffallen-
der Regelmäßigkeiteine Zeitlang des Montags früh erschienen,
zur Genüge bewiesen haben. Zu allen wichtigen Er-
eignissen, die in der Welt vorkommen, entsenden die
Zeitungen heute ihre eigenen Berichterstatter, und einige
dieser „Weltkorrespondenten“, wie Ludwig Pietsch, Theodor
Fontane , Leopold Kayßler , Eugen Wolff u. a.,
haben schon so manches Land und Volk auf ihren
Reisen kennen gelernt und ein interessantes Stück Ge-
schichte miterlebt. Mag es sich um Ausgrabungen in
Olympia, um eine Weltausstellung in Chicago oder um
eine Krönung in Moskau handeln =- der Reisekorrespon-
dent ist immer zur Stelle! Ja, zur Eröffnung des Nord-
ostseefanals entsandten die meisten Berliner Blätter sogar
mehrere Korrespondenten, das eine nicht weniger als
sieben!
Bei diesem heftigen Konkurrenz- und Existenzkampf
der modernen Presse ist e8 kein Wunder, wenn der jour-
nalistische Beruf sich anstrengender und nervenerregender
gestaltet als jede andre menschliche Thätigkeit. Mit
vollem Recht hat Gustav Freytag in seinen „Journalisten“
darauf hingewiesen, was der moderne Kulturmensch jener
großen, zumeist namenlosen Schar von emsigen Arbeitern