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tung. Denn mehr und mehr drängt die Tagespresse auch
die Buchlitteratur in den Hintergrund, immer stärker wird
das Lesebedürfnis und die Lesefähigkeit der Menschen durch
die Zeitungen und Zeitschriften in Anspruch genommen,
sodaß für eine zusammenhängende, Sammlüng erfordernde
Buchlektüre kaum mehr Zeit bleibt. Die für den Tag ge-
schriebenen, mit dem Tage vergehenden Zeitungen wirken
eben rascher als die gedankenschweren Bücher, ja, sie ent-
scheiden zum größten Teil das Schicksal aller schriftstellerischen
und dichterischen Erzeugnisse.
Daß die Presse. in Deutschland zu einer so gebietenden
Weltmacht erwachsen konnte, wie es vor kurzem erst
wiederholt aufs deutlichste zum Ausdru> kam, ist eigentlich
überraschend und wunderbar, denn seit dem Jahre 1505,
wo nachweislich zum erstenmal das Wort „Zeitung“ in
Deutschland gebraucht wurde, bis zur ersten Hälfte dieses Jahr-
hunderts waren unsre Zeitungen nur unansehnliche Winkel-
blätter, die ausschließlich Lokalnachrichten oder Bekannt-
machungen der Behörden brachten und keine eigene Meinung
hatten. Erst mit dem Auffommen der neuen Verkehr8-
mittel in unserm Jahrhundert begannen die Zeitungen
auch bei uns eine wichtigere Rolle zu spielen. Und-
als im Jahre 1848 die öffentliche Zensur gefallen war,
traten sie rasch in den politischen Vordergrund. Freilich
"var es manchem geistvollen Journalisten auch vorher schon
zelungen, der ziemlich mechanisch gehandhabten Berliner
Cnsur ein Schnippchen zu schlagen. Brachte doch die
„Vossische Zeitung“ im Jahre 1842, gelegentlich der Ent-
lassung des Ministers von Rochow, im Anzeigeteil unbe-
anstandet eine Mitteilung, welche wörtlich lautete: „Heute habe
ich meinen Hausknecht Rochow entlassen. Friedrich Wilhelm
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