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die Vossische. Im Gebiete der Musikkritik üble Ludwig
Rellstab damals eine geradezu unheimliche Macht aus. Er
war das delphische Orakel für das gesamte Publikum der
Stadt, und soweit er Opposition fand, verhac'te diese doch
ziemlich ungehört. Uebrigens hatte sich Rellstab, dessen
kritische Thätigkeit man heute keineSweg8 als klassisch be-
trachten würde, wirkliche Verdienste um die Berliner Musik-
zustände erworben und sich besonders die Förderung
deutscher Kunst gegen die damals noch mehr als jekt gras-
sirende Ausländerei angelegen sein lassen. Mit ihm, der
bi3 zum Ende der fünfziger Jahre unermüdlich thätig war,
= er starb 1860 -- verschwand ein Typus aus der Tage3-
presse, der infolge der eingetretenen politischen und sozialen
Veränderungen fernerhin unmöglich geworden war.
Inzwischen vermehrte sich die Zahl der TagesSzeitungen
unaufhaltsam, und die Musik fand in den meisten von
ihnen eine verhältniSmäßig reichliche Pflege. (E38 war jekt
die Zeit, in der der große Kampf um das Kunstwerk
Richard Wagners ausgefochten werden sollte, und niemand
konnte sih der Anteilnahme an ihm entziehen. Jm all-
gemeinen und mit einigen rühmlichen AuSnahmen hat die
Berliner Presse in diesem Kampfe keine Lorbeeren geerntet;
denn wenn es auch natürlich sein mag, daß ein so gewalt-
sam auftretender Neuerer, wie Wagner, zunächst mehr
Gegner als Freunde hat und nicht sofort auf allseitiges
Verständnis rechnen darf, so hat doch die Berliner Kritik
gar zu viel Zeit gebraucht, um zu ihm eine sachlich be-
gründete, verständige Stellung zu finden.
Eine markante Persönlichkeit jener Jahre war Heinrich
Dorn, der, nachdem er Ende 1868 durch eine Art Palast-