Abschlussbericht
Wohnraumversorgung und sozialräumliche
Integration von Migrantinnen und Migranten
Belegungspolitiken institutioneller
Wohnungsanbietender
Heike Hanhörster
Christiane Droste
Isabel Ramos Lobato
Carina Diesenreiter
Simon Liebig
vhw - Schriftenreihe 16
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Inhalt
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
1
Vorwort
2
Zusammenfassung
4
1
Einleitung
6
2
Forschungsstand
2.1 Belegungs- und Mischungsstrategien
2.1.1 Zunehmende Diversifizierung und Förderung residentieller
Mischung
2.1.2 Theoretische Begründungen für und gegen Mischungsstrategien
2.1.3 Widersprüche im Diskurs um Mischungsziele
2.2 Zugänge von Migrantinnenund Migranten zum Wohnungsmarkt
2.2.1 Wohnen als zentrale integrative Dimension bei knapper werdendem, bezahlbarem Wohnraum
2.2.2 Die Rolle institutioneller Wohnungsanbietender
2.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen: Schlupflöcher für Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
2.3 Städtische Governance als Handlungsrahmen für die Belegungsund Vermarktungspolitiken im institutionellen Wohnungsangebot
2.3.1 Wohnen als Bestandteil von Diversitäts- und Integrationskonzepten
2.3.2 Verhandlung von Diversität auf der Ebene von Quartier und Wohnungsunternehmen
8
8
8
9
10
10
10
12
12
13
14
15
3
Methodik
16
4
Belegungs- und Diversitätspolitik in Deutschland: Herausforderungen und Gute Praxis
18
4.1 Einleitung
4.2 Herausforderungen und gute Praxis bei der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen
Integration von Migrantinnen und Migranten
4.2.1 Zentrale Herausforderungen in der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit des Wohnungsmarktes
4.2.2 Zugang zu Wohnraum gestalten: Sozialräumliche Strategien und Belegungsmanagement von
Wohnungsunternehmen
4.2.3 ‚Faires Vermieten‘: Unterschiedliche Kriterien und Praktiken
4.2.4 Kommunale und lokale Governance
4.3 Blick über den Zaun: Wohnungswirtschaftlicher Umgang mit Diversität in den Niederlanden,
Frankreich und Österreich
4.3.1 Blick über den Zaun: Transparente Vergabeverfahren erhöhen Fairness in der Belegungssteuerung:
Das Beispiel der Niederlande
4.3.2 Blick über den Zaun: Politik der „mixité“ in Frankreich
4.3.3 Blick über den Zaun: Die Wiener Wohnbauförderung – ein Instrument zur Schaffung sozial
ausgewogener und leistbarer Wohnverhältnisse
4.3.4 Lektionen aus der internationalen Praxis
18
5
Zwischenfazit
35
6
Fallstudien
6.1 Die drei Fallstudienstädte: Berlin, Düsseldorf und Hamburg
6.1.1 Stadtprofil Berlin
6.1.2 Stadtprofil Düsseldorf
6.1.3 Stadtprofil Hamburg
6.2 Aktuelle Herausforderungen bei der Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten
6.2.1 Wohnungsmarktbedingte Herausforderungen
6.2.2 Diversifizierung der Konkurrenzen um Wohnraum
6.2.3 Positionen und Handlungsansätze zu diskriminierenden Strukturen auf dem Wohnungsmarkt
6.2.4 Rollen und Kapazitäten der unterschiedlichen wohnungswirtschaftlichen Akteurinnen und Akteure
6.2.5 Sozialräumliche Mischung und social engineering als persistente Zielsetzungen –
Instrumente zur Umsetzung
6.2.6 Instrumente, Strukturen und Barrieren in Vergabeprozessen
6.3 Unternehmensinterne Strukturen
6.3.1 Personalentwicklung
6.3.2 Kommunikationsstrukturen
6.3.3 Unternehmenskultur und Leitbildentwicklung unterschiedlicher institutioneller Anbietender
6.4 Governance auf Landes-, Bezirks- und lokaler Ebene
6.4.1 Neue Formen der Zusammenarbeit
6.4.2 Im Kontext der Wohnraumversorgung Geflüchteter entstandene Kooperationen und Bündnisse
6.4.3 Schnittstellen alter und neuer lokaler Governance-Strukturen
6.4.4 Sektorale Aufgaben- und Steuerungsverständnisse
38
39
40
42
44
45
45
47
48
50
Fazit, zukünftige Bedarfe und Herausforderungen
67
7
19
19
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28
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58
60
60
61
63
65
Literaturverzeichnis
72
Anhang
84
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AGG
ANRU
AWO
BASFI
BBSR
BelBindG
BENN
BGfG
BSG
BSW
BWB
CBL
Difu
DRK
DüBS
DWG
EBV
FK
FMFW
GdW
GM
GWC Cottbus
IBB
IKÖ
IP
KGSt
KoopV
KQI
LADS
LAF
LaGeSo
LEG
LWU
MSO
MUF
NRW
PNRU
SAGA
SenIAS
SenJVA
SenSW
SGB
SWD
SWSG
UPW
WBS
WE
WfF
WoBinG
WoFG
WOGEDO
WoVG
WVB
ZFU
ZKF
ZUS
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Agence Nationale pour la Rénovation Urbaine
Arbeiterwohlfahrt
Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Belegungsbindungsgesetz
Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften
Baugenossenschaft freier Gewerkschafter
Bau- und Siedlungsgenossenschaft
Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
Beamten-Wohnungs-Baugenossenschaft
Choice-based letting
Deutsches Institut für Urbanistik
Deutsches Rotes Kreuz
Düsseldorfer Bau- und Spargenossenschaft
Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft
Eisenbahner Bauverein
Fokusgruppe
Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „Fair mieten – Fair wohnen“
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
Geschützes Marktsegment
Gebäudewirtschaft Cottbus
Investitionsbank Berlin
Interkulturelle Öffnung
Interviewpartnerin, Interviewpartner
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
Kooperationsvereinbarung
Kommunaler Qualitätszirkel zur Integrationspolitik
Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
Landesamt für Gesundheit und Soziales
Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen
Landeswohnungsunternehmen
Migrantenselbstorganisation
Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge
Nordrhein-Westfalen
Programme National pour la Rénovation Urbaine
Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg
Senatsverwaltungen für Arbeit, Integration und Soziales
Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen
Sozialgesetzbuch
Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf
Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft
Unterkünfte mit Perspektive Wohnen
Wohnberechtigungsschein
Wohneinheiten
Wohnen für Flüchtlinge
Wohnungsbindungsgesetz
Wohnraumförderungsgesetz
Wohnungsgenossenschaft Düsseldorf-Ost
Wohnraumversorgungsgesetz
Wohnraumversorgung Berlin
Zone franche urbaine
Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge
Zone urbaine sensible
vhw 1
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Vorwort
Vorwort
Kaum zwei Themen haben die gesellschaftliche Diskussion in den
vergangenen Jahren derart bestimmt wie die Entwicklungen auf
dem Wohnungsmarkt und der Umgang mit den Neuzugewanderten nach dem „langen Sommer der Migration“. Während
sich die Situation auf den städtischen Wohnungsmärkten schon
lange abzeichnete und damit im Prinzip wenig überraschend
kam, waren viele Städte und Gemeinden von dem plötzlichen
Zuzug von Geflüchteten phasenweise überfordert.
Denn gerade im preiswerten und preisgebundenen Segment
haben sich die bereits bestehenden Konkurrenzen unterschiedlicher Bedarfsgruppen derart verstärkt, dass Kommunen und
Wohnungsunternehmen vielerorts vor der Herausforderung stehen, „den Mangel fair zu verwalten“, das heißt die begrenzte
Ressource des preiswerten Wohnraums möglichst gerecht zwischen Haushalten und unter Berücksichtigung des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu verteilen.
Jetzt, vier Jahre nach der Zuwanderung, zeigt sich allerdings, dass
diese Aufgaben sehr gut bewältigt werden konnten. Fast 40 Prozent der Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter sind bereits in den
Arbeitsmarkt integriert, die Hälfte davon als Fachkräfte, Spezialisten und Experten. Der Großteil der geflüchteten Kinder besucht
allgemeinbildende Schulen und auch im Bereich der sozialen
Integration, der Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher
Herkünfte, zeigt sich, dass vielfältige Beziehungen über den
Arbeitsplatz, Bildungseinrichtungen und den Wohnort aufgebaut
werden. Trotzdem bestehen auch weiterhin Herausforderungen
und diese zeigen sich besonders auf dem Wohnungsmarkt.
Der vorliegende Bericht möchte Kommunen und Wohnungsunternehmen hierbei eine Hilfestellung geben. Mit der Veröffentlichung liegen die Ergebnisse des Forschungsprojekts
„Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten – Belegungspolitiken institutioneller
Wohnungsanbietender“ vor, das vom ILS – Institut für Landesund Stadtentwicklungsforschung und dem Büro UrbanPlus im
Auftrag des vhw durchgeführt wurde.
Denn bereits seit Jahren ist gerade in den deutschen Metropolen
und Großstadtregionen ein zunehmender Mangel an günstigem
Wohnraum festzustellen, der sukzessive durch den Wegfall von
preisgebundenem Wohnraum, einer geringen Neubautätigkeit
vor allem im preiswerten Segment sowie durch Bevölkerungszuwächse ausgelöst wird. Daher haben sich der vhw e. V. und
das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) bereits 2016 für eine
konsequente wohnungspolitische Neuausrichtung ausgesprochen sowie Maßnahmen und Instrumente für eine soziale und
resiliente Wohnungspolitik vorgelegt.
Die Zuwanderung Geflüchteter hat die bereits bestehenden Probleme auf den städtischen Wohnungsmärkten und die Dringlichkeit von Lösungen noch sichtbarer gemacht.
2 vhw
Die Studie gibt einen Überblick über die gelungene Praxis von
Diversitäts- und Vergabepolitiken in Deutschland und erweitert
die Perspektive diesbezüglicher Handlungsmöglichkeiten durch
einen Einblick in die Wohnraumpolitik und -vergabepraktiken in
den Niederlanden, Österreich und Frankreich. Mit der Analyse
der Fallstudienstädte Berlin, Düsseldorf und Hamburg wird ein
tiefergehendes Verständnis der Rahmenbedingungen, Strategien
und Praktiken von Belegungspolitiken ermöglicht, die über die
Auseinandersetzung mit den Handlungslogiken von Wohnungsanbietenden weit hinausgehen.
Es wird deutlich, dass nicht nur die Beiträge verschiedener institutioneller Wohnungsanbietender zur sozialen Wohnraumversorgung variieren, sondern dass aus dem Spannungsfeld der
Wohnungsanbietenden, den öffentlichen Verwaltungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren verschiedene Formen von Governance entstehen, die zu lokal unterschiedlichen Umgangsweisen
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Vorwort
mit Migration und Integration sowie Fragen der Wohnungspolitik
und vor allem auch mit Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt führen. Auch werden mit der Untersuchung die zentrale
Bedeutung und Funktion von zivilgesellschaftlichen Intermediären herausgestellt, zum einen für die Wohnraumversorgung und
Unterbringung von Geflüchteten selbst und zum anderen als
lokales Korrektiv von diskriminierenden Vergabepraktiken.
implementieren. Denn, wie der Bericht eindrücklich zeigt, nur im
Zusammenspiel aller Akteurinnen und Akteure aus Verwaltung,
Wohnungsunternehmen und der Zivilgesellschaft können Lösungen für die Herausforderungen am Wohnungsmarkt gefunden
und der soziale Zusammenhalt in einer sich diversifizierenden
Gesellschaft nachhaltig gesichert werden.
Damit liegt bundesweit die erste Studie vor, welche die Rolle
unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure und institutionellen
Wohnungsanbietenden für die Zugänglichkeit von Migrantinnen
und Migranten zum Wohnungsmarkt beleuchtet. Die Studie
legt dabei offen, dass für Belegungspraktiken von Wohnungsunternehmen eine sozialräumliche Mischung zum Erhalt „stabiler
Quartiere“ weiterhin als handlungsleitendes Motiv sowie persistentes Leitbild gilt. Die „Passfähigkeit“ von Mieterinnen und
Mietern wird dabei auf Ebene der Sachbearbeitenden bewertet,
die sich häufig benachteiligend auf den Wohnraumzugang von
Menschen mit Migrationshintergrund auswirkt. Das Leitbild einer
„gesunden“ Mischung gilt es deshalb zu überprüfen, zumal
weder eine Definition noch empirische Studien vorliegen, welche eine positive Wirkung von Mischungsstrategien und einem
„social engineering“ bestätigen können. Die Studie spricht sich
daher für eine transparente Belegungspraxis nach klaren und
nachvollziehbaren Kriterien aus, die zusammen mit einem unternehmensbezogenen Diversitätsmanagement zu den Grundvoraussetzungen „fairen Vermietens“ gehören.
Dr. Anna Becker
Seniorwissenschaftlerin
vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.
Das Forschungsprojekt möchte einen Anstoß für Städte und
Kommunen geben, sich ihrer Handlungsspielräume im Bereich
der Integrations- und Wohnungspolitik noch deutlicher bewusst
zu werden und diese aktiver zu gestalten. Auch können die Ergebnisse Wohnungsunternehmen dabei unterstützen, ihre anspruchsvolle Aufgabe einer sozial gerechten Wohnungsvergabe
wahrzunehmen und ein stringentes Diversitätsmanagement zu
vhw 3
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Aktuelle Untersuchungen belegen: Ein Zuwanderungshintergrund erschwert die Wohnraumsuche in Deutschland wie auch
in anderen europäischen Ländern deutlich. Die zentrale Rolle
institutioneller Wohnungsanbietender für die wohnräumliche
Integration wird durch die Fluchtzuwanderung besonders sichtbar. Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Studie
der Frage, welche Funktion unterschiedliche institutionelle Anbietende in Deutschland bei der qualitativen und quantitativen
Versorgung von Personen mit Migrationshintergrund einnehmen.
Dabei zeigt die Untersuchung: Die Zugänglichkeit unterschiedlicher Wohnungsmarktsegmente wird nicht nur durch das quantitative Angebot bezahlbaren Wohnraums und die Strukturen des
öffentlich geförderten Wohnraums beeinflusst, sondern maßgeblich durch die jeweiligen Belegungspolitiken und verfolgten
Leitbilder der Wohnungsanbietenden und weiterer kommunaler
Akteurinnen und Akteure.
Im Zuge des Forschungsprojektes wurden insgesamt 76 Interviews mit Expertinnen und Experten aus Wohnungswirtschaft,
Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft geführt.
Zunächst wurden bundesweit Interviews durchgeführt, um unterschiedliche Perspektiven auf die Wohnraumversorgung von
Personen mit Migrationshintergrund zu erfassen. Auf Basis der
Interviewergebnisse sowie einer umfangreichen Literaturauswertung wurden zwölf Steckbriefe mit Beispielen „Guter Praxis“ in
kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen erstellt. Es zeigte sich, dass auch jene Unternehmen, die
neue Wege gehen und teils innovative Ansätze verfolgen, in
ihren Beständen die soziale und teils auch ethnische Mischung
explizit oder implizit verfolgen. Die Reflexion dieser in Deutschland persistenten Leitvorstellung und ihrer Umsetzung in Form
von Belegungspraktiken nimmt im Bericht eine zentrale Stellung
ein. Denn, so kann schon vorausgeschickt werden: Es lassen sich
weder klare wissenschaftliche Befunde zur Wirksamkeit sozialer
Mischung für die Bestandsstabilisierung finden, noch gibt es in
4 vhw
der Wohnungswirtschaft eine einheitliche Vorstellung darüber,
wie eine „gesunde Mischung“ aussehen kann. Um diesen A
spekt
in einem übergreifenden Kontext zu beleuchten, wird in der
vorliegenden Studie auch ein „Blick über den Zaun“ auf die Vergabepraktiken und Mischungsstrategien in den Niederlanden,
Frankreich und Österreich gerichtet.
Der Schwerpunkt der Studie liegt in der qualitativen Analyse der
Wohnraumversorgung in den drei Fallstudiengebieten Berlin,
Düsseldorf und Hamburg. Alle drei städtischen Kontexte sind von
Migration und Fluchtzuwanderung und von sich zuspitzenden
Engpässen auf dem Wohnungsmarkt charakterisiert. Interviews
wurden mit städtischen, privatwirtschaftlichen und genossenschaftlich organisierten Wohnungsanbietenden geführt. Dabei
wurde versucht, unterschiedliche Hierarchieebenen (Leitung,
mittleres Management, Sachbearbeitung) einzubeziehen. Im
Fokus standen die unternehmerischen Ziele im Umgang mit
Diversität und ihre Umsetzung, z. B. in Form von Belegungsstrategien und Priorisierung von Bedarfsgruppen sowie sozialräumlicher Kooperationen und Umgangsformen mit nachbarschaftlichen Konflikten.
Die Relevanz dieses Analyseschwerpunkts auf unternehmensinterne Strukturen belegt eine aktuelle bundesweite Studie
zur Entwicklung von Wohnquartieren im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
(GdW). Als Handlungsempfehlungen werden hier die Entwicklung und Umsetzung diversitäts- und diskriminierungssensibler
Angebote prominent benannt (von Oswald et al. 2019). Die
Studie illustriert, dass sich aus Perspektive der befragten Unternehmen das Zusammenleben in vielen deutschen Quartieren
deutlich verschlechtert habe. Die Herausforderungen, so ein
wichtiges Fazit, können nur in Zusammenarbeit der Akteurinnen
und Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren
gemeistert werden. Die Vernetzung müsse dabei über einzelne
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Leuchtturmprojekte hinausgehen und strukturelle Veränderungen der (quartiersbezogenen) Kooperation bewirken.
In diesem Sinne wurden in der vorliegenden Studie über die
Wohnungswirtschaft hinaus auch Expertinnen und Experten aus
Politik und Verwaltung, wohnungswirtschaftlichen Verbänden,
Zivilgesellschaft und Forschung auf Landes- und kommunaler
Ebene (Antidiskriminierungsbüros, Wohnungsämter, Mietervereine, Migrantenorganisationen etc.) zum Status Quo und zu den
Bedarfen am Wohnungsmarkt, der lokalen Beratungslandschaft
sowie sozialräumlichen Kooperationen in den Fallstudienstädten
befragt. Die Diskussion und kritische Reflexion der Ergebnisse
wurden über Fokusgruppengespräche mit den Interviewten in
allen drei Fallstudiengebieten sowie eine gemeinsame Abschlussveranstaltung in Berlin ermöglicht.
Zusammenfassung
müssen (Infra-)Strukturen aufgebaut und erhalten werden, die
durch niederschwellige Angebote die Zugänge zu sozialen, kulturellen und ökonomischen Ressourcen aller Bewohnerinnen und
Bewohner und ihr nachbarschaftliches Zusammenleben stärken.
Fallstudienübergreifend zeigt sich, dass die alleinige Ausweitung
bezahlbaren Wohnraums zur besseren Wohnraumversorgung
von Migrantinnen und Migranten nicht ausreicht. Das weithin
vorherrschende Leitbild einer „gesunden“ (sozialen und ethnischen) Mischung erfordert eine kritische Überprüfung, da es
vielfach die Zugangschancen von Menschen mit Migrationshintergrund einschränkt und damit der Zielsetzung einer fairen
Vermietungspraxis widerspricht. Innerhalb des Belegungsmanagements herrscht zudem eine große Intransparenz, die der
Sachbearbeitung in der Vergabepraxis große Entscheidungsfreiheiten einräumt. Auch zeigte sich, dass Kenntnisse über die
Anwendung der geltenden Antidiskriminierungsgesetzgebung
oftmals fehlen. Um die Zugangschancen von Migrantinnen und
Migranten zu erhöhen, ist zukünftig ein institutioneller Wandel
innerhalb der Wohnungsunternehmen hin zu einer stärkeren
interkulturellen Öffnung und Diversitätspolitik elementar. Darüber hinaus belegt die Analyse die Bedeutung kommunaler Governancestrukturen des lokalen integrationspolitischen Klimas wie
auch die Bedeutsamkeit des Quartiers als Handlungsebene. Hier
vhw 5
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
1
Einleitung
Durch die verstärkte Zuwanderung von Geflüchteten sind Wohnungsunternehmen und Kommunen bei der Wohnraumversorgung vor große Herausforderungen gestellt. Der Wohnungsmarkt
und seine Verteilungsmechanismen stellen zentrale Stellschrauben für das Ankommen in der Gesellschaft und Gelingen sozialräumlicher Integration dar, da sie maßgeblichen Einfluss auf die
räumliche Verteilung der Wohnbevölkerung und ihr Zusammenleben haben (Foroutan et al. 2017). Sowohl das quantitative Angebot bezahlbaren Wohnraums und die Strukturen des öffentlich geförderten Wohnraums als auch die qualitative Steuerung
durch Belegungspolitiken haben dabei maßgebliche Wirkung auf
die Zugänglichkeit unterschiedlicher Wohnungsmarktsegmente.
Die zentrale Rolle institutionell Wohnungsanbietender für die
wohnräumliche Integration wird durch die Fluchtzuwanderung
besonders deutlich, Versorgungsengpässe bestehen jedoch auch
bei anderen ressourcenschwächeren Gruppen (Aring et al. 2016).
Gleichzeitig belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass
ein Zuwanderungshintergrund die Wohnraumsuche deutlich erschwert (ADB 2017, BR/Der Spiegel 2017, Droste et al. 2017,
Hanhörster 2019, Planerladen 2014).
Bis dato existieren kaum Studien, welche die auf Zuwanderung
und steigende Diversität reagierenden Strategien institutioneller Wohnungsanbietender in unterschiedlichen städtischen
Kontexten analysieren. Vor diesem Hintergrund untersucht das
vorliegende Forschungsprojekt, wie deren Belegungspraktiken
in unterschiedlichen städtischen Kontexten die Zugänge von
Menschen mit Migrationshintergrund zum Mietwohnungsmarkt
strukturieren und damit sozialräumliche Segregation und Integration in Quartier und Nachbarschaft beeinflussen. Es wird analysiert, wie institutionelle Wohnungsanbietender mit dieser Herausforderung im Kontext der insgesamt steigenden Nachfrage
nach erschwinglichem Wohnraum umgehen und in welcher
Form Belegungsstrategien die räumlichen Zugänge unterschiedlicher Gruppen beeinflussen. Ziel ist dabei, Gelingensbedingun6 vhw
Einleitung
gen einer fairen Wohnraumversorgung institutionell Wohnungsanbietender und daraus resultierende Effekte auf die quantitative
und qualitative Wohnraumversorgung von Migrantinnen und
Migranten zu identifizieren. Dabei wird nicht nur die unternehmenseigene Praxis betrachtet, sondern auch, welches Wechselverhältnis mit den kommunalen wohnungs- und integrationspolitischen Strategien besteht und welche Wirkungen diese auf
die Belegungspraxis haben.
Im Fokus des Forschungsprojektes stehen somit die folgenden
zentralen Forschungsfragen:
•
Welche neuen Herausforderungen gehen mit der aktuellen
Zuwanderung Geflüchteter für institutionelle Wohnungsanbietende einher?
•
Welche Kriterien und Leitgedanken liegen der Priorisierung
bei der Wohnraumvergabe an unterschiedliche Nachfragegruppen und insbesondere Migrationsgruppen zugrunde
und welche Wirkungen hat dies auf die (kleinräumige)
Bevölkerungszusammensetzung in Nachbarschaften und
Quartieren?
•
Welche Unterschiede lassen sich zwischen privaten, kommunalen bzw. öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsanbietenden im Umgang mit Diversität erkennen?
•
Wie sind Wohnungsunternehmen in kommunale und quartiersbezogene Netzwerke einbezogen und welche Rolle
spielen dabei Kooperationen mit kommunalen und intermediären Akteurinnen und Akteuren und Institutionen
(z. B. Wohlfahrtsverbände, Willkommensinitiativen etc.) für
die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund?
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Die Analyse erfolgt in einem zweistufigen Verfahren: In einem
ersten Schritt werden mit Hilfe von Interviews mit Expertinnen
und Experten aus Wohnungswirtschaft, Politik, Verwaltung und
Zivilgesellschaft Beispiele unterschiedlicher Strategien der Belegungspolitik und des institutionellen Wandels der Diversitätspolitik von Wohnungsunternehmen in Deutschland dokumentiert.
Die deutschlandweit interdisziplinär und Akteursgruppen übergreifend Befragten unterstützten dabei, strukturelle Phänomene
im Handlungsfeld, regionalspezifische Herausforderungen und
gute Praxis genauer zu ergründen. Die Ergebnisse dieser Erhebungen werden ergänzt durch Kurzexpertisen zu wohnungswirtschaftlichem Umgang mit Diversität in den Niederlanden,
Frankreich und Österreich, wo sich in diesem Bereich ein institutioneller Wandel bereits deutlich abzeichnet bzw. besondere
Umgangsformen mit Diversität entwickelt wurden.
In einem zweiten Schritt stehen drei Großstädte mit angespanntem Wohnungsmarkt als Fallstudien im Fokus der Analyse – Berlin,
Düsseldorf und Hamburg. Sie sind seit Jahrzehnten von Migration
und zunehmender Diversität geprägt. Die Fluchtzuwanderung
der letzten Jahre trifft hier auf besondere Engpässe in der quantitativen und qualitativen langfristigen Wohnversorgung. Alle
drei Städte stehen somit vor ganz besonderen wohnungs- und
integrationspolitischen Herausforderungen. Gleichzeitig weisen
die drei Untersuchungsgebiete bezüglich der Governancestrukturen große Unterschiede auf. Dies betrifft insbesondere ihre
(Wohnungs-) Politiken und lokalen Umgangsstrategien mit Diversität. Die gegenüberstellende Untersuchung von Städten mit
ähnlichen strukturellen Herausforderungen ermöglicht das Identifizieren von Unterschieden der städtischen Governancestrukturen
und eine Analyse, ob und wie die jeweiligen Strukturen in den
Städten und Quartieren dazu beitragen, innovatives Handeln der
lokalen institutionellen Wohnungsanbietenden im Umgang mit
Diversität zu fördern.1
Einleitung
Der vorliegende Projektbericht gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 wird basierend auf einer umfangreichen Recherche der
(inter-) nationalen wissenschaftlichen sowie grauen Literatur der
aktuelle Stand der (inter-) nationalen Forschung aufbereitet und
in theoretische Diskurse eingebettet. Dabei stellen Mischungsstrategien und wohnungswirtschaftliche Belegungspraktiken,
(eingeschränkte) Zugänge von Migrantinnen und Migranten
zum Wohnungsmarkt sowie städtische Governance als Handlungsrahmen für die Belegungs- und Vermarktungspolitiken die
zentralen Leitthemen der Literaturanalyse dar. In Kapitel 3 wird
das methodische Herangehen der Gesamtstudie dargestellt. Im
anschließenden Kapitel 4 werden regionalspezifische Herausforderungen und gute Praxis von Belegungspolitik identifiziert und
zentrale Befunde herausgearbeitet. Das Kapitel umfasst weiter
die drei Kurzexpertisen aus den Niederlanden, Frankreich und
Österreich. In Kapitel 5 wird ein Zwischenfazit zu den bis dahin
dargestellten Befunden gezogen. Das folgende Kapitel 6 basiert
auf Analysen in den drei Fallstudiengebieten. Es widmet sich der
Untersuchung der strategischen Ausrichtung und Belegungspraxis institutioneller Wohnungsanbietender und der Frage, wie
diese in den Fallstudienstädten bzw. Stadtstaaten2 zu Segregation beitragen oder ihr entgegenwirken. Abschließend wird in
Kapitel 7 ein Fazit gezogen, welche aktuellen und zukünftigen
Handlungsbedarfe bzw. Herausforderungen sich im Ergebnis
des Forschungsprojektes für die verschiedenen Akteursgruppen
herauskristallisiert haben und teils auch explizit benannt wurden.
Wir bedanken uns bei allen Interviewten für ihre Offenheit in diesem
sensiblen Themenfeld. Ohne ihre Gesprächsbereitschaft wäre diese
Studie nicht möglich gewesen.
2
Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, wird im Folgenden auf die Differenzierung zwischen Städten und Stadtstaaten verzichtet. Berlin,
Düsseldorf und Hamburg werden somit alle als „Städte“ bzw. „Fallstudienstädte“ bezeichnet.
1
vhw 7
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
2
Forschungsstand
2.1 Belegungs- und Mischungsstrategien
2.1.1 Zunehmende Diversifizierung
und Förderung residentieller
Mischung
Die zunehmende soziale und ethnische Diversifizierung der Gesellschaft führt in Deutschland wie auch in anderen europäischen
Ländern seit längerem zu einer verstärkten sozial-räumlichen
Polarisierung und einer damit verbundenen räumlichen Kumulation sozialer Problemlagen (Andersen 2019; Farwick 2012;
Friedrichs/Triemer 2008; Musterd/Marcińczak/Van Ham et al.
2017; Schönwälder/Petermann/Hüttermann et al. 2016). Eine
aktuelle Studie belegt zwar die Abnahme ethnischer Segregation
seit dem Jahr 2002 aber im gleichen Zeitraum auch die Zunahme
sozialer Segregation in deutschen Städten und macht deutlich,
dass unterschiedliche soziale Gruppen „zunehmend seltener Tür
an Tür“ wohnen (Helbig/Jähnen 2018: I). Diese Entmischungstendenzen betreffen sowohl prosperierende Großstädte als auch
schrumpfende Städte (Difu 2015).
Um diesen Entmischungstendenzen entgegenzuwirken, fördern die Stadtentwicklungsprogramme zahlreicher europäischer
Länder residentielle Mischung in innerstädtischen Quartieren
(Harlander/Kuhn/Wüstenrot-Stiftung 2012; Münch 2010). Damit
verbindet sich zum einen die Hoffnung, dass gemischte Quartiere
über die räumliche Nähe von Gruppen mit unterschiedlichem
sozio-ökonomischen oder ethnischen Hintergrund deren Kontakte und damit auch den Austausch von Ressourcen fördern.
Zum anderen wird die Förderung gemischter Quartiere mit der
Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen verbunden und damit ein Versuch unternommen, der befürchteten
8 vhw
Forschungsstand
Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch soziale
und räumliche Segregationserscheinungen entgegenzuwirken
(Brühl 2002). Aus diesen Gründen zieht sich auch in Deutschland
das Leitbild sozialer und teils auch ethnischer (Die Bundesregierung 2007) Mischung durch verschiedene Gesetze.3
Die Stärkung kleinräumiger Wohnnachbarschaften durch die
„richtige soziale Mischung“ ist auch auf der Agenda zahlreicher
Wohnungsunternehmen ein zentrales Thema (Difu 2015; GdW
2015a). Deren Mischungsstrategien zielen darauf ab, Stadtquartiere möglichst lebenswert und damit auch gleichzeitig ‚vermietbar‘ zu machen (Münch 2010). Darüber hinaus dienen sie dazu,
den eigenen Verwaltungsaufwand (Neuvermietungen durch
Fluktuation, Sozialmanagement) gering zu halten. So sind es laut
einer Untersuchung von Münch (2010: 374) auch „vor allem die
Wohnungsunternehmen, die die Verteilung von verschiedenen
Bevölkerungsgruppen zu lenken versuchen.“ Die Versuche einer
gesteuerten Belegungspolitik scheinen dabei in engem Zusammenhang mit der Problematisierung ethnischer Segregation und
der nachfolgenden Sorge vor Vermietungsproblemen und der
Stigmatisierung der eigenen Wohnungsbestände zu stehen. Ein
Anfang der 1990er Jahren vom GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (Neuhöfer 1998)
beauftragtes Gutachten verdeutlicht, dass in räumlichen Kontexten, in denen Konflikte durch die erzeugte soziale und ethnische
3
Während das Baugesetzbuch (§1, Abs. 6) sowie das Wohnraumförderungsgesetz (§6) lediglich die „Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen“ bei der Bauleitplanung bzw. der
Förderung von Wohnungen benennen, wird im Nationalen Integrationsplan aus dem Jahr 2007 explizit auch die ethnische Dimension
angesprochen. So heißt es: „Leitbild für die Stadtteil- und Quartiersentwicklung bleibt die Schaffung und Sicherung sozial und ethnisch
gemischter Quartiere“ (Die Bundesregierung 2007: 112).
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Heterogenität befürchtet werden, deshalb zum Teil auch vom Mischungsparadigma abgewichen wird: „Da weniger die Mischung
an sich, sondern ‚sozial stabile Bewohnerstrukturen‘ das Ziel sind,
wird eine Mischung in Einzelfällen vermieden, wenn Konflikte
zwischen den verschiedenen ausländischen Bewohnern erwartet
werden“ (Münch 2010: 382).
Unklar bleibt bis dato, auf welcher räumlichen Ebene Mischung
angestrebt werden sollte, welche Art von Mischung wünschenswert ist und ab wann diese als „gesund“ oder „gelungen“
bezeichnet werden kann (Dangschat/Alisch 2014). Bis in die
1990er Jahre stand in Deutschland vorwiegend der Aspekt der
Nationalität bzw. des Migrationshintergrundes im Fokus der Belegungspraxis. So wurde von Seiten institutioneller Wohnungsanbietender recht offensiv mit der Sorge des Wegzugs deutscher
Bevölkerungsgruppen argumentiert. Seither werden Belegungsstrategien vor dem Hintergrund der Problematisierung ethnischer
Segregation zunehmend mit dem Schlagwort der Integration
begründet (Münch 2010). Wie eine Untersuchung des GdW
(2015a) zeigt, wird das Ziel der Mischung verschiedener Bevölkerungsgruppen von institutionellen Wohnungsanbietenden
in Deutschland jedoch nach wie vor sehr unterschiedlich interpretiert: teils werden kulturelle oder soziostrukturelle Merkmale
zur Definition herangezogen, teils wird der Blick auf Lebensstile
gerichtet (Barwick/Blokland 2014; Bernard/Ringelheim 2013;
Schwarz 2014). Aufgrund der fehlenden allgemeingültigen Definition einer ‚guten‘ Mischung, werden Mieterinnen und Mieter
zunächst aufgrund lokaler Regelungen im Kontext der sozialen
Wohnraumversorgung (Belegungsrechte, Wohnberechtigungsscheinfähige Bestandssegmente, geschützte Marktsegmente,
aktuelle Mietenbündnisse) und weiter aufgrund einer ebenso
wenig definierten ‚Passfähigkeit‘ unterschiedlichen Beständen/
einem Quartier/Wohngebäude zugeordnet.
Im Vergleich mit Ländern wie Dänemark, das 2018 mit dem Ziel
der Bekämpfung residentieller Segregation extrem restriktive
Regularien für 30 von der Regierung offiziell als „Ghettos“ definierten Quartiere aufgestellt hat (O‘Sullivan 2018), scheint der
Mischungsdiskurs in Deutschland deutlich weniger ethnisiert zu
sein. Dass die ursprünglich auch in Deutschland weit verbreitete
Festlegung eines „kritischen Ausländeranteils“ (Eichener 1988:
308) heutzutage weitestgehend aus der Diskussion verschwunden ist und ethnische Kriterien bei der Vergabepraxis weniger
offensiv thematisiert werden, bedeutet jedoch nicht, dass sie
gänzlich verschwunden sind oder keine Rolle mehr spielen. So
wird das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG §19, Abs.
3) in Deutschland häufig dahingehend fehlinterpretiert, dass eine
Ungleichbehandlung von Mieterinnen und Mieter aufgrund ihrer
Nationalität bzw. Herkunft möglich sei, insofern das Ziel „sozial
stabiler Bevölkerungsstrukturen“ verfolgt werde (vgl. Kapitel
2.2.3). Eine Positionierung bzgl. ethnischer Segregation bleibt
somit in Deutschland weiterhin Gegenstand wohnungs- und
stadtentwicklungspolitischen Handelns.
Forschungsstand
2.1.2 Theoretische Begründungen
für und gegen Mischungsstrategien
Dem Politikansatz der Förderung sozialer Mischung liegt die Annahme zugrunde, dass die Präsenz von Mittelschichtshaushalten
in Stadterneuerungsquartieren auf unterschiedlichen Ebenen
stabilisierende Wirkung entfaltet: durch ein positiveres Stadtteilimage, eine stärkere politische Repräsentation von Quartiersinteressen im gesamtstädtischen Kontext, wie auch – basierend auf
der in der Regel besseren Ausstattung von Mittelschichtshaushalten mit ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital – durch
verbesserte Infrastruktur und Angebotsstrukturen.
Diese Annahme hat ihren Ursprung in der seit längerem in
der Stadtforschung diskutierten Frage nach den positiven wie
negativen Folgen von Segregation. In Bezug auf letztere wird
zum einen befürchtet, dass mit der steigenden Konzentration
einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen in bestimmten
städtischen Quartieren möglicherweise eine zusätzlich sozial benachteiligende Wirkung der Wohnumgebung einhergeht (Galster/Andersson/Musterd 2010; Hedman/Galster 2012; Hoppe
2017). So argumentiert die Forschung zu Nachbarschaftseffekten, dass negative Wohnquartierseffekte durch eine mangelnde
Ressourcenausstattung, die Dominanz negativer Rollenbilder und
schließlich durch Stigmatisierung und Diskriminierung der Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Gebiete entstehen
könnten (Farwick 2012: 391ff.).4 Darüber hinaus basiert die Förderung sozial gemischter Quartiere auf der impliziten Annahme,
dass die räumliche Nähe zwischen Gruppen mit verschiedenem
sozioökonomischem oder ethnischem Hintergrund soziales Lernen und Kontakte zwischen diesen fördere und darüber auch
Toleranz, gegenseitiges Verständnis und sozialer Zusammenhalt
in der städtischen Gesellschaft gestärkt werde. Erhofft wird, dass
insbesondere benachteiligte Haushalte von der räumlichen Nähe
zu Haushalten höherer sozialer Lagen profitieren.
Jüngere Forschungen hingegen schränken die positiven Annahmen zur sozialen Mischung deutlich ein (Atkinson 2006; Bridge
et al. 2012; Butler/Robson 2003; Ley 1996).5 Ergebnisse aus der
Mittelschichts- und Gentrifizierungsforschung zeigen bislang,
dass neu hinzuziehende ressourcenstarke Mittelschichtshaushalte
häufig geringe emotionale Verbundenheit und soziale Verankerung vor Ort zeigen und sich auf verschiedene Weise von den
alteingesessenen und oftmals einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen abgrenzen – beispielsweise durch die selektive
Nutzung des Quartiers und der vorhandenen Infrastruktur, einem
Rückzug in sozial eher homogene residentielle „Enklaven“ (Atkinson/Kintrea 2001; Bacqué et al. 2011; Blokland/Van Eijk 2009;
Lees et al. 2012; Musterd et al. 2016; Pinkster et al. 2014). Die
4
5
Darüber hinaus legen zahlreiche Studien die benachteiligende Wirkung fehlender bzw. mangelnder gegenseitiger Hilfeleistungen in
benachteiligten Quartieren nahe (Andersson/Malmberg 2018; Farwick 2012; Galster/Andersson/Musterd 2010; Hedman/Galster 2012;
Hoppe 2017; Van der Klaauw/van Ours 2003).
Verschiedene weitere Forschungen verweisen vielmehr auf Schließungs- und Abgrenzungsprozesse verschiedener ressourcenstärkerer
Gruppen (Frank 2013; Savage et al. 2005; Watt 2009; Weck/Hanhörster 2014).
vhw 9
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
bisherigen Befunde deuten somit darauf hin, dass aus dem Zuzug
von Mittelschichtshaushalten in sozial benachteiligte Quartiere
wenig Potential (Netzwerke, soziales Kapital, soziales Lernen) für
ressourcenschwächere Haushalte entsteht.
Neben der geringen Wirksamkeit verweisen einige Studien sogar
auf die Entstehung von Konflikten, die gerade aus der (erzwungenen) räumlichen Nähe von sozialen Gruppen entstehen, die
sich kulturell wie sozial fremd sind. Aus einer räumlichen Annäherung erwachse nicht zwangsläufig soziale Nähe, sondern diese
könne, im Gegenteil, auch zu Verunsicherung und zu Ängsten
führen: „(…) nichts ist unerträglicher als die als Promiskuität
empfundene physische Nähe sozial fernstehender Personen“
(Bourdieu 1998: 24). Aufgrund der sozialen Distanz zwischen
den unterschiedlichen sozialen Gruppen bleiben Kontakte somit
ohne Folgen, das heißt, es ergibt sich keinerlei soziale Interaktion.
Auch mit Blick auf die Folgen ethnischer Segregation zeichnen
bisherige wissenschaftliche Untersuchungen ein differenzierteres
Bild. „Für eine die Integration einschränkende Wirkung residentieller Segregation – als zentralem Forschungsgegenstand
sozialwissenschaftlicher Stadtforschung – gibt es in Europa [jedoch] kaum einen konsistenten empirischen Beleg“ (Dangschat/
Alisch 2014: 213). Der in der öffentlichen Diskussion vielfach
dargebrachte negative Zusammenhang zwischen Segregation
und Integration scheint schwach (Musterd 2003). Im Gegenteil,
Integration und ethnische Mischung sind, wie einige Studien
zeigen, nicht zwangsläufig gleichzusetzen. Sie verweisen dabei
auf positive Effekte, die sich unter bestimmten Umständen durch
die ethnische Konzentration in einem Quartier ergeben. So wiesen einige der untersuchten Gebiete kaum Konflikte unter den
Nachbarinnen und Nachbarn sowie ein hohes Maß an nachbarschaftlicher Solidarität auf (Strohmeier 2006). Der grundsätzlichen Problematisierung ethnisch segregierter Wohnquartiere
fehlt somit die empirische Grundlage (Musterd 2003).
2.1.3 Widersprüche im Diskurs um
Mischungsziele
Angesichts der zunehmenden Verknappung von (kostengünstigem) Wohnraum erscheint insbesondere die Fokussierung des
Mischungsdiskurses und seiner Umsetzung auf vorwiegend sozial
benachteiligte Quartiere problematisch. So hat in den letzten
Jahren insbesondere die steigende Attraktivität bislang eher benachteiligter innerstädtischer Quartiere als Wohnstandort für
Mittelschichtshaushalte – in Abhängigkeit von deren Lebensstil
und Werteorientierungen – der Diskussion um sozial gemischte
Quartiere zusätzliche Impulse gegeben (Andreotti et al. 2013; Buzar et al. 2007). Mit den erwünschten (selektiven) Aufwertungsprozessen von innerstädtischen Großstadtquartieren in Städten
mit angespanntem Wohnungsmarkt geht jedoch die Gefahr
der Verdrängung von einkommensschwächeren Gruppen einher (Holm 2012). Insbesondere in Ballungsgebieten können das
sinkende Angebot an Wohnungen für Haushalte mit mittlerem
und niedrigem Einkommen sowie diskriminierende Vergabepraktiken basierend auf Herkunft, Nationalität, Religion etc. zu einer
erhöhten sozialen und ethnischen Segregation führen. Sofern die
Bestände nicht ohnehin in eher benachteiligten Stadtquartieren
verortet sind, trägt der europaweit drastisch schrumpfende Anteil
10 vhw
Forschungsstand
des sozialen Wohnungsbaus6 am Gesamtmietwohnungsbestand
zu einer zusätzlichen Verschärfung sozialräumlicher Segregation
bei. Daher wird in diesem ‚Kampf um Wohnraum‘ vermehrt der
Ruf nach politischer Steuerung im Sinne eines Schutzes benachteiligter Bevölkerungsgruppen laut.
Die Förderung von Mischung auf Quartiersebene, die das stärkere Auseinanderdriften der Gesellschaft verhindern und sozialen
Zusammenhalt fördern soll, sind folglich nicht zwangsläufig auch
vorteilhaft für die dort lebenden unterschiedlichen Gruppen von
Bewohnerinnen und Bewohnern. So erscheint die Kluft zwischen
der planungspraktischen und kommunalpolitischen Bedeutung
des Mischungsideals einerseits und den zum Teil eher ernüchternden Ergebnissen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung
mit dem Thema Mischung andererseits auch nicht mehr allzu
überraschend.
Die aktive Belegungssteuerung zur Förderung einer ‚gesunden‘
Mischung7 befindet sich also „prinzipiell im Spannungsfeld von
diskriminierender Auslese einerseits und legitimen sozialen Stabilisierungszielen andererseits“ (GdW 2015a: 33). Inwieweit sich
angesichts der aktuellen Herausforderungen, resultierend aus der
Zuwanderung Geflüchteter, institutionelle Praktiken von Wohnungsunternehmen verändern bzw. dabei sind sich zu verändern,
ist deshalb Gegenstand des vorliegenden Forschungsprojektes.
Mit welchen Strategien institutionelle Wohnungsanbietende in
diesem Spannungsfeld auf aktuelle Zuwanderung und die damit verbundene steigende Diversität reagieren und inwieweit
Belegungspraktiken dabei die Zugänge von Migrantinnen und
Migranten zum Mietwohnungsmarkt strukturieren, ist bis dato
noch kaum untersucht.
2.2 Zugänge von Migrantinnen
und Migranten zum Wohnungsmarkt
2.2.1 Wohnen als zentrale
integrative Dimension bei
knapper werdendem,
bezahlbarem Wohnraum
Wie oben dargestellt sind deutsche Kommunen in den letzten
Jahren von einer deutlichen Verknappung von Wohnraum für Gering- und Normalverdienende gekennzeichnet. Durch den Wegfall von Belegungsbindungen und vielfach eingeschränkte Neu-
Der soziale Wohnungsbau, der den Zugang zu Mietwohnungen für
einkommensschwächere Haushalte stärken soll, betrug schon im
Jahr 2013 nur noch sechs Prozent des Wohnungsbestandes (Schmickler 2015). Aktuelle Schätzungen liegen bundesweit leider nicht vor
(Deutscher Bundestag 2017).
7
Wie in den Ausführungen weiter unten deutlich wird, besteht kein
einheitliches Verständnis zu den Charakteristika einer `richtigen´ oder
`gesunden´ sozialen Mischung.
6
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
bautätigkeiten der letzten Jahrzehnte sind dramatische Einbußen
bei der Zahl von Sozialwohnungen zu verzeichnen. Der Engpass
an (bezahlbarem) Wohnraum wird dabei sichtbar und verschärft
sich insbesondere in jenen Städten prosperierender Regionen, die
einen verstärkten Zuzug aus dem In- und Ausland aufweisen.8
Kommunen und Wohnungsunternehmen werden damit bei der
Wohnraumversorgung vor große Herausforderungen gestellt.
Der Wohnungsmarkt und seine Verteilungsmechanismen haben
zum einen Einfluss auf die quantitative Versorgung Zugewanderter mit Wohnraum. Zum anderen beeinflussen sie durch die
innerstädtische Verteilung der Wohnungsbestände und die jeweiligen Belegungsstrategien auch die Zusammensetzung von
Quartieren und damit das kleinräumige Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen. Insbesondere ressourcenschwächere Gruppen, unter ihnen vielfach Personen mit
Migrations- und Fluchthintergrund, sind von der eingeschränkten
Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum und von der
Steuerung durch selektive Belegungspolitiken besonders betroffen (Aring et al. 2016; Planerladen 2014). Resultate sind
eine generell schlechtere Versorgungslage sowie die räumliche
Konzentration von Personen mit Migrationshintergrund in benachteiligten/benachteiligenden Quartieren (Dill/Jirhan 2014).
Repräsentative quantitative wie auch qualitative Untersuchungen
belegen, dass der Zuwanderungshintergrund eine deutlich erschwerende Rolle bei der Wohnraumsuche in Deutschland spielt
(ADB 2017; Planerladen 2014). Während jedoch der beeinträchtigte Zugang zu Wohnraum für Menschen mit Migrationshintergrund in zahlreichen anderen (europäischen) Ländern schon seit
vielen Jahren auf der Agenda von Forschung und Politik steht,
ist dieses Thema in Deutschland erst in den letzten Jahren verstärkt aufgegriffen worden (BR/Der Spiegel 2017; Droste et al.
2017; Hanhörster 2019). So berichten Antidiskriminierungs-Beratungsstellen und Migrantenselbstorganisationen (MSO) von
Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt auf Grundlage
von (zugeschriebenem) Migrationshintergrund, Hautfarbe, Aufenthaltsstatus, (sichtbarer) Religionszugehörigkeit oder auch
Sprachkompetenz (ADB 2017; ADS 2015; Liebscher/Klose 2017).
Insbesondere für Geflüchtete stellt darüber hinaus häufig die
Unsicherheit der Vermietenden bezüglich aufenthaltsrechtlicher
Fragen eine wesentliche Hürde beim Zugang zum regulären
Wohnungsmarkt dar (ADB 2017; Liebscher/Klose 2017).
Auf Grundlage einer Auswertung von 71 Studien in der EU,
den USA und Kanada belegt eine aktuelle Meta-Analyse die
Signifikanz von Diskriminierung auf dem Mietwohnungsmarkt
über diverse Länderkontexte hinweg – bei jedoch kontinuierlich
sinkendem Ausmaß (Auspurg et al. 2018). In Deutschland ist
dabei das Ausmaß an Diskriminierung im Ländervergleich am
größten – ein Effekt, der allerdings seine statistische Signifikanz
verliert, sobald der ethnische Hintergrund kontrolliert wird. So
ist bei der Bewertung dieser Befunde zu berücksichtigen, dass
sich die Metastudie in Deutschland primär auf empirische Untersuchungen mit arabischen/muslimischen Testpersonen bezieht,
die nachweislich in allen an der Studie beteiligten Ländern von
besonders starker Diskriminierung betroffen sind (Auspurg et al.
2018: 10).9 Der Widerspruch zu den Ergebnissen einer Studie zur
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, die Deutschland jüngst
ein vergleichsweise geringes Ausmaß attestiert (Zschirnt/Ruedin
2016), wird mit den in diesem Bereich üblichen, standardisierten
Forschungsstand
und sehr detaillierten Bewerbungsverfahren erklärt, mit Hilfe
derer das Ausmaß an Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt
möglicherweise reduziert wird (Auspurg et al. 2018).
Hervorgehoben werden in der Studie zwei unterschiedliche Formen bestehender Diskriminierung. Dies ist zum einen die Benachteiligung aufgrund von gefühltem Unbehagen („taste-based
discrimination“) und zum anderen die so genannte „statistische
Diskriminierung“, die eher auf zugeschriebenen ökonomischen
Hintergründen basiert. Da Migrantinnen und Migranten mit einer
statistisch höheren Wahrscheinlichkeit ein geringeres Einkommen haben, werden einer Person mit Migrationshintergrund
vielfach, sofern keine Informationen zu ihrer ökonomischen Lage
vorliegen, entsprechende Gruppenmerkmale zugeschrieben. Sie
wird somit als entsprechend „risikoreicher“ für die Vermietung
eingeschätzt (Auspurg et al. 2018: 2). Hingewiesen wird in der
Studie auf die Notwendigkeit, durch weitere Forschung zugrundeliegende Mechanismen von Diskriminierung genauer zu untersuchen und dabei unterschiedliche Anbietertypen und institutionelle Unterschiede in den Fokus zu rücken.
Dem widmet sich das vorliegende Forschungsprojekt auf der
Basis folgender Definition von Diskriminierung: Unter Diskriminierung kann die Verwendung von „kategorialen, das heißt
vermeintlich eindeutigen und trennscharfen Unterscheidungen
zur Herstellung, Begründung und Rechtfertigung von Ungleichbehandlung mit der Folge gesellschaftlicher Benachteiligungen
verstanden werden“ (Scherr 2016: 3). Dabei handelt es sich meist
um gesellschaftlich wirkungsmächtige Gruppenkonstruktionen,
deren Mitgliedern eine sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheidende kollektive Identität und bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Für das weitere Verständnis der vorliegenden Studie ist dabei zu betonen, dass Diskriminierung zum einen
eine direkte Folge von benachteiligenden Handlungen ist. Diese
als unmittelbare Diskriminierung bezeichnete Form umfasst Praktiken, die einen direkten Bezug zu Diskriminierungsmerkmalen
wie Geschlecht oder Religion haben. Hiervon können und sollten
Formen sogenannter mittelbarer Diskriminierung unterschieden
werden. Diese beruhen auf scheinbar neutralen Praktiken und
Vorgaben, die dennoch die Benachteiligung bestimmter Personenkategorien und sozialer Gruppen zur Folge haben (Scherr
2016). Als Beispiel kann hier der oben erwähnte Mischungsdiskurs dienen. Für die Analyse von Diskriminierungs- und Benachteiligungsstrukturen in verschiedenen gesellschaftlichen
Feldern – auch und insbesondere auf dem Wohnungsmarkt – ist
es demzufolge wichtig, für beide Formen der Diskriminierung
sensibilisiert zu sein sowie beide klar voneinander zu trennen.
So wird auch im Rahmen der hier vorliegenden Analyse deutlich, dass auch bei bereits weitreichenden Anstrengungen zur
Vermeidung unmittelbarer Diskriminierung, Formen der mittelbaren Diskriminierung persistent und gleichzeitig in hohem Maße
unbewusst sind.
Hinzu kommen Haushaltsverkleinerungen, welche ebenfalls die
Nachfrage nach Wohnraum erhöhen (Aring et al. 2016).
9
Die Meta-Studie verweist allerdings gleichzeitig auf einen international
beobachtbaren Rückgang der Diskriminierung zwischen den 1970ern
und 2014. Nicht in die Untersuchung einbezogen ist jedoch der Zeitraum nach 2014 und damit in Deutschland auch eine Phase der verstärkten Fluchtzuwanderung mit ihren Wirkungen auf Engpässe und
potentiell damit auch Verteilungskämpfe auf dem Wohnungsmarkt.
8
vhw 11
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
2.2.2 Die Rolle institutioneller
Wohnungsanbietender
Der Anteil institutioneller Wohnungsanbietender, die im Mittelpunkt dieses Forschungsprojektes stehen, variiert in Deutschland
regional sehr stark. Bundesweit macht er 34 Prozent des Mietwohnungsbestands bzw. 19 Prozent des Gesamtwohnungsbestands aus (BBSR 2017). Kommunale Bestände, deren Bedeutung
für die soziale Wohnraumversorgung bundesweit aktuell wieder
zunimmt, umfassen dabei rund zehn Prozent des Gesamtmietwohnungsbestands (Deutscher Bundestag 2017).
Die Vergabepraxis von Wohnraum ist bei institutionellen Anbietenden maßgeblich von ihren Zielbildern, ihren inneren Organisationsstrukturen und Routinen geprägt. Eine zentrale Rolle spielen
Sachbearbeitende im Bereich Vermietung, die als sogenannte
‚Gatekeeper‘ einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wem
in welchem räumlichen Segment eine Wohnung zugewiesen
wird (Barwick/Blokland 2014; Hanhörster 2019).
Der Politikwissenschaftler Michael Lipsky (1980) thematisiert mit
seinem Konzept der ‚street-level bureaucracy‘ den Gestaltungsspielraum von Sachbearbeitenden bei der Ausgestaltung von
Regeln und Verfahren. Als “street-level bureaucrats” bezeichnet
Lipsky (1980: 3) “public service workers who interact directly
with citizens in the course of their jobs, and who have substantial
discretion in the execution of their work”. Er betont mit seinem
Konzept die Kluft zwischen offiziellen Leitlinien einer Organisation (‚policy as written‘) und der konkreten Ausgestaltung im
Arbeitsalltag der Beschäftigten (‚policy as performed‘). Diese
Diskrepanz zwischen wohnungspolitischen Leitlinien und den tatsächlichen Selektionsstrategien, die individuell von vielen Sachbearbeitenden angewendet werden, ist auch in einer Übertragung
auf den Wohnungsmarkt deutlich wahrzunehmen. So verweisen
Barwick/Blokland (2014: 233) in diesem Zusammenhang auf
einen von der Wohnungswirtschaft zu leistenden Balanceakt:
Einerseits ermöglicht der beschriebene Gestaltungsspielraum eine
maßgeschneiderte und sensible Belegung, andererseits bietet
er Raum für Zuschreibungen und Diskriminierung entlang von
Wertvorstellungen des jeweiligen Sachbearbeitenden.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Entscheidungen für oder
gegen Mieterinnen und Mieter häufig entsprechend ihrer zugeschriebenen bzw. vermuteten ‚Passgenauigkeit‘ zur gegebenen Nachbarschaft getroffen werden (Hanhörster 2019; Tomlins
1997). Dazu gehören zum Beispiel die Migrantinnen und Migranten häufig zugeschriebenen Verhaltensweisen („zu viel Lärm,
zu viel Besuch“), das Berücksichtigen von Wünschen und Verhaltensweisen bereits im Bestand lebender Menschen („wir schützen
Migrantinnen und Migranten, da im Haus rechtsgesinnte Personen wohnen“/„wir achten die Wünsche deutscher Mieterinnen
und Mieter“), sowie (mangelnde oder unzureichende) Kenntnisse
der deutschen Sprache. So empfiehlt der GdW z. B. „persönliche
Einschätzungen [durch Sachbearbeitende] (...) als wertvolle Ergänzung und sinnvolles Korrektiv“ sowie die Einbindung von Bewohnerinnen und Bewohnern in die Belegungsentscheidungen
(GdW 2015a: 10). Ergebnis einer solchen selektiven Belegungspolitik ist jedoch zumeist die erschwerte Wohnraumversorgung
von ohnehin am Wohnungsmarkt benachteiligten Gruppen, u. a.
von Personen mit Migrationshintergrund (für Deutschland: ADS
12 vhw
Forschungsstand
2015, Barwick/Blokland 2014, Gestring et al. 2006, Hanhörster
2019, Planerladen 2014).10
Implizit oder explizit diskriminierende/selektive Verhaltensweisen
seitens der Vermietenden werden auch bei institutionellen Anbieterinnen und Anbietern in allen Phasen der Wohnungssuche
nachgewiesen. So können sich bereits bei einer telefonischen
oder schriftlichen Nachfrage – ungeachtet der sozialen Lage –
ein ausländischer Name oder der Status als geflüchtete/asylwerbende Person als nachteilig erweisen, wie einige Studien zeigen
(ADB 2017; BR/Spiegel 2017). Darüber hinaus kann es bei persönlichen Gesprächen und Wohnungsbesichtigungen aufgrund
äußerlicher Merkmale, wie z. B. des Tragens eines Kopftuchs, zur
Benachteiligung kommen.
Dabei wird deutlich, dass die Benachteiligung entsprechend nicht
nur einkommensschwächere, sondern auch ressourcenstarke
Haushalte und Migrantinnen und Migranten der zweiten und
dritten Generation betrifft (Barwick 2016; Hanhörster 2014).
Auch diejenigen, die einen sozialen Aufstieg erlebt haben und
sich als Teil der deutschen Gesellschaft sehen, werden aufgrund
ihrer sichtbaren oder erwarteten Differenz, z. B. bezüglich ihrer
Verhaltensweisen, diskriminiert. Die ethnische Zugehörigkeit
spielt bei der Zugänglichkeit von Wohnraum somit teilweise
eine gewichtigere Rolle, als der sozioökonomische Hintergrund.
Ethnische Diskriminierung und Diskriminierung aufgrund sozialer
Lage sind inzwischen annähernd gleichhäufig zu beobachten,
ethnische Diskriminierung ist jedoch häufiger mit Mehrfachdiskriminierung verbunden (ADS 2015). Auch in verschiedenen
Studien aus dem europäischen Ausland werden die äußerlich
sichtbare Differenz und fehlende Passgenauigkeit zwischen (erwünschter) kleinräumer Zusammensetzung eines Wohnungsbestands und Charakteristika der Mietsuchenden (‚matching‘)
als Ablehnungsfaktoren beschrieben (vgl. Tomlins 1997: 181).
Deutlich wird auch hier, dass in Übereinstimmung mit der oben
erwähnten Theorie von Lipsky (1980) bestimmte Stereotype das
Handeln von Angestellten beeinflussen und auf dieser Grundlage ein ‚social engineering‘, also eine gezielte Steuerung der
sozialen und ethnischen Belegungszusammensetzung erfolgt.
Wie im Folgenden illustriert wird, müssen sich Belegungspraktiken allerdings in gewissem Rahmen an den Anforderungen des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes orientieren.
2.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen: Schlupflöcher für Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Mit dem Jahr 2006 ist in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten und bietet damit einen
juristischen Referenzrahmen gegen Diskriminierung. Diskriminierung bezeichnet hierbei den Ausschluss von Personen aufgrund
ihrer (zugeschriebenen) Gruppenzugehörigkeit, z. B. ihrer ethnischen Herkunft. Das AGG ist allerdings – mit Ausnahme – mit
der Begründung eines Näheverhältnisses (AGG §19, Abs. 5) erst
10
Vgl. für Europa: Bernard/Ringelheim 2013, für Irland: Kilraine 2019;
für die Niederlande: Doff 2010; für England und Frankreich: Sala Pala
2013; für Österreich: Frey 2011; Schwarz 2014.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
bei Wohnungsbeständen eines Eigentümers/einer Eigentümerin
von mehr als 50 Wohnungen anwendbar. Eine Ausnahme stellen
Benachteiligungen aus Gründen rassistischer Zuschreibungen
und der ethnischen Herkunft dar, die auch bereits bei kleineren
Beständen mit Hilfe des Gesetzes verfolgbar sind (AGG §19,
Abs. 2). Darüber hinaus bietet das AGG für das ‚Massengeschäft
Wohnen‘ gewisse ‚Schlupflöcher‘. So wird in §19 Abs. 3 AGG
eine Ausnahme zur Ungleichbehandlung bei der Vermietung
von Wohnraum aufgrund der ethnischen Herkunft eingeräumt,
wenn dabei „sozial stabile Bewohnerstrukturen, ausgewogene
Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichene wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Verhältnisse“ geschaffen oder erhalten werden.
Dieser Zusatz wird vielfach jedoch fehlinterpretiert und seitens
der Wohnungsanbietenden mit dem Ziel einer ‚guten Mischung‘
als Rechtfertigung für den gezielten Ausschluss von Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund herangezogen.
Da das AGG in seiner gegenwärtigen Formulierung für den
Wohnungsmarkt nur eine begrenzte Reichweite hat, stellt seine
Umsetzung in diesem Handlungsfeld sowohl Wohnungsunternehmen als auch Antidiskriminierungsberatungen vor Herausforderungen. Erstere müssen unter Umständen konkurrierende
Ziele (Zugänglichkeit für alle Bevölkerungsgruppen vs. soziale
Stabilität von Siedlungsbeständen) abwägen. Zur „Schaffung
stabiler Bevölkerungsstrukturen“ sind im Sinne der EU-Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG) (Rat der Europäischen Union
2000) allerdings offiziell keine Quotierungen zulässig, die den
Anteil bestimmter sozialer Gruppen begrenzen. Zulässig hingegen sind Förderquoten z. B. zugunsten von Migrantinnen und
Migranten oder Geflüchteten (Liebscher/Klose 2017). Während
Ziele bzgl. Quotierungen zur Wohnraumvergabe an bestimmte
Bevölkerungsgruppen mittlerweile nur noch in Ausnahmen explizit benannt werden bzw. im Sinne positiver Diskriminierung
im Kontext wohnungspolitischer Steuerungsinstrumente umgesetzt werden, verweisen Antidiskriminierungsberatungsstellen
auf subtilere Formen der Benachteiligung und Diskriminierung,
die entsprechend schwer aufzudecken sind. Als Beispiel benannt
wird das gezielte Abraten von bestimmten Wohnungen mit dem
Verweis auf deren nicht familientauglichen Zuschnitt.
An dieser Stelle wird der Zusammenhang zwischen der Belegungspraxis und den lokalen Wohnungsmarktbedingungen
deutlich. So ist die erwähnte Abwägung konkurrierender Ziele
vor allem in stark angespannten Wohnungsmärkten, die im Fokus des vorliegenden Forschungsprojektes stehen, zu erwarten.
Während es in entspannten Wohnungsmärkten tendenziell zu
weniger Diskriminierung kommt, da aufgrund der geringeren
Nachfrage Wohnungen auch an Bewerberinnen und Bewerber
vermietet werden, die eigentlich nicht den „Wünschen entsprechen“ (ADS 2015: 26), ermöglicht eine angespannte Marktsituation eine freie und damit gezieltere Auswahl von Mietparteien
(ADS 2015; Planerladen 2014; Auspurg et al. 2017).
In den letzten Jahren haben insbesondere einige größere Wohnungsunternehmen ein sogenanntes Diversitätsmanagement
eingeführt, das das Ziel einer Gleichbehandlung bzw. Chancengleichheit im Personalmanagement und beim Zugang zu
Wohnraum bzw. im Miteinander in der Nachbarschaft betont
(GdW 2015a). Dazu gehören z. B. die „unternehmenskulturelle
Öffnung gegenüber vielfältigen Kulturen“, die „Anpassung der
Mitarbeiterstruktur an die Struktur der Nachfrage“ sowie die
Forschungsstand
„Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf interkulturelle Kompetenzen“ (GdW 2015a: 46). Inwieweit diese strukturellen Veränderungen tatsächlich zu einem veränderten Bewusstsein und
neuen Praktiken der Wohnungsvergabe führen, ist jedoch bislang
in Deutschland nicht untersucht.
2.3 Städtische Governance
als Handlungsrahmen für die
Belegungs- und Vermarktungs
politiken im institutionellen
Wohnungsangebot
Die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellte Anspannung der Wohnungsmärkte hat in den letzten Jahren neue strategische Allianzen für die Wohnraumversorgung hervorgebracht.
Im Kontext der steigenden Neubautätigkeit und der Zunahme
kommunaler Vorgaben zur Partizipation vielfältiger Ziel- bzw.
Bedarfsgruppen werden dabei neue politische Impulse gesetzt.
Institutionell Wohnungsanbietende sind wichtige Beteiligte an
den in diesem Rahmen notwendigen Kommunikations- und Aushandlungsprozessen zwischen öffentlichen, privaten und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren (Grzesiok 2018; Mayntz
2009; Sack 2014; Schuppert 2015).
Diese strategischen Allianzen setzen den bereits Ende der 1990er
Jahre einsetzenden Paradigmenwechsel von ‚Government‘ zu
‚Governance‘11 fort, der sich auch in Prozessen der integrierten
Stadt- und Quartiersentwicklung niedergeschlagen hat. Die städtische Governance (engl. Urban Governance) bzw. quartiersbezogene Governance (Schnur/Drilling 2009; Mayntz/Scharpf 1995)
gewinnt dabei angesichts der fortgesetzten Ausdifferenzierung
der (städtischen) Gesellschaft und lokaler Migrationsregimes weiter an Bedeutung. Dies äußert sich in der zunehmenden Vielfalt
von Formen der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure im Umgang mit der
wachsenden Komplexität von Aushandlungsprozessen und ggfs.
bei der Problemlösung (Gesemann/Roth 2018; Grzesiok 2018;
Kooiman 2003; Sack 2014).
Im Kontext dieser Studie wird städtische Governance als flexibles Steuerungs- und Verhandlungsmodell verstanden, das auf
der Basis einer Ent-Hierarchisierung und Informalisierung von
Regierungsstrukturen effektiver auf komplexe Prozesse kollektiven Handelns in verschiedenen Akteurskonstellationen und
Governance-Arenen reagieren kann.12 Im Fokus stehen dabei
‚Government: Regieren‘ im Sinne hierarchischer Festlegung staatlichen
Handelns durch die staatlichen Institutionen und ihre Regelwerke (vgl.
Benz/Dose 2010). Governance: Öffnung von Staat und Verwaltung
hin zu einer prozessorientierten Steuerung, in der Staat, Markt und
zivilgesellschaftliche Selbstorganisation, soziale Netzwerke und Gemeinschaften als institutionelle Regelungsformen gesehen werden,
die in variablen Kombinationen zusammenarbeiten (vgl. ebd.).
12
Zum Begriff der Governance existiert eine große Breite an politikwissenschaftlichen und raumwissenschaftlichen Definitionen (Ausgewählte
Literatur: Borchard 2010, Einig et al. 2005, Keim 2003, Kooiman 2003,
Mayntz 2006, McCann 2017, Nuissl/Heinrichs 2006, Sack 2013/2014).
11
vhw 13
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
institutionelle Regelsysteme und die Formen formeller und informeller Zusammenarbeit im Spannungsfeld zwischen Kommunen,
Wohnungsunternehmen und Zivilgesellschaft (Grabher 1993).
Dabei können fünf Governance-Arenen im Zusammenspiel von
Quartiersentwicklung und Wohnraumversorgung benannt werden, die die Belegungs- und Vermarktungsstrategien von institutionellen Wohnungsanbietenden beeinflussen und somit auch
eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Strategien im
Umgang mit Zuwanderung und möglichen Verteilungskonflikten
darstellen:
1)
Agenden und Programme zur sozialen Nachhaltigkeit auf
europäischer und Bundesebene (Habitat III, Urbact II, Leipzig Charta, Soziale Stadt, Charta der Vielfalt etc.) sowie
Partizipationsleitlinien in der Stadtentwicklung, die zunehmend den Einbezug von Diversitäts-Merkmalen der Zielgruppen einfordern,
2)
integrations- und antidiskriminierungspolitische Konzepte
und deren rechtliche Rahmenbedingungen (Ausländerrecht, Asylrecht, Integrationsgesetz, AGG) und Zielsetzungen auf Bundes- und lokaler Ebene,
3)
wohnungspolitische Zielsetzungen und strategische Allianzen auf lokaler Ebene (Mietenbündnisse, Bündnisse für
Wohnen im Quartier, Konzeptverfahren im Kontext neuer
Bodenpolitiken, Steuerung der kommunalen Unternehmen
und Verhandlung von Zielbildern),
4)
unternehmens- bzw. rechtsformbezogene Rahmenbedingungen der verschieden institutionellen Wohnungsanbietenden (kommunale Wohnungsunternehmen, private
Wohnungsunternehmen, Wohnungs(bau)genossenschaften, ökonomische Governance, Corporate Social Identity)
sowie
5)
fachliche und ggfs. förderprogrammbezogene Rahmenbedingungen der Kooperationspartnerinnen und -partner auf
Quartiersebene (Bildungsinfrastruktur, Soziale Infrastruktur/
Träger, Initiativen, ehrenamtliche Unterstützerinnen und
Unterstützer etc.).
Diese Governance-Arenen bilden einen analytischen Hintergrund
für die Analyse der lokalen Fallstudien. Dabei ist von besonderem
Interesse, welche neuen Formen der horizontalen und vertikalen
Zusammenarbeit in vielen Kommunen und konkret auf Quartiersebene entstanden sind, insbesondere im Hinblick auf fluchtbedingte Migration.
Ein Beispiel dafür sind die in vielen Politikbereichen bereits etablierten ‚Runden Tische‘, die unter Beteiligung verschiedener
Akteurinnen und Akteure des Wohnungsmarkts vermehrt auch
zu Fragen der Wohnraumversorgung Geflüchteter zum Einsatz
kommen. Voraussetzungen für den Umgang mit informellen
Formaten dieser Art sowie neuen Partnerinnen und Partnern
in Dialog- und Entscheidungsprozessen ist die Bereitschaft der
etablierten Institutionen, sich trotz hohen Handlungsdrucks auf
eine konstruktive Interaktion mit allen Beteiligten einzulassen.
Wo dies bereits geleistet wird, zeigt sich, dass die aktuelle Zuwanderung insbesondere im Kontext der städtischen und quar14 vhw
Forschungsstand
tiersbezogenen Governance eine wichtige Chance bietet, neue
Formen der Zusammenarbeit zu etablieren (Hans et al. 2016).
Beim Neubau und der Nachverdichtung von Wohnquartieren
begeben sich Kommunen, Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft auf neue Wege der Stärkung insbesondere der von Migration besonders geprägten Stadtteile und ihrer sozialen Infrastrukturen. Beispiele dafür sind integrationspolitisch beeinflusste
Strategiekonzepte und Leitbilder für die Stadtentwicklung oder
auch die gezielte Gestaltung von Ankunftsorten in der Sozialen
Stadt für Geflüchtete, wie es in Berlin z. B. im Umfeld von Gemeinschaftsunterkünften oder temporären Wohnangeboten mithilfe des Programms „Berlin entwickelt neue Nachbarschaften“
(BENN) (für mehr Informationen, siehe Kapitel 6.2) angestrebt
wird. In beiden Handlungsfeldern ist die aktive Kooperation mit
Wohnungsunternehmen eine Gelingensbedingung. Darüber hinaus zeigt das Berliner Beispiel, dass das integrationspolitische
Klima ein wichtiger Einflussfaktor für die Kooperationsbereitschaft mit und das Engagement von Intermediären und der
Zivilgesellschaft ist.
2.3.1 Wohnen als Bestandteil
von Diversitäts- und Integrations
konzepten
Wohnen als Bestandteil von Diversitätskonzepten zu betrachten,
stellt sich nicht nur für die Wohnungsunternehmen als Herausforderung dar, sondern auch für viele Kommunen. Im Kontext des
Nationalen Integrationsplans von 2007, des Nationalen Aktionsplans Integration von 2011, des integrationspolitischen Engagements der Kommunalen Spitzenverbände, der Umsetzung des
Programms Soziale Stadt und zahlreicher weiterer Programme
wurde daher unterstützt, dass deutsche Kommunen sich bestimmten integrationspolitischen Standards nähern konnten. Inzwischen verfügen 90 Prozent der deutschen Städte mit mehr
als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern über ein Integrationskonzept (Krüger 2016), das meist Teil der freiwilligen
Selbstverwaltungsaufgaben ist (Schammannn 2017; Filsinger/
Gesemann 2017). Im Kontext der entsprechenden Aktionspläne
und Förderprogramme entstanden thematisch fokussierte lokale
Governance-Arenen auf städtischer und auf Quartiersebene. Wie
diese ausgestaltet werden, ist beeinflusst von regionaler Lage,
sozioökonomischer Situation, Bevölkerungszusammensetzung,
Stadt- und Quartierstypus (Groß-, Mittel- oder Kleinstadt), vom
Vorhandensein von Institutionen zur Förderung von Integration
und aktuell auch von den Verteilungspolitiken für Geflüchtete
(Schnur/Drilling 2009; Kirchhoff/Reimann 2015; Schammann
2017).
Eine bundesweite aktuelle Analyse kommunaler Integrationskonzepte ergab jedoch, dass nur die Hälfte dieser Konzepte das
Wohnen im Kontext von Integration thematisiert (Krüger 2016).
Wo das Wohnen explizit benannt wird, ist das Themenfeld ein
Baustein unter vielen in der sozialraumorientierten Stadtentwicklung. Als Instrumente werden dabei z. B. die Förderung
interkultureller Kompetenz von Beschäftigten institutioneller
Wohnungsanbietender, ein gezieltes Belegungsmanagement,
das einer ethnischen Segregation entgegenwirkt oder die Förderung von Eigentumsbildung bei Migrantinnen und Migranten
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
benannt (Krüger 2016: 8). Vor diesem Hintergrund erscheint es
insgesamt zielführend, für die Analyse des aktuellen Zusammenspiels kommunalen Handelns im integrations- und wohnungspolitischen Bereich eine Mehrebenenperspektive einzunehmen
(Schammann 2017). Dies erlaubt, sowohl die Verschränkung
von kommunaler Ebene und Quartier in der Zusammenarbeit
mit Wohnungsunternehmen zu betrachten als auch die Handlungsspielräume, die durch die Verbindung von wohnungs- und
integrationspolitischen Zielsetzungen entstehen können.
2.3.2 Verhandlung von Diversität
auf der Ebene von Quartier und
Wohnungsunternehmen
Das Quartier erfährt in den oben beschriebenen kommunalen
Spannungsfeldern auf integrations- und wohnungspolitischer
Ebene eine Bedeutungszunahme (Zapata-Barrero/Caponio/Scholten 2017). Auf dieser Ebene spielt die oben erwähnte Belegungspraxis, bzw. das Sozialmanagement der institutionellen Wohnungsanbietenden eine Schlüsselrolle. Entsprechende Strategien
äußern sich in der Priorisierung bestimmter Bedarfsgruppen bei
der Wohnungsvergabe, beim Umgang mit Konflikten/Konkurrenzen zwischen der aufnehmenden Gesellschaft/Nachbarschaft und
Neuzugewanderten, in der Konfliktvermittlung auf kleinräumiger
Ebene in Zusammenarbeit mit Intermediären oder dabei, zusätzliche soziokulturelle Infrastruktur und lokale Selbstorganisation
in ihren Beständen zu fördern. Die Unternehmen werden in
ihrem Handeln dabei in höherem Maße als in den letzten beiden
Jahrzehnten von wohnungspolitischen Vorgaben und damit verbundenen Bündnis- und Regelstrukturen beeinflusst, wie z. B.
den lokalen Mietenbündnissen oder (im Fall kommunaler Wohnungsunternehmen) spezifischen Vergaberichtlinien (Grzesiok
2018). Mit diesen verfolgen die Kommunen – zunehmend unter
Druck von oder in Kooperation mit mietenpolitischen Akteurinnen und Akteuren – im Sinne einer systemischen Integration
aller Bevölkerungsgruppen das Ziel, den Zugang zu bezahlbarem
Wohnraum und damit gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Seit
2015 werden diese Bündnisse ebenfalls in höherem Maße mit
wohnungs- mit integrationspolitischen und punktuell auch mit
wohnungs- mit antidiskriminierungspolitischen Zielsetzungen
verknüpft (BBSR 2017; Grzesiok 2018; Schnur 2018). Eine governance-orientierte Analyse der Belegungspraxis institutioneller
Wohnungsanbietender und ihrer quartiersbezogenen Ansätze
zur Integration von Migrantinnen und Migranten bietet sich in
diesem Kontext aus folgenden Gründen an:
Forschungsstand
stattfindet. Zudem verweisen sie darauf, dass die Einbindung
von institutionellen Wohnungsanbietenden in kommunale und
quartiersbezogene Governance-Strukturen eine zentrale Rolle
für die öffentliche Handlungsfähigkeit insbesondere in sozial benachteiligten/benachteiligenden Gebieten spielt.
Gleichzeitig kommt jedoch Kritik zum Ausdruck, dass dabei
eine Verlagerung staatlicher Verantwortung auf private (u. a.
Wohnungsanbietende) und zivilgesellschaftliche Akteurinnen
und Akteure erfolgt (Schnur/Drilling 2009; Einig et al. 2005;
Mayntz 2009). Kritikerinnen und Kritiker warnen vor negativen
Folgen, wie der Selektivität von Belegungsprozessen und deren
Effekte auf der Quartiersebene. Diese kritische Sicht wird in
Untersuchungen, die sich speziell mit einem Verständnis von
kommunaler Wohnungspolitik als Element von städtischer oder
quartiersbezogener Governance beschäftigen, bisher – mit wenigen Ausnahmen - eher vernachlässigt (Borchard 2010; Grzesiok
2018). Einige Studien zeigen hingegen die positive und stabilisierende Wirkung eines differenzierten Wohnungsangebots für Migrantinnen und Migranten auf (Dill/Jirjahn 2014; Reimann 2018).
Bis dato existieren wenige Forschungsarbeiten, die konkret die
Vergabe- und Marketing-Strategien sowie Veränderungen im
Sozialmanagement und den lokalen Kooperationsbeziehungen
analysieren, die institutionelle Wohnungsanbietende als Reaktion
auf Zuwanderung und steigende Diversität entwickeln. Ein weiteres Forschungsdesiderat besteht darin, Erkenntnisse dazu zu
gewinnen, wie die Unternehmen aktuelle integrationspolitische
Anforderungen in unterschiedlichen städtischen Kontexten und
Governance-Strukturen beantworten (Gesemann/Roth 2018;
BBSR 2017; Reimann 2018). Die in diesem Forschungsprojekt
durchgeführten Fallstudien in Berlin, Hamburg, Düsseldorf (und
darüber hinaus internationale Erfahrungen in Frankreich, den
Niederlanden und Österreich) sollen somit aufzeigen, ob und
wie unterschiedliche Governance-Strukturen in den Städten und
Quartieren dazu beitragen, innovatives Handeln der lokalen institutionellen Wohnungsanbietenden im Umgang mit Diversität
zu fördern.
Politik- und sozialwissenschaftliche Forschung insbesondere der
Forschungseinrichtungen des Bundes (BBSR), der kommunalen
Spitzenverbände (Difu, KGSt) und der Forschungsbereiche der
wohnungswirtschaftlichen Interessenverbände beschäftigt sich
seit fast zwei Jahrzehnten mit dem Steuerungsverständnis von
Integrationsansätzen auf Quartiersebene. Institutionelle Wohnungsanbietende werden in diesen Untersuchungen als ‚starke
Partner‘ z. B. der Sozialen Stadt benannt (BBSR 2017; Difu 2015;
GdW 2015a; Hallenberg 2017; Schader-Stiftung 2010; vhw
2009). Diese Studien machen nachvollziehbar, dass die Verhandlung von Diversität auf gesamtstädtischer wie Quartiersebene sehr unterschiedlich ausgeprägt ist und wie oben beschrieben in einer Vielfalt dynamischer Governance-Strukturen
vhw 15
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
3
Methodik
Die Grundlage der empirischen Erhebung im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes bildet in einem ersten Schritt eine
ausführliche Literatur- und Dokumentenanalyse zur Wohnraumversorgung und sozialräumlichen Integration von Migrantinnen
und Migranten.
Im Anschluss an die Auswertungen wurden bundesweit leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten aus
Wohnungswirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft
durchgeführt. Ziel der Gespräche war es, unterschiedliche Perspektiven zu dem Thema zu erfassen. Um einen direkten Zugang für die bundesweite Erhebung sicherzustellen, wurden
zunächst Interviews mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
aus Kommunalverbänden, wohnungswirtschaftlichen Verbänden
und einem wohnungspolitisch aktiven Wohlfahrtsverband durchgeführt. Weiterhin fanden in dieser Phase Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den für das Handlungsfeld relevanten Forschungsinstitutionen statt.13 Ausgehend
von den in diesem Kontext gewonnen Erkenntnissen und der
Literaturanalyse wurden die weiteren Interviewpartnerinnen und
-partner für die folgende Interviewphase ausgewählt. So konnte
die Expertise aus relevanten Fachverwaltungen, kommunalen
bzw. Landeswohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, MSOen und zivilgesellschaftlichen Initiativen in die
Studie einbezogen werden. Insgesamt wurden 29 Interviews
durchgeführt, davon fünf Gruppeninterviews und 24 Einzelinterviews.14 Es wurden insgesamt 38 Personen interviewt, darunter
14 Frauen. Die Mehrzahl der Interviews wurde face-to-face geführt, einige Interviews fanden telefonisch statt.
Die räumliche Bezugsebene der Interviews variierte entsprechend
den Handlungsfeldern der verschiedenen Akteurinnen und Akteure. So beziehen sich die Vertreterinnen und Vertreter der
befragten MSOen „Türkische Gemeinde in Deutschland“ und
„Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“ in ihren Einschätzungen
auf das gesamte Bundesgebiet, der Fokus der der Arbeit der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ liegt hingegen auf
Berlin. Methodisch relevant ist hier, dass insgesamt nur wenige
MSOen eine explizite wohnungspolitische Position einnehmen.
Die Kommune bzw. der Stadtstaat stellt die räumliche Bezugsebene der Tätigkeit aller anderen Interviewten dar.
16 vhw
Methodik
Mit Blick auf die Passgenauigkeit der Ergebnisse für die Bearbeitung der Fallstudien in Berlin, Düsseldorf und Hamburg wurden
mit Ausnahme eines genossenschaftlichen Wohnungsunternehmens in Kempten ausschließlich Akteurinnen und Akteure in
Großstädten bzw. in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg
für die Interviews ausgewählt. Mit dem für die Studie gewählten
Interview-Sample wurden überwiegend angespannte, jedoch
auch einige weniger angespannte Wohnungsmärkte in Westund Ostdeutschland erfasst. In allen ausgewählten Städten/
Stadtstaaten gibt es Erfahrungen mit Zuwanderung, wobei die
Anteile der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in den ausgewählten westdeutschen Städten deutlicher höher als in den
ostdeutschen Städten liegen.15 Für die Auswahl der ostdeutschen
Städte war ausschlaggebend, dass sie über eine wachsende Bevölkerung und mit den westdeutschen Städten vergleichbare
strukturelle Voraussetzungen für die Wohnraumversorgung von
Migrantinnen und Migranten verfügen (z. B. Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Bündnisse oder Kooperationsvereinbarungen zur Wohnraumversorgung Geflüchteter, Inanspruchnahme/
Entwicklung von Wohnungsbauförderprogrammen zur sozialen
Wohnraumversorgung, Entwicklung kommunaler Steuerungsinstrumente im Handlungsfeld).16
13
14
15
Diese Interviews mit den Mulitplikatorinnen und Multiplikatoren und
wissenschaftlichen Agierende wurden von den verantwortlichen
Wissenschaftlerinnen der Forschungspartner ILS und UrbanPlus gemeinsam durchgeführt, die folgenden Interviews wurden jeweils von
einem der beiden Forschungspartner durchgeführt.
Diese verteilten sich wie folgt auf die verschiedenen Gruppen:
Kommunalverbänden (2), wohnungswirtschaftliche Verbände (3),
Forschung (4), Fachverwaltungen in den Bereichen soziale Wohnraumversorgung und Integration (7), Wohnungswirtschaft (7) und
zivilgesellschaftliche Organisationen bzw. Verbände (6).
Interviews in angespannten oder teilräumlich angespannten Wohnungsmärkten wurden in München, Stuttgart, Frankfurt am Main,
Offenbach, Hamburg, Bremen, Potsdam und Leipzig geführt; Interviews in weniger angespannten Wohnungsmärkten adressierten Akteurinnen und Akteure in Augsburg, Kempten, Nürnberg, Lübeck,
Kiel und Cottbus.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Die Interviews, die rund 1-1,5 Stunden dauerten, folgten einem
Leitfaden mit sechs Kernfragen sowie einer Reihe von Vertiefungsfragen, die entsprechend der unterschiedlichen Arbeitskontexten der Interview-Zielgruppen modifiziert wurden. Die
Kernfragen lauteten:
1.
Vor welchen Herausforderungen stehen die kommunalen,
privaten und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen
bei der Wohnraumversorgung und Integration von Migrantinnen und Migranten (insbesondere von Geflüchteten)?
2.
Welche Belegungspolitiken und -instrumente nutzen die
kommunalen, privaten und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in diesem Kontext, mit welchen Zielen
und Effekten?
3.
Was bedeutet „faires Vermieten“, wie hängt dies mit Diversitätsmanagement zusammen und wie wird es nachvollziehbar für Außenstehende?
4.
Welche Veränderungen in den internen Strukturen/in den
Alltagsaufgaben von Wohnungsunternehmen bringt die
wachsende Anforderung mit sich, zur Wohnraumversorgung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund?
5.
Wie können die Kommunen die Wohnungsunternehmen
(u. a. vor dem Hintergrund ihrer verschiedenen Gesellschaftsformen) durch neue Steuerungsformen auf kommunaler oder Quartiersebene unterstützen, unter Beteiligung
von Politik, Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft?
6.
Welches sind zentrale zukünftige Herausforderungen und
notwendige Schritte, um die Zugänglichkeit von Wohnraum für Migrantinnen und Migranten zukünftig weiter zu
verbessern? Was braucht es hierfür seitens der unterschiedlichen Beteiligten, insbesondere der Wohnungswirtschaft?
Die Befunde aus den Interviews wurden entlang zentraler Thesen
aufbereitet. Auf Basis der Interviewergebnisse sowie der in der
Folge der Interviews erweiterten Literaturauswertung wurden
darüber hinaus zwölf Steckbriefe zu Beispielen „Guter Praxis“ in
kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen
sowie Kommunen erstellt (siehe Anhang).
Für die Kurzdarstellung von Vergabepraktiken und Mischungsstrategien in den Niederlanden, in Frankreich und Österreich
wurden im Rahmen dieser Studie keine empirischen Erhebungen
durchgeführt. Sie basieren überwiegend auf vorangehenden
Forschungsarbeiten der Autorinnen dieser Studie sowie von Dr.
Christine Barwick (Centre Marc Bloch, Berlin) als weiterer Expertin im Forschungsfeld.
Die anschließende Wahl der drei Fallstudien für eine tiefergehende Analyse – Berlin, Düsseldorf und Hamburg – erfolgte im
Sinne eines ‚most-similar designs‘ (Jahn 2011) zugunsten von
Städten, die deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen, um damit
eine Erklärung von Unterschieden in der Wirkungsweise ihrer Governancestrukturen zu erleichtern. Eine wichtige Gemeinsamkeit
sind die in diesen drei Städten bzw. Stadtregionen zunehmend
Methodik
angespannten Wohnungsmärkte. Alle drei Fallstudienstädte sind
darüber hinaus schon seit Jahrzehnten von Migration und zunehmender Diversität geprägt. Die Fluchtzuwanderung der letzten
Jahre trifft dabei auf besondere Engpässe in der quantitativen
und qualitativen langfristigen Wohnraumversorgung. Bezüglich
der Governancestrukturen weisen die Untersuchungsgebiete jedoch Unterschiede auf, denn die drei untersuchten Städte sind
mit ihrer räumlichen Lage in unterschiedlichen Bundesländern
von unterschiedlichen (Wohnungs-) Politiken und lokalen Umgangsstrategien mit Diversität geprägt.
Zur Analyse der Belegungspraxen in den drei Städten wurden
neben einer ausführlichen Dokumentenanalyse zu den zentralen
Charakteristika und Prozessen der Wohnungsmärkte in jeder Fallstudie Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener
institutioneller Wohnungsanbieter – städtisch, privatwirtschaftlich
sowie genossenschaftlich – geführt. Im Fokus dieser insgesamt
47 Einzel- und teilweise Gruppeninterviews standen unternehmerische Ziele im Umgang mit Diversität und ihre Umsetzung,
Belegungsstrategien und Priorisierung von Bedarfsgruppen sowie
sozialräumliche Kooperationen und Umgangsformen mit nachbarschaftlichen Konflikten. Darüber hinaus wurden in insgesamt
28 Interviews Akteurinnen und Akteure aus Politik und Verwaltung, wohnungswirtschaftlichen Verbänden, Zivilgesellschaft und
Forschung auf Landes- und kommunaler Ebene (Antidiskriminierungsbüros und -Beratungsstellen, Wohnungsämter, Mietervereine, NGOs, Migrantenorganisationen etc.) ebenfalls zum Status
Quo und zu den Bedarfen am Wohnungsmarkt, der lokalen
Beratungslandschaft sowie sozialräumlichen Kooperationen befragt17. Auch die Interviews in den drei Fallstudienstädten orientierten sich somit an den bereits benannten Kernfragen, die für
die Analyse auf Bundesebene im Fokus der Interviews standen.
Insgesamt wurden somit 81 Interviews geführt, die die empirische
Basis der vorliegenden Studie bilden. Darüber hinaus wurden die
Ergebnisse der Einzelinterviews im Laufe der empirischen Analyse in drei fallstudienbezogenen Fokusgruppen mit insgesamt
29 Teilnehmenden rückgekoppelt und gemeinsam diskutiert.
Vorläufige Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden in der
fachöffentlichen Veranstaltung „Mangel fair verwalten? Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten“ im Juni 2019
in Berlin zur Diskussion gestellt. Ergebnisse dieses Fachdialogs
wurden in den Abschlussbericht der Studie einbezogen.
Wesentliche Meilensteine wurden darüber hinaus im gesamten
Forschungsprozess im Team der beiden beteiligten Institute diskutiert. Dies erfolgte in Telefonkonferenzen sowie in mehrmaligen gemeinsamen Arbeitssitzungen. Der Projektstand wurde
im Projektverlauf darüber hinaus regelmäßig mit dem Auftraggeber rückgekoppelt. Beide Formen der Reflexion des eigenen
Forschungsstandes haben sich für den Projekterfolg als sehr
gewinnbringend erwiesen.
16
17
Zur spezifischeren Situation von Klein- und Mittelstädten vgl. Reimann et al. 2018.
Eine Vergleichbarkeit wird jedoch dadurch leider etwas erschwert,
dass in Hamburg ein Interview weder mit dem großen städtischen
Wohnungsunternehmen noch mit der Behörde für Stadtentwicklung
und Wohnen möglich war.
vhw 17
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Herausforderung und gute Praxis
4 Belegungs- und
iversitätspolitik in
D
Deutschland:
Herausforderungen
und gute Praxis
4.1
Einleitung
Ziel dieses – bundesweit orientierten – Forschungsbausteins
ist es, die wesentlichen Heraus-forderungen zu identifizieren,
die institutionelle Wohnungsanbietende und andere im Handlungsfeld relevante Akteurinnen und Akteure aktuell bei der
Wohnraumversorgung und sozialräumlichen Integration von
Menschen mit Migrationshintergrund wahrnehmen. Dabei werden Beispiele unterschiedlicher Strategien der Belegungspolitik und des institutionellen Wandels18 der Diversitätspolitik von
Wohnungsunternehmen dokumentiert und regionalspezifische
Herausforderungen und gute Praxis identifiziert und genauer
ergründet. Zu welchen Lösungsansätzen greifen die Akteurinnen und Akteure, welche Handlungsspielräume können genutzt
werden? In einer akteursübergreifenden Perspektive werden die
Rollen verschiedener für die Wohnraumversorgung verantwortlicher Akteurinnen und Akteure betrachtet. Im wohnungswirtschaftlichen Bereich werden kommunale, genossenschaftliche
und privatwirtschaftliche Unternehmen in den Blick genommen
und der Frage nachgegangen, wie diese ihre Kooperations- und
Vernetzungsstrukturen mit den Kommunen, Intermediären und
anderen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren gestalten. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei die praktizierten
Belegungsstrategien: Welche Instrumente kommen zum Tragen
und ggfs. welche Mischungsstrategien? Setzen die verschiedenen Anbietenden ein Diversitätsmanagement im Unternehmen
ein? Was bedeutet „faires Vermieten“ für welche Akteurinnen
und Akteure und wie wird es gelebt?
18 vhw
Im Zentrum des Kapitels stehen die Analyse und wissenschaftliche Einordnung der empirischen Ergebnisse. Auch fließen hier
Strategien und Projekte ein, die als ‚gute Praxis‘ im konkreten
Umgang mit den genannten Herausforderungen bewertet wurden (siehe dazu auch Steckbriefe im Anhang).19 Mit dem Ziel,
Alternativen zu den in Deutschland etablierten Praktiken zur
Wohnraumversorgung und Integration von Migrantinnen und
Migranten aufzuzeigen und zu diskutieren, wird anschließend
Einblick in entsprechende Vergabepraktiken und Mischungsstrategien in den Niederlanden, in Frankreich und Österreich
gegeben (4.3).
18
19
Um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ‚fair zu verwalten‘ bedarf es bei den Kommunen wie den Wohnungsunternehmen eines
institutionellen Wandels im Sinne einer kritischen Überprüfung und
diversitätsorientierten Veränderung innerer Organisationskulturen,
Organisationsstrukturen und Verfahren (Schiller-Merkens 2008).
‘Gute Praxis’, die für das Handlungsfeld relevant, aber nicht unmittelbar den sonstigen empirischen Befunden zuzuordnen ist, findet
sich in Anhang 1. Die Darstellung ‚guter Praxis‘ erhebt dabei keinen
Anspruch auf Vollständigkeit.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
4.2 Herausforderungen und
gute Praxis bei der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen
Integration von Migrantinnen und
Migranten
Die Analyse der in den Expertinnen und Experten benannten
Herausforderungen und Lösungsansätze belegt die Katalysatorenfunktion, die die Zuwanderung und Wohnraumversorgung
Geflüchteter für die (Weiter-)Entwicklung institutioneller Praktiken von Wohnungsunternehmen (und anderen für die soziale
Wohnraumversorgung verantwortlichen Akteurinnen und Akteure) haben kann. Gleichzeitig wird deutlich, in welchen Spannungsfeldern sich aktuell entscheidet, ob Migrantinnen und Migranten Zugang zu Wohnraum erlangen. Im Verlauf der Analyse
bestätigte sich, dass die Quantitäten verfügbaren Wohnraums
nicht das allein ausschlaggebende Kriterium für die Zugänge
von Menschen mit Migrationshintergrund zum Wohnungsmarkt
darstellen. Vielmehr bestimmen Mischungsstrategien auf der
Quartiersebene und kleinräumiges ‚social engineering‘ mit dem
Ziel „sozial stabiler Bewohnerstrukturen“ sowie persönliche Zuschreibungen zum Wohnverhalten von Migrantinnen und Migranten die Frage des Zugangs maßgeblich mit.
In den folgenden Abschnitten dieses Unterkapitels werden zunächst zentrale Herausforderungen in der Verfügbarkeit und
Zugänglichkeit des Wohnungsmarktes analysiert (4.2.1). Dem
folgen eine Auseinandersetzung mit sozialräumlichen Strategien und Belegungsmanagement von Wohnungsunternehmen
(4.2.2) und den unterschiedlichen Perspektiven von Wohnungsunternehmen und Zivilgesellschaft auf ‚faires Vermieten‘ (4.2.3).
Abschließend werden Governancestrukturen dargestellt, die für
die soziale Wohnraumversorgung v. a. geflüchteter Menschen
relevant sind (4.2.4).
4.2.1 Zentrale Herausforderungen
in der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit des Wohnungsmarktes
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum stellt die zentrale
Hürde für die Wohnraumversorgung von Menschen mit
Migrationshintergrund dar. Neben der Verfügbarkeit geht
es jedoch auch um eine Priorisierung bei der Vergabe verfügbaren Wohnraums, die derzeit insbesondere Migrantinnen und Migranten benachteiligt.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird von der Mehrzahl
der befragten Akteurinnen und Akteure als größte Herausforderung und gleichzeitig Ausgangspunkt jeder Auseinandersetzung
mit der Aufgabe der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen
Integration von Migrantinnen und Migranten gesehen. Es geht
also – so die Feststellung etlicher Interviewpartnerinnen und
-partner – um eine „faire Verwaltung von Mangel“. Betroffen
von der Mangelsituation sind vor allem städtische Ballungsräume.
Diese Wahrnehmung entspricht den Befunden, die sich in aktuellen fach- und wohnungspolitischen Diskursen abbilden (GdW
2015a/2018, DV 2015, Schader-Stiftung 2017). Insbesondere
Herausforderung und gute Praxis
im Kontext der Wohnraumversorgung Geflüchteter – und damit
einer spezifischen Gruppe Zugewanderter – wird die wachsende
Diskrepanz sichtbar, die zwischen der Anzahl und Passfähigkeit
verfügbarer Wohnungen (auch in großen Beständen einzelner
institutioneller Anbietender) sowie dem aktuellen Bedarf sich
zunehmend diversifizierender Bedarfsgruppen für bezahlbaren
Wohnraum besteht. Hinsichtlich der mangelnden Passfähigkeit
von Wohnraum wird von kommunaler und wohnungswirtschaftlicher Seite das Fehlen großer familiengerechter Wohnungen in
den meisten Bestandsstrukturen hervorgehoben.20
Die Verknappung bezahlbaren Wohnraums resultiert aus dem
bundesweit kontinuierlichen Rückgang an Belegungsbindungen
sowie den marginalen Fluktuationsraten im sozialen Wohnungsbau und anderen bezahlbaren Marktsegmenten. Darüber hinaus
bleibt ungeachtet der in allen Bundesländern und Stadtstaaten
aufgelegten Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau die
Neubautätigkeit in diesem Marktsegment unzureichend. Daher
sind sich die befragten Akteurinnen und Akteure in der folgenden Einschätzung einig: „Das Hauptproblem ist die soziale Frage
[im Wohnungsbau], also der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, und nicht die Frage nach der Nationalität“ (IP04).
Bezogen auf die Herausforderungen, die sich durch die mangelnde Verfügbarkeit bezahlbaren/geförderten Wohnraums in
den Großstädten, und v. a. deren innerstädtischen Quartieren,
bei der Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten
stellen, unterscheidet sich die Wahrnehmung der verschiedenen
Akteursgruppen wenig. Da (insbesondere neuzugewanderte)
Migrantinnen und Migranten zwar nicht ausschließlich, aber
überwiegend, auf Zugang zu gefördertem Wohnraum angewiesen sind (Hallenberg et al. 2018, Hartung 2014, Reimann 2018),
werden neben dem Mangel an Wohnungen bzw. an Neubau
im geförderten Wohnraum weitere Faktoren benannt, die Herausforderungen für ihre Versorgung mit Wohnraum darstellen:
Der bundesweite Anstieg im Mietniveau führt zu zusätzlichen
Zugangsbarrieren und Wohnungsverlusten bzw. Barrieren für
einen Wohnungswechsel. Wohnungswirtschaftliche Verbände
beobachten, dass „der damit einhergehende Rückgang an Fluktuation dazu führt, dass institutionelle Wohnungsanbieter in
manchen Regionen kaum noch mit Angeboten auf den Markt
treten“ (IP24). Die Wohnraumversorgung für beim Marktzugang
benachteiligte Gruppen wird dadurch sowohl auf der Ebene der
kommunalen sozialen Wohnraumversorgung als auch auf der
Ebene individueller Wohnungssuche zusätzlich erschwert. Der
Bedarf einer beschleunigten Neubautätigkeit ist vor diesem Hintergrund unbestritten. Sie ist erklärtes Ziel aller hier beteiligten
kommunalen und wohnungswirtschaftlichen Akteurinnen und
Akteure und wird als Lösungsansatz für die Versorgungsengpässe
und als Potential für die Umsetzung von Strategien für eine soziale Mischung in Quartieren und „funktionierende Nachbarschaften“ gesehen. Der Begriff „funktionierende“ Nachbarschaften
wird dabei ebenso wie „gesunde“ Mischung von den befragten
Wohnungsunternehmen als handlungsleitende Zielstellung angegeben, ohne Kriterien zu definieren, was damit gemeint ist.
Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure weisen mit Blick auf
die langfristige Vermietbarkeit auf das Potential innovativer Wohnformen hin, wie z. B. Angebote zu Cluster-Wohnen und Wohnraum
mit flexiblen Grundrissen.
20
vhw 19
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Gleichzeitig beschreiben jedoch v. a. die kommunalen und wohnungswirtschaftlichen Akteurinnen und Akteure massive strukturelle Hürden in der Umsetzung von Neubauvorhaben. An erster
Stelle steht dabei die mangelnde Verfügbarkeit von Bauland als
Engpassfaktor für mehr bezahlbaren Wohnraum (BBSR 2017; bodenpolitische Fachdialoge, z. B. Netzwerk Mieten & Wohnen e. V.
2018). Weiter behindern steigende Baukosten und die Dauer von
Verfahren (z. B. Erstellung von Bebauungsplänen und Baugenehmigungen) zügigen Neubau. Befragte aus Kommunen und Wohnungsunternehmen weisen in diesem Kontext überwiegend auch
auf die Konkurrenz kommunaler und gemeinnütziger Wohnungsunternehmen mit privaten Investorinnen und Investoren um Baugrund hin, die als kaum mehr zu überwindende Hürde bewertet
wird. Strategisch wird hier auf Modelle der Konzeptvergabe anstelle einer ausschließlichen Vergabe an Meistbietende verwiesen,
die inzwischen bundesweit das Interesse der Kommunen findet.
Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, zum Teil auch der
Wohnungswirtschaft, benennen als Hürde für zügigen Neubau
weiter die Überforderung institutioneller Wohnungsanbietender, nach jahrzehntelang nicht erfolgter Bautätigkeit ‚ad hoc‘
große Neubauvolumen zu erstellen. Die geforderten Neubaugeschwindigkeiten sowie innovative bauliche Lösungen werden
aus der Perspektive der Wohnungswirtschaft und einiger Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen auch durch geltende
gesetzliche Vorschriften, Normen und Standards für Wohnen
(z. B. im Bereich von Barrierefreiheit, Energiestandards, Mindestraumgrößen, Brandschutz) erschwert bzw. gänzlich verhindert.
Als ein Beispiel unter vielen kann daher die Feststellung eines
genossenschaftlichen Akteurs, es fehle die „Möglichkeit, flexibler
mit Problemlagen umzugehen und mehr Unterstützung, auch bei
der „Umgehung“ von rechtlichen Vorschriften, die vielfach alles
nur verkomplizieren“ gewertet werden. Dies illustriert er mit dem
Beispiel, dass die Genossenschaft „z. B. keine Baugenehmigung
ohne Barrierefreiheit für ein Gebäude bekommen habe, das sie
für Geflüchtete bauen wollte. Die Vorschriften zur Barrierefreiheit
hätten dann aufgrund der Hanglage das Gebäude um ein Vielfaches verteuert und damit unrentabel gemacht“ (IP01).
Wo geförderter Neubau aktuell stattfindet, wird von den Wohnungsunternehmen aus Rentabilitätsgründen von einer Priorisierung benachteiligter Gruppen abgesehen, soweit nicht die
gewählte Wohnraumförderung oder kommunale Verträge oder
Mietenbündnisse entsprechende Quoten vorsehen. Die zu erfüllenden Quoten betreffen die Wohnraumversorgung von Menschen mit Berechtigung auf Wohnraum im geförderten Wohnungsbau, spezifische Bedarfsgruppen wie Alleinerziehende,
Migrationsgeschichte/Herkunft werden dabei jedoch nicht thematisiert. In einigen Neubauvorhaben mit sozialem Wohnungsbau wird zudem versucht, die Rentabilität durch den Tausch von
Belegungsbindungen zu erhöhen (IP16, IP24).
Prinzipiell haben Förderprogramme für sozialen Wohnungsneubau das Potential, strukturell passfähigen Wohnraum für bestimmte migrantische Milieus anzubieten, insbesondere wenn
sie explizit Wohnungsgrößen fördern, die den Bedarf großer
Familien decken: Die Stadt Leipzig z. B. hat mit der sächsischen
Wohnraumförderung, die explizit den Bau großer Wohnungen
unterstützt, seit Programmstart im Jahr 2017 bereits 21 Verträge
mit privaten Eigentümerinnen und Eigentümern, der Leipziger
Wohnungs- und Baugesellschaft, einer Genossenschaft und anderen Partnerinnen und Partnern geschlossen. Die in diesem
20 vhw
Herausforderung und gute Praxis
Kontext geförderten 261 Wohnungen weisen mit einem Fokus
auf große Wohnungen (mit fünf bis zu sieben Zimmern) einen
für den geförderten Wohnungsbau in Deutschland absolut untypischen Wohnungsschlüssel auf (Stadt Leipzig 2019). Die Relevanz eines solchen Ansatzes für die Wohnraumversorgung
von Migrantinnen und Migranten verdeutlicht die Aussage der
Leitung eines Wohnungsamts: „Also bei 6-7 Personenhaushalten
sind Wartezeiten von 5-6 Jahren durchaus nicht unüblich, eher
länger, und da sind natürlich kinderreiche Familie in ihrer Situation besonders betroffen“ (IP18). So führt die Verknappung von
bezahlbarem Wohnraum bei bereits länger in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten häufig dazu, in überbelegten
Wohnungen zu leben. Bei geflüchteten Familien führt sie dazu,
teils über Jahre hinweg in Erstunterkünften verbleiben zu müssen
und dies unter Umständen in unterschiedlichen Einrichtungen.
Eine Priorisierung der Wohnraumversorgung von Migrantinnen
und Migranten in Neubauprojekten findet überwiegend im Rahmen von Pilotprojekten zur Unterbringung Geflüchteter und auch
zur Wohnraumversorgung von Sinti und Roma statt.21 In diesem
Kontext werden z. B. serielle Konzepte für wohnungsähnliche
und wiedervermietbare Formen von Gemeinschaftsunterkünften
wie die „Modularen Unterkünfte“ (MUFs) in Berlin erprobt. Weitere Beispiele für mit Neubau verbundene Lösungsansätze sind
Wohnprojekte, in denen Geflüchtete und andere spezifische Bedarfsgruppen zusammenwohnen, wie beim „Wohnen für alle“ in
München, das Studierenden und Geflüchteten für eine begrenzte
Zeit Wohnraum bietet.
Die aktuelle Zuwanderung macht sichtbar: Nicht alle institutionellen Wohnungsanbietenden stellen sich der Heraus
forderung, zur sozialen Wohnraumversorgung von Mi
grantinnen und Migranten beizutragen.
Eine weitere Herausforderung, die nach Angabe aller Befragten
besteht, ist das unterschiedliche Maß, in dem sich die verschiedenen institutionellen Wohnungsanbietenden an der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen Integration von Migrantinnen
und Migranten beteiligen. Die Leitung eines Wohnungsamtes
sieht darin eine „Zweiteilung des Wohnungsmarktes“, in dem
v. a. marktführende private Wohnungsunternehmen sich aus
gesellschaftlicher Verantwortung, z. B. durch frühzeitige Rückzahlung von Darlehen, zurückziehen. „Es gibt diejenigen, die
meines Erachtens noch einen sozialen Auftrag verfolgen. Dazu
gehören vor allen Dingen die [Wohnungsanbieter; Anmerkung
der Autorinnen] mit städtischer Beteiligung, (…) und es gibt die
Privatgesellschaften, die sich – und das ist die andere Seite der
Wahrheit – auch massiv aus dem Markt der Sozialwohnungen
zurückziehen“ (IP18). Die Frage, welche individuellen oder gemeinsamen Herausforderungen es für institutionelle Wohnungsanbietende in diesem Kontext gäbe, beantwortet die Leitung
eines anderen Wohnungsamts entsprechend hart: „Es gibt er-
21
In NRW wurde ein entsprechendes Programm zur gezielten Förderung des Neubaus für die Zielgruppe Geflüchteter aufgesetzt. Dieses
wurde jedoch von einigen Kommunen bewusst nicht in Anspruch
genommen, um eine wohnräumliche Konzentration Geflüchteter zu
vermeiden (vgl. Richtlinie zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge (RL Flü) des Landes Nordrhein-Westfalen; vgl. Dymarz et al.
2016).
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
hebliche Unterschiede zwischen großen kommerziellen/privaten,
genossenschaftlichen und städtischen Wohnungsanbietern und
somit keine gemeinsamen oder gemeinsam zu bewältigenden
Herausforderungen in diesem Handlungsfeld“ (IP15).
Wohnungswirtschaftliche und kommunalpolitische Verbände
versuchen dies zugunsten ihrer Mitgliedsunternehmen positiver
zu beschreiben, mit Verweis auf von der Wohnungsmarktlage
und vom Typus der privaten Wohnungsunternehmen abhängigem Handeln einzelner Akteurinnen und Akteure: So gäbe
es z. B. in entspannten Wohnungsmärkten im Ruhrgebiet Beispiele für gute Kooperation zwischen Kommune, kommunalen
und großen privaten Wohnungsunternehmen. Pilotprojekte zur
Wohnraumversorgung benachteiligter Gruppen und aktuell insbesondere Geflüchteter existieren auch in den Beständen der
marktführenden privaten Unternehmen sowie in angespannten
Wohnungsmärkten. Schwer identifizierbar – so die Position befragter Akteurinnen und Akteure aus der Forschung – sei jedoch,
inwieweit es sich dabei um institutionellen Wandel in der Bestandsentwicklung insgesamt handle oder eher um Elemente
der ‚Corporate Social Identity‘: „Es gilt die Diskrepanz zwischen
‚policy as written‘ und ‚policy as performed‘ aufzudecken. An genau dieses Thema kommt man unglaublich schwer heran“ (IP9).
So verweisen zwei der befragten kommunalen Vertreterinnen
und Vertreter explizit darauf, Kooperationen mit einem großen
privaten Wohnungsunternehmen eher zu vermeiden, da das
Unternehmen bei der Vermietung an Geflüchtete oder andere
Migrantinnen und Migranten zwar darauf achte, diese Haushalte
in den Beständen zu streuen, gleichzeitig aber für diese Bedarfsgruppe überwiegend Wohnraum in sogenannten „Schrottimmobilien“ zur Verfügung stelle. Insgesamt wurde für angespannte
Wohnungsmärkte die Existenz verbindlicher Kooperationen mit
großen privaten Wohnungsanbieter eher verneint. Entsprechend
seien – so eine Position aus einem Kommunalverband – mittelständische (v. a. Familien-)Unternehmen und gemeinwohlorientierte Wohnraumanbietende stärker als bisher für Kooperationen
zur Wohnraumversorgung benachteiligter Gruppen in den Blick
zu nehmen (IP 27).
Auch genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen wird aufgrund des weiterhin geringen Anteils von Migrantinnen und
Migranten und aktuell Geflüchteten an der Mitgliederzahl zugeschrieben, sich mit dem Argument des Genossenschaftsgesetzes und ihrer Satzungen (Grundsatz der Gleichbehandlung)
einer Verantwortungsübernahme in diesem Handlungsfeld weitgehend zu entziehen. Genossenschaften berufen sich bei diesem ‚closed shop‘-Verhalten insbesondere auf ihre meist langen
Wartelisten, über die Mitglieder ein satzungsgemäßes Anrecht
auf Versorgung mit Wohnraum haben. Diese Wahrnehmung
beruht, wie die vorliegende Analyse zeigt, jedoch teilweise auf
mangelndem Wissenstransfer: Bundesweit gehören einige Genossenschaften, die sich seit Jahrzehnten mit der Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten und der Integration
dieser Bedarfsgruppe im genossenschaftlichen Selbstverständnis
beschäftigen, zu den Vorreiterinnen und Vorreitern der Wohnraumversorgung Geflüchteter. Ihre Praxis reicht dabei von einem
Probewohnprojekt, das fast ausschließlich erfolgreiche Übergänge Geflüchteter in den regulären Wohnungsmarkt verzeichnet (Trave e.G. in Lübeck) bis zur Übernahme der dezentralen
Unterbringung Geflüchteter für Kommunen (siehe Steckbriefe 3
und 7 im Anhang).
Herausforderung und gute Praxis
Die größte Verantwortung bei der Wohnraumversorgung von
Migrantinnen und Migranten – so stimmen die befragten Akteurinnen und Akteure überein – übernehmen die kommunalen
bzw. in den Stadtstaaten die Landeswohnungsunternehmen.
Diese stehen damit insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten mit großen Bevölkerungsanteilen, die auf bezahlbaren
Wohnraum angewiesen sind, unter besonderem Handlungsdruck.
Konkurrenzen und Versorgungsengpässe zeigen sich vor
allem in angespannten Wohnungsmärkten. Fluchtbedingte
Wohnungsnot macht die Diversifizierung von Wohnungsnot sichtbarer und verschärft bereits existierende Konkurrenz beim Zugang zum sozialen Wohnungsbau.
Wo Versorgungsengpässe sich verschärfen, steht in besonderem
Maße die Frage nach Gleichbehandlung auf dem Wohnungsmarkt im Raum. Die aktuelle Wohnraumverknappung für auf
dem Markt benachteiligte Gruppen ist dabei nicht ausschließlich
auf die aktuellen Zuwanderungsprozesse zurückzuführen. Entsprechend stellt sich die Frage nach Gleichbehandlung auf dem
Wohnungsmarkt längst nicht mehr nur bezüglich unterschiedlicher Herkunft. Auch andere am Wohnungsmarkt benachteiligte
und häufig diskriminierte Gruppen wie Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner, Studierende, chronisch oder Suchtkranke
und Obdachlose stehen zunehmend in Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum (vgl. Albrecht/Riegger 2016, Schader-Stiftung
2017). Bestätigt werden diese Befunde auch durch neue Bündnisse im zivilgesellschaftlichen wohnungspolitischen Diskurs. So
stellt der vom Paritätischen und dem Deutschen Mieterbund
2018 veranstaltete inklusionsorientierte „Alternative Wohngipfel“ (Berliner Mieterverein e. V. o.J.), den zahlreiche mietenpolitische Initiativen und auch MSOen unterstützen, eine neue Ebene
und Vernetzungsstruktur im Handlungsfeld dar und verdeutlicht,
dass Migrantinnen und Migranten aufgrund ihrer Haushaltsstruktur häufig auch von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind.
Den erschwerten Zugang von Migrantinnen und Migranten zum
Wohnungsmarkt belegen darüber hinaus die kommunalen Daten
zur Wohnungsnot. Beispielsweise waren in der Landeshauptstadt
München im Jahr 2018 laut Amt für Wohnen und Migration ca.
50 Prozent der Personen, die mit höheren Dringlichkeitsstufen
Anspruch auf Wohnraum über das Belegungsrecht der Kommune hatten, Ausländerinnen und Ausländer. Darüber hinaus
waren ca. 70 Prozent der 8.800 Wohnungslosen in München
ausländische Personen. Die Zahl der wohnungslosen (und damit in der Regel mehrfach diskriminierten) Ausländerinnen und
Ausländer hat sich seit 2015 in München verdoppelt (Amt für
Wohnen und Migration 2018). Die im Rahmen des Projekts geführten Interviews unterstreichen diese Entwicklung auch für
andere Städte.
In welchem Ausmaß wohnungswirtschaftliche Akteurinnen und
Akteure die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten und im Besonderen von Geflüchteten als besondere
Herausforderung im Belegungs- und Sozialmanagement erleben,
ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Festzuhalten ist dabei –
so die einheitliche Wahrnehmung der interviewten Akteurinnen
und Akteure – dass sich der Versorgungsengpass bei der Wohnraumversorgung Geflüchteter nicht länger auf angespannte
Wohnungsmärkte beschränkt. Vielmehr beklagen – ungeachtet
vhw 21
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
partieller Leerstände – zunehmend auch Kommunen mit weniger
angespannten Wohnungsmärkten einen eklatanten Mangel an
sozialem Wohnraum.
Der Schwerpunkt aktueller Zuwanderungsprozesse führt
zu einem Fokus der Aufmerksamkeit auf die Versorgung
Geflüchteter mit Wohnraum. Strukturelle Benachteiligungen bei der Wohnraumversorgung anderer Zuwanderungsgruppen werden derzeit kaum thematisiert.
Sowohl in angespannten als auch in entspannten Wohnungsmärkten tritt – diesen Schluss lassen die Ergebnisse der hier
geleisteten empirischen Untersuchung zu – die Wahrnehmung
der Benachteiligung bereits in Deutschland lebender oder aus
anderen als Fluchtgründen zugewanderten Migrantinnen und
Migranten in den Hintergrund. Strukturelle Benachteiligungen,
die ihre Zugänge zum Wohnungsmarkt erschweren, laufen somit
zunächst Gefahr, sich zu verschärfen. Die beteiligten MSOen
kritisieren diese Entwicklung als Interessenvertreterinnen und
-vertreter scharf. Sie weisen z. B. darauf hin, dass „viele Schwarze
Menschen22 Wohnungen ausschließlich über Freunde und Bekannte, E-Mail-Verteiler oder Social Media, wie Facebook, finden“ (IP23) und darauf, dass „auch in Berlin seit zwei Jahren eine
stetig wachsende Facebook-Gruppe „New wave in Berlin“ existiert mit knapp 2.400 Mitgliedern [Anm. der Autorinnen: Stand
Ende 2018], in der sich die türkische Community gegenseitig bei
der Wohnungssuche unterstützt und Angebote teilt“ (IP24).23
Diese Konfliktlage kann aus der Perspektive der befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler allerdings auch als Potential betrachtet werden: Das (fach)öffentliche Interesse an den
Barrieren, die Geflüchtete bei der Wohnraumsuche erfahren –
so die These – erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass die generelle
Diskriminierungssituation von Migrantinnen und Migranten auf
dem Wohnungsmarkt zum Forschungsgegenstand wird. Die Herausforderung in diesem Handlungsfeld bestehe allerdings darin,
sowohl die generelle Situation von Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt nochmals stärker herauszustellen, als auch die spezifischen Hürden Geflüchteter beim
Zugang zu Wohnraum sichtbar zu machen und entsprechende
Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die die jeweils anderen
Gruppen nicht benachteiligen.
Auf der Ebene des Wohnraumangebots sind – wie bereits angeführt – insbesondere die Unternehmensgröße und die Struktur
der Bestände entscheidend dafür, ob sich Unternehmen auch
in angespannten Wohnungsmärkten die Wohnraumversorgung
Geflüchteter „integriert ins normale Geschäft“ (IP03) meinen
‚leisten‘ zu können. Weitere entscheidende Faktoren sind der
lokale Wohnungsmarkt und positive oder negative Vorerfahrungen mit früheren Zuwanderungsgenerationen/migrantischen
Haushalten. Diese Befunde können dahingehend interpretiert
werden, dass die großen privaten Anbietenden sowohl von den
Bestandsgrößen als auch von der Diversität ihrer Bestände her
teilweise bessere Voraussetzungen für diesen Auftrag der Wohnraumversorgung haben, als manche städtische Unternehmen.
Diese Interpretation bestätigt die folgende Position aus der Wohnungswirtschaft, in der betont wird, „der Versorgungsauftrag
stelle für kommunale Wohnungsunternehmen mit ihren marginalen Fluktuationsraten und der Verpflichtung zur sozialen
Wohnraumversorgung eine größere Herausforderung dar als für
andere große Unternehmen“ (IP04).
22 vhw
Herausforderung und gute Praxis
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass als Herausforderungen bei der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen
Integration von Migrantinnen und Migranten aus wohnungswirtschaftlicher Perspektive, das defizitäre Wohnungsangebot
und die – im folgenden Abschnitt ausführlicher diskutierte – Bestandsstabilisierung den höchsten Stellenwert haben.
4.2.2 Zugang zu Wohnraum
gestalten: Sozialräumliche Strategien und Belegungsmanagement
von Wohnungsunternehmen
Vor dem Hintergrund, unvorbereitet in einem sehr kurzen Zeitraum eine große Zahl geflüchteter Menschen zunächst unterbringen und dann mit regulärem Wohnraum versorgen zu müssen, haben sich seit 2015 viele Kommunen/Stadtstaaten neue
Zugänge für die soziale Wohnraumversorgung erschlossen. So
wurden bei städtischen Unternehmen und vereinzelt auch Genossenschaften größere Wohnungskontingente mit Belegungsrechten gesichert, v. a. über Kooperationsvereinbarungen zur
Unterbringung Geflüchteter oder im Kontext von aktualisierten
Wohnraumversorgungsgesetzen. Damit wurden für die von diesen Verträgen betroffenen Bestände Steuerungs- und Vergabespielräume der Kommunen/Stadtstaaten hinsichtlich der sozialen
Wohnraumvergabe erweitert.
Durch die öffentliche Hand gesteuertes Belegungsmanagement und Belegungsrecht stärkt dezentrale Unterbringung
und Transparenz von Verfahren. Für die Selektion von Mieterinnen und Mietern – überwiegend mit dem Ziel „sozialer
Mischung“ – werden neue Instrumente erprobt.
Kommunen, die Belegungsrechte ausüben, treffen im Zuge ihres
Belegungsrechts für Wohnungen i.d.R. nur eine Vorauswahl von
drei bis sechs Personen, die den Wohnungsunternehmen auf
der Basis transparenter Prioritätensetzungen zur Auswahl vorgestellt werden. Die Kriterien der für die Priorisierung/Vorauswahl
zuständigen Verwaltungen (zumeist die Sozialen Wohnhilfen
oder für die Wohnraumversorgung Geflüchteter eingerichtete
Verwaltungsbereiche) sind Dringlichkeit von Bedarf, d. h. Wohnungsnot, Einkommenslage, Familienstand, Gesundheitszustand
und Alter. Wo keine spezifischen Marktsegmente für Geflüchtete
existieren, komme – so die Mehrheit der Befragten – offiziell
das Merkmal „Herkunft“ zunächst nicht zum Tragen. Die erste
Priorisierung, unter oft Hunderten von Anspruchsberechtigten,
wird dabei zunehmend computerbasiert getroffen. Die engere
Vorauswahl für die Wohnungsunternehmen treffen in den hier
in den Blick genommenen Kommunen fachlich heterogen be-
Hier wird bewusst die Schreibweise der Initiative Schwarze Menschen
in Deutschland (ISD) aufgenommen.
23
Die Facebook-Gruppe „New-Wave-in-Berlin“ ist eine Plattform, auf
der sich Türkinnen und Türken, die neu nach Berlin kommen, austauschen und gegenseitig helfen – nicht nur bei der Suche nach Wohnraum, sondern auch bei Fragen der Jobsuche, beim Umgang mit
Behörden oder in eher alltäglichen Situationen, wie der Suche nach
türkischen Lebensmitteln (Sammann 2019).
22
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
setzte Vergabe-Teams in der Verwaltung. Diese Verfahren zielen
teilweise explizit (München, Potsdam) auf mehr Transparenz und
Gleichbehandlung in der kommunalen Vergabepraxis und – eine
entsprechende Streuung der Bestände im Stadtraum vorausgesetzt – auch auf dezentrale Unterbringung ab. Angesichts der
Verknappung bezahlbaren Wohnraums ist für den Erfolg solcher
Ansätze jedoch zunehmend die Verknüpfung unterschiedlicher
Instrumente nötig.
Eine ‚gute Praxis‘ hat in diesem Bereich u. a. die Stadt Potsdam
entwickelt: Mit der Etablierung neuer Instrumente konnten in
den vergangenen Jahren neue Mietpreis- und Belegungsbindungen geschaffen werden. So werden Personen mit besonderer
Dringlichkeit durch die Ausübung von Benennungsrechten durch
die Kommune bei der Wohnungssuche unterstützt. Darüber hinaus wurde im Zuge der Entwicklung eines wohnungspolitischen
Konzepts 2015 das „Potsdamer Baulandmodell“ eingeführt sowie im Rahmen eines Modellprojekts Verträge zu ‚flexiblen Bindungen‘ mit den Wohnungsunternehmen abgeschlossen (mehr
Informationen, siehe Steckbrief 1 im Anhang).
Kommunen und Wohnungsunternehmen sind sich einig:
‚Social engineering‘ ist Schlüsselelement des Belegungsmanagements.
Ein ‚social engineering‘ scheint für die meisten Kommunen und
Wohnungsunternehmen als vermeintlicher Garant für ‚soziale
Stabilität‘ von Nachbarschaften eine unumstößliche Handlungsmaxime zu sein. Im Kontext des verfolgten Mischungsideals (vgl.
Kapitel 2.1) existieren dabei mehr oder minder offen gehandelte
Quotenregelungen: Sie geben vor, bis zu welchem Anteil migrantischer Bevölkerung Quartiere und Nachbarschaften vermeintlich ‚sozial stabil‘ bleiben. Ein aus Antidiskriminierungsperspektive besonders kritisch zu diskutierendes Instrument in diesem
Kontext ist der in den 1990er Jahren formulierte und die Vergabepraxis der Stadt Frankfurt am Main nach wie vor prägende
„Frankfurter Vertrag“. Er zielt auf die Vermeidung ethnischer
und sozialer Segregation und die Schaffung und Etablierung
ethnisch und sozial gemischter Quartiere ab. Die dazu formulierte
Quotenregelung legt den Anteil ausländischer Bewohnerinnen
und Bewohner auf Gebäudeebene bzw. im näheren Umfeld
mit max. 30 Prozent, den Anteil an Sozialhilfeempfängerinnen
und -empfängern mit max. 15 Prozent und den Anteil an Aussiedlerinnen und Aussiedlern mit max. 10 Prozent fest. In der
Umsetzung verschoben sich diese Anteile in der Vergangenheit
häufig zu Ungunsten migrantischer Bevölkerungsgruppen (Lüken-Klaßen 2007: 34). Bemühungen, diesen Vertrag mithilfe des
AGG außer Kraft zu setzen, scheiterten bisher.
Dem gegenüber stehen Positionen einzelner Befragter, die der
Dringlichkeit von Wohnraumsuche ungeachtet der Herkunft der
Wohnraumsuchenden Vorrang geben. Ein kommunaler Vertreter
untermalt dies mit der Aussage „Wir priorisieren nach Dringlichkeit. Und dabei gibt es auch keinen Einheimischenschutz“
(IP15). Gleichzeitig erfordern – so der Ansatz der Landeshauptstadt München – modellhafte Wohnprojekte, in denen die Lebenswelten Geflüchteter und Wohnungsuchender aus der aufnehmenden Gesellschaft unmittelbar aufeinandertreffen, eine
soziale Begleitung. ‚Integration‘ in den Wohnungsmarkt endet
aus dieser Perspektive nicht bei der Wohnraumvergabe, sondern
wird auch nach Bezug der Wohnung fortgesetzt. Wie dies um-
Herausforderung und gute Praxis
gesetzt werden kann, zeigt das Modell der „sozial-ökologischen
Hausverwaltung“ in München, das die Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Beteiligung an bestimmten
Aufgaben der Hausverwaltung vorsieht sowie den Mietparteien
eine Ansprechperson für alle das Wohnen betreffende Fragen zur
Seite stellt (mehr Informationen, siehe Steckbrief 2 im Anhang).
Die Stadt Kempten hat 2015 die Verantwortung für eine dezentrale Unterbringung und Wohnraumversorgung Geflüchteter der
BSG Allgäu Bau- und Siedlungsgenossenschaft eG übergeben,
die seit 2004 kommunale Liegenschaften verwaltet und sich
bereits durch die Förderung sozialer Diversität in ihren Beständen
ausgezeichnet hatte. Auch bezüglich der Wohnraumversorgung
Geflüchteter entwickelte die Genossenschaft ein Konzept für die
sozialräumliche Integration verschiedener Einkommensgruppen
und von Bewohnerinnen und Bewohnern vielfältiger Herkunft.
Ziel dabei war, dass viele der Geflüchteten nach Statuswandel in
den Wohnungen verbleiben konnten und darüber hinaus ausgeglichene soziale Strukturen in den Hausgemeinschaften erhalten
werden (mehr Informationen, siehe Steckbrief 3 im Anhang).
In Schleswig-Holstein gehen der Städteverband und die Wankendorfer Baugenossenschaft e.G. andere innovative Wege zur
weitgehenden Vermeidung von Gemeinschaftsunterkünften und
Integration von Geflüchteten in den genossenschaftlichen Wohnungsmarkt. Ein gewerblicher Mustermietvertrag, der inzwischen
auch über die Landesgrenzen hinaus zur Anwendung kommt, erleichterte den Zugang der Kommunen zu den Beständen der Genossenschaft. Die wankendorfer stellt jede zehnte freiwerdende
Wohnung – auch in nachgefragten Gebieten – zur Verfügung,
deren Belegung durch die Kommunen gesteuert wird (mehr
Informationen, siehe Steckbrief 4 im Anhang).24
4.2.3 ‚Faires Vermieten‘:
Unterschiedliche Kriterien und
Praktiken
Testingverfahren weisen seit Jahren die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten auf dem Wohnungsmarkt nach. Im
Kontrast dazu steht, dass Wohnungsunternehmen zunehmend
eine Praxis ‚fairen Vermietens‘ für sich beanspruchen.
Versorgungsengpässe besonders in den unteren Preissegmenten
erzeugen ein Umfeld, in dem Raum für Benachteiligung oder
Diskriminierung entsteht. Die größere Wahlmöglichkeit für die
Anbieterseite führt zu einer stärkeren Selektion von Mieterinnen
und Mietern und auch die Marktsituation selbst führt zwangsläufig zu Exklusion: Wenn in Ballungsräumen etwa jeder zweite
Haushalt berechtigt ist, eine Sozialwohnung anzumieten, können
auch computergestützte und/oder an Dringlichkeit orientierte
Belegungsverfahren angesichts marginaler Fluktuation und Leerstandsraten in den Sozialwohnungsbeständen schwerlich ‚fair‘
sein. Somit geht die Exklusion in diesen und anderen Beständen
Hier ist anzumerken, dass im Land Berlin 2018/19 für Neumietverträge für Trägerwohnungen ein Mietwohnvertragsrecht durchgesetzt werden konnte. Vor diesem Hintergrund wäre diese Praxis hier
vermutlich kaum übertragbar.
24
vhw 23
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
deutlich über die sozialen Gruppen hinaus, die üblicherweise
mit Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale und ihrer
Lebenssituation erfahren. Zugleich verschlechtert der Marktdruck
den Zugang zu Wohnraum besonders für alle durch das AGG
geschützten Gruppen.
Im vergangenen Jahrzehnt zeigten wissenschaftliche Testing-Studien jedoch wiederholt auf, dass Menschen nicht-deutscher Herkunft bzw. mit nicht-deutsch klingendem Namen – unabhängig
von ihrem sozialen Status – besonders häufig bei der Bewerbung
um Wohnraum Diskriminierung erfahren (vgl. Kapitel 2.2; ADS
2015, BR/Der Spiegel 2017, ADB 2017). In diesem Sinne berichten auch die Befragten aus der Forschung von Erfahrungen
Hochqualifizierter bei ihrer Wohnungssuche, „viele Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler, die als ‚ausländisch‘ abgestempelt werden, haben z. B. keine Chance auf dem Wohnungsmarkt, obwohl sie eigentlich ‚Vorzeigemieter‘ wären!“
(IP11). In einem Fachamt für Wohnen wurde in diesem Kontext
mitgeteilt: „Für internationale Wissenschaftler arbeiten wir, damit
wir sie hier mit Wohnraum versorgen können, an einem eigenen,
tandem-orientierten Konzept der Wohnungsvermittlung“ (IP16).
Während eine landesweite Antidiskriminierungspolitik v. a. in
Berlin dazu beiträgt, die Definition von ‚Diskriminierung auf dem
Wohnungsmarkt‘ zu wohnungswirtschaftlichem Alltagswissen
werden zu lassen, bleibt der Begriff ‚fairen Vermietens‘ dort und
andernorts bisher nicht nur für Vermieterinnen und Vermieter
häufig vage. Für eine ‚Kultur fairen Vermietens‘ existieren in
Deutschland bisher wenige Leitbilder (vgl. Planerladen 2014,
Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg 2017) – im Gegensatz
zu Konzepten für faire Vermietungs-Praktiken v. a. in den Niederlanden, Österreich und zum ‚Fair Housing Act‘ in den USA (vgl.
Droste et al. 2017, Hanhörster 2019). Auch die Charta der Vielfalt, von deren 2.500 unterzeichnenden Unternehmen lediglich
36 der Wohnungswirtschaft zugeordnet sind (Richter 2017: 66)
bietet hier wenig Orientierung. Entsprechend erzeugte die Frage
nach der eigenen Interpretation ‚fairen Vermietens‘ meist einen
Moment der Unsicherheit in den Interviews mit Expertinnen und
Experten. Die im Kontext der Studie ermittelten Kriterien für
‚faires Vermieten’ fokussieren die Bereiche Unternehmenskultur,
Vergabeverfahren und personelle Kompetenz (v. a. Diversitätsmanagement, interkulturelle Kompetenzbildung, Vorurteilsreflexion,
positive Implementierung des AGG) und die Preisgestaltung von
Wohnraum (sozial gerechte Mieten, faire Preise im Sinne eines
guten Preis-Leistungs-Verhältnisses, gemischte Bestände mit
Wohnraum in unterschiedlichen Preisgruppen etc.).
‚Fair vermieten‘ erfordert neue Unternehmensleitbilder,
Kompetenzbildung sowie transparente Vergabekriterien
und -verfahren.
Auf der Ebene der Unternehmenskultur gilt ebenso wie für die
Entwicklung einer ‚Corporate Social Identity‘ die Notwendigkeit,
dass die Leitungsebene sich glaubwürdig für ein Leitbild nicht
diskriminierender Vergabepraxis und die Akzeptanz von Vielheit
(Terkessides 2010) einsetzt. Hinsichtlich der Unternehmenskultur
wurde von Verbänden und Kommunen hervorgehoben, dass die
kommunalen Unternehmen ‚per se‘ fair vermieten würden qua
Versorgungsauftrag, bei den Genossenschaften diesbezüglich
jedoch überwiegend eine erhebliche Differenz zwischen Selbstund Fremdwahrnehmung bestehe. Dem steht entgegen, dass
24 vhw
Herausforderung und gute Praxis
auch die hier befragten städtischen Unternehmen insgesamt auf
der Notwendigkeit des Verfolgens einer ‚gesunden Mischung‘
und damit verbundenen eines ‚social engineerings‘ bestehen.
Unter den Befragten bestand insgesamt Konsens dazu, dass es
für ‚faires Vermieten‘ (insbesondere an Migrantinnen und Migranten) elementar sei, auf im negativen Sinne diskriminierende
Sonderbehandlungen, z. B. im Sinne obligatorischer ‚Zertifikate‘
für das Anmieten von Wohnraum (wie z. B. den sog. „Wohnführerschein“) zu verzichten. Bei der Belegung von Wohnraum
sollten persönliche Zuschreibungen (aufgrund von Hautfarbe,
Sprache etc.) ausgeschlossen und Entscheidungen „farbenblind
und unabhängig vom sozialen Status“ (IP12) getroffen werden.
Vertreterinnen und Vertreter der Wohnungswirtschaft und der
Kommunen formulierten als Kriterium für ‚faires Vermieten‘ an
Migrantinnen und Migranten die Vernachlässigung von Nationalität, betonten aber – im latenten Widerspruch dazu – gleichzeitig
die Notwendigkeit, interreligiöse/interethnische Konfliktlagen
durch gezieltes Belegungsmanagement zu vermeiden.
Zur Nutzung von Quoten als Instrument gegen Ungleichbehandlung wurde sich von den in der Forschung und MSOen Befragten
unterschiedlich positioniert, in einem Spektrum von „Das zur Verfügung stellen gewisser Kontingente für eine bestimmte Gruppe
über einen definierten Zeitraum ist auch eine Diskriminierung anderen gegenüber“ (IP09) bis „Wir haben ungleiche Chancen auf
dem Wohnungsmarkt, im Bildungswesen usw. Deshalb ist auch
ungleiche Behandlung zu rechtfertigen, um eben diese Ungleichheiten auszugleichen. (...) Die Schwierigkeit der Quotierung tritt
immer dann auf, wenn man diese Quotierung fordert. Es gibt ja
schon eine Quote, nur über die spricht keiner. Diese Quote lautet
weiß, heterosexuell und mit einem bestimmten Einkommen. Das
ist eine selbstverständliche, unsichtbare Quote, über die keiner
spricht“ (IP22). Ansätze, das Konfliktfeld zu bearbeiten, das sich
zwischen diesen beiden Positionen auftut, können nur in offenen
Aushandlungsprozessen gefunden werden, in denen Antidiskriminierungs- und Wohnungspolitik ineinandergreifen. Zu bedenken ist dabei, dass, solange strukturelle Benachteiligungen
nachweisbar sind, aus antidiskriminierungspolitischer Perspektive
auch zielgruppenspezifische strukturelle Fördermaßnahmen bzw.
positive Diskriminierungen gerechtfertigt sind.
Von den Interviewten, die Vermietung verantworten, würde sich
niemand – wie in anderen Ländern bewährt – vollständig auf ein
computergestütztes Vergabesystem verlassen wollen: „Bei der
Auswahl sind viele weiche Faktoren wichtig. Was wir uns nie vorstellen könnten, ist ein digitaler Vorauswahlprozess, weil wir der
Meinung sind, dass dabei immer die gleichen Menschen durch
das Raster fallen“ (IP06). Gleichwohl nutzen Unternehmen wie
Kommunen inzwischen digitale Vorauswahlsysteme, die nach
Dringlichkeit (bei sozialer Wohnraumvergabe) priorisieren oder
nur die Vollständigkeit von Daten sichern. Die Position, dass in
Vier- bis Acht-Augen Gesprächen getroffene Vermietungsentscheidungen ‚per se‘ fair seien, wird nicht nur von Akteurinnen
und Akteure aus der Zivilgesellschaft und von MSOen, sondern
auch von Akteurinnen und Akteure aus der Wohnungswirtschaft
sehr unterschiedlich bewertet. Die Einschätzungen reichen hier
von Eingeständnissen wie „Mitarbeiter (...) die unterliegen natürlich auch quasi jeder ihrem eigenen, persönlichen, ich sage
mal, Geschmack im weitesten Sinne. Ja. Und das ist, glaub ich,
die logische Folge davon, dass wenn ich das Gefühl habe, dass
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
ich hier jemanden habe, der passt besser, weil er mir keinen
Ärger machen wird, dann nehme ich den natürlich lieber. Oder,
um mal das unfaire Vermieten darzustellen: (…) ‚Survival of the
fittest‘, diejenigen, die sozusagen mit den besten finanziellen
Voraussetzungen oder …die dem Vermieter genehm sind. Also
mit denen er glaubt, dass er dann keinen Ärger haben wird.
Diese Personen haben natürlich eine sehr viel bessere Chance
an eine Wohnung zu kommen (...). Ein ganz wichtiges Hindernis
ist natürlich sowas wie Sprache.“ (IP18) bis zum Verweis auf das
hohe und wertzuschätzende persönliche und fachliche Einschätzungsvermögen von in der Vermietung tätigem Personal: „Unter
„Soft Skills“ verstehen wir, dass die Bestandsverwalter vor Ort
einschätzen können, wer in die Hausgemeinschaft passt. Dies
kann man nicht mit objektiven Kriterien beschreiben, da gibt es
keinen Maßstab, es zählt die Erfahrung und das Gespür der vermietenden Person“ (IP08).
Mehr als ein Drittel der Interviewten maß (v. a. bei hohen Interessierten-Zahlen schwer zu leistende) Transparenz von Entscheidungsprozessen und -kriterien, der Existenz eines Diversitätsmanagements sowie Schulungen zu interkultureller Kompetenz
(„v. a. zur Überwindung von Ressentiments der Mitarbeitern“
(IP10)) in Unternehmen einen hohen Stellenwert für ‚faires Vermieten‘ bei. Während jedoch die Umsetzung bzw. Nutzung der
beiden letztgenannten Instrumente ggfs. gut nachvollziehbar
gemacht werden kann, ist die Transparenz bei der Vergabe – die
z. B. über ein Punktesystem die Erfolgschancen einer Bewerbung,
den Erfolg oder Misserfolg nachvollziehbar macht – noch eine
wohnungswirtschaftliche Pionierleistung. Und auch wo diese
gegeben ist, schließt dies – wie sich am Beispiel des kommunalen
Wohnungsunternehmen SWSG Stuttgart nachvollziehen lässt –
nicht ein soziales oder herkunftsbezogenes ‚engineering‘ aus.
Hier erfolgt die Mieterauswahl nach einem detaillierten Punktesystem, das die im Vormerkverfahren festgelegte Dringlichkeit
sowie die Wartezeit berücksichtigt. Durch dieses transparente
Verfahren ist die Entscheidung für alle Bewerberinnen und Bewerber nachvollziehbar. Vorgeschlagene Haushalte werden zu
einer Besichtigung eingeladen und von den für den jeweiligen
Bestand zuständigen Beschäftigten der SWSG geprüft. Dabei
spielen deren langjährige Erfahrung und fachliche ‚Soft Skills‘
eine wichtige Rolle. Neben objektiven Dringlichkeitskriterien zählt
dementsprechend im Endeffekt auch die subjektive Einschätzung
der ‚Passfähigkeit‘ der Haushalte durch die jeweiligen Bestandsverwalterinnen und -verwalter (für mehr Informationen siehe
Steckbrief 5 im Anhang).
Zusammenfassend besteht bei den hier befragten Akteurinnen
und Akteuren – abgesehen von den MSOen – letztlich Konsens
dazu, dass auch eine ‚faire‘ Vermietungsentscheidung überwiegend als eine notwendige Mischung aus objektiven Kriterien und
subjektiver Einschätzung bzgl. ‚Passfähigkeit‘ der Hausgemeinschaft beschrieben wird. Da in der Regel diese subjektive Position
nicht öffentlich nachvollziehbar gemacht wird, ist aus der Sicht
der Forschung dieser Aspekt des ‚social engineering‘ derjenige,
mit dem Unternehmen am ehesten riskieren, diskriminierend zu
handeln.
Die Wohnraumversorgung Geflüchteter hat eine Katalysatoren-Funktion für die öffentliche und interne Auseinandersetzung mit Unternehmensleitbildern, interkultureller
Öffnung und der Transparenz von Vergabeverfahren.
Herausforderung und gute Praxis
Die Fluchtzuwanderung hat dazu beigetragen, dass Diskriminierung am Wohnungsmarkt stärker erfahrbar und generell die Aufmerksamkeit für Vergabepraktiken der Wohnungsunternehmen
gestiegen ist. In Kommunen mit starken Antidiskriminierungspolitiken, MSOen und Mieterinitiativen ist vor allem der Legitimationsdruck der institutionellen Wohnungsanbieter hinsichtlich
Belegungsstrategien, Vergabepraktiken und Schließungsmechanismen gegenüber bestimmten sozialen und ethnischen Gruppen
gewachsen. In diesem Sinne beweist die Wohnraumversorgung
Geflüchteter eine Katalysatorenfunktion für den organsationsbezogenen Wandel in den Wohnungsunternehmen: Die Zivilgesellschaft, aber auch die Verbände fordern zunehmend eine eher
potential- als problemorientierte Perspektive auf Menschen mit
Migrationshintergrund als Bewohnerinnen und Bewohner ein.
Entsprechend wächst die Herausforderung an die Unternehmen,
Integrationskonzepte zu stärken und transparent zu machen
(GdW 2015a/2015b/2017, DV 2015).
Hervorgehoben wurde von einigen der befragten Akteurinnen
und Akteure, dass der Wunsch nach Erweiterung von interkulturellen Kompetenzen in kommunalen Unternehmen nicht
zwangsläufig von der Unternehmensspitze kommt, sondern teilweise eher von unten (Arbeitsebene) nach oben (Geschäftsführungsebene) gefordert wird. Der geäußerte Schulungsbedarf
reicht dabei von der „Vermittlung von Hausordnungen einerseits,
andererseits diskriminierungsfreien Verhaltensregeln im Umgang
mit Menschen anderen Kulturen“ bis zum „Thema Selbstschutz
vor Menschen, die Umgangsformen pflegen, die einem nicht behagen“ (IP16). Zu einem wesentlichen Thema im organisationsbezogenen Wandel hat sich der Umgang mit Sprache entwickelt:
Sowohl kommunale und Landesunternehmen, als auch im Handlungsfeld engagierte genossenschaftliche Unternehmen arbeiten
zunehmend im Sozialmanagement mit Dolmetscherinnen und
Dolmetschern sowie mehrsprachigen Informationsmaterialien.
In der Perspektive der Verbände und der Kommunen ist zukunftsweisend, dass die Zahl der Unternehmen, die Bedarf an interkulturell orientiertem/geschultem Sozialmanagement formulieren
oder/und ehrenamtliche oder kommunale Integrationslotsinnen
und –lotsen beschäftigen, wächst. Da mit der Etablierung dieser
Arbeitsbereiche in der Regel neue Kommunikationsstrukturen
zwischen Leitungs- und operativer Ebene einhergehen, kann
auf positive Effekte für andere Unternehmensbereiche gehofft
werden, die für das Diversitätsmanagement relevant sind. Wie
Unternehmen dabei intern konkret vorgehen, ist unterschiedlich
und wird – abgesehen von Elementen, die hilfreich für die ‚Social
Corporate Identity‘ sind – selten offengelegt.
Ein Beispiel für ein Unternehmen, das in einem eher entspannten
Wohnungsmarkt, aber zunehmend integrationspolitisch angespannten Kontext, seit den 1990er Jahren einen kontinuierlichen
Weg im Bereich der Personalentwicklung und Begegnungskultur
zwischen Unternehmen, Personal und Bewohnerinnen und Bewohnern vielfältiger Herkunft geht, ist die kommunale Gesellschaft GWC Cottbus: Alle Beschäftigten wurden auf Ebene der
abteilungsbezogenen Organisationsentwicklung auf die neuen
Herausforderungen vorbereitet. Unternehmensinterne Kommunikations¬prozesse wurden adaptiert und ein Geflüchteten-beauftragter benannt. Der Erfolg des Unternehmens im Umgang
mit der Flüchtlingsthematik basiert gleichzeitig auf der guten
Zusammenarbeit mit der Kommune, der Ausländerbehörde, der
vhw 25
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Polizei, Stadtteilmanagerinnen und -managern, sozialen und
kirchlichen Trägern und Verbänden sowie dem Sicherheitspersonal und den Mieterverwaltungen vor Ort (mehr Informationen,
siehe Steckbrief 6 im Anhang).
Die Katalysatorenfunktion der Wohnraumversorgung Geflüchteter zeigt sich auch daran, dass in diesem Kontext ausgelöster
organisationsbezogener Wandel Effekte auf die Gesamtpraxis
des Unternehmens hat. Dies ermöglicht es z. B. – wie das Beispiel
des Lübecker Bauvereins zeigt – auch Traditionsgenossenschaften durch unbürokratische Herangehensweise ihren genossenschaftlichen Auftrag zu erweitern und sich an der Unterbringung
Geflüchteter zu beteiligen. So vermietet die Genossenschaft der
Gemeindediakonie Genossenschaftswohnungen (ggfs. auch
ohne Wohnberechtigungsschein (WBS)) im Rahmen des Konzepts ‚Probewohnen‘, um dort Geflüchtete unterzubringen, die
nach einem Jahr Mietzeit den Mietvertrag übernehmen und
zu voll haftenden Genossenschaftsmitgliedern werden können
(mehr Informationen, siehe Steckbrief 7 im Anhang).
Erschwert wird der organisationsbezogene Wandel in Unternehmen durch den Fachkräftemangel: „Wenn man die Personalstruktur diversifizieren will, um die vielfältiger werdende Gesellschaft abzubilden, braucht man auch eine gewisse Auswahl an
geeignetem Personal, die momentan nicht gegeben ist; unser
kommunales Wohnungsunternehmen muss z. B. eigene Wohnungen einsetzen, um neue MitarbeiterInnen zu ködern“ (IP16).
Dieser Fachkräftemangel wird durch ein spezifisches Defizit an
in diesem Berufsfeld ausgebildeten/hochqualifizierten Migrantinnen und Migranten verschärft, da die wohnungswirtschaftlichen Berufe in verschiedenen migrantischen Communities nicht
hinreichend bekannt sind bzw. kein besonders hohes Ansehen
genießen.25
Weder in der Wahrnehmung der Verbände noch im Rahmen
der Studie konnten Unternehmen identifiziert werden, die ein
systematisches Diversitätsmanagement auf allen Handlungsebenen des Unternehmens umsetzen. In der Regel scheinen sich die
existierenden Ansätze darauf zu beschränken, Vielfalt im Personalbereich und eher punktuell Integrationskonzepte umzusetzen.
4.2.4 Kommunale und lokale
Governance
In der Zivilgesellschaft entstandene Unterstützungsformen
für die Wohnraumsuche Geflüchteter führen zu neuen
Kommunikations- und Kooperationsformen und befördern
lokale Governance, die auch in andere Bereiche wirkt.
Das Handlungsfeld der sozialen Wohnraumversorgung und sozialräumlichen Integration von Migrantinnen und Migranten hat
sich im Kontext fluchtbedingter Migration in vielen Kommunen
strukturell stark verändert. In den Kooperationen zur Wohnraumversorgung Geflüchteter erweisen sich die kommunalen
Wohnungsunternehmen als Schlüsselakteure, Genossenschaften nur vereinzelt. Die Dimension, Formen und Kooperationsangebote des zivilgesellschaftlichen Engagements in diesem
Handlungsfeld unterscheiden sich deutlich gegenüber jenen,
die über die ‚top down‘ Strukturen städtebaulicher oder integ26 vhw
Herausforderung und gute Praxis
rationspolitischer Förderprogramme (wie des Programms Soziale
Stadt) erreicht werden. Die aus den Kommunalverwaltungen
Befragten beschreiben dabei einerseits ein bisher kaum erlebtes
Zusammenspiel von lokalen Akteurinnen und Akteure (Initiativen, wohnungswirtschaftliche und Sozialverbände) mit öffentlichen Einrichtungen. Neue zivilgesellschaftliche Akteurinnen und
Akteure, wie Netzwerke zur Wohnungssuche für Geflüchtete,
Runde Tische und im Kontext kollaborativer Stadtentwicklung
neu entstehende Intermediäre treten kleinteilig, selbstorganisiert
und mit klaren Forderungen auf. Sie kooperieren mit Verwaltung
und institutionellen Wohnungs¬unter¬nehmen, um Zugänge
Geflüchteter zu Wohnraum und das Zusammenleben auf Quartiersebene zu unterstützen.
Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Lokal willkommen“ als strukturelle Kooperation von Kommune und Wohlfahrtsverband (Diakonischem Werk) in Dortmund. Das Integrationsnetzwerk unterstützt Geflüchtete nach dem Bezug einer eigenen Wohnung bei
der Integration im Quartier. Seit 2015 wurden dezentrale Integrationsbüros bewusst zunächst in Stadtbezirken geschaffen, die
weniger durch Migrationserfahrungen geprägt sind und deshalb
kaum integrationsrelevante Infrastrukturen aufweisen. Der Ansatz wird aufgrund des großen Erfolgs zunehmend ausgeweitet
auf andere Stadtteile (für mehr Informationen, siehe Steckbrief
12 im Anhang).
Aufgrund unterschiedlicher Handlungslogiken und organisatorischer Praktiken der beteiligten Akteurinnen und Akteure
verlaufen diese neu entstehenden Kooperationen jedoch nicht
durchweg konfliktfrei. Dies betrifft z. B. die Zielsetzungen bei
der Wohnraumvergabe, Entscheidungsprozesse, Erwartungen
an Zeithorizonte, in denen Lösungen erarbeitet werden sollten
und Kommunikationsstrukturen bzw. -hierarchien (Die Bundesregierung 2017, Gesemann/Roth 2018, Hollbach-Grömig/zur
Nedden 2018).
Strategien zur Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten sind in kommunalen Integrationskonzepten bisher unterrepräsentiert (Krüger 2016). Die Aufgabe der Wohnraumversorgung und sozialen Integration von Migrantinnen und Migranten
liegt jedoch an der Schnittstelle zwischen den Fachaufgaben
‚Wohnen‘, ‚Soziales‘ und ‚Integration‘. Daher ist die Zuständigkeit oft nicht eindeutig bzw. werden Aufgaben in Teilen von der
einen oder anderen Fachverwaltung bearbeitet. Eine Ausnahme
bilden hier z. B. Verwaltungsressortkonstellationen wie das Dortmunder Amt für Wohnen und Stadtentwicklung, das es erlaubt,
wohnräumliche Aspekte stärker im Kontext integrierter und integrierender Quartiersentwicklung zu denken oder das Amt für
Wohnen und Migration in der Münchner Sozialverwaltung.
Die befragten Akteurinnen und Akteure sehen daher die Notwendigkeit, das Handeln einzelner Verwaltungsbereiche stärker
zusammenzuführen. Nationale Leitlinien und wohnungspolitische Strategien können dabei helfen, einen klaren Orientierungsrahmen lokaler Vergabepolitik zu schaffen. Ein Beispiel für
Handlungsbedarf im Rahmen der integrationspolitischen Steue-
25
Dieser Befund ist ein Ergebnis aus dem Gender-Mainstreaming
P ilotprojekt „Vielfalt fördern in Wohnungsbaugenossenschaften“,
SenSW Berlin 2008-2011 sowie Interview IP24/IP36.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
rungsfunktion von Bund, Ländern und Kommunen findet sich
im Nationalen Integrationsplan 2018: Im Themenschwerpunkt
5 wird das Thema Wohnen verhandelt, fokussiert wird jedoch
lediglich auf Wohnqualitäten, Wohnumfeld, Gemeinschaftsaktivitäten, Sicherheit und Service. Gleichberechtigter Zugänge
zu Wohnraum finden nur in dem Sinne Erwähnung, dass eine
„Erweiterung der Möglichkeiten zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen und von Wohneigentum durch die Bewohner“ intendiert ist, „um deren Interesse an der Qualität der Wohnungsbestände und des Wohnumfeldes zu stärken.“ Bemerkenswert
ist, dass ungeachtet der Bedeutung des Zugangs zu Wohnraum
für gesellschaftliche Teilhabe an der Erstellung des nationalen Integrationsplans nur ein Spitzenverband der Wohnungswirtschaft
mitwirke (Die Bundesregierung 2017).
Ein Beispiel für eine gelungene akteursübergreifende Kooperation ist das Projekt „Mehr Wohnungen für Flüchtlinge in Bremen“, in dessen Rahmen die Freie Hansestadt Bremen, die AWO
Bremen sowie die GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und
Bauen zusammenarbeiten. Neben der zusätzlichen Bereitstellung
von Wohnraum durch das Wohnungsunternehmen, unterstützt
das Projekt Asylbewerberinnen und Bewerber und Geflüchtete
bei der Verbesserung der Lebenssituation und der Förderung
ihrer Integration sowohl bei der Suche als auch beim anschließenden Bezug von eigenem Wohnraum. Eine zeitunabhängige
Nachbetreuung wird im Rahmen des Projekts auch privaten Vermieterinnen und Vermieter angeboten (mehr Informationen,
siehe Steckbrief 8 im Anhang).
Der Schwerpunkt der Antidiskriminierungsarbeit der Migrantenselbstorganisationen liegt in den Handlungsfeldern
Bildung und Arbeit, aber kaum im Handlungsfeld Wohnen.
Migrantenorganisationen werden in kommunalen und quartiersbezogenen Integrationsprozessen als zentrale Akteurinnen und
Akteure zwar konsultiert (beispielsweise durch die Einrichtung
konsultativer Migrations- und Integrations(bei)räte), aber nicht
zwangsläufig auf Augenhöhe eingebunden. Ihre Position gegen
Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum wird – überwiegend
von türkischstämmigen Organisationen, den MSOen der Sinti
und Roma und der „Initiative Schwarzer Menschen“ – eher im
Bereich der Antidiskriminierungsarbeit, als im Rahmen von Strategien der kommunalen Wohnraumversorgung, Quartiersarbeit
oder konkreter Belegungsstrategien von Wohnungsunternehmen
verhandelt. Ausnahmen dazu finden sich in neuen mietenpolitischen Initiativen wie dem Berliner Mieterbündnis „Kotti&Co“,
in dem sowohl ein hoher Anteil an Migrantinnen und Migranten
individuell als auch eine MSO vertreten sind.
Von den hier befragten MSOen wird vermutet, „dass die begrenzte Auseinandersetzung von MSOen mit dem Thema Wohnen auf die sehr eingeschränkten Einflussmöglichkeiten in diesem Feld zurückzuführen ist“, zumal „der Wohnungsmarkt ein
riesiges Feld ist, in dem für NGOs eigentlich nur die Möglichkeit
besteht zu skandalisieren und es gleichzeitig ganz wenig Handlungsoptionen gibt“ (IP14).
Auf der Ebene regelmäßiger, formalisierter Kontakte ist der 2006
gegründete Arbeitskreis „Kommunaler Qualitätszirkel zur Integrationspolitik (KQI)“ (Landeshauptstadt Stuttgart 2018) hervorzuheben (Filsinger 2018: 327; Gesemann/Roth 2018: 1; Roth
Herausforderung und gute Praxis
2018: 630). Er wird von der Stadt Stuttgart geleitet und bietet ein
Austauschforum für Integrationsbeauftrage aus 30 Städten und
Landkreisen sowie Vertreterinnen und Vertreter des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge, des Deutschen Städtetags, von
wissenschaftlichen Forschungsinstituten, Stiftungen und kommunalen Migrationsbeiräten. Das 2016 vom KQI formulierte
Manifest „Wir können Integration“ zum Thema ‚Gelingende
Integration von Flüchtlingen in Städten, Kreisen und Gemeinden‘
bewertet u. a. Zugänge zu gutem Wohnen und Integration im
Wohnumfeld als eine zentrale Voraussetzung von Teilhabe. Eine
vertiefende Diskussion zum Wohnen verfolgt das KQI jedoch nur
zur Unterbringung geflüchteter Menschen. Im Positionspapier
der Türkischen Gemeinde zu den Bundestagswahlen 2017 (TGD
2017) kam das Thema Wohnen nur am Rande und bzgl. Diskriminierung bei der Wohnungssuche vor.
Vorreiterinnen und Vorreiter im Diskurs sind alte und neue
Intermediäre – sie sind Innovationsträgerinnen und -träger
und treiben die Umsetzung von Antidiskriminierungspolitik voran.
Die Auseinandersetzung mit der Herausforderung, Geflüchteten
Zugang zu Wohnraum zu geben und ihre Integration im Quartier
zu begleiten, hat nicht nur dem wissenschaftlichen Diskurs zu residentieller Segregation und Integration im Quartier neue Impulse
gegeben. Als die Kommunen und auch wohnungswirtschaftliche
Akteurinnen und Akteure 2015 völlig unvorbereitet beginnen
mussten, zügig und zielgerichtet Lösungen für die Unterbringung
einer großen Zahl Zugewanderter zu finden, haben sich oftmals
Verwaltungsexterne als Vorreiterinnen und Vorreiter bei der Entwicklung inhaltlicher Lösungsansätze vor Ort erwiesen, so z. B.
die „Wohnbrücke“ Hamburg und die „Kontaktstelle Wohnen“
in Leipzig. Da die Kapazitäten der Gemeinschaftsunterkünfte in
Leipzig für die steigende Anzahl an Geflüchteten nicht ausreichten, wurde Anfang 2015 nach Möglichkeiten zur dezentralen
Unterbringung gesucht. Die mit der Aufgabe betraute „Kontaktstelle Wohnen“ unterstützt Geflüchtete dabei eine eigene
Wohnung zu finden, kommuniziert mit Vermieterinnen und Vermieter, begleitet zu Wohnungsbesichtigungen und -übergaben
und unterstützt bei Anträgen zur Mietkostenübernahme (mehr
Informationen, siehe Steckbrief 9 im Anhang).
Aktuelle Publikationen zur ‚Integration im Quartier‘ zeigen
auf, wie sich bereits bewährte Formate und Akteurskonstellationen mit etablierten Intermediären – z. B. im Kontext von
Quartiersmanagement, Gemeinwesenarbeit im Quartier oder
Sozialmanagement von Wohnungsunternehmen – fortsetzen
und weiter entwickeln.26 Auf diese Weise haben sich völlig neue
Konstellationen zum Thema Integration im Quartier entwickelt.
So entstehen neue intermediäre Räume, wie z. B. im Rahmen
des oben erwähnten Alternativen Wohngipfels 2018 in Berlin.
Das Grandhotel Cosmopolis, Gewinner des Städtebaupreises
2016, ist ein besonderes Beispiel für neue Formen der Kooperation und der Selbstorganisation und fördert mit einem hybriden
Nutzungskonzept die gesellschaftliche Teilhabe unterschiedlicher
Nutzerinnen und Nutzer. Das ehemalige Pflege- und Altenheim
im Eigentum der Diakonie Augsburg bietet Wohnraum für Asylsuchende, Übernachtungsmöglichkeiten für Reisende, Ateliers
26
Ein Beispiel ist das Berliner Programm BENN.
vhw 27
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
für Kunstschaffende sowie Räumlichkeiten für Tagungsreisende
(mehr Informationen, siehe Steckbrief 10 im Anhang).
Als Beispiel für die Weiterentwicklung von Dialog und Instrumenten gegen die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten
auf dem Wohnungsmarkt kann der Planerladen Dortmund gesehen werden, der sich seit 1982 mit Testing-Studien, lokalen und
überregionalen Fachdialogen, der Entwicklung von Konzepten
für interkulturelle Kompetenz und Antidiskriminierungsarbeit im
Wohnungswesen, Qualifizierungsangeboten sowie kontinuierlicher Netzwerkarbeit für die Verbesserung der Wohnsituation
und Integration von Migrantinnen und Migranten und aktuell
Geflüchteter einsetzt. Der Planerladen ist damit seit mehr als 30
Jahren Impulsgeber für wohnungspolitische Diskurse – auch auf
Bundesebene – und versucht mit lokalen Aktionen den Fokus von
den „Neuzugewanderten als Problemursache“ auf strukturelle
Rahmenbedingungen und institutionelles Handeln zu lenken,
die zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt führen (mehr
Informationen, siehe Steckbrief 11 im Anhang).
Wo Wohnraum sich drastisch verknappt, entstehen verschiedene Formate zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation. Sie reichen von ehrenamtlicher Unterstützung über
die Professionalisierung des Ehrenamts bis hin zu einer
Schattenseite dieses „Marktes“, den kriminell agierenden
Maklern.
In den meisten Großstädten ist wie beschrieben eine Vielzahl
zivilgesellschaftlicher Initiativen entstanden, die die Wohnungssuche Geflüchteter unterstützen. Einige dieser Initiativen berichten,
inzwischen vereinzelt auch von Migrantinnen und Migranten aufgesucht zu werden, die keine Fluchterfahrung haben und dennoch Unterstützung bei der Wohnungssuche benötigen (IP21),
andere von community-bezogenen Kommunikationsstrategien,
wie die zuvor erwähnte Facebook-Gruppe „New Wave in Berlin“
für türkischstämmige Wohnungssuchende in Berlin.
Aufgrund des erschwerten Zugangs Geflüchteter zum regulären Wohnungsmarkt haben sich jedoch in vielen Gro߬städten
auch von illegalen Maklerinnen und Maklern betriebene lokale
Schwarzmärkte etabliert, in denen zu horrenden Vermittlungspreisen (teils auch nur scheinbar) verfügbarer Wohnraum angeboten wird. Diese bereits wissenschaftlich belegte Entwicklung
beschäftigt Zivilgesellschaft, Landeskriminalämter und – auf der
Compliance-Ebene – auch die Wohnungswirtschaft (Foroutan
et al. 2017).
4.3 Blick über den Zaun:
Wohnungswirtschaftlicher Umgang
mit Diversität in den Niederlanden,
Frankreich und Österreich
Mit dem ‚Blick über den Zaun‘ zum wohnungswirtschaftlichen
Umgang mit Diversität in den Niederlanden, Frankreich und Österreich werden im Folgenden Einblicke in Vergabepraktiken und
kommunale Mischungsstrategien in angespannten Wohnungsmärkten gegeben.27 Die aufgezeigten Strategien in Frankreich
28 vhw
Herausforderung und gute Praxis
und den Niederlanden zielen auf die Vermeidung bzw. Bekämpfung ethnischer und sozialer Segregation. In Österreich/Wien
hingegen standen bis vor etwa zehn Jahren Strategien gegen
soziale Segregation im Fokus der Wohnungspolitik. Die in diesem
Kontext entwickelten Instrumente stehen erst seit einigen Jahren
auf dem Prüfstand ihrer Tauglichkeit zur Vermeidung auch herkunftsbedingter Segregation und ggfs. Mehrfachdiskriminierung.
4.3.1 Blick über den Zaun:
Transparente Vergabeverfahren
erhöhen Fairness in der Belegungssteuerung: Das Beispiel der
Niederlande
Der niederländische Wohnungsmarkt zeichnet sich durch eine
lange Tradition des sozialen Wohnungsbaus aus (Kullberg/Kulu-Glasgow 2009: 31). Gegenwärtig befinden sich 75 Prozent
der insgesamt drei Millionen Mietwohnungen im Besitz von
Wohnungsgesellschaften. Durch eine gezielte staatliche Förderung von Wohnungsgesellschaften und Bauvorhaben seit dem
Zweiten Weltkrieg verfügen die Niederlande europaweit über
den größten Sozialwohnungsmarkt (van Driel 2013; Pittini et al.
2017: 86). Insgesamt werden 90 Prozent aller Mietwohnungen
in den Niederlanden als Sozialwohnungen angeboten, während
es sich in Deutschland genau umgekehrt verhält: rund 90 Prozent
der Mietwohnungen sind hier frei finanziert (BPD 2016: 33). Der
Sozialwohnungsbau der Niederlande ist dabei allerdings nicht
ausschließlich ressourcenschwächeren Haushalten vorbehalten:
80 Prozent aller Sozialwohnungen werden an Menschen mit
einem Einkommen von bis zu 35.739 Euro (Stand 2016) vermietet, das verbleibende Fünftel anteilig auch an Haushalte mit
mittlerem/höherem Einkommen (Government of the Netherlands
o.J.; Boelhouwer/Priemus 2014: 330).
Die zunehmende Wohnungsknappheit und mangelnde Verfügbarkeit erschwinglichen Wohnraums in Ballungsräumen ist
auch in den Niederlanden eine zentrale Herausforderung (Pieters
2018). Es geht im niederländischen Diskurs dabei explizit nicht
nur um die Frage, wie viel Wohnraum verfügbar ist, sondern
auch für wen dieser tatsächlich zugänglich ist. Immer wieder wird
in Stadtpolitik und Forschung über die Frage eines fairen Zugangs
kontrovers diskutiert.
Choice-based letting (CBL): Vergabesystem in
den Niederlanden
Die Vergabe von Sozialwohnungen erfolgt seit den 1990er Jahren
über das sogenannte „choice-based letting System“ (CBL) (Münch
2010: 318). Bevor das CBL 1997 eingeführt wurde, fand die Verteilung von Sozialwohnungen über ein – mit dem deutschen
System in Grundzügen vergleichbares – System der Priorisierung
entlang von Bedarfslage und Wartezeit statt (Kullberg 1997:
Die internationalen Perspektiven in dieser Studie wurden bearbeitet
von Heike Hanhörster (Niederlande), Christine Barwick (Frankreich),
Carina Diesenreiter (Wien) und Christiane Droste (Frankreich/Wien).
27
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
394). Über die Jahre hinweg ließen sich jedoch einige Mängel
des Verteilungssystems feststellen. Ein wichtiger Aspekt, der für
die Erarbeitung eines neuen Systems sprach, betraf den Zeitaufwand, der mit der Verwaltung der (häufig nicht mehr aktuellen)
Wartelisten für die Gemeinden einherging. Lange Wartezeiten
zwischen Registrierung und tatsächlicher Wohnungsvermittlung
wurden auch für die Nachfrageseite als deutlich nachteilig wahrgenommen.
b)
Entscheidungsspielraum von Sachbearbeitenden
minimiert
Alle registrierten Wohnungssuchenden werden aufgrund
von transparenten Kriterien, die für alle Wohnungsunternehmen einer Region gleich sind, priorisiert (Haffner/Hoekstra 2006: 443). Das System wird von den befragten
Expertinnen und Experten (Bereich Forschung und Wohnungswirtschaft) als fast „mathematisch“ in seinem Vorgehen beschrieben, es minimiert den Entscheidungsspielraum
der Sacharbeitenden. Jegliches ‚social engineering‘, also
aktives Eingreifen in die Belegungszusammensetzung, ist
kaum mehr möglich (Pawson/Kintrea 2002: 657; Münch
2010: 295). Dies lässt damit auch keinen Handlungsspielraum einer gezielten Belegung im Sinne vermeintlich ‚stabiler‘ Bewohnerstrukturen zu und verhindert gezielte oder
auch unbewusst diskriminierende Belegungspraktiken:
„These letting mechanisms seemed to provide a coping
strategy to fight officer discretion and institutional discrimination“ (Kullberg/Kulu-Glasgow 2009: 56). Negative Effekte für das soziale Miteinander in den Nachbarschaften
oder den wohnungswirtschaftlichen Betrieb der Bestände,
in denen CBL umgesetzt wird, sind nach Aussage eines
befragten wohnungswirtschaftlichen Experten aus den Niederlanden bisher nicht belegt (Kromhout 2019).
c)
Zugang Geflüchteter zu Wohnraum
Neben dem allgemeinen Sozialwohnungsbestand werden
in einigen Städten separate Depots an Wohnungen verwaltet, die ausschließlich Personen mit besonders dringendem Bedarf („urgency seekers“) zur Verfügung stehen. Zu
dieser Personengruppe gehören beispielsweise Menschen,
die von Obdachlosigkeit betroffen sind sowie die Gruppe
der Geflüchteten. Diese speziellen Bedarfsgruppen erhalten
also offiziell einen gesonderten Zugang zu Wohnraum. Alle
anderen Bewerberinnen und Bewerber haben auf diesen
Bereich keinen Zugriff (Buijs 1999, zitiert nach Aref 2005).
Im Jahre 2013 lag der Anteil der Personen mit gesonderten
Zugangsrechten in Amsterdam beispielsweise bei 25 Prozent. Da in Amsterdam jedoch keine gesonderten Wohndepots zur Verfügung stehen, befinden sich die ‚speziellen‘
Bedarfsgruppen mit den anderen Bewerberinnen und Bewerber in unmittelbarer Konkurrenz. Interessieren sich die
sogenannten „urgency seekers“ für Wohnobjekte, haben
andere Interessierte keine Chance auf einen Zuschlag. Da
die Personengruppe mit besonderer Dringlichkeit in der
Wohnungsversorgung in Amsterdam deutlich größer ist, als
in anderen Städten der Niederlande (Rotterdam: 8 Prozent),
ist entsprechend auch der Druck, der auf dem Priority-System lastet, besonders hoch.
Im Jahr 1993 veröffentlichte das Wohnungsbauministerium eine
Studie (CEBEON 1993), die Belege dafür lieferte, dass ethnische
Minderheiten aufgrund der Autonomie von Wohnungsgesellschaften bei der Selektion ihrer Kundinnen und Kunden besondere Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu erhalten.
Folgestudien zeigten, dass das neue CBL-Modell deutlich weniger
Spielraum für Selektionspraktiken seitens der Wohnungsgesellschaften ließ (vgl. Kromhout/van Ham 2012: 386). Die Zugangschancen für ethnische Minderheiten erwiesen sich in diesem
System als deutlich ausgeprägter (Kullberg/Kulu-Glasgow 2009:
56). Für das Niederländische Modell lassen sich im Hinblick auf
die Zugänglichkeit und Chancengleichheit für Migrantinnen und
Migranten folgende Charakteristika herausstellen:
a)
Transparenz der Wohnungsvergabe:
Regionale Wohnungsportale
Der Zugang zu Informationen stellt eine entscheidende Bedingung für den Zugang zum Wohnraum dar: „The range
of housing choices available for households depends on
their access to information about application and priority
procedures, the properties that are available and the areas
in which those properties are located” (Wiesel et al. 2011:
30). Um eine größtmögliche Transparenz zu ermöglichen,
können Wohnungssuchende auf zentrale Wohnungsportale zugreifen. Von der Bewerbung bis zur Wohnungsbelegung wird der Vergabeprozess über diese Dachportale
abgewickelt. Das zentrale Portal WoningNet (vgl. www.
woningnet.nl) bündelt die Angebote von mehr als 100 niederländischen Wohnungsunternehmen, Kommunen und
privaten Vermieterinnen und Vermieter. Darüber hinaus
fassen regionale Portale (z. B. www.woonstadrotterdam.
nl) die Bestände der dort aktiven Wohnungsgesellschaften
zusammen. Suchende müssen sich also nicht an einzelne
Anbietende wenden. Durch das Portal können sie sich nicht
nur einen Überblick über Charakteristika und Lage sämtlicher verfügbarer Sozialwohnungen der jeweiligen Region
verschaffen, sondern auch über die genauen Voraussetzungen für die Vergabe. Das System schafft damit ein hohes
Maß an Transparenz. Nach entsprechender Registrierung
können Suchende sich aktiv auf ausgewählte Objekte bewerben (Kullberg 1997: 396). Auf diese Weise wird den
Wohnungssuchenden mehr Verantwortung zugetragen,
zugleich wird ihnen jedoch auch mehr Wahlfreiheit und
Handlungsspielraum gewährt (Pawson/Kintrea 2002: 648).
Nach Vergabe der Wohnung wird veröffentlicht, wie viele
Bewerberinnen und Bewerber es für das jeweilige Objekt
gab und welche Merkmale der/die ausgewählte Bewerber/
in aufwies. Auch dies sorgt für einen erhöhten Grad an
Transparenz bezüglich der Belegungsentscheidung (Kullberg
1997: 397).
Herausforderung und gute Praxis
Was ist „Fairness“? Lotterieverfahren bei der
Wohnraumvergabe
Das zentrale Belegungsverfahren des CBL wird durch diverse
weitere Strategien der Belegungssteuerung ergänzt, die teils
experimentellen Charakter haben. Das ‚Experimentieren‘ mit
neuen Verfahren hat in den Niederlanden Tradition und hat in
den letzten Jahren eine besondere Konjunktur erlebt. Die Einführung neuer, das CBL-Verfahren ergänzender, Modelle hat
zum Ziel, gerade neu zugewanderte und ressourcenschwächere
vhw 29
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Personen darin zu unterstützen, Wohnraum zu finden. Eines
dieser alternativen Modelle, das ohne Wartezeiten arbeitet, ist
das Lotteriesystem. Die Vergabe nach Lotterieverfahren (basierend auf einer zufälligen Ziehung) wird gerade in Wohnungsmärkten mit höheren Leerständen aktiv genutzt und ermöglicht
Wohnungssuchenden einen schnelleren Zugang zu Wohnraum.
Hervorgehoben wird von Expertinnen und Experten die erhöhte
Effizienz des Systems: Die Vergabe von Objekten erfolgt in der
Regel so schnell, dass Leerstände vermieden werden können.
Im Vergleich zu Verfahren, die auf Wartezeiten basieren, haben
insbesondere neu Zugezogene durch dieses Vergabemodell verbesserte Chancen: „Length of residence is the most important
requirement for gaining access to the better houses in the better
districts, which is why the length of residence criterion results in
discrimination based on ethnicity“ (Nieuwboer 2003: 41).
Durch eine zunehmende Anzahl von Regelungen, insbesondere in
Bezug auf Zugangsmöglichkeiten für ‚spezielle‘ Bedarfsgruppen,
wird das eigentlich als transparent gelobte System aber gleichzeitig auch zunehmend undurchsichtig. Das komplexe System
verschiedener Vergabepraktiken benachteiligt ressourcenschwächere Personengruppen (z. B. mit geringeren Sprachkenntnissen)
in besonderer Weise: „if you are aware about how the system
works you are more privileged, you have more choice, more
chances” (Interviewparterin Wohnungswirtschaft). Insbesondere
die Zugangsvoraussetzungen der Gruppe der Wohnungssuchenden mit besonderer Dringlichkeit sind nicht leicht durchschaubar,
zumal sie von Region zu Region stark variieren. An einem System,
das noch stärker bedarfsorientiert ausgerichtet ist, wird zurzeit
gearbeitet. Hier könnte sich demnach ein weiterer Paradigmenwechsel ergeben.
4.3.2 Blick über den Zaun:
Politik der „mixité“ in Frankreich
Für das Verständnis der Politik der „Mixité“ in Frankreich ist
eine wichtige Voraussetzung, dass ein wesentlicher Unterschied
zwischen Frankreich und anderen europäischen Ländern darin besteht, dass die Kategorie ‚Ethnizität‘ in Frankreich nicht verwendet wird. Dies ist verknüpft mit dem Ideal des Republikanismus –
jede Person, die in Frankreich geboren ist, erhält die französische
Staatsbürgerschaft und ist somit Teil der Republik. Somit soll es
keine Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen geben. Dementsprechend sind nur wenige Daten zur ethnischen Segregation
vorhanden. Allerdings gibt es einige Studien zur Segregation
von Ausländerinnen und Ausländern, die auf Fragen nach dem
eigenen Geburtsort oder dem Herkunftsland der Eltern basieren.
Generell ist die ethnische Segregation in Frankreich höher als die
soziale Segregation (Quillian/Lagrange 2016). Zudem hat, anders
als in Deutschland, die ethnische Segregation in Frankreich zugenommen, während die soziale abgenommen hat (Pan Ke Shon
2009). Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Segregation
von ausländischen Personen und deren Kindern, allen voran aus
Subsahara-Afrika, dem Maghreb sowie der Türkei, in den sozial schwächsten Quartieren, bezeichnet als ZUS („zone urbaine
sensible“) sowie ZFU („zone franche urbaine“), am höchsten ist
(Haut conseil à l’integration 2011.; Pan Ke Shon 2011a, 2011b).
Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die ZUS oft als
30 vhw
Herausforderung und gute Praxis
Ankunftsquartiere dienen und dort somit eine hohe Fluktuation
herrscht. Zum anderen wird jedoch deutlich, dass Migrantinnen
und Migranten aus Afrika ein viermal so hohes ‚Risiko‘ im Vergleich zu Französinnen und Franzosen haben, in diesen sozial
schwächsten Quartieren wohnen zu bleiben (Pan Ke Shon 2009).
Um der Segregation entgegenzuwirken, herrscht in Frankreich,
wie in anderen europäischen Ländern, das Leitbild der ‚sozialen Mischung‘. Um diese zu fördern, wurde im Jahr 2003 das
„Programme National pour la Rénovation Urbaine“ (PNRU) eingeführt. Vor allem in sozialstrukturell benachteiligten Quartieren
wie den ZUS soll durch Abriss von heruntergekommen Sozialwohnungen sowie Neubauten für Haushalte mit mittlerem Einkommen eine bessere soziale Mischung erreicht werden (Lelévrier
2010, 2013b). Die Neubauten in den ZUS sollen für die Mittelschicht attraktiv gemacht werden, indem es sich um privaten
Wohnungsbau handelt und es zudem die Möglichkeit des Eigenheimerwerbs gibt. So soll nicht nur der Zuzug, sondern auch der
Fortzug von Mittelschichthaushalten gesichert werden. Die abgerissenen Wohneinheiten des sozialen Wohnungsbaus sollen als
sozialer Wohnungsbau in äquivalenter Anzahl an anderer Stelle
neu errichtet werden. Unter anderem geht es dabei auch um eine
gerechtere räumliche Verteilung von sozialem Wohnungsbau in
Frankreich.28 So sollen in jeder Kommune mindestens 20 Prozent
des Gesamtwohnbestandes als sozialer Wohnungsbau dienen,
während es bisher einige Kommunen gibt, die deutlich mehr
bzw. weniger an sozialem Wohnraum zur Verfügung stellen.
Allerdings kann dieses Solidaritätsgesetz vor allem von wohlhabenden Kommunen umgangen werden, indem sie – was erwartet wird – keinen zusätzlichen sozialen Wohnungsbau errichten,
sondern eher die dafür fällige Strafe zahlen.
Die ANRU („Agence Nationale pour la Rénovation Urbaine“)
ist eine von der Regierung eingerichtete Organisation, welche
die Umsetzung der Stadterneuerung übernimmt. Sie sorgt u. a.
dafür, dass keine Einheit vom sozialen Wohnungsbau ‚verloren‘
geht und schließt Verträge mit den lokalen Autoritäten. Im Rahmen des PNRU wurden bisher 490 Wohnquartiere renoviert,
davon waren vier Millionen Personen betroffen. In das 2014
beschlossene Nachfolgeprogramm sind nochmal 450 Quartiere
involviert. Die Rolle der ANRU besteht vor allem darin, die verschiedenen Akteurinnen und Akteure und Fachwissen zu vereinen, sowie die Projekte zu finanzieren und zu begleiten (ANRU
2019). Dabei steht das Prinzip der Partnerschaft mit lokalen Abgeordneten, nicht-staatlichen Organisationen, Mieterverbänden,
sozialen Wohnungsbaugesellschaften und staatlichen Akteurinnen und Akteure im Vordergrund.
Zentral für den Wohnungsbau im Rahmen des PNRU sind drei
Elemente: 1) Für Neubauten wurden private Bauträgerinnen und
Bauträger unterstützt, welche ihre Wohnungen zur Miete und
zum Kauf anbieten, und zwar unter dem üblichen Marktpreis.
Für Käuferinnen und Käufer gibt es für diese Wohnungen zudem
eine reduzierte Mehrwertsteuer. 2) Für Personen, die Eigentum
bauen oder erwerben wollen, wurde ein Arbeitgeberzuschuss
eingerichtet. Dafür zuständig ist die „Association Foncière Logement“. 3) Für den sozialen Wohnungsbau wiederum sind die
Basierend auf dem Gesetz „Solidarité et Renouvellement Urbains“
vom 13. Dezember 2000.
28
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Vermieterinnen und Vermieter der HLMs („Habitations à loyer
modéré“/Träger des sozialen Wohnungsbaus in Frankreich) zentrale Partnerinnen und Partner.
Wie Forschungsergebnisse gezeigt haben und auch die ANRU
anerkennt, hat sich das Ideal der sozialen Mischung nicht wie
gewünscht eingestellt. Dies hängt vor allem damit zusammen,
dass dem Zuzug eine wichtige Rolle für die Herstellung einer
‚gesunden‘ Mischung beigemessen wurde. Letztendlich waren
aber Umzüge innerhalb des Quartiers viel häufiger. Es wurden
außerdem viel weniger Wohnungen abgerissen als ursprünglich geplant. Dadurch ist die gewünschte Verteilung von sozial
schwächeren Haushalten ausgeblieben. Diese sind zum Großteil innerhalb der Kommune, wenn nicht sogar innerhalb des
Quartiers, umgezogen, wobei ein Großteil in ZUS-Quartieren
verblieben ist. Die Ankündigung von Wohnungsabriss hat zudem zum nicht-intendierten Effekt geführt, dass die Haushalte,
die es sich leisten konnten, bereits vor dem Abriss fortgezogen
sind. Private Bauträgerinnen und Bauträger hingegen haben sehr
positiv auf das Programm reagiert. Die neugebauten Wohnungen zum Eigenerwerb haben vor allem Haushalten der unteren
Mittelschicht, darunter vielen Migrantinnen und Migranten und
deren Kindern, die im Quartier/der Kommune aufgewachsen
sind, Zugang zu Wohneigentum ermöglicht (Lelévrier 2013a).
Diskriminierung & Diversität
Obwohl in Frankreich die Kategorie Ethnizität offiziell nicht
existiert, haben in den letzten Jahren einige Studien gezeigt,
dass Wohnungsunternehmen ihre Mieterinnen und Mieter sehr
wohl auch nach Kriterien der Ethnizität auswählen (Bourgeois
2013; Sala Pala 2013). Marine Bourgeois (2015) hat für mehrere Kommunen die diskriminierenden und exkludierenden Effekte der Praktiken der ‚street-level bureaucrats‘, welche ihren
Handlungsspielraum ausnutzen, aufgezeigt. Zugang zu einer
Sozialwohnung hat generell jede Person, die Identitätspapiere
besitzt und deren Einkommen unter einer bestimmten Grenze
liegt. Die Wohnzuweisung erfolgt offiziell aufgrund der Kriterien
Wohnungsnot29 sowie den Prinzipien der sozialen Mischung. Die
Suche nach dem ‚guten Mieter‘ bzw. der ‚guten Mieterin‘ führt
aber auch in Frankreich dazu, dass Interessierte anhand ihrer
familiären und beruflichen Situation sowie aufgrund ‚ihrer Art zu
wohnen‘ ausgewählt werden. Dabei spielen auch Vorurteile und
Stereotypen eine zentrale Rolle (Bourgeois 2015).
Das Ideal der sozialen Mischung kann also, wie auch in Deutschland, in Konflikt stehen mit der Antidiskriminierungsgesetzgebung. Auch in Frankreich ist sowohl für öffentliche als auch
private Vermieterinnen und Vermieter Diskriminierung aufgrund
von (zugeschriebener oder tatsächlicher) Ethnizität, Nationalität,
Rasse oder Religion verboten. Zudem steht das Ideal der sozialen
Mischung in Konflikt mit der Favorisierung von prekären Haushalten für den sozialen Wohnungsbau30 (Fondation Abbé Pierre
2016; Kesteman 2010; Lemas 2009). Da sich die günstigsten
Einheiten des sozialen Wohnungsbaus primär in ZUS-Quartieren
befinden, verstärkt die Vermittlung von Wohnungen an Personen
in Wohnungsnot in diesen Quartieren die soziale Segregation
und steht somit dem Ideal der sozialen Mischung entgegen.
Herausforderung und gute Praxis
4.3.3 Blick über den Zaun:
Die Wiener Wohnbauförderung –
ein Instrument zur Schaffung
sozial ausgewogener und leistbarer
Wohnverhältnisse
Die langjährige Tradition der sozialen Wiener Wohnungsbaupolitik ist Teil des Selbstverständnisses der Stadt und prägt das
„Wiener Modell“ bis heute nachhaltig. Bereits zum neunten Mal
in Folge wurde Wien 2018 zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit gewählt (Mercer 2018). Dies ist unter anderem
einer ausgeglichenen sozialen Durchmischung und einem, im
Vergleich zu anderen europäischen Metropolen, leistbaren und
qualitätsvollen Wohnungsangebot zu verdanken. Diese beiden
Aspekte werden maßgeblich durch verschiedene Instrumente
der Wiener Wohnbauförderung beeinflusst, die international
als Vorzeigemodell gilt (Droste et al. 2019; Gruber/Franz 2018).
Das „Rote Wien“ als Fundament für leistbares
Wohnen
Der Wohnungsbau des „Roten Wien“ (1918 bis 1934) und die
Einführung einer zweckgebundenen Wohnbausteuer im Jahr
1923 begründeten den Ruf der Stadt als Vorreiterin für zeitgemäßen sozialen Wohnungsbau. Mithilfe der Wiener Wohnungsbauprogramme wurde in den letzten Jahrzehnten ein beachtlicher
kommunaler Wohnungsbestand von heute rund 220.000 leistbaren und über die gesamte Stadt verteilten Gemeindewohnungen aufgebaut. Der zunächst letzte Gemeindebau wurde 2004
fertiggestellt. Im Wahlkampf 2015 kündigte die Wiener Stadtverwaltung die Errichtung von „Gemeindewohnungen Neu“
an. Ziel für 2019 ist die Fertigstellung von 120 neuen Gemeindewohnungen, bis 2020 sollen insgesamt 4.000 Wohnungen auf
den Weg gebracht werden. Zusätzlich verfügt Wien über rund
200.000 geförderte Miet- und Genossenschaftswohnungen. Dies
entspricht insgesamt einem Anteil von ca. 43 Prozent dauerhaft
sozial gebundenem Wohnraum in Wien (Statistik Austria 2018:
22; Ludwig 2017: 2; Gruber/Franz 2018: 99).
Wohnverhältnisse von Wienerinnen und
Wienern mit und ohne Migrationsbezug
2018 lebten in Wien rund 1,9 Millionen Menschen. Laut Bevölkerungsprognose soll diese Zahl in den nächsten drei Jahrzehnten
um 15,5 Prozent ansteigen. Dies erfordert die Errichtung von
zusätzlichem leistbarem Wohnraum (MA 23 2018: 2). Aktuell
werden ca. 7.000 Wohnungen jährlich errichtet, wovon ca. die
Hälfte dem geförderten Segment zuzurechnen ist (Ludwig 2017:
4). 78 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben in Mietwoh-
29
30
In Frankreich sollen Sozialwohnungen in erster Linie an Leute in
Wohnungsnot vergeben werden.
Erstmals ins Gesetz geschrieben durch das Loi Besson 1989, danach
gestärkt durch Gesetze in den Jahren 1998 und 2000; im Jahr 2007
wurde das droit au logement opposable eingeführt, welches juristische
Instrumente zur Durchsetzung des Rechts auf Wohnen bereitstellt.
vhw 31
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
nungen (Hauptsitzwohnungen), rund 60 Prozent leben in Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen (Jandl 2018). In den
letzten zehn Jahren ist die Zahl der in Gemeindewohnungen
sowie in gemeinnützig errichteten Wohnungen lebender Menschen merkbar angestiegen. Allerdings nahm im Gemeindebau
die Zahl der nach Wien zugewanderten Personen und deren
Kindern zu, die der Bewohnerinnen und Bewohner ohne Migrationserfahrung hingegen ab. Im Vergleich dazu wohnte im geförderten Mietwohnungsbau (gemeinnützig errichtete Wohnungen)
ein deutlich höherer Anteil an Wienerinnen und Wienern ohne
Migrationsbezug31 (Hacker et al. 2014: 24; MA 17 2017: 153f.).
Insgesamt stehen neu Zugewanderte vor wachsenden Herausforderungen bei der Wohnraumversorgung. Der Wiener Integrationsmonitor zeigt auf, dass Wohnkosten für neu Zugewanderte
durchschnittlich höher sind und auch die Wohnkostensteigerung
für sie größer ist. Gleichzeitig steht ihnen bis zu 40 Prozent weniger Wohnfläche pro Haushaltsmitglied zur Verfügung.
Wohnungsvergabe durch Wohnservice Wien
30 Prozent der geförderten Wohnungen werden durch Wohnservice Wien vergeben. Dabei fällt die Entrichtung eines Eigenmittelbeitrags an, der von dem jeweiligen Haushalt bei Abschluss
des Mietvertrages bzw. bei Bezug zur Finanzierung der Grundund/oder Baukosten in Höhe von durchschnittlich 200 Euro/
m2 gegenüber dem Bauträger beizutragen ist.32 Dieser wird
bei Beendigung des Mietverhältnisses grundsätzlich wieder zurückbezahlt, dabei jedoch jährlich um 1 Prozent abgewertet.
Der Eigenmittelbeitrag stellt oftmals eine nicht zu bewältigende
Hürde für Menschen niedriger Einkommensklasse beim Zugang
zu gefördertem Wohnungsbau dar (Gruber/Franz 2018: 102),
für bestimmte Zielgruppen (z. B. Alleinerziehende) werden daher
besondere Kreditkonditionen ermöglicht. Voraussetzung für die
Anmeldung zu einer über Wohnservice Wien zu vergebenden
Wohnung ist der Besitz eines Wohn-Tickets (siehe unten). Auf
der Internetseite von Wohnservice Wien (wohnberatung-wien.
at) werden alle verfügbaren geförderten Wohnungen mittels
eines Zufallsgenerators zu einem beliebigen Tageszeitpunkt für
48 Stunden online gestellt, für die sich Interessenten gemäß
ihren Förderberechnungen anmelden können. Es ist möglich,
sich gleichzeitig für bis zu zehn Projekte und drei ausgesuchte
Wohnungen anzumelden. Die Reihung der Interessentinnen und
Interessenten für eine geförderte Wohnung erfolgt nach dem
Gültigkeitsdatum des Wiener Wohn-Tickets. Nach dem Anmeldeschluss wird die Wohnung zuerst den Interessierten mit dem
ältesten Gültigkeitsdatum angeboten, die nach einer persönlichen Prüfung der Dokumente und Förderkriterien einen Vergabeschein erhalten und damit den Vertrag mit dem Bauträger
unterzeichnen können (Wohnberatung Wien 2018). Mithilfe
dieses automatisierten Reihungsverfahrens wird die Gefahr der
gezielten Steuerung der Haushaltszusammensetzung (‚social engineering‘) der geförderten Wohnungen, für die die Stadt Wien
ein Belegungsrecht ausübt, gebannt. Die transparente Darlegung
der Reihungskriterien macht den Vergabeprozess für alle nachvollziehbar. Es liegen auch hier keine Untersuchungen vor, die
nachteilige Effekte dieses Ansatzes für die Nachbarschaften oder
die Bauträger belegen würden.33
32 vhw
Herausforderung und gute Praxis
Das Wiener Wohn-Ticket als Eintrittskarte zum
städtischen Wohnungsangebot
Im Unterschied zum Vergabeverfahren des Wohnservice Wien
wird an den Grundvoraussetzungen für Erhalt des Wiener
Wohn-Tickets, das am 1.7.2015 eingeführt wurde, durchaus
Kritik geübt.
Für den Erhalt des Wohn-Tickets müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
•
•
•
•
Vollendung des 17. Lebensjahres,
zwei Jahre Hauptwohnsitz an der aktuellen Adresse in Wien
(Einreichadresse),
österreichische Staatsbürgerschaft oder gleichgestellter
Status34 sowie
Unterschreitung der Einkommensgrenze (Wohnservice
Wien 2018).
Die Einkommensgrenzen35 für den Zugang zu geförderten Mietwohnungen liegen relativ hoch, d. h. ca. 75 Prozent der Wiener Haushalte haben potentiell Zugang zum geförderten Wohnungsbau. Der damit entstehende Zielkonflikt zwischen sozialer
Treffsicherheit und sozialer Mischung ist unumstritten. Eine Beschränkung des sozialen Wohnungsbaus auf ausschließlich einkommensschwache Haushalte würde jedoch das Ziel der sozialen
Durchmischung gefährden (Aigner 2018: 3; Ludwig 2017: 4).
Kritisiert wird auch der sogenannten ‚Wien-Bonus‘, der Wohnungsinteressierten, die bereits länger als fünf Jahre in Wien leben, bevorzugt. Dieser Bonus sowie die generelle Voraussetzung
einer bestimmten Hauptwohnsitzdauer in Wien verhindern den
Zugang Neuzuziehender aus dem In- und Ausland zum sozialen
Wohnungsbau (Gruber/Franz 2018: 99).
So wohnten 2013 21% der Menschen ohne Migrationsbezug, 13%
Migrantinnen und Migranten der ersten und 17% Migrantinnen
und Migranten der zweiten Generation im Gemeindebau. Im genossenschaftlichen Mietwohnungsbau lebten 2016 rund 30% der
Menschen ohne Migrationsbezug, 35% Migrantinnen und Migranten der ersten und 32% Migrantinnen und Migranten der zweiten
Generation (Hacker et al. 2014: 24).
32
Vgl. §8 der Rechtsvorschriften zur Wiener Wohnbauförderung vom
11.10.2019 (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000049,).
33
Diese Bewertung bezieht sich auf den durch den Wohnfonds Wien
geförderten Wohnungsneubau, nicht auf die Altbestände des Gemeindebaus, in denen die soziale und herkunftsbezogene Segregation in den letzten Jahren zugenommen haben (Troger 2018).
34
Staatsbürgerschaft eines EU- oder EWR-Landes bzw. der Schweiz,
Status als anerkannter Flüchtling oder Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ nach dem NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz).
35
Einkommenshöchstgrenzen 2018: 1 Person = 3.250,71 € monatliches Nettoeinkommen; 2 Personen = 4.844,29 € monatliches
Nettoeinkommen; 3 Personen = 5.482,14 € monatliches Nettoeinkommen.
31
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Zugang von Geflüchteten zum Wiener
Wohnungsmarkt
Mit Erhalt des positiven Asylbescheids haben anerkannte Geflüchtete noch vier Monate Zeit, ehe sie aus der Grundversorgung
entlassen werden und somit aus der Unterkunft ausziehen müssen.36 Ab diesem Zeitpunkt konkurrieren sie mit anderen Wohnungsinteressierten auf dem Markt für leistbares Wohnen. Wird
innerhalb dieses Zeitraums keine Wohnung gefunden, können
Geflüchtete Obdachlosenhilfe in Anspruch nehmen. Die Belegungszahlen des Fachbereichs Wohnungslosenhilfe der „wieder
wohnen“ GmbH37, einer Tochtergesellschaft des Fonds Soziales
Wien zur Betreuung und Wohnversorgung von wohnungslosen
und geflüchteten Menschen, zeigen jedoch, dass dies selten
der Fall ist (Gassner 2017: 46). Aufgrund der Wohnsitzauflage
und langer Wartezeit steht Geflüchteten meist zunächst nur das
private Wohnungsmarktsegment zur Verfügung, das aufgrund
der hohen Nachfrage steigende Mietpreise verzeichnet (Gruber/
Franz 2018: 99). Eine Studie zum Einfluss auf die Wohnbiografie
Neuankommender durch intermediäre Akteurinnen und Akteure
und informelle Unterstützungsnetzwerke der TU Wien resümiert
„that neither the market nor hierarchy/state bureaucracy have
ensured access to housing“ (Aigner 2018: 22). Die Unterbringung geflüchteter Menschen auf dem privaten Wohnungsmarkt
in Wien erfolgt primär mithilfe privater Netzwerke38, über Soziale Medien oder zivilgesellschaftliche Unterstützungsnetzwerke
(ebd.). Auch Soziale Träger wie die Caritas, das Rote Kreuz, die
Volkshilfe oder die Diakonie bieten spezielle Wohnprojekte für
Geflüchtete sowie Wohnraumberatung und -vermittlung.
Förderung von interkulturellen Wohnprojekten
im Rahmen der Bauträgerwettbewerbe
Neben einer vorausschauenden Bodenpolitik, einer differenzierten Förderlandschaft für Neubau und Sanierung39, wohnungsbezogenen Unterstützungsleistungen und Wohnbauprogrammen für verschiedene Zielgruppen sind insbesondere
qualitätssichernde Gremien und Wettbewerbe zur Vergabe von
Wohnungsbaufördermitteln ein wichtiges Instrument. Geförderte Wohnprojekte mit mehr als 300 Wohneinheiten werden
seit 1995 im Rahmen sogenannter „Bauträgerwettbewerbe“
vorbereitet und bewilligt.40 Ziel der Wettbewerbe ist es, eine
möglichst hohe Qualität bei gleichzeitig leistbaren Mieten zu
ermöglichen und innovative Projekte anzustoßen. Die Projekte
werden anhand eines 4-Säulen-Modells mithilfe eines detaillierten Kriterienkatalogs beurteilt (Wohnfonds Wien 2017a/2017b).
Neben den Säulen „Architektur“, „Ökonomie“ und „Ökologie“
wurde 2009 „Soziale Nachhaltigkeit“ als Hauptkriterium etabliert
(Droste et al. 2019: 16f.).
Herausforderung und gute Praxis
vor. 2000 wurde das Projekt der Sozialbau AG bezogen und
erhielt 2009 den ersten „Wiener Wohnbaupreis“ (Ludl 2017:
13). Das Leitmotiv „Interkulturelles Wohnen“ wurde 2010 im
Rahmen der beiden Bauträgerwettbewerbe „Mautner-Markhof-Gründe“ und „Nordbahnhof 2. Phase“ erneut aufgegriffen.
In den Wettbewerbsunterlagen wird das Ziel, „Voraussetzungen
für die Integration von nach Wien kommenden ausländischen
Zuwanderern zu schaffen“ (Wohnfonds Wien 2011: 60, 125)
formuliert und darauf verwiesen, dass damit „sowohl in baulich-architektonischer als auch in sozialorganisatorischer Hinsicht
neue Anforderungen“ (ebd.) verbunden sind. Eine konkrete Verordnung von Interkulturalität mittels messbarer Kriterien ist, außer über die Festschreibung eines verpflichtenden Migrantinnen
und Migrantenanteils, allerdings schwierig und auch fragwürdig
im Hinblick auf die Zielsetzung. Als gewinnbringende Strategie
wird die Zusammenarbeit der Bauträgerinnen und Bauträger und
Architektinnen und Architekten mit interkulturellen Organisationen bei der Entwicklung der Wohnprojekte sowie bei etwaigen
späteren Beteiligungs- und Gemeinschaftsbildungsprozessen der
dort lebenden Menschen erachtet. Ob und wie das Ziel eines
gemeinschaftlichen interkulturellen Zusammenlebens erreicht
wurde, ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Unumstritten
ist allerdings, dass durch die Auslobung von Bauträgerwettbewerben zum Thema „Interkulturelles Wohnen“ eine Öffnung der
Bauträgerinnen und Bauträger sowie eine aktive Auseinandersetzung mit der Frage, über welche Marketingkonzepte welche
Zielgruppen erreicht werden können, angeregt wird. Fraglich
bleibt jedoch, wie viele der zukünftigen Bewohnerinnen und
Bewohner wegen des programmatischen Konzepts in interkulturelle Wohnprojekte einziehen und wie viele lediglich auf der
Suche nach einer kostengünstigen und qualitativen Wohnung
sind (Riha 2014: 94). Ungeachtet der individuellen Einzugsgründe
sind diese Projekte ein wichtiges stadt- und wohnungspolitisches
Statement dafür, „dass ein interkulturelles Zusammenleben möglich und wertvoll, nicht ein Problem ist“ (ebd.: 95).
4.3.4 Lektionen aus der
internationalen Praxis
Die hier als ‚Blick über den Zaun‘ vorgestellten Praktiken haben
auf verschiedenen Ebenen ein Potential, den Diskurs zu ‚fairem
Vermieten‘ in Deutschland zu befördern: Das niederländische
und das österreichische Beispiel zeigen, dass Wohnungsunternehmen und Kommunen in Deutschland ihre Belegungsstrategien im Sinne einer transparenten und fairen Vergabe verändern
„Grundversorgungsvereinbarung“ (Art. 15a B-VG) zwischen dem
Bund und den Bundesländern.
37
https://www.obdach.wien/p/fluechtlingshilfe.
38
Bsp.: www.fluechtlinge-willkommen.at; www.asylwohnung.at;
www.helfenwiewir.at.
39
2017 wurden rund 529 Millionen Euro in Objekt- und Subjektförderung investiert (ca. 50% in Neubau, ca. 30% in Sanierung und ca.
20% Subjektförderung) (Jandl 2018).
40
Bei geförderten Wohnbauvorhaben mit weniger als 300 Wohneinheiten ist der Grundstücksbeirat für die Entscheidung zur Fördermittelvergabe verantwortlich. Die Liegenschaft befinden sich in diesem
Fall bereits im Eigentum der Bauträger (Droste et al. 2019: 16).
36
Bauträgerwettbewerbe werden häufig zu ausgewählten Themen/
spezifischen Aufgabenstellungen ausgerufen, um modellhafte
Wohnformen zu erproben. Schwerpunkte der letzten Jahre waren z. B. die Themen „Generationenwohnen“, „Neue Siedlerbewegung“ und „Interkulturelles Wohnen“ (Riha 2014: 47f.).
Die Errichtung von Wohnprojekten mit dem Ziel, die Gesellschaft
in Richtung eines positiven interkulturellen Zusammenlebens zu
transformieren, ist jedoch keineswegs neu. Bereits 1998 ging
das Projekt „Globaler Hof“, auch „Wohnmodell inter-ethnische
Nachbarschaft“ genannt, aus einem Bauträgerwettbewerb her-
vhw 33
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
könnten, ohne maßgebliche Risiken hinsichtlich der sozialen
Stabilität ihrer Bestände befürchten zu müssen. Das Wiener Beispiel belegt auch die Rolle städtischer Governance, politischen
Willens und der Notwendigkeit einer kontinuierlichen konzeptionellen Weiterentwicklung für ein solches Instrument der sozialen
Wohnraumversorgung. Gleichzeitig weist das österreichische
Beispiel, das der aktuellen Zuwanderung durch Geflüchtete nicht
angemessen Rechnung trägt, im aktuellen politischen Kontext
darauf hin, welche Bedeutung handlungsfeldbezogene Antidiskriminierungspolitik im Wohnungswesen zukünftig haben wird.
Das Beispiel der Politik der „mixité“ zeigt einerseits deutlich, wie
wenig reales wohnungspolitisches Steuerungspotential in einer
mit starken Ressourcen untersetzten und über einen langen
Zeitraum verfolgten, aber von den Kommunen nur begrenzt
getragenen Politik letztlich in vielen Zielgebieten lag. Andererseits zeigt es, dass wohnungspolitische Mischungskonzepte eher
Gelingenschancen haben, wenn sie auf eine diverse Struktur der
Eigentumsparteien, vielfältige Wohnformen und Funktionsmischung in kleinräumigen Stadtentwicklungs- und Neubaugebieten zielen als wenn sie auf die Zusammensetzung bestehender
Mietparteien bezogen sind. Dies gilt selbst in Städten mit hohem
Druck auf den Wohnungsmarkt wie Paris oder Lyon und dort im
Bestand wie im Neubau.
Gleichzeitig hat die Übertragbarkeit der dargestellten Praxis Grenzen, die v. a. in unterschiedlichen Bestandsstrukturen des Sozialen Wohnungsbaus sowie den jeweiligen Wohnungsbauförderstrukturen liegen. Das Vergabemodell des „Wohnservice Wien“
könnte mit der Perspektive, als Kommune langfristig steuernd auf
geförderten Wohnraum zugreifen zu können, gut übertragbar
sein auf Ansätze zentralen kommunalen Belegungsmanagements
in deutschen Großstädten bzw. wird ansatzweise in manchen
deutschen Gemeinden/Städten auch bereits so gehandhabt (zentrale Vorauswahl nach objektiven Kriterien durch die Wohnungsämter in München, Potsdam und Stuttgart). Gleichzeitig kann
in Deutschland mit diesem Modell kurzfristig keine vergleichbare Wirkung erzielt werden vor dem Hintergrund, dass in Wien
43 Prozent des Wohnraums dauerhaft sozial gebunden sind. Der
Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbestände und der strukturell bedingte Abbau der Bestände des Sozialen Wohnungsbaus
insgesamt in Deutschland, lässt sich selbst mit einer Verlängerung
der Bindung bei neuen Beständen oder radikalen Instrumenten
wie der in Berlin (kontrovers) diskutierte Rekommunalisierung
privater Wohnungsbestände nicht mit einer Geschwindigkeit
ausgleichen, die mit diesem Modell Effekte in relevanter Größenordnung erwarten ließe. Zudem sind spezifische Effekte für
die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten mit
diesem Instrument nur insofern erwartbar, als sie mehrheitlich
Anspruch auf sozialen Wohnraum haben.
Als übertragbar ist zu bewerten, Vergabeprozesse entsprechend
der Praxis des Wohnservice transparenter darzustellen, wie es
beispielsweise in Stuttgart bereits erfolgt, wo die Vormerk- und
Belegungsrichtlinien ein transparentes Vergabeverfahren für belegungsgebundene Wohnungen garantieren. Für eine Anspruchsdokumentation (Gültigkeitsdauer des Wiener Wohntickets) und
in der Folge automatisierte Auswahl auf dieser Basis scheint keine
Anschlussfähigkeit gegeben. Qualitätssichernde Gremien wie die
Bauträgerwettbewerbe und der Grundstücksbeirat hingegen sind
übertragbar. Hier wäre ggfs. gleichstellungspolitischen Schwerpunkten Raum zu geben, um gezielt die Wohnraumversorgung
34 vhw
Herausforderung und gute Praxis
von Migrantinnen und Migranten zu fördern. Anzuknüpfen wäre
dabei an die Konzeptvergaben, die in manchen Kommunen
bereits an die Vergabe von Baugrundstücken im Erbbaurecht geknüpft werden, u. a. auch mit der Auflage einer Belegungs- und
Mietpreisbindung. Der Wissenstransfer zu internationaler Praxis
hat jedoch nicht allein die Aufgabe, direkt übertragbare Modelle
zu identifizieren, sondern zielt auf Impulse für lokale und interdisziplinäre Reflexionsräume.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
5
Zwischenfazit
Zwischenfazit
Bevor der Fokus auf die drei ausgewählten Fallstudienstädte
gelegt wird, sollen hier wesentliche Befunde insbesondere aus
dem vorherigen Kapitel kurz zusammengefasst werden. Ziel von
Kapitel 4 war es, den ‚Boden‘ für die weitergehende Analyse zu
bereiten, indem gute Beispiele für unterschiedliche Strategien
der Belegungspolitik und der Diversitätspolitik von Wohnungsunternehmen dokumentiert wurden. Dabei konnte angeknüpft
werden an vorliegende Dokumentationen von vor allem im Kontext der Sozialen Stadt oder Integrations-Wettbewerben der Ministerien und Verbände unterstützten Leuchtturm-Projekte, an
denen sich institutionelle Anbietende beteiligten.
Die Ausgangshypothese zu neuer Aktualität von
Mischungsdiskursen bestätigt sich
Die Ausgangshypothese der Studie, dass im Kontext der aktuellen Zuwanderung Mischungsdiskurse zu sozialer und ethnischer
Mischung insbesondere bei den Wohnungsanbietenden sowohl
auf Quartiers- als auch auf der Ebene der kleinräumigen Nachbarschaft neues Gewicht erlangen, wurde durch die Befunde zu diesem Forschungsbaustein bestätigt. Kommunen wie Wohnungsunternehmen bestehen weiterhin darauf, dass ‚soziale Mischung‘
das Ziel und ‚social engineering‘ damit Schlüsselelement ihres
Belegungsmanagements bleiben. In den einbezogenen städtischen Kontexten bleibt die Frage nach der Definition einer ‚guten
Mischung‘ und danach, was ‚konfliktfreie, sozial stabile Nachbarschaften‘ konkret darstellen, jedoch nach wie vor unbeantwortet.
Ungeachtet dessen bleibt beides als Zielstellung persistent. Die
Verknappung von Wohnraum und der Mangel an Neubau im
unteren Preissegment lassen den Unternehmen aktuell wenig
Spielraum für ihr ‚social engineering‘. Wo es einsetzt wird, geht
es nicht nur zunehmend zu Lasten sozial Benachteiligter, sondern
zeigt Persistenz insbesondere auf Kosten der Zugänge von Migrantinnen und Migranten.
Ein zentrales Instrument für den Umgang mit der Verknappung
bezahlbaren/geförderten Wohnraums und gleichzeitig eine
Version des ‚social engineering‘ ist durch die öffentliche Hand
gesteuertes Belegungsmanagement und der Ankauf von Belegungsrechten. Es stärkt dezentrale Unterbringung und entsprechende Integrationskonzepte und hat im besten Falle Potential,
beispielgebend für eine höhere Transparenz zu den Priorisierungs-Kriterien in Vergabeprozessen institutioneller Anbietender
zu sein.
Wohnraummangel und Diversifizierung von
Wohnungsnot als Dreh- und Angelpunkt der Diskussion zur Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten
Die Ergebnisse dieses Forschungsbausteins wurden entlang von
Thesen dargestellt, die hier nochmals zusammenfassend in das
Fazit eingehen: Die Herausforderung, die für die befragten Akteurinnen und Akteure die größte Relevanz hatte, war die Verknappung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum: Diese stellt
in ihrer Wahrnehmung die zentrale Hürde für die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten dar. Neben der Verfügbarkeit von Wohnungsbeständen spielt auch die Legitimation
von Priorisierungen bei der Vergabe verfügbaren Wohnraums,
die, wie in mehreren Studien (vgl. Kapitel 2.2) belegt wurde,
derzeit insbesondere Migrantinnen und Migranten benachteiligt,
eine Rolle. Nicht alle institutionellen Wohnungsanbieter stellen
sich dabei der Herausforderung, zur sozialen Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten beizutragen. Damit
vhw 35
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
werden Konkurrenzen und Versorgungsengpässe verstärkt, die
sich in angespannten Wohnungsmärkten besonders stark zeigen.
Fluchtbedingte Wohnungsnot macht dabei die Diversifizierung
von Wohnungsnot sichtbarer und verschärft bereits existierende
Konkurrenz beim Zugang zum sozialen Wohnungsbau. Gleichzeitig führt der Schwerpunkt fluchtbedingter Migration in den
aktuellen Zuwanderungsprozessen zwangsläufig zu einem Fokus
der Aufmerksamkeit auf die Versorgung Geflüchteter mit Wohnraum. Strukturelle Benachteiligungen bei der Wohnraumversorgung anderer Zuwanderungsgruppen werden derzeit kaum
thematisiert.
Ansatzpunkte für institutionellen/organisationsbezogenen Wandel
Um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ‚fair zu verwalten‘
bedarf es bei den Wohnungsanbietenden eines institutionellen
Wandels im Sinne einer kritischen Überprüfung und diversitätsorientierten Veränderung innerer Organisationskulturen, Organisationsstrukturen und Verfahren. Hinsichtlich der Vergabepraxis
beanspruchen Wohnungsunternehmen zunehmend eine Praxis
‚fairen Vermietens‘ für sich. Dies äußert sich in entsprechenden
Narrativen und z. B. der Haltung, das bestimmte Vorgehensweisen und Strategien der Belegung (wie die der Mischung) als ‚fair‘
angesehen werden. Der Begriff lehnt sich an den amerikanischen
‚fair housing act‘ und den zugesicherten Schutz vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt an. Aktuell arbeitet die Berliner
Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Fair
mieten – Fair wohnen, an einem Leitbild „Berlin vermietet fair!“.
Testingverfahren belegen in Deutschland seit Jahren die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten auf dem Wohnungsmarkt. In diesem Kontext erfordert ‚faires vermieten‘ neue
Unternehmensleitbilder, Kompetenzbildung sowie transparentere Vergabekriterien und -verfahren. Für diesen Wandel hat die
Wohnraumversorgung Geflüchteter das Potential einer Katalysatorenfunktion, indem sie eine öffentliche und interne Auseinandersetzung mit Unternehmensleitbildern, interkultureller Öffnung und der Transparenz von Vergabeverfahren stärken kann.
Zivilgesellschaftliches Engagement befördert institutionellen
Wandel: In der Zivilgesellschaft entstandene Unterstützungsformen für die Wohnraumsuche Geflüchteter führen zu neuen
Kommunikations- und Kooperationsformen und befördern lokale
Governance, die teilweise auch in andere Bereiche der Sozialen
Wohnraumversorgung wirkt. Vorreiterinnen und Vorreiter im
Diskurs sind dabei Intermediäre – sie sind gleichermaßen Innovationsträgerinnen und -träger und garantieren die Umsetzung
von Antidiskriminierungspolitik im Bereich des Wohnens. Wo institutioneller Wandel sich vollzieht, entstehen gleichzeitig bessere
Vorrausetzungen für zivilgesellschaftliches Engagement.
Der Schwerpunkt der Antidiskriminierungsarbeit der MSOen liegt
noch vorwiegend in den Handlungsfeldern Bildung und Arbeit,
aber kaum im Handlungsfeld Wohnen. Ihr Engagement im Kontext lokaler Governance zielt bisher auf diese Handlungsfelder
der Integration im Quartier. Das heißt, wo Migrantinnen und
Migranten Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erleben,
finden die individuelle und öffentliche Interessenvertretung, Be36 vhw
Zwischenfazit
ratung und Begleitung Betroffener (v. a. Geflüchteter) eher über
Antidiskriminierungsberatungen inner- und außerhalb der öffentlichen Verwaltung, als über MSOen statt.
Bedeutung unterschiedlicher institutioneller
Anbietender bei der Wohnraumversorgung von
Migrantinnen und Migranten
In der Wohnraumversorgung und sozialräumlichen Integration
von Migrantinnen und Migranten nehmen die drei hier betrachteten Typen von Wohnungsanbieter unterschiedliche Rollen ein:
Deutlich wird, dass den städtischen Wohnungsunternehmen
für die Versorgung geflüchteter Menschen eine Schlüsselrolle
zugewiesen wird. Diese zentrale Funktion ist im Wesentlichen
auf den grundsätzlichen Versorgungsauftrag der Unternehmen
zurückzuführen, die jedoch gleichzeitig begrenzte Handlungsspielräume haben, diesen Versorgungsauftrag in den lokalen
Wohnungsmärkten zu erfüllen. Dies ist bedingt durch die umfangreiche Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände Ende
der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre, die erwähnten geringen
Fluktuationsraten und das Auslaufen von Belegungsbindungen.
Aufgrund ihrer überwiegend bereits etablierten Rolle als ‚starke
Partnerinnen und Partner‘ im Rahmen sozialer Stadtentwicklung
haben sie gute Voraussetzungen, auf kommunale wie zivilgesellschaftliche Anforderungen auch in der sozialräumlichen Integration Geflüchteter zu reagieren. Wie eine aktuell veröffentlichte
Stellungnahme des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen e. V. (GdW) nochmals bestärkt, sind
sie dabei jedoch auf Kooperation mit kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren und teilweise auch
auf strukturelle Anpassungen in ihrer Versorgungsaufgaben angewiesen (GdW 2018).
Nicht ganz so eindeutig ist die Rolle der Genossenschaften, die
weder diesem öffentlichen Versorgungsauftrag folgen müssen,
noch durch ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen der Verpflichtung unterliegen, spezifische gesellschaftliche Gruppen als Mitglieder aufzunehmen. Wo sich Genossenschaften, wie hier an
ausgewählten Beispielen dargestellt, Migrantinnen und Migranten öffnen, geschieht dies in der Regel auf der Grundlage eines
intendierten Werte- bzw. organisationalen Wandels.41 Die Genossenschaften, die im Kontext der Unterbringung geflüchteter
Menschen verbindliche Kooperationen mit Kommunen eingehen,
haben in der Regel im Sozialen Wohnungsbau geförderte Bestände oder nehmen aktuelle Wohnungsbauförderprogramme
in Anspruch. Die wenigen im Bereich interkultureller Integration
engagierten Genossenschaften tragen zu Innovation im genossenschaftlichen Handeln bei, wie z. B. mit dem gewerblichen
41
Nicht betrachtet wurden dabei bisher Genossenschaften, die größere
Bestände in Plattenbausiedlungen besitzen. In diesem Siedlungstypus und in peripheren Lagen wohnen z. B. in Berlin inzwischen bis
zu 15 Prozent Menschen mit Migrationsgeschichte. Dies ist jedoch
weniger einem intendierten institutionellen Wandel und/oder interkultureller Öffnung geschuldet, sondern eher der Übernahme von
Vorwende-Bewohnerstrukturen und der Belegung zu Zeiten größerer Leerstände in den Plattenbausiedlungen. In diesen Beständen sind
auch nicht zwangsläufig alle Bewohnerinnen und Bewohner Genossenschaftsmitglieder.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Mustermietvertrag der Wankendorfer e.G. oder dem Kemptener Modell, Wohnraumförderung für eine Diversifizierung der
Bestände und zur Unterbringung Geflüchteter zu nutzen (siehe
Steckbriefe 3 und 4 im Anhang).
Der dritte betrachte Anbietertyp, die privaten institutionellen
Wohnungsunternehmen – so das Ergebnis dieses Forschungsbausteins – verkaufen punktuell Belegungsrechte an die Kommunen, entziehen sich aber weitgehend verbindlichen Strukturen
wie kommunalen Mietenbündnissen, Kooperationsverträgen zur
Unterbringung Geflüchteter, lokalen Netzwerken und Kooperationsstrukturen. Gleichwohl wird aufgrund der Bestandsgrößen
der marktführenden privaten Unternehmen weiterer Forschungsbedarf gesehen, um ihren regionalen/lokalen Beitrag zur Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten bzw. deren
Wohnbedingungen in ihren sozialen Wohnungsbaubeständen
genauer zu untersuchen.
Institutioneller Wandel im Kontext von
Migration führt nicht zwangsläufig zu fairen
Praxen der Vermietung
Hinsichtlich eines institutionellen Wandels im Bereich der Unternehmenskultur, hin zu Praxen ‚fairer Vermietung‘ oder ‚interkultureller Öffnung‘ gilt es in den Fallstudienstädten folgende Befunde genauer zu prüfen: Konkrete Strategien, Diskriminierung
in der Personalentwicklung und dem Bestandsmanagement zu
vermeiden, sind in der Wahrnehmung der Befragten weitgehend inexistent. Das Thematisieren von Diskriminierung bleibt
ein Tabu. Schulungen zur interkulturellen Öffnung tragen zwar
in einigen Unternehmen zu einem integrationsfreundlichen Klima
bei, sind jedoch nicht integraler Bestandteil eines systematischen,
von Führungskräften getragenen Diversitätsmanagements. Insgesamt entbehren die Vergabeprozesse weiterhin in der Regel klare
Kriterien und Transparenz zu Vergabeentscheidungen, wie sie
sich in den Niederlanden und für den geförderten Wohnungsbau
in Österreich bereits bewähren. Für die Wohnraumversorgung
v. a. der Migrantinnen und Migranten mit Fluchterfahrung stehen
nur wenige institutionelle Wohnungsanbieter zur Verfügung. Dabei müssen die kommunalen und Landeswohnungsunternehmen
bereits diverse Auflagen im Kontext der sozialen Wohnraumversorgung erfüllen. Für diese Unternehmen hat eine ‚Passfähigkeit‘
potentieller Mietparteien an Bedeutung gewonnen, für die es
ähnlich wie für die ‚gesunde/stabile Nachbarschaft‘ wenig transparente Kriterien gibt. Ziel sind primär möglichst reibungslose
Routinen und Abläufe im Vermietungsprozess und im Mietverhältnis. Subjektive Konstruktionen von ‚Passfähigkeit‘, die nicht
transparent gemacht werden, kommen zum Tragen bezüglich
zugeschriebener Verhaltensweisen, Kommunikationskompetenzen etc. Die Ergebnisse sind vor dem Hintergrund des hier gewählten Untersuchungsrahmens insofern belastbar, als durch die
Vielfalt und Funktionen der befragten Akteurinnen und Akteure
unterschiedliche Perspektiven auf das Handlungsfeld sichergestellt werden konnten.
Zwischenfazit
Eine bessere Wohnraumversorgung von
Migrantinnen und Migranten erfordert, dass
die Handlungsfelder Wohnen und Integration
als Querschnittsaufgaben lokaler Governance
verfolgt werden.
Die Praktiken ‚fairer (oder unfairer) Vermietung‘ haben der Untersuchung zufolge nicht nur Effekte auf die Wohnungsuchenden
selbst, sondern – durch die Exklusion bestimmter Bevölkerungsgruppen, ihrer Netzwerke und Selbstorganisationen und ggfs.
das Fehlen entsprechender wohnortnaher sozialer/soziokultureller Infrastrukturen – auch auf das Quartier.
Die Analyse bestätigte, dass der Einbezug der Handlungsfelder
Wohnen und soziale Integration von Migrantinnen und Migranten aller Einwanderungsgenerationen in lokale Governancestrukturen eine wesentliche Voraussetzung für die Wohnraumversorgung und die gesellschaftliche Teilhabe und damit Integration
von Migrantinnen und Migranten ist. Die lokale Zivilgesellschaft
ist dabei ein wichtiger Motor für die (kleinteilige) Wohnraumversorgung, die es in ihrem Engagement zu stärken gilt. Die dabei
entstehenden lokalen Prozess- und Kommunikationsstrukturen
sowie Kooperationen können gleichzeitig für zukünftige Integrationsstrategien genutzt werden.
Die Analyse wirft jedoch die Frage auf, inwiefern die aktuell innovativen Verfahren zur Wohnraumversorgung von Geflüchteten in
Regelverfahren zur Wohnraumversorgung sozial Benachteiligter
und insbesondere von anderen migrantischen Bevölkerungsgruppen übernommen werden können. Darüber hinaus ist durch
die Fallstudien zu klären, welche Rolle der Quartiersebene für
die Governance fairer Wohnraumversorgung zukommt. Diesen
Fragen wird in den Fallstudien im folgenden Kapitel vertiefend
nachgegangen.
vhw 37
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6
Fallstudien
Ziel dieses Kapitels ist die Analyse der strategischen Ausrichtung
und Belegungspraxis von Wohnungsunternehmen und deren
(de-)segregierender Wirkung in den drei Fallstudienstädten Berlin, Düsseldorf und Hamburg.
Zunächst werden daher die drei ausgewählten Fallstudienstädte
näher vorgestellt. Dabei werden erst die Hauptcharakteristika
der dortigen Wohnungsmärkte beschrieben (Kapitel 6.1). Anschließend werden die aktuellen Herausforderungen bei der
Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten und
die Folgen des massiven Mangels an bezahlbarem Wohnraum
in den drei Fallstudienstädten dargestellt sowie diskriminierende
Strukturen auf dem Wohnungsmarkt und in der Vermietungspraxis genauer beleuchtet (Kapitel 6.2). In den darauffolgenden
Unterkapiteln steht die Analyse von Belegungsstrategien und
Diversitätsmanagement der institutionellen Wohnraumanbietenden sowie die der unternehmensinternen Strukturen im Fokus
(Kapitel 6.3). Das Kapitel schließt mit einer Analyse der Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Governance- und Kooperationsstrukturen auf lokaler sowie auf übergeordneten Ebenen
(Bezirks- und Landesebene) (Kapitel 6.4).
38 vhw
Fallstudien
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Fallstudien
6.1 Die drei Fallstudienstädte:
Berlin, Düsseldorf und Hamburg
Zum besseren Verständnis werden im Folgenden die Stadtprofile
der drei Fallstudienstädte vorgestellt mit einem Fokus auf ihre
Bevölkerungs-, Haushalts- und Wohnungsmarktstruktur.
Indikator
Berlin
Düsseldorf
Hamburg
Bevölkerunga
(31.12.2017)
3.748.148
639.407
1.880.997
Bevölkerungsentwicklungb
(2011-2017)
+8,3%
+5,9%
+9,5%
Anteil Bevölkerung mit Migrations
hintergrundc (2018)
33,8%
40,9%
34,7%
Ausländergruppen mit den höchsten
Anteilend (2017)
Türkei (12,1%),
Polen (11,4%),
Italien (4,9%)
Türkei (8,5%),
Türkei (13,9%),
Griechenland (7,0%), Polen Polen (9,3%),
(6,1%)
Afghanistan (6,1%)
Anzahl der Haushaltee (2017)
2.002.900
356.609
1.034.071
Anzahl der Mietwohnungen (2017)
1.638.800
286.755
ca. 720.000
Mietbelastungsquote (2014)
27,2%
28,6%
29,2%
Mietentwicklung
(2012-2016)
20%
8,1%
4,7%
Drei größten Mietwohnungsanbieteri
Deutsche Wohnen AG:
ca. 116.000,
Vonovia SE: ca. 42.000,
Ado Properties: ca. 22.000
SWD: ca. 8.500,
DWG: ca. 7.700,
LEG: ca. 5.300
SAGA: ca. 130.000
Genossenschaften:
ca. 130.000
Vonovia: ca. 12.000
Anteile der genossenschaftlichen und
städtischen Wohnungsanbieter am
gesamten Mietwohnungsmarktj (2017)
Genossenschaften: 11%
6 städtische WU: 18%
Genossenschaften: 6%
SWD: 3%
Genossenschaften: 18%
SAGA: 18%
Prognostizierter jährlicher
Neubaubedarfk (2015-2020)
19.655
2.755
10.424
Tatsächliche Baufertigstellungenl (2017) 12.785
2.072
7.920
f
g
h
Berlin: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2018a; Düsseldorf: Stadt Düsseldorf 2018a; Hamburg:
Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2018b
b
Berlin: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2018a (eigene Berechnungen); Düsseldorf: Stadt Düsseldorf
2018a (eigene Berechnungen); Hamburg: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2015
(eigene Berechnungen).
c
Berlin: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2018a; Düsseldorf: Stadt Düsseldorf 2018a; Hamburg:
Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2018a (eigene Berechnungen).
d
Berlin: RBB 24 2018, nach Statistisches Bundesamt 2018; Düsseldorf: Amt für Statistik und Wahlen
Landeshauptstadt Düsseldorf 2018; Hamburg: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig Holstein
2018c.
e
Berlin: IBB 2018; Düsseldorf: Stadt Düsseldorf 2018c; Hamburg: Statistisches Amt für Hamburg und
Schleswig-Holstein 2018d.
f
Berlin: IBB 2018; Düsseldorf: Stadt Düsseldorf 2018a (eigene Berechnungen); Hamburg: Meyer-Wellmann/Bettoni 2018.
g
Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.) 2017.
h
Tröger et al. 2017.
i
Berlin: Der Tagesspiegel 2019; Düsseldorf: SWD 2018; DWG 2019; WOGEDO 2019; LEG 2019; Rheinwohnungsbau 2019; Hamburg: Meyer-Wellmann/Bettoni 2018.
j
Berlin: IBB 2018; Düsseldorf: BWB 2019, DüBS 2019, DWG 2018, EBV 2019, WOGEDO 2019, SWD
2018; Hamburg: Genossenschaften o.J., SAGA 2019
k
Henger et al. 2015.
l
Berlin: IBB 2018; Düsseldorf: Stadt Düsseldorf 2018b; Hamburg: Statistisches Amt für Hamburg und
Schleswig-Holstein 2018e
a
vhw 39
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6.1.1 Stadtprofil Berlin
Bevölkerungsentwicklung und -struktur
Berlin hat als Bundesland und Bundeshauptstadt eine große
Anziehungskraft und verzeichnet seit zehn Jahren ein kontinuierliches Stadtwachstum von durchschnittlich 40.000 Neu-Berlinerinnen und -Berliner pro Jahr (IBB 2018: 4). Mit Stichtag
31.12.2018 lebten in Berlin genau 3.748.148 Personen, womit
ein Rekordniveau seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht wurde
(Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2019: 4). Dabei zogen arbeitsmarktbedingt v. a. 20- bis 30-Jährige zu, Studierende sowie
in der Medien- und Kreativwirtschaft und der Informations- und
Kommunikationstechnik Tätige. Laut dem im August 2019 vom
Berliner Senat beschlossenen „Stadtentwicklungsplan Wohnen
2030“ besteht bis 2021 ein jährlicher Bedarf an 20.000 neu zu
errichtenden Wohnungen, um das Wohnungsdefizit auszugleichen. 2017 wurden insgesamt 22.315 Wohnungen in Berlin und
dem Umland fertiggestellt, wovon 15.669 Wohnungen auf Berlin
entfielen (IBB 2018: 8ff.).
Die größten Wanderungsgewinne sind dem Zuzug von Menschen
aus dem Ausland geschuldet. Kamen fluchtbedingt die meisten
aus dem Ausland zuziehenden Menschen 2016 aus Ländern wie
Syrien, Afghanistan oder dem Irak, ging die Zuwanderung aus
diesen Ländern 2017 stark zurück (IBB 2018: 18). Hohe Wanderungsgewinne aus dem Ausland entfielen 2017 unter anderem
auf Rumänien (2.500), Bulgarien (2.300) und Polen (2.200). Ende
2018 lebten 748.472 Ausländerinnen und Ausländer in Berlin,
was einen Anteil von ca. 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung
ausmacht (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2019: 4). Das
Land Berlin weist insgesamt einen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund von 33,8 Prozent aus. Von den Berlinerinnen
und Berlinern mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. den Personen, die diesen gleichgestellt sind42 (80 Prozent der Gesamtbevölkerung), haben ca. 14,1 Prozent einen Migrationshintergrund43
(Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2019: 10).
Berlin ist von deutlicher ethnischer Segregation gekennzeichnt.
Den geringsten Anteil an Bevölkerung mit Migrationshintergrund
hat der Bezirk Treptow-Köpenick mit 5,5 %, den höchsten der
Bezirk Neukölln mit 34,8%. Insgesamt weisen die Ostbezirke geringere Werte als einige Westbezirke auf, jedoch mit steigenden
Zahlen in Lichtenberg und Marzahn (Statistik Berlin-Brandenburg
2018).
Haushalts- und Wohnungsmarktstruktur
Die Zahl der Haushalte in Berlin wuchs 2017 erstmals auf über
zwei Millionen an (2.002.900 Haushalte), was vor allem auf die
steigende Zahl von Ein- und Zweipersonenhaushalten zurückzuführen ist. Nur rund 9 Prozent der Berliner Haushalte bestehen
aus vier oder mehr Personen (IBB 2018: 23). 2017 gab es in Berlin 1.932.296 Wohnungen, davon 85 Prozent Mietwohnungen
(ebd.: 10). 12,1 Prozent des Berliner Mietwohnungsbestands
unterlagen 2017 einer Mietpreis- und Belegungsbindung. Von
diesen knapp 200.000 gebundenen Wohnungen entfielen
46 Prozent auf städtische und 14 Prozent auf genossenschaftliche Unternehmen (ebd: 47). Einen Teil dieser gebundenen Woh40 vhw
Fallstudien
nungen machen die insgesamt 94.657 Sozialmietwohnungen
(Stichtag 30.4.2019) aus, die sich ungleich auf alle Berliner Bezirke verteilten (SenSW 2019a).44
Durch das Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbindungen
verzeichnete der Bestand an Sozialmietwohnungen in den letzten
zehn Jahren einen Rückgang von 75.000 Wohnungen. Erst seit
2014 fördert das Land Berlin wieder den Bau von Wohnungen
mit sozialverträglichen Mieten im Rahmen des IBB Wohnungsneubaufonds. Insgesamt 3.373 geförderte Wohnungen wurden seit 2018 bewilligt, errichtet wurde davon bisher knapp
die Hälfte. Rund 86 Prozent der seit 2014 zum Bau bewilligten
Sozialwohnungen entfallen auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, knapp 14 Prozent auf die privaten Wohnungsunternehmen und weniger als ein Prozent auf Genossenschaften
(IBB 2018: 50f).
Mit ca. 70 Prozent der lokalen Wohnungsbestände in ihrem
Eigentum dominieren die privaten Eigentumsparteien den Berliner Mietwohnungsmarkt (IBB 2018: 47). Die größte Anbieterin ist
dabei die Deutsche Wohnen AG mit einem Bestand von aktuell
116.000 Wohnungen im Großraum Berlin, gefolgt von der Vonovia SE mit rund 42.000 Wohnungen und der Ado Properties,
einem ausschließlich in Berlin tätigen, börsennotierten Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, mit 22.000 Wohnungen. Mit
dem Ziel, private Bestände mit über 3.000 Wohnungen in Berlin
langfristig der Spekulation zu entziehen und damit weiteren
Verdrängungsprozessen vorzubeugen, wurde 2018 vom mietenpolitischen Initiativen ein Volksbegehren „Deutsche Wohnen
Co enteignen initiiert.45 Dessen Umsetzbarkeit wird ebenso wie
die Umsetzung eines fünfjährigen Mietendeckels derzeit geprüft.
Dies sind gemäß Artikel 116 Abs.1 des Grundgesetzes z. B. Vertriebene und Flüchtlinge deutscher Volkszugehörigkeit. Personen, die
neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit haben,
gelten ebenfalls als Deutsche.
43
Der Migrationshintergrund ist kein festgelegtes Merkmal zur Erstellung des Einwohnerregisters, sondern wird anhand von verschiedenen
Merkmalen abgeleitet. Die Kriterien der Einwohnerregisterstatistik
Berlin sind hier nachzulesen: www.statistik-berlin-brandenburg.de/
publikationen/Metadaten/MD_19211_2018.pdf.
44
Nach dem Wohnungsbindungsgesetz (WoBinG) oder dem Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) werden mit öffentlichen Mitteln
geförderte Wohnungen als Sozialmietwohnungen bezeichnet (IBB
2018: 48). Die Bezirke mit dem höchsten Anteil an Sozialmietwohnungen sind der Bezirk Mitte (17% aller Sozialmietwohnungen),
Neukölln (16%) sowie Tempelhof-Schöneberg (13%). Die geringsten Sozialwohnungsbestände haben Marzahn-Hellersdorf (1%) und
Lichtenberg (2%) (SenSW 2019a). Die räumliche Verteilung der zwischen 2014 und 2018 bewilligten Wohnungen sieht komplett anders
aus: Mehr als die Hälfte der bewilligten Sozialwohnungen entfielt auf
die Bezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick
(IBB 2018: 51).
45
Der Mietenvolksentscheid wurde 2015 durch eine breite Mieterinnen
und Mieter-Bewegung und den Mietenvolksentscheid e. V. initiiert.
Er wurde von den Initiierenden zurückgezogen, nachdem das Gesetz
in weiten Teilen vom Berliner Senat übernommen und vom Berliner
Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Die Einrichtung der Wohnraumversorgung Berlin A.ö.R., die den institutionellen Wandel der
Landeswohnungsunternehmen unterstützen soll, steht in engem
Zusammenhang mit den im Entwurf für dem Mietenvolksentscheid
enthaltenen Forderungen.
42
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Die Bestände der sechs städtischen Wohnungsunternehmen
machten 2017 18,3 Prozent der Mietwohnungen in Berlin aus
(IBB 2018: 47). Der Marktanteil der Wohnungsbaugenossenschaften belief sich 2017 auf 11,3 Prozent (ebd.). Ihre Bestände
verteilen sich aktuell auf 80 Genossenschaften mit etwa 600.000
Mitgliedern (Wohnungsbaugenossenschaften Berlin 2019). Aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes haben viele Genossenschaften einen Aufnahmestopp verhängt. Seit Anfang der
2000er Jahre gründeten sich in Berlin zahlreiche neue Genossenschaften, die sich seit 2018 auf dem Portal „Junge Genossenschaften Berlin“ vernetzen. Um auch Menschen mit geringem
Einkommen den Zugang zu Genossenschaften zu ermöglichen,
beschloss das Land Berlin 2018 die Förderung des Erwerbes von
Genossenschaftsanteilen für WBS-Haushalte.46
Sozialer Wohnungsbau
Der traditionelle Soziale Wohnungsbau umfasst in Berlin die bis
1997 im Rahmen des sogenannten „Ersten Förderwegs“ mit
öffentlichen Mitteln im Sinne des II. Wohnungsbaugesetzes geförderten Wohnungsbestände, die sowohl in den Händen von
institutionellen als auch kleinen und mittleren Eigentümerinnen
und Eigentümern liegen. Dieser Bestand reduziert sich jährlich
um 5.000 bis 10.000 Wohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungen umfasst aktuell nur noch knapp 100.000 Wohnungen,
einschließlich der Bestände gemäß Modernisierungs- und Instandsetzungsrichtlinien und ehemals Belegungsbindungsgesetz
198.831 Wohnungen (=12,1 Prozent) (Senat von Berlin 2018a).
Er befindet sich zu großen Teilen im Besitz der städtischen Wohnungsunternehmen, die seit 2015 einer – nicht zuletzt aufgrund
einer starken mietenpolitischen Bewegung erreichten – sozialen
Neuausrichtung unterliegen.
Ein Meilenstein in diesem Prozess ist das Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG Bln, 2015). Es gibt die Bindung der Wiedervermietung aller Bestandswohnungen an eine soziale Quotierung vor.
So werden 60 Prozent der zur Wiedervermietung kommenden
Wohnungen im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften an Haushalte mit WBS vermietet, maximal zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Darüber hinaus sind 25 Prozent dieser
Wohnungen an WBS-Berechtige mit besonderem Bedarf sowie
25 Prozent an Wohnberechtigte besonderer Bedarfsgruppen
(Transferleistungsbeziehende, Obdachlose, Geflüchtete, Studierende, betreutes Wohnen sowie vergleichbare Bedarfsgruppen)
zu vermieten.
Seit 2018 bietet das Land Berlin zwei Förderwege für den Sozialen Wohnungsbau an, die sich v. a. auf der Ebene der Höhe
der Mietpreisbindung unterscheiden. Weiter werden innovative
Konzepte bezahlbaren Wohnraums mit Mitteln des Sondervermögens Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) gefördert.
Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Instrument, landeseigene
Grundstücke nur noch mit Erbpacht zu vergeben, kommt kaum
zur Anwendung. Im „Wohnungs- und Städtebauprogramm für
die wachsende Stadt“ entstehen langfristig ca. 100.000 Wohnungen, von denen 30 Prozent im sozialen Wohnungsbau errichtet werden sollen.
Fallstudien
Mietbelastung und ökonomische Aspekte
Neben dem eklatanten Mangel an Wohnungen generell, ist es
vor allem der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der für viele
Alt- und Neu-Berlinerinnen und -Berliner eine besondere Herausforderung darstellt. 2017 erhielten 15 Prozent der Bedarfsgemeinschaften Transferleistungen nach SGB II (IBB 2018: 10).
Das Einkommen der Berlinerinnen und Berliner stieg zwischen
2010 und 2016 durchschnittlich um 1,3 Prozent, wohin gegen
die Mieten einen Anstieg von 83 Prozent seit 2007 bis heute
verzeichneten. Die Mietbelastungsquote erreichte in 2018 rund
31,4 Prozent (Zeit Online 2018).
Gemessen an der Einkommenssituation könnten 41,5 Prozent
der Berliner Haushalte einen WBS beantragen. Ende 2018 verfügten jedoch nur 5 Prozent der berechtigten Haushalte über
einen WBS. Dies stellt eine Verdopplung der Zahl der Wohnberechtigungsschein-InhaberInnen im Vergleich zum Jahr 2012
dar, was einerseits daran lag, dass die WBS-Freistellungen für
belegungsgebundene Wohnungen seitens des Senats seit 2011
sukzessive zurückgenommen wurden und der WBS somit wieder als Voraussetzung für den Einzug in diese Wohnungen galt.
Andererseits haben viele Geflüchtete unmittelbar nach Erhalt des
Aufenthaltstitels einen WBS beantragt (IBB 2018: 32f.). Die Zahl
der Ausländerinnen und Ausländer/Menschen mit Migrationshintergrund einschließlich der Geflüchteten, die über einen WBS
verfügen, betrug Ende Mai 2019 16.860, also 39,8 Prozent aller
WBS-innehabender Personen bzw. zwei Prozent aller WBS-berechtigten Haushalte (SenSW 2019b).
Wohnraumversorgung von Geflüchteten
Vor allem für die seit 2014 zuwandernden Geflüchteten stellt der
Übergang in den regulären Wohnungsmarkt eine Herausforderung dar. Im April 2019 lebten noch 21.554 Geflüchtete in den
Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten
(LAF). Hinzu kommen wohnungslose Geflüchtete, die von den
Bezirken in Hostels, sozialen Einrichtungen oder Wohnheimen
untergebracht werden. 2018 konnten insgesamt 2.142 Geflüchtete aus den Unterkünften des LAF in eine eigene Wohnung
ziehen, davon entfielen 55 Prozent auf Wohnungen aus dem Programm „Wohnungen für Flüchtlinge“ (KoordFM 2019: 3f.). Es
adressiert Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz durch das LAF beziehen und aufgrund besonderer Härte
bei der Wohnungssuche zusätzliche Unterstützung benötigen.
Ein Kontingent von 270 Wohnungen wird von den städtischen
Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellt und direkt
vom LAF belegt (LAF Berlin 2019a). Ergänzend beauftragte die
Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) die
städtischen Wohnungsbaugesellschaften 2016, in serieller Bauweise die sogenannten MUFs zu erstellen. Seit 2018 wird an
einem Nachfolgemodell (MUFs 2.0) gearbeitet, deren Gestaltung
Appartement-Gebäuden entspricht und damit nach dem Auszug
der Geflüchteten auch passfähig für andere Bedarfsgruppen ist
(LAF Berlin 2019b).
46
WBS-Haushalte erhalten ein zinsloses Darlehen bis zu 50.000 Euro
mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren durch die Investitionsbank
Berlin (IBB).
vhw 41
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Um den Übergang geflüchteter Menschen in den regulären Wohnungsmarkt zu verbessern und die Vernetzung unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure im Feld zu stärken, wurde 2018
der Runde Tisch „Alternativen zur öffentlichen Unterbringung
Geflüchteter“ eingerichtet. Das Berliner Willkommenszentrum
bietet eine weitere wichtige Vernetzungs- und Diskussionsplattform, mit dem Ziel, den Austausch über konkreten Handlungsbedarf und möglichkeiten zu fördern. Darüber hinaus wurde
2016 die Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement in der
Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS)
eingerichtet, die an der Verbesserung der Unterbringungs- und
Wohnsituation geflüchteter Menschen arbeitet.
6.1.2 Stadtprofil Düsseldorf
Bevölkerungsentwicklung und -struktur
Auch Düsseldorf, die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens
(NRW), verzeichnet ein stetiges Bevölkerungswachstum. Die Einwohnerzahlen im Zeitraum von 2011 bis 2017 sind um etwa
6 Prozent auf aktuell 639.407 (Stand 31.12.2017) angestiegen
(Stadt Düsseldorf 2018a: 17). Während der natürliche Saldo aus
Geburten und Sterbefällen nur leicht positiv ist (2017: +546),
zeigt sich der Wanderungssaldo als entscheidender Faktor für
den Bevölkerungszuwachs Düsseldorfs. Hier stehen persistenten
Wanderungsverlusten an das Umland (-2.850) im Zuge von Suburbanisierungsprozessen deutliche Wanderungsgewinne aus
dem Ausland (+7.708) sowie dem Bundesgebiet (+5.322) gegenüber (Stadt Düsseldorf 2019a). Das Bevölkerungswachstum sowie die Bevölkerungsstruktur Düsseldorfs sind somit stark durch
Migration geprägt.
Derzeit haben 22,7 Prozent der Düsseldorfer Bevölkerung keinen
deutschen Pass, der Anteil der Bevölkerung mit einem Migrationshintergrund liegt bei 40,9 Prozent (Stadt Düsseldorf 2019a:
6f). Die größten Gruppen bilden hierbei türkeistämmige Migrantinnen und Migranten (8,5%) sowie Personen mit einer griechischen (7%), polnischen (6,1%) oder italienischen (5,3%) Staatsangehörigkeit. Eine weitere bedeutsame Zuwanderungsgruppe
bilden Japanerinnen und Japaner, die 4 Prozent der Düsseldorfer
Gesamtbevölkerung stellen (Stadt Düsseldorf 2019b). Insgesamt
divergieren die Anteile der ausländischen Bevölkerung in den
Düsseldorfer Stadtteilen sehr deutlich. Die Stadtteile Himmelgeist (6,1%) und Itter (6,5%) weisen beispielsweise sehr geringe
Quoten ausländischer Bevölkerung auf, im Stadtteil Stadtmitte
sind hingegen 44 Prozent der Bevölkerung Ausländerinnen und
Ausländer (Stadt Düsseldorf 2019a). Im Zuge der vermehrten
Zuwanderung von Geflüchteten in den letzten Jahren waren
in der Hochphase zum 01.01.2017 insgesamt 7.755 Geflüchtete in kommunalen Einrichtungen der Stadt untergebracht.
Davon hatten zwar 3.381 Asylsuchende bereits einen verfestigten Aufenthaltsstatus, mussten jedoch aufgrund erfolgloser
Wohnungssuche weiter in den Gemeinschaftsunterkünften verbleiben (Bergmann 2017: 1). Der akute Mangel an bezahlbarem
Wohnraum wird hier bereits deutlich.
42 vhw
Fallstudien
Haushalts- und Wohnungsmarktstruktur
Die NRW Bank zählt Düsseldorf zu den Hochpreisregionen und
verweist auf eine lokal steigende Wohnkostenbelastung (NRW
Bank 2019: 47ff). Während die Marktsituation in den oberen
Preissegmenten als ausgeglichen angesehen werden kann, zeigen
sich im mittleren und insbesondere im unteren Preissegment sowie
bei den Sozialwohnungsbeständen deutliche Engpässe. Hierdurch
wird vor allem einkommensschwachen Haushalten die Wohnraumversorgung erschwert (Stadt Düsseldorf 2018a: 17: 93).
Der gesamte Düsseldorfer Wohnungsbestand umfasst 342.966
Wohnungen, von denen 77.853 (22,7%) auf selbstgenutztes
Eigentum entfallen (NRW Bank 2018: 9). Die aktuellen Eigentümerstrukturen des Düsseldorfer Mietwohnungsmarktes sind
nicht bekannt. Daten aus dem Jahr 2011 zeigen jedoch, dass
etwa die Hälfte des Gesamtbestandes (44,5%) der Mietwohnungen durch Privatpersonen vermietet wird – dieser Anteil ist
damit vergleichsweise hoch. Auch Eigentümergemeinschaften
halten mit 25,8 Prozent eine Vielzahl an Mietwohnungen. Wohnungsgenossenschaften (7,6%) und kommunale Wohnungsunternehmen (3,5%) sind weiterhin die größten institutionellen
Anbietenden in Düsseldorf (ebd.: 10). So verwaltet die städtische
Wohnungsgesellschaft SWD etwa 8.500 Wohnungen, die beiden
größten Düsseldorfer Genossenschaften (DWG & WOGEDO)
besitzen etwa 7.700 bzw. 4.500 Wohnungen. Weiterhin haben
auch die ehemalige Landestochter LEG Immobilien AG (ca. 5.300
Wohneinheiten) und die Rheinwohnungsbau GmbH (ca. 4.800
Wohneinheiten) bedeutende Bestände im Düsseldorfer Stadtgebiet (SWD 2018: 4,17; DWG 2019: 8; WOGEDO 2019: 27; LEG
2019: 12; Rheinwohnungsbau 2019: 28).
Die Zahl der Düsseldorfer Haushalte (Stand 2017: 356.609) verzeichnet in den letzten Jahren ein permanentes Wachstum, welches vor allem durch eine Zunahme an Ein- sowie Vier- und
Mehrpersonenhaushalte getragen wird. Insgesamt entfällt jedoch mit knapp 80 Prozent ein Großteil der Haushalte auf Ein(193.351) und Zweipersonenhaushalte (91.630), während Dreipersonenhaushalte (36.983) und Haushalte mit vier oder mehr
Personen (36.131) nur jeweils etwa 10 Prozent der Gesamthaushalte stellen (Stadt Düsseldorf 2019a: 14).
Sozialer Wohnungsbau
In der Stadt Düsseldorf betrug die Anzahl der belegungsgebundenen Wohneinheiten 15.878 (2017), was insgesamt 4,5 Prozent am gesamten Wohnungsbestand ausmacht und deutlich
unterhalb des NRW-Durchschnitts (9,4%) liegt (NRW Bank 2018:
4). Dabei folgt die Entwicklung einem negativen Trend, der im
gesamten Bundesgebiet zu beobachten ist, in Düsseldorf jedoch
besonders stark ausgeprägt erscheint. So hat sich der Anteil der
preis- und belegungsgebundenen Wohnungen in Düsseldorf seit
2008 mit 8,0 Prozent nahezu halbiert (Stadt Düsseldorf 2018a).
Durch vorzeitige Rückzahlungen der Förderdarlehen wird in den
kommenden zehn Jahren bei 7.969 weiteren Wohnungen die
Mietpreis- und Belegungsbindung enden bzw. auslaufen (ebd.
87). Auch Prognosen über die Entwicklung der preisgebundenen Mietwohnungsbestände bis zum Jahr 2030 der NRW.Bank
erwarten für Düsseldorf einen weiteren Rückgang der Sozialbindungen um etwa 43%. Damit prognostizieren sie für die Stadt
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Düsseldorf eine deutlich stärkere Verringerung des sozialen Wohnungsbaus als in vergleichbaren Kommunen NRWs (Köln und
Dortmund jeweils -33%) (Stadt Düsseldorf 2018a: 92). Neben
der rückläufigen Entwicklung ist zu berücksichtigen, dass sich
Bestände des Sozialen Wohnungsbaus nicht gleichmäßig über
das Stadtgebiet verteilen.47
Die rückläufige Entwicklung des preisgebundenen Wohnraums
in Düsseldorf steht einer Zahl von 4.452 Sozialwohnungsberechtigten gegenüber (Stand 31.12.2017), die sich beim Amt für
Wohnungswesen als wohnungssuchend registriert haben (Stadt
Düsseldorf 2018a: 94f). Der Anteil von Ausländerinnen und Ausländern an Wohnungssuchenden mit Dringlichkeitsschein ist seit
2014 (40%) deutlich angestiegen und lag 2017 bei 52 Prozent
(Stadt Düsseldorf 2019c). Im Folgejahr (2018) ist er jedoch wieder
leicht auf knapp 46 Prozent gesunken (ebd.).
Um den Entwicklungen abschmelzender Bestände im öffentlich
geförderten Wohnungsbau entgegenzuwirken, wurde das seit
2010 bestehende städtische Förderprogramm „Gewährung von
Zuschüssen zum Erwerb von Belegungs- und Mietpreisbindungen“ im Jahr 2017 weiter ausgebaut. Hier werden aus dem Bestand freifinanzierte Wohneinheiten akquiriert. Für diese werden
dem Wohnungsamt für einen gewissen Zeitraum (5-15 Jahre) die
Belegungsrechte eingeräumt, um einkommensschwache Haushalte (auch Geflüchtete) mit Wohnraum zu versorgen (ebd.: 98f).
Auf diese Weise konnten seit 2010 für insgesamt 112 Wohneinheiten Belegungsrechte durch die Stadt erworben werden.
Im Jahr 2013 veröffentlichte die Stadt Düsseldorf ein Handlungskonzept für den Wohnungsmarkt (ZUKUNFT WOHNEN.
DÜSSELDORF), dessen Rahmen das Stadtentwicklungskonzept
(STEK) „Düsseldorf 2020“ bildet (Fortschreibung bis 2025) (Stadt
Düsseldorf 2016: 10). In diesem Handlungskonzept wird als weiteres Instrument zur Förderung preisgünstigen Wohnraums in
Düsseldorf eine Quotierungsregelung eingeführt: Werden neue
Wohneinheiten gebaut, muss davon ein festgelegter Anteil von
40 Prozent für preisgedämpfte48 Wohnsegmente zur Verfügung
gestellt werden (Stadt Düsseldorf 2018a: 93)
Fallstudien
fragen“ tagte im April 2017 vorerst das letzte Mal, da mit dem
Übergang „vom Krisenmodus in den geordneten Verwaltungsmodus“ (Stadt Düsseldorf 2017a: 1) die Notwendigkeit des Formates nicht mehr gegeben ist.
Auch die Beratung der Geflüchteten bzw. Migrantinnen und
Migranten durch Wohlfahrtsverbände (u. a. DRK & Diakonie)
wird gezielt von der Stadt Düsseldorf unterstützt. Beispielsweise
wurde vom Amt für soziale Sicherung und Integration das Projekt
„Integratives Wohnen für Geflüchtete“ ins Leben gerufen. Bevor
es zu einem Mietvertragsabschluss zwischen Vermieterinnen und
Vermieter und Geflüchteten kommt, mietet die Stadt Düsseldorf
das Objekt zunächst für sechs Monate selbst an. Nach einer
positiven ‚Evaluation‘ durch die Vermieterinnen und Vermieter
am Ende der sechs Monate, kann im Anschluss der Mietvertrag
auf die Geflüchteten übertragen werden. Im Gegenzug zu dieser
Übernahme von ‚Risiken‘ durch die Stadt, verpflichten sich die
vermietenden Personen die Bewohnerinnen und Bewohner ab
dem Einzug bei notwendigen Integrationsschritten zu unterstützen und aktiv zu begleiten (Stadt Düsseldorf 2017b: 6f) (zur
kritischen Auseinandersetzung mit der Übernahme von ‚Risiken‘
seitens der Stadt, siehe Kapitel 6.2.6). Zusätzlich sind in nahezu
ganz Düsseldorf lokale „Welcome Points“ als Anlaufstellen ausgewiesen, die nicht nur für Zugewanderte bzw. Geflüchtete,
sondern auch für die alteingesessenen Düsseldorferinnen und
Düsseldorfer bereitstehen, um die gesellschaftliche Integration
vor Ort zu intensivieren. Die „Welcome Points“ fungieren als
Intermediäre zwischen städtischen Akteurinnen und Akteure,
hauptamtlich Agierenden (z. B. Diakonie, DRK, Caritas) sowie
ehrenamtlich handelnden Initiativen der Flüchtlingshilfe. Die ansässigen Integrationsagenturen unterstützen z. B. MSOen und
das Engagement von Zugewanderten (Stadt Düsseldorf o.J.).
Weiterhin gibt es in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof ein
sogenanntes „Welcome Center“, das durch die zivilgesellschaftliche, politisch unabhängige Initiative „Flüchtlinge Willkommen
in Düsseldorf e. V.“ betrieben wird und Geflüchteten u. a. beratende Unterstützung bei der Wohnungssuche bietet (FWiD o.J.).
Wohnraumversorgung von Geflüchteten
Um Antworten auf die Herausforderungen durch den vermehrten Zuzug Geflüchteter (auch die Vermittlung in regulären
Wohnraum) zu finden, wurde ein „Runder Tisch zu Asyl- und
Flüchtlingsfragen“ eingerichtet (Neubauer 2017). Beteiligt sind
wichtige politische Akteurinnen und Akteure sowie Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Verwaltung und Wohlfahrtsverbänden (Geisel 2018: 1). Während bis 2017 die grundsätzliche
Realisierung von Flüchtlingsunterkünften als Priorität gesetzt war,
rückten im Anschluss mehr und mehr Fragen der Wohnraumschaffung sowie die langfristige Integration der Geflüchteten auf
die Agenda. In diesem Rahmen wurde auch die „AG Wohnen
für Alle“ gegründet (Amt für Migration und Integration der Stadt
Düsseldorf 2017), in der unter Federführung der Flüchtlingsbeauftragten (jetzt Leitung des neu gegründeten Amts für Migration und Integration) auch das Wohnungs-, das Stadtplanungs-,
das Bausaufsichtamt sowie die Ämter für soziale Sicherung und
Integration und das Gebäudemanagement zusammenfinden
(Bergmann 2017: 1). Der „Runde Tisch zu Asyl- und Flüchtlings-
47
48
So finden sich in den wohlhabenderen Wohnquartieren des Düsseldorfer Nordens und Ostens vergleichsweise wenig geförderte Mietwohnungen, während die südlichen Stadtteile Hellerhof (16,6 %),
Urdenbach (10,0%), der westlich gelegene Stadtteil Volmerswerth
(13,9%) sowie die eher zentral gelegenen Stadtteile Mörsenbroich
(10,3%) und Wersten (9,2%) die höchsten Anteile aufweisen (Stadt
Düsseldorf 2018a: 88ff).
Unter preisgedämpft werden Angebote verstanden, die für höchstens 9,60 Euro/m² Nettokaltmiete vermietet oder für höchstens
2.500 Euro/m² Wohnfläche (inkl. Tiefgaragen-Stellplatz) verkauft
werden. Diese maximal zulässigen Werte sind für zehn Jahre festgeschrieben und werden unter Berücksichtigung des bundesweiten
Baupreisindex des statistischen Bundesamtes jährlich dem Index entsprechend angepasst (Stadt Düsseldorf 2016: 93).
vhw 43
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6.1.3 Stadtprofil Hamburg
Bevölkerungsentwicklung und -struktur
Die Freie und Hansestadt Hamburg wächst stetig. Aktuell (Stand
31.12.2017) leben rund 1.830.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Stadtgebiet. Dabei ist Hamburg einerseits ein Umzugsziel aus den umliegenden Regionen. So stammten 2017
über 20 Prozent der Zuzüge nach Hamburg aus dem Umland
(Metropolregion Hamburg o.J., eigene Berechnungen). Zum anderen ist Hamburg wie die meisten deutschen Großstädte durch
Migration aus dem Ausland geprägt. Im Jahr 2017 machten die
Zuzüge aus dem Ausland rund 44 Prozent der gesamten Zuzüge
aus. Aktuell haben ca. 34,7 Prozent aller Hamburgerinnen und
Hamburger einen Migrationshintergrund, 48,1 Prozent von ihnen
haben keinen deutschen Pass (Statistisches Amt für Hamburg
und Schleswig-Holstein 2018a: 3). Diese Wanderungsbewegungen von Personen ganz unterschiedlicher sozio-ökonomischer
Lagen von Nah und Fern stellen den Hamburger Wohnungsmarkt
vor wachsende Herausforderungen.
Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund verteilt sich ungleich
über die Stadtgebiete aller drei Fallstudien. Während die Gesamtstadt einen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund
von etwa 35 Prozent ausweist, zeigen einzelne Quartiere in den
Bezirken Mitte und Harburg starke Konzentrationen (>45%)
(Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2018a:
7). Gebiete, die einen hohen Anteil SGB II-Bezieherinnen und Bezieher ausweisen, liegen ebenfalls vorwiegend in diesen beiden
Bezirken (von Lüde 2018: 62). Eine Betrachtung der Sozialwohnungsbestände, die zwischen 2011 und 2017 errichtet wurden,
zeigt ein weniger eindeutiges Bild. Zwar kann auch hier eine
Konzentration der geförderten Wohneinheiten im Zentrum und
den Cityrandbereichen Hamburgs beobachtet werden, allerdings
sind im Beobachtungszeitraum auch in den anderen Bezirken
eine Vielzahl von Sozialwohnungen errichtet worden. Dies erklärt
sich aus dem 2013 vom „Bündnis für Wohnen“ vereinbarten
Drittelmix, wonach Sozialwohnungen beim Neubau in sämtlichen
Lagen realisiert werden sollen, um eine stärkere soziale Durchmischung der Quartiere zu forcieren (Stapelfeld 2018).
Haushalts- und Wohnungsmarktstruktur
Hamburg verfügt über rund 925.000 Wohnungen, davon rund
720.000 im Geschosswohnungsbau (Freie und Hansestadt Hamburg 2016: 6). Der Wohnungsmarkt ist besonders durch die
Vielfalt und Präsenz der institutionellen Wohnungsanbieter gekennzeichnet. Neben privaten Anbietenden haben das kommunale Wohnungsunternehmen SAGA (als viertgrößtes Wohnungsunternehmen Deutschlands) sowie die in Hamburg traditionell
starken Genossenschaften – die Geschichte der Genossenschaften in Hamburg geht bis ins 19. Jahrhundert zurück – eine hohe
Bedeutung für den Mietwohnungsmarkt. So konnten die insgesamt 50 Genossenschaften 2016 einen Bestand von über
130.000 Wohnungen verzeichnen. Dabei unterscheiden sich
diese deutlich in der Größe ihrer Bestände – von Unternehmen
mit wenigen hundert Wohneinheiten bis zur größten Genossenschaft, dem Bauverein der Elbgemeinden eG, mit rund 14.000
Wohnungen (Stahl 2017: 7). Neben den Genossenschaften und
44 vhw
Fallstudien
der städtischen Wohnungsbaugesellschaft sind hier auch eine
Vielzahl privater Wohnraumanbietende (unter ihnen als größte
die Vonovia mit etwa 12.000 Wohnungen) aktiv (Meyer-Wellmann/Bettoni 2018). Insgesamt ist der Hamburger Wohnungsmarkt, im Vergleich zu Großstädten wie beispielsweise Berlin,
durch eine noch recht große Diversität an privaten institutionellen
Anbietenden mittlerer Größe geprägt, die Bestände von einigen
tausend Einheiten verwalten.
Zentrale Herausforderungen und zukünftige Weichenstellungen
der Wohnungspolitik werden im „Bündnis für das Wohnen“ als
Vereinbarung zwischen dem Stadtstaat, den Bezirken der Stadt
und zentralen Akteurinnen und Akteure der Wohnungswirtschaft (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V.,
Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen
e. V., Immobilienverband Deutschland e. V., SAGA GWG), festgehalten (Freie und Hansestadt Hamburg 2016: 2ff). Um die
wachsende Bevölkerung Hamburgs mit Wohnraum zu versorgen,
wird ein jährlicher Neubaubedarf von etwa 7.500 Wohneinheiten
errechnet (Stachen/Gröbel 2019: 2). Dabei gibt Hamburg selbst
durch das „Bündnis für das Wohnen“ sogar eine Zielvorgabe von
10.000 Wohneinheiten jährlich zur Deckung des Bedarfs an, von
denen mindestens 3.000 öffentlich gefördert werden sollen. Da
diese Größenordnung jedoch in den letzten Jahren nicht ganz
erreicht werden konnte und der Neubau bis in die 2000er Jahre
kaum vorangetrieben wurde, muss zukünftig von einer weiteren
Verschärfung der Situation auf dem Wohnungsmarkt ausgegangen werden (Meyer-Wellmann/Bettoni 2018). So lag die Anzahl
der Bewilligungen im geförderten Mietwohnungsneubau in den
Jahren 2011 bis 2016 bei durchschnittlich 2.157 Wohneinheiten
(Freie und Hansestadt Hamburg 2018: 12).
Im Neubau orientiert sich Hamburg an dem sogenannten „Drittelmix“, welcher eine gleichteilige Zusammensetzung aus frei
finanzierten Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und geförderten Mietwohnungen vorsieht. Unter dieser Maßgabe werden
in den verschiedenen Bezirken entsprechende Entwicklungen
vorangetrieben. Dies umfasst z. B. das Projekt der „Neuen Mitte
Altona“ mit insgesamt rund 3.500 Wohnungen, die in kompakter Bauweise neu geschaffen werden. Darüber hinaus sollen bis
zum Jahr 2025 im größten geplanten Neubaugebiet Oberbillwerder im Bezirk Bergedorf auf 124 ha Fläche etwa 7.000 Wohneinheiten entstehen (IBA Hamburg 2019: 60).
Bereits im Jahr 2006 entwickelte der Hamburger Senat mit dem
„Hamburger Handlungskonzept zur Integration von Zuwanderern“ eine integrationspolitische Gesamtstrategie. Die aktuelle
Fortschreibung (2017) widmet dem Thema Wohnen ein eigenes
Kapitel und sieht insbesondere die Ausweitung des Angebots an
preiswertem Wohnraum als auch die Überwindung von Diskriminierungen von Menschen mit Migrationshintergrund bei der
Wohnungssuche als zentrale Handlungsfelder. Konkrete Strategien, wie die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten
auf dem Wohnungsmarkt überwunden werden kann, werden jedoch nicht formuliert (Freie und Hansestadt Hamburg 2017: 94).
Sozialer Wohnungsbau
Wie auch in vielen anderen deutschen Großstädten, liegen die
Herausforderungen auf dem Hamburger Wohnungsmarkt nicht
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
nur in der fehlenden Quantität des vorhandenen Wohnraums,
sondern auch in dessen Bezahlbarkeit. 2014 gehörte Hamburg
zu den zehn Städten mit der höchsten Mietbelastungsquote
in Deutschland. Hamburger Mieterinnen und Mieter wenden
durchschnittlich 28,6 Prozent ihres Haushalteinkommens für
Mietzahlungen auf (Lebuhn et al. 2017: 73). Dabei haben der
hohe Anteil an genossenschaftlichen Wohnungen sowie die Bestände der SAGA jedoch eine gewisse preisdämpfende Wirkung.
In diesem Kontext ist insbesondere die Hamburger Mietenbewegung sehr engagiert (Zusammenschlüsse wie „Recht auf Stadt“
oder „Hamburger Mietenmove“).
Das Segment des öffentlich geförderten Wohnungsbaus bietet
gerade gering verdienenden Personengruppen (unter ihnen auch
in Hamburg vielfach Migrantinnen und Migranten) bezahlbaren
Wohnraum. Auch wenn mit insgesamt 78.956 Sozialwohnungen
(2016) nicht nur die reine Anzahl, sondern auch der Anteil an
Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsbestand mit 8,4 Prozent in Hamburg deutlich höher liegt als z. B. in Düsseldorf, ist
auch hier ein rückläufiger Trend zu erkennen. Während im Jahr
2011 noch über 95.000 Wohneinheiten den Belegungsvorgaben
des Sozialen Wohnungsbaus unterlagen (und damit ein Anteil
von 10,8% (Meyer-Wellmann/Bettoni 2018)), waren im Jahr
2017 nur noch knapp 81.000 Wohnungen preisgebunden (Freie
und Hansestadt Hamburg 2018: 26). Dieser Zahl steht einer Zahl
von 386.000 Haushalten gegenüber, die potentiell berechtigt
wären eine Sozialwohnung zu beziehen. Der größte Anteil dieser
Sozialwohnungen liegt in der Hand des kommunalen Wohnungsunternehmens SAGA (28,7%) sowie der Genossenschaften mit
27,7 Prozent (Freie und Hansestadt Hamburg 2018: 27).
Wohnraumversorgung von Geflüchteten
Die Flüchtlingszuwanderung der letzten Jahre ließ Engpässe auf
dem Hamburger Wohnungsmarkt besonders zutage treten und
verschärfte diese. In der Hochphase der Flüchtlingsbewegung
2015 mussten insgesamt fast 50.000 Schutzsuchende in Hamburg kurzfristig untergebracht werden (Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge 2018). Für die Koordination dieses komplexen
Prozesses wurde 2015 der „Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge“ eingerichtet. Seitdem haben sich, wie auch in anderen
deutschen Städten, aufgrund der geringeren Fluchtzuwanderung
seit 2016 die Aufgaben von der Notunterbringung zur Integration in den regulären Wohnungsmarkt verschoben.
Um den Übergang Geflüchteter in den regulären Wohnungsmarkt
zu stärken, wurden in Zusammenarbeit mit der SAGA sogenannte
„Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen“ errichtet.
Bei diesen Unterkünften (Unterbringungskapazitäten von 36 WE
bis 756 WE im Mittleren Landweg) handelt es sich zunächst um
öffentliche Unterbringungen, die im späteren Verlauf dem regulären Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen sollen (Bürgerschaft
der Freien und Hansestadt Hamburg 2018: 2). Dabei besteht eine
Belegungsbindung von mindestens 15 Jahren, wobei bereits vor
Ablauf der Bindung nach und nach Mietparteien ohne einen
Flüchtlingsstatus, jedoch mit einem entsprechenden WBS einziehen sollen (Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2015).
Diese Zielsetzung ist auch dem Hamburger Bürgervertrag geschuldet, der auf Druck der rechts-konservativen Initiative „Hamburg
für gute Integration“ entstanden ist und eine maximal Belegung
Fallstudien
der Unterkünfte mit 300 Geflüchteten vorsieht. Ziel ist es, die
Folgeunterkünfte langfristig in den regulären Wohnungsmarkt
zu integrieren. Auch in der 2016 errichteten Unterkunft Mittlerer
Landweg im Stadtteil Billwerder (Bezirk Bergedorf), die mit einer
Kapazität von 2.500 Personen die größte Folgeunterkunft für
Geflüchtete in Deutschland darstellt, wird dieses Modell erprobt
(Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2015: 6).
6.2 Aktuelle Herausforderungen
bei der Wohnraumversorgung von
Migrantinnen und Migranten
Wie bereits in der deutschlandweiten Erhebung deutlich wurde,
sind auch und insbesondere die drei Fallstudienstädte Berlin,
Düsseldorf und Hamburg durch extrem angespannte Wohnungsmärkte gekennzeichnet. Alle drei sind charakterisiert von einem
massiven Mangel an bezahlbarem, gefördertem und belegungsgebundenem Wohnraum in Kombination mit kaum vorhandenem Leerstand und sinkenden Fluktuationsraten. Angesichts
des starken Wegfalls von mietpreis- und belegungsgebundenen
Wohnungen stellt die Wohnungsknappheit im Segment des erschwinglichen Wohnraums in allen drei Städten eine zentrale
Herausforderung dar.
6.2.1 Wohnungsmarktbedingte
Herausforderungen
Die drei Fallstudienstädte reagieren mit unterschiedlichen Maßnahmen zur kurzfristigen Schaffung von Wohnraum. Dies umfasst die soziale Wohnraumförderung, Kooperationsvereinbarungen mit institutionellen Wohnungsanbieter zur Vermietung
an Geflüchtete, Kooperationen mit der Zivilgesellschaft und
Intermediären, bis hin zu planungsrechtlichen Änderungen und
Ausnahmeregelungen. Die unterschiedlichen Maßnahmen zur
Stärkung der sozialen Wohnraumversorgung lassen sich auch vor
dem Hintergrund der im vorangegangenen Unterkapitel erläuterten strukturellen Rahmenbedingungen (Anbietertypen, Mietentwicklung, Leerstandsquoten) sowie lokaler Wohnungspolitik
(Förderung Sozialen Wohnungsbaus, Maßnahmen zur Dämpfung der Mietpreisentwicklung, Zusammenarbeit zwischen Stadt/
Stadtstaat und institutionellen Wohnungsanbieter) erklären.
Der massive Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist in weiten Teilen Ergebnis wohnungspolitischer Entscheidungen
der Vergangenheit. Er erschwert insbesondere die Wohnraumversorgung von Geflüchteten und Migrantinnen und
Migranten und bereitet den Nährboden für prekäre und
ausbeuterische Wohnverhältnisse sowie Formen illegalen
Maklertums.
Die Stadtprofile der Fallstudien zeigen: Der Wohnungsknappheit im Segment des erschwinglichen Wohnraums steht in allen
drei Städten eine große Mehrheit der Bevölkerung gegenüber,
die gemäß ihrer ökonomischen Ressourcen Anspruch auf einen
Wohnberechtigungsschein hätte. In allen drei Fallstudienstädten
ist rund die Hälfte der Haushalte zugangsberechtigt zum Sozialen
vhw 45
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Wohnungsbau (IP70, IP71).49 Darüber hinaus stellt auch die hohe
Zahl derjenigen Personen, die formell zwar keinerlei Anspruch
auf eine Sozialwohnung haben, aber dennoch auf preisgünstigen
Wohnraum angewiesen sind, eine zusätzliche Herausforderung
dar (IP23, IP48). Aufgrund sich verändernder Bedarfe – teils
auch bedingt durch spezifische Haushaltsstrukturen von Geflüchteten – bezieht sich in allen drei Fallstudien der Mangel an
preisgünstigem Wohnraum insbesondere auf die Segmente der
1-Zimmer-Wohnungen und Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern. Der Engpass an großen Wohnungen stellt insbesondere für
mehrköpfige Familien mit Fluchthintergrund eine große Hürde
für den Übergang in den regulären Wohnungsmarkt dar (IP38,
IP43, IP72, IP73, IP74).50
Die Bestände der städtischen Wohnungsunternehmen reichen
dabei bei Weitem nicht aus, um ausreichend Wohnraum für
Personen mit niedrigem Einkommen zu realisieren. In einem der
Interviews in Berlin wird konstatiert: „Berlin als Mieterstadt muss
einfach ein breites Angebot an leistbaren Wohnungen für viele
verschiedene Personengruppen anbieten können und da sind
wir weit von entfernt. Das ist genau das Problem.“ (IP41). Auch
zeigt die akute Wohnungsnot bereits sogar Auswirkungen in anderen sozialen Bereichen. So können einige Beratungsstellen ihre
eigentliche Sozialberatung zum Teil nicht mehr wahrnehmen,
da die Unterstützung bei der Wohnungssuche ihre Kapazitäten
nahezu auslastet (IP54, IP58).
Unabhängig vom Mangel an bestimmten Wohnungstypen sind
die benannten Herausforderungen insbesondere in Düsseldorf
auch ein Ergebnis einer bislang sehr marktliberalen und investorenfreundlichen Wohnungspolitik. Diese zeichnete sich insbesondere durch wenig wohnungspolitische Steuerung aus,
um Investorinnen und Investoren nicht zu „verschrecken“ (IP70,
IP71), sowie einen damit verbundenen Fokus auf den Neubau in
eher hochpreisigen Segmenten (IP70, IP71). Selbst in Hamburg,
wo bereits im Jahr 2011, und damit schon deutlich vor einigen
anderen Kommunen in Deutschland, wieder in den Sozialen
Wohnungsbau eingestiegen wurde, wirken die bisherigen Bemühungen nach Aussagen einiger Interviewpartnerinnen und
-partner insbesondere aus der Zivilgesellschaft eher wie „homöopathische Dosen“ (IP45). Auch die in Berlin geplante Ausweitung
der kommunalen Bestände durch Zukauf sowie insbesondere
durch Neubau von rund 300.000 Wohnungen auf ca. 400.000
(Senat von Berlin 2018a: 23) bis zum Jahr 2026 läuft Gefahr,
der steigenden Nachfrage nicht gerecht werden zu können. Die
Konkurrenz um preisgünstigen Wohnraum wächst hier trotz
Übererfüllung der Quoten im Geschützen Marktsegment (GM)
und im Kooperationsvertrag „Wohnungen für Flüchtlinge“ stetig
(IP33, IP38, IP41). Die Zahl der 2018 primär von den städtischen
Wohnungsunternehmen über das GM zur Verfügung gestellten
1.350 Wohnungen ist bei Weitem nicht ausreichend.51
Zu den Gruppen, deren Wohnraumversorgung besonders gefährdet ist, gehören – neben den Wohnungslosen – insbesondere
Migrantinnen und Migranten im Allgemeinen und Geflüchtete
im Speziellen. Neben Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Alter und Geschlecht trägt die Unsicherheit von Vermietenden bzgl.
aufenthaltsrechtlicher Fragen stark zum erschwerten Zugang zu
Wohnraum bei. So mussten z. B. in Düsseldorf in den Jahren
2015/2016 nahezu alle Geflüchteten in Behelfsunterkünften unterkommen, da es keinerlei Möglichkeiten gab, diese mit Wohn46 vhw
Fallstudien
raum im Bestand zu versorgen (IP71), und auch aktuell haben ca.
60 Prozent der Wohnungslosen in Düsseldorf einen Migrationshintergrund (IP71). 4.490 der 5.625 Personen (Stand 31.03.2019)
in öffentlich-rechtlicher Unterbringung in Düsseldorf haben einen
Fluchthintergrund (Stadt Düsseldorf 2019d). In Berlin sind aktuell
20.867 Personen in öffentlichen Unterkünften für Geflüchtete
untergebracht (Stand: 31.07.2019).52 Hinzu kommen obdachlose
Geflüchtete (Ende 2017: 6.435 obdachlose Geflüchtete),53 die
von den Bezirken in Hostels, sozialen Einrichtungen oder Wohnheimen untergebracht werden.54 In Hamburg sind rund 26.000
der ca. 30.000 Personen in öffentlich-rechtlichen Unterkünften
Geflüchtete (Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge 2019: 13).
Neben der Gruppe der Menschen mit Fluchterfahrung verweisen
Interviewpartnerinnen und -partner aus Hamburg zudem auf die
zusätzliche Herausforderung der Zuwanderung aus EU-Ländern
(insbesondere aus Bulgarien und Rumänien). Menschen dieser
Herkunftsländer machen rund ein Drittel der Obdachlosen in
Hamburg aus und leben oftmals in prekären und ausbeuterischen
Wohnverhältnissen (IP58).55 Unabhängig von der ethnischen/
nationalen Zugehörigkeit wird darüber hinaus in Düsseldorf auf
die zunehmende Diskriminierung von Leistungsempfängerinnen
und -empfängern im Kontext Wohnen verwiesen. Im Falle von
49
50
51
52
53
54
55
Die Berliner Zeitung stellt auf der Basis einer dpa-Meldung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen dar, dass im Jahr
2018 55% der Berlinerinnen und Berliner gemäß ihrer Einkommenssituation antragsberechtigt für einen Wohnberechtigungsschein
(WBS) waren. Dabei erhöhte sich die Zahl der WBS-Berechtigten
mit besonderem Bedarf (Familien mit Kindern in problematischen
Verhältnissen, Schwerbehinderte oder Hartz IV-Empfängerinnen
und -Empfänger) von 10.111 im Jahr 2016 um rund 80 Prozent auf
18.345 in 2017 (Berliner Zeitung (o.A.) 2018). Für Hamburg und
Düsseldorf sind diese Zahlen nicht erhältlich. Eine Studie von Lebuhn
et al. (2017) zu Wohnverhältnissen in Deutschland verdeutlicht jedoch, dass für 57,7% der Düsseldorfer Haushalte mit einem Einkommen von unter 60% des Medianeinkommens keine bezahlbaren
Wohnungen existieren und für 67,5% der entsprechenden Haushalte in Hamburg gilt das gleiche (Lebuhn et al. 2017).
Hier wie auch im Folgenden wird aus Platzgründen nicht immer die
Gesamtheit aller Interviewpartnerinnen und -partner aufgeführt, die
eine Aussage stützen.
Das geschützte Marktsegment wurde vom Senat eingerichtet, um in
Wohnungsnotfällen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Es beruht auf einem Kooperationsvertrag zwischen den Wohnungsunternehmen einerseits und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales
(LaGeSo) sowie den zwölf Bezirken von Berlin andererseits. Das GM
richtet sich an deutsche oder ausländische Wohnungslose mit dauerhaftem Bleiberecht (§1 des Kooperationsvertrags zum GM).
Aktuelle Unterbringungszahlen in Berlin sind im Onlineportal Berlin.
de abrufbar: https://www.berlin.de/laf/wohnen/allgemeine-informationen/aktuelle-unterbringungszahlen/artikel.630901.php.
Insgesamt zählte man Ende 2017 36.905 Obdachlose in Berlin (Der
Tagesspiegel 2018).
Zu den letztgenannten Unterbringungsformen gibt es für Berlin
keine aktuellen Zahlen.
Der Verweis auf die zum Teil prekären und ausbeuterischen Wohnverhältnisse, denen einige Neuzugewanderte ausgesetzt sind, deckt
sich mit Forschungsergebnissen zur Wohnraumversorgung von Neuzugewanderten in Belgien. So illustrieren Schillebeeckx et al. (2019:
144) am Beispiel eines von Diversität und Ankunft geprägten Stadtteils in Antwerpen, dass die ersten Zugänge Neuzugewanderter zum
Wohnungsmarkt vielfach in prekären, teils informellen, Wohngelegenheiten ‚under the radar‘ erfolgen.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Migrantinnen und Migranten, die Sozialleistungen beziehen,
führt dies zu einer Mehrfachdiskriminierung und einer damit
deutlich erschwerten Wohnraumversorgung.
Mangelnde Sprachkenntnisse, die oftmals unklare Bleibeperspektive sowie fehlende Informationen seitens der Vermieterinnen
und Vermieter z. B. zu Fragen des Asylrechts stellen dabei nur
einige der Hürden dar, die Geflüchteten, aber auch Zugewanderten ohne Fluchterfahrung, den Zugang zum regulären Wohnungsmarkt erschweren. Hinzu kommt der fehlende Zugang zu
Informationen (zum Teil auch auf sprachliche Defizite zurückzuführen), der einigen Migrantinnen und Migranten den Zugang
zu Unterstützungsleistungen erschwert. In einem Interview im
Bereich der Verwaltung wird deshalb die gezielte Übersetzung
bestimmter Formulare, wie z. B. zur Härtefallregelung bei den
städtischen Wohnungsunternehmen, in jene Sprachen, die von
Zugewanderten vorrangig gesprochen werden, gefordert (IP36).
Der generelle Mangel an preisgünstigem Wohnraum und die
für einige Bevölkerungsgruppen noch zusätzlich erschwerten
Zugangsbedingungen sind dabei idealer Nährboden für die Entstehung illegaler Maklerstrukturen, von denen Befragte – ähnlich
wie bereits in der deutschlandweiten Erhebung – in allen drei
Fallstudienstädten berichten. Insbesondere Personengruppen, die
sich bereits lange Zeit vergeblich um eine Wohnung bemühen,
sind dabei besonders empfänglich für illegal tätige Maklerinnen
und Makler, die die Vermittlung von Wohnraum für ein entsprechendes Entgelt garantieren. Vorfälle illegalen Maklertums
werden jedoch nur vereinzelt – wenn überhaupt – und vermittelt
durch Dritte sichtbar, da sie aufgrund der schwierigen Marktposition der Betroffenen und ihrer Sorge, durch eine Anzeige
die ‚erkaufte‘ Wohnung wieder verlieren zu können, nur sehr
selten angezeigt werden. Dies macht eine aktive Vorgehensweise – die auch die Compliance-Abteilungen der institutionellen
Wohnraumanbietenden beschäftigt – zur Bekämpfung nahezu
unmöglich (IP38, IP64, IP74). In Hamburg wird im Rahmen sogenannter „Aktionstage“ gegen illegale Vermietungsverhältnisse
vorgegangen, indem ganze Wohnblöcke stillgelegt und Personen
in öffentliche Unterbringung transferiert werden. Vermieterinnen
und Vermieter mit illegalen Praktiken werden verpflichtet, die
Kosten der weiteren Unterkunft zu zahlen (IP50).
6.2.2 Diversifizierung der
Konkurrenzen um Wohnraum
Die generelle Mangelsituation insbesondere im preisgünstigen Segment des Wohnungsmarkts führt zu zunehmenden Konkurrenzen unterschiedlicher vulnerabler Gruppen
um Wohnraum sowie zu Verteilungskonflikten.
Fallstudien
Wohnungslosen dürfen 10 Prozent teurere Wohnungen haben.
Später durften dann auch alleinerziehende Mütter 10 Prozent
teurere Wohnungen haben. Das hat aber letztendlich nie dazu
geführt, dass es mehr Wohnungen gibt, sondern dass die Konkurrenz untereinander härter wird bzw. die Vermieter die Miete
dann um 10 Prozent erhöht haben, wenn sie gemerkt haben,
dass jemand wohnungslos ist“ (IP43). Eine öffentliche Transparenz zu den Anteilen unterschiedlicher Anspruchsgruppen im
Sozialen Wohnungsbau gibt es in den drei Fallstudienstädten
jedoch nicht.
Die Verteilung der knappen, frei werdenden Sozialwohnungen
erfordert Punktesysteme oder Rankings, die – auch aus mangelnder Transparenz in Bezug auf die Vergabekriterien – zu Vorwürfen der Ungleichbehandlung führen (IP29, IP43). So berichten Interviewpartnerinnen und -partner insbesondere von vereinzelten
Vorwürfen bezüglich der besonderen Unterstützungsleistungen
oder gar der Bevorzugung von Geflüchteten gegenüber anderen
vulnerablen Gruppen (IP39, IP71, IP72, IP73), wie z. B. Wohnungslosen ohne Migrationshintergrund, wie das folgende Zitat
aus der Wohnungswirtschaft verdeutlicht: „Es ist ganz wichtig,
dass dieser Konkurrenzkampf unter den Nachfragern nicht noch
zusätzlich Nahrung erhält nach dem Motto ‚Naja, jetzt kommen
die ganzen Flüchtlinge und die kriegen eher die Wohnungen als
wir‘. Das ist ein riesen Thema“ (IP62).
Konkurrenzen um Wohnraum bzw. andere Unterstützungsleistungen scheinen sich jedoch auch zwischen einzelnen Migrantinnen und Migrantengruppen zu verschärfen, wie ein Interview aus
dem Kontext Soziale Stadt illustriert: „Es gibt ganz viel Frust zwischen den Ethnien – gerade zwischen den neuen Zugewanderten aus Syrien, die Deutschkurse und Unterstützungsleistungen
bekommen und den Palästinensern, die schon seit Jahrzehnten
in Deutschland sind und keine Unterstützung bekommen aufgrund des ungeklärten Aufenthaltsstatus“ (IP39). Interviewte aus
der Zivilgesellschaft verweisen dabei auf zum Teil sehr gezielte
Klientelpolitik von Wohnungsanbietern mit Blick auf Migrantinnen- und Migrantengruppen, die auch ein hohes emotionalen
Identifikationspotential für zivilgesellschaftlich Agierende bieten.
Dies betrifft beispielsweise alleinstehende oder alleinerziehende
Frauen gegenüber unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten
oder männlichen ‚people of colour‘.
Die unterschiedliche Bewertung kultureller bzw. ethnischer Hintergründe sowie die anschließende ungleiche Behandlung führen, wie Interviewte aus Berlin berichten, darüber hinaus dazu,
dass sich Angehörige einer eher stigmatisierten Gruppe, wie
z. B. Roma, teils als Geflüchtete ausgeben, um bessere Unterstützungsleistungen zu erhalten (IP31, IP37, IP42).
Konkurrenzen entstehen dabei nicht nur zwischen den verschiedenen Bedarfsgruppen, sondern auch zwischen ihren jeweiligen InteressensVertreterinnen und Vertreter, von denen einige
auch unterschiedliche Bedarfsgruppen gleichzeitig vertreten. „Ich
beobachte eine wahnsinnige Klientelpolitik für jede einzelne
Interessensgruppe, wo es aber immer nur darum geht, die wenig vorhandenen Wohnungen dieser einen Zielgruppe leichter
zugänglich zu machen. Das sehen wir bei der Verordnung zur
Angemessenheit von Wohnraum, da wurde dann gesagt die
vhw 47
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6.2.3 Positionen und Handlungs
ansätze zu diskriminierenden Strukturen auf dem Wohnungsmarkt
Ein gering ausgeprägtes Bewusstsein seitens Wohnungsunternehmen und Verwaltung für diskriminierende Strukturen auf dem Wohnungsmarkt erschwert einen konstruk
tiven und wirksamen Diskurs über die Zugangschancen
von Migrantinnen und Migranten und die Entstehung gemeinsam getragener Leitbilder.
Der angespannte Wohnungsmarkt und die steigenden Konkurrenzen führen in allen drei Städten zu einer Situation, die es
Wohnungsanbieter (sowohl privaten Einzeleigentümerinnen und
-eigentümern als auch institutionellen Anbietenden) somit „sehr,
sehr leicht machen, aus den obskursten Begründungen Leute
abzulehnen, wenn sie das wollen“ (IP45). Gleichzeitig scheint
das Bewusstsein für diskriminierende Strukturen auf dem Wohnungsmarkt sowohl innerhalb der Wohnungswirtschaft als auch
innerhalb der städtischen Verwaltungen noch nicht besonders
ausgeprägt zu sein – wobei deutliche Unterschiede zwischen den
drei Fallstudienstädten erkennbar sind.
Insbesondere im Vergleich zur Diskriminierung in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie Bildung oder Arbeitsmarkt, scheinen
Zugangschancen zum Wohnungsmarkt deutlich seltener thematisiert und diskutiert zu werden. So wurde in einem Interview mit
der Zivilgesellschaft konstatiert:
„Also mal zu dem Stand der Auseinandersetzung: Die merken noch nicht mal, dass sie da Sachen sagen, für die sie
verklagt werden könnten. Also das ist so dieses Bittere an
dieser Auseinandersetzung zum Thema Wohnungsmarkt
und das ist beim Arbeitsmarkt anders. Da würde sich kein
Arbeitgeber mehr beim Hamburg Journal vor die Kamera
setzen und sagen ‚Ich hab hier schon zu viel Geflüchtete
in meinem Laden, den stell ich nicht ein“ (IP54).
In diesem Kontext nimmt die Hamburger Verwaltung durchaus
eine Vorreiterrolle ein, da man vergleichsweise früh eine öffentlichkeitswirksame Strategie umgesetzt hat, um die Diversität der
Mitarbeitenden zu erhöhen. Im Hamburger Integrationskonzept
wurden bereits in der Version von 2013 Indikatoren und konkrete
Zielwerte zur Zugänglichkeit des Wohnungsmarkts für Menschen
mit Migrationshintergrund formuliert. Im aktuellen Hamburger
Integrationskonzept (2017) stellt das Thema Wohnen nun eines
der Haupthandlungsfelder dar (Freie und Hansestadt Hamburg
2017). Nach Ansicht verschiedener Interviewter aus der Zivilgesellschaft wird der Zugang von Migrantinnen und Migranten
zum Wohnungsmarkt jedoch nach wie vor nicht ausreichend
nachgehalten. So wird kritisiert, dass das Hamburger Integrationskonzept zwar explizit die interkulturelle Öffnung der Verwaltung thematisiere, sich dies jedoch innerhalb der Verwaltung
nicht wirklich spürbar niederschlage (IP45, IP50, IP58). Ähnliches
gilt für das Integrationskonzept der Landeshauptstadt Düsseldorf (Stadt Düsseldorf 2017c), das nur relativ knapp einige wenige Vorhabensbekundungen im Bereich Wohnen auflistet. Hier
wird u. a. auf die Verankerung des Themas der interkulturellen
48 vhw
Fallstudien
Öffnung im Handlungskonzept „Zukunft Wohnen.Düsseldorf“
(Stadt Düsseldorf 2016) verwiesen, dort findet sich jedoch kein
entsprechender Bezug.
Das begrenzte Bewusstsein für diskriminierende Strukturen wird
vielfach begleitet von unterschiedlichen Ressortverantwortlichkeiten und fehlenden Kooperationsstrukturen. Mit Verweis auf erstere sowie die eigenen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
ziehen sich einige städtische Verantwortliche in allen drei Städten
aus der Verantwortung für den Bereich Migration und Integration
zurück. Am Beispiel Berlins wird darüber hinaus deutlich, dass
eine gezielte Förderung der Zugangschancen von Migrantinnen
und Migranten zum Teil politisch auch nicht gewollt ist. Abgesehen von der Erstellung der MUFs distanziert sich die SenSW klar
von migrantisch klientelorientiertem Wohnungsbau und weiteren
symbolischen Schritten, die z. B. von anderen Verwaltungen und
zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure im Kontext des
ressortübergreifend erstellten „Gesamtkonzepts zur Integration
und Partizipation Geflüchteter“ diskutiert wurden.
Insbesondere in der Wohnungswirtschaft aller drei Fallstudienstädte bleibt Diskriminierung nach wie vor ein Tabuthema. In
der Folge wird in den Interviews vielfach um Begrifflichkeiten
gerungen und die Frage diskutiert, inwieweit ungleiche Zugangschancen wirklich auf strukturelle Diskriminierung zurückgehen
oder vielmehr eine angesichts der Marktlage unvermeidliche
Form von Benachteiligung darstellen. Viele institutionelle Wohnungsanbieter verstehen direkte bzw. unmittelbare Formen der
Diskriminierung als vereinzeltes, ‚individuelles‘ Phänomen, das
bei Bekanntwerden unmittelbar unternehmensintern thematisiert
bzw. verfolgt werde – wobei die Frage nach einer möglichen
Sanktionierung im Falle eines auftretenden Falles von Diskriminierung vielfach nicht thematisiert wird. Während unmittelbare
Formen der Diskriminierung aufgrund von Herkunft komplett
negiert werden, scheinen mittelbare Diskriminierungsstrukturen,
z. B. aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder dem Status
als LeistungsempfängerIn etc. gar nicht erst als solche wahrgenommen zu werden. Dabei wird insbesondere von Interviewten
aus der Zivilgesellschaft vielfach kritisiert, dass sich auch nach
der Zuwanderung in den Jahren 2015/2016 nur wenig an der
Haltung der Wohnungswirtschaft geändert habe – bis auf die
Tatsache, dass Absagen mit einem möglichen diskriminierenden
Hintergrund weniger offen formuliert werden: „Irgendwann haben die das natürlich mitbekommen. Wir haben nun mal das
AGG, das Antidiskriminierungsgesetz und die wissen ja schon,
wie sie das formulieren“ (IP72). Dies wird selbst von Akteurinnen
und Akteure aus der Wohnungswirtschaft (direkt oder indirekt)
zum Teil bestätigt: „Die meisten denken noch in Quoten“ (IP65).
Unterstützung und Rückendeckung scheint die Wohnungswirtschaft dabei vielfach auch von der öffentlichen Verwaltung zu
erhalten, die aus „Angst, die Wohnungswirtschaft zu verprellen“
(IP54), das Thema Diskriminierung tendenziell nicht öffentlich
thematisiert. So konstatiert Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin z. B. auch nach dem erfolgreichen Gerichtsverfahren einer
türkeistämmigen Mieterin wegen unzulässiger Diskriminierung
gegen die SAGA in Hamburg: „Ich bin sicher, dass es bei der
Saga keine strukturelle Benachteiligung oder Diskriminierung
von Menschen mit Migrationshintergrund gibt“ (Mumme 2017).
Auch in Berlin wird mit der Aussage, die städtischen Wohnungsunternehmen seien mit der weitgehend „alleinigen“ Verant-
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
wortung der sozialen Wohnraumversorgung überfordert und
könnten nicht alle “sozial schwierigen“ Bedarfsgruppen aufnehmen (IP37), relativ offen auf für die Unternehmen notwendige
Priorisierungen hingewiesen. Dies steht teilweise im Kontrast
zur generellen Betonung einer diskriminierungsfreien Haltung in
Berlin, die sich auf wohnungswirtschaftlicher Seite inzwischen in
einer teilweise veränderten Rhetorik spiegelt (z. B. Distanzierung
von Diskriminierung im Internetauftritt eines Landeswohnungsunternehmens). Als Selbstverständnis wird insgesamt v. a. vermittelt, dass alle Bevölkerungsgruppen, und somit nicht nur
Migrantinnen und Migranten, von der aktuell angespannten
Lage auf dem Wohnungsmarkt betroffen seien.
In allen drei Fallstudienstädten verdeutlichen die Interviews erkennbare Diskrepanzen zwischen der Wahrnehmung von Wohnungswirtschaft und Verwaltung auf der einen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure auf der anderen Seite:
„Was auseinander klafft, ist die Wahrnehmung von Beratungsstellen, dass es Muster gibt in diesem Diskriminieren, und auf
der anderen Seite die Aussage von Wohnungsbaugesellschaften,
die unisono so ist, dass es eine diskriminierende Belegungspraxis
nicht gibt, dass das alles nicht sein kann und dass alles, was genannt und von den Beratungsstellen vorgebracht wird, immer
wieder klassifiziert wird als ein Einzelfall“ (IP58). Während die
Position aus der städtischen Verwaltung betont „Nee, das ist kein
Problem. Ja. Also wir haben, wir stellen nicht fest, dass Vermieter
keine Verträge eingehen mit Haushalten mit Migrationshintergrund. […] Man sagt ja auch, […] ist eine sehr migrantenfreundliche Stadt. Hier wird niemand ausgegrenzt“ (IP70), lautet die
Perspektive der Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft
in der gleichen Stadt dazu: „Ich glaube, wir haben in keinem
Bereich so starke Diskriminierung mitbekommen wie hier, im
Bereich Wohnen“ (IP72).
Ein gering ausgeprägtes Bewusstsein bzw. deutlich divergierendes Verständnis von Diskriminierung zwischen den einzelnen
Akteursgruppen erschwert somit nicht nur eine wirksame und
wichtige Debatte über die Diskriminierung von Migrantinnen und
Migranten auf dem Wohnungsmarkt, sondern darüber hinaus
auch die Entstehung gemeinsam getragener Leitbilder. Hier lassen sich, wie bereits angedeutet, jedoch deutliche Unterschiede
zwischen den untersuchten Städten erkennen. Beispielhaft kann
hier ein Workshop in Hamburg erwähnt werden, zu dem von
der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (jetzt: Behörde
für Stadtentwicklung (BSW)) im Jahr 2011 eingeladen wurde.
Gesprächspartnerinnen und -partner insbesondere aus der Zivilgesellschaft weisen darauf hin, dass das Thema ‚Diskriminierung‘ – mit dem expliziten Hinweis, Diskriminierung gebe es am
Hamburger Wohnungsmarkt nicht – bewusst aus der Diskussion
ausgeklammert wurde und der Begriff auch explizit nicht im Veranstaltungstitel auftauchen sollte.
Hintergrund bilde die deutlich sichtbare Sorge von Vertreterinnen
und Vertreter der Senatsverwaltung, die Wohnungswirtschaft als
Partnerin zu „verprellen“ (IP45, IP54, IP58). Ein geplanter Folgeworkshop hat trotz der zunehmend angespannten Wohnsituation in Hamburg zu dem Thema bis dato nicht stattgefunden.
Während die Interviewten (insbesondere die zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure) in Düsseldorf und Hamburg
einen öffentlichen Dialog zwischen Wohnungswirtschaft, Ver-
Fallstudien
waltung und Zivilgesellschaft überwiegend vermissen, sind die
Berliner Debatten diesbezüglich deutlich weiter. Etablierte Dialogformate wie die Gremien und Fachdialoge der Berliner FMFW
schaffen und fördern die Wahrnehmung bzw. Dialogbereitschaft
unterschiedlicher Akteursgruppen. So sind neben der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
(SenJVA), der SenSW und der SenIAS auch wohnungswirtschaftliche Verbände, Wohnungsunternehmen sowie Interessensvertretungen unterschiedlicher Zielgruppen mit höherem Diskriminierungsrisiko an der von der Fachstelle initiierten und moderierten
Leitbildentwicklung „Berlin vermietet fair!“ beteiligt. Darüber
hinaus verdeutlicht allein die Umsetzung des Programms „BENN“
die explizite Bereitschaft und das Bewusstsein der SenSW, die sich
ansonsten, wie bereits erwähnt, einer solchen ‚Klientelfokussierung‘ eher widersetzen. So stellt BENN ein Städtebauförderungsprogramm zur Einrichtung eines Integrationsmanagements dar,
in dessen Rahmen der Zugang zu Wohnraum eine große Rolle
spielt. Ziel des Programms ist die Förderung von Integration sowie
die Stärkung einer stabilen Nachbarschaft und Gemeinschaft im
Umfeld von großen Flüchtlingsunterkünften. Bis Anfang 2018
richtete die SenSW an insgesamt 20 Standorten mit großen
Flüchtlingsunterkünften das Integrationsmanagement BENN ein.
Die Flüchtlingszuwanderung in den letzten Jahren begünstigt diskriminierende Strukturen, aber schärft auch das
Bewusstsein für dieselben.
Insbesondere in Folge der Fluchtzuwanderung der vergangenen
Jahre hat das Thema der Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten nicht nur in Politik und Verwaltung, sondern
auch innerhalb der Wohnungswirtschaft an Präsenz gewonnen.
Der öffentliche Druck auf Politik/Verwaltung und Wohnungswirtschaft, sich dem Thema der Wohnraumversorgung Geflüchteter stärker anzunehmen, kommt dabei von zwei verschiedenen
Richtungen bzw. Akteurinnen und Akteure. Zum einen tragen
Geflüchteteninitiativen, Wohlfahrtsverbände, Ehrenämtlerinnen
und Ehrenämtler etc. zu einem größeren Bewusstsein des Themas und der Problemlagen bei. Andererseits scheint die Aufbruchstimmung der Bevölkerung in Bezug auf die Unterbringung
von Geflüchteten in allen drei Städten deutlich abgenommen zu
haben (IP55, IP57, IP73, IP75) und die öffentliche Diskussion um
Quoten in der Wohnungswirtschaft gleichzeitig wieder aufzuleben. In Hamburg ist dabei – wie das folgende Zitat verdeutlicht –
interessanterweise zu beobachten, wie bestimmte, eher weniger
aufnahmebereite Teile der Bevölkerung erheblichen Einfluss auf
integrationspolitische Diskurse ausüben:
„Es ist wohl sehr viel klarer, dass die Schaffung von Wohnraum sozusagen ein Thema ist, wo ganz viel passieren
muss. […] Es hat sich aber überhaupt nichts geändert an
der Haltung der Wohnungswirtschaft, dass es Diskriminierung nicht gibt als Thema einerseits und andererseits
diese Frage der ja nie offen verhandelten Quoten, die
gerade wieder durch die Geflüchteten eine totale Relevanz
bekommen hat. Das war ja hier in Hamburg auch sehr extrem, dass Geflüchtetenwohnheime tatsächlich verhindert
worden sind durch Bürgerinitiativen. Da gab es riesen Aufschreie und da ist ganz viel immer mit dem Mix gearbeitet
worden“ (IP54).
vhw 49
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
So beeinflusst die neu gegründete Bürgerinitiative „Hamburg für
gute Integration“, die sich insbesondere gegen eine zu starke
Konzentration von Flüchtlingsunterbringungen einsetzt, nicht
nur den öffentlichen Diskurs über die räumliche Integration von
Geflüchteten durch den von ihr geforderten Bürgervertrag maßgeblich mit. Auch die Frage, wie genau sozialräumliche Integration gelingen und anhand welcher Kriterien dieses Gelingen gemessen werden kann, wird von der Bürgerinitiative entscheidend
gelenkt. „Die größte Angst ist ja eigentlich eine Schlagzeile zu
sehen „Senat wird vertragsbrüchig““ (IP55). Politische Gegenbewegungen, wie z. B. das Bündnis „Recht auf Stadt“ stellen in
diesem Diskurs innerhalb Hamburgs keine aktiv treibende Kraft
dar (IP55). Allerdings ist zu konstatieren, dass über die Bürgerinitiative hinaus nicht zu beobachten ist, dass Schließungspraktiken
und Abwehrhaltungen in Hamburg stärker präsent sind als in
den beiden anderen Untersuchungsstädten. Mit Hilfe des durch
eine Vielzahl an (sozialen) Projekten begleitete Neben- und Miteinander von alten und neuen Bewohnerinnen und Bewohnern
konnten aber rund um die großen Folgeunterkünfte viele der ursprünglich geäußerten Sorgen bezüglich der Fluchtzuwanderung
deutlich entkräftet werden.
Der beschriebene Druck auf Politik und Verwaltung durch die
breite öffentliche Aufmerksamkeit und die Gefahren des erstarkenden Rechtspopulismus muss diese jedoch nicht zwangsläufig
zu Kompromissen ‚zwingen‘, sondern könnte im Gegenteil den
Blick für eine konsequente Antidiskriminierungspolitik schärfen
und diese somit stärken, wie es die folgende Position aus einem
Interview verdeutlicht:
„Da sind ja diese ganzen Kompromisse auch bei rausgekommen, dass die mit dieser Bürgerinitiative verhandeln
mussten, um zumindest so ein Volksbegehren zu verhindern. Das sind ja genau die politischen Zugzwänge.
Und wir würden ja immer sagen durch eine konsequente
Antidiskriminierungspolitik könnte da sehr viel abgefedert
werden, und zwar langfristig“ (IP54).
Das in Hamburg entwickelte Programm „Unterkünfte mit Perspektive Wohnen“ (UPW) wird von nahezu allen Interviewten als
bundesweites Vorreiterprojekt gewertet. Das Programm setzt dabei nicht wie andere Kommunen (teils aus einer Zwangslage, wie
z. B. Düsseldorf) auf Provisorien, Container und Modulbauten,
sondern nutzt gezielt die Möglichkeit der erleichterten planungsrechtlichen Vorweggenehmigung zum Bau von richtigen Sozialwohnungen, die ‚vorübergehend‘ (aber vielfach über mehrere
Jahre) von Geflüchteten genutzt werden und dann langfristig
in den Bestand des Sozialen Wohnungsbaus integriert werden.
Unter diesem Dach sind somit diverse Unterkünfte, in denen
mehrere tausend Geflüchtete leben, entstanden. Die aufgrund
der Bürgerverträge schneller als ursprünglich anvisierte Vermittlung von Personen aus der Unterkunft in regulären Wohnraum
– die z. B. allein 2.500 Geflüchteten, die im „Mittleren Landweg“
leben – stellt nun die größte Herausforderung dar (IP51, IP52).
In Berlin passiert ähnliches mit den MUFs, die aktuell mit dem
Ziel konzeptionell weiterentwickelt werden, wohnungsähnlichere
Strukturen abzubilden und sie in begrenztem Umfang auch für
andere Zielgruppen zu öffnen. Maßgeblich beteiligt sind daran
zwei der sechs städtischen Wohnungsunternehmen.
50 vhw
Fallstudien
6.2.4 Rollen und Kapazitäten
der unterschiedlichen wohnungswirtschaftlichen Akteurinnen und
Akteure
Die Verantwortung der sozialen Wohnraumversorgung ist
in allen drei Fallstudienstädten stark auf die kommunalen
bzw. landeseigenen Wohnungsunternehmen konzentriert,
die mit dieser Aufgabe angesichts der schrumpfenden Bestände des Sozialen Wohnungsbaus zunehmend überfordert sind.
Neben den ohnehin geringen bzw. stark schrumpfenden Anteilen von Wohnungen mit Belegungsbindungen erschwert in
den drei Fallstudienstädten insbesondere die extrem niedrige
Fluktuation in den Beständen der städtischen Wohnungsunternehmen – insbesondere innerhalb des Sozialen Wohnungsbaus –
die Wohnraumversorgung ressourcenschwächerer Bevölkerungsgruppen. So liegt die durchschnittliche Fluktuationsrate innerhalb
des Sozialen Wohnungsbaus in Düsseldorf bei einem Gesamtbestand von 15.878 (2017) Wohnungen stadtweit bei etwa einem Prozent, bei den Landeswohnungsunternehmen in Berlin zwischen einem Prozent und fünf Prozent (IBB 2018: 71). Berlin hatte
2018 noch einen Gesamtbestand von knapp 100.000 auf dem 1.
Förderweg entstandenen Sozialmietwohnungen (LZPB 2019). Das
durchschnittliche Kontingent von nur etwa 200 Wohneinheiten,
die jährlich z. B. von einem der Berliner Landeswohnungsunternehmen frei vergeben werden können, sind jedoch sehr begrenzt.
So wird in allen drei Fallstudienstädten auf das Missverhältnis
zwischen den begrenzten Kapazitäten der kommunalen bzw.
landeseigenen Wohnungsunternehmen einerseits sowie der Erwartungshaltung in Bezug auf ihre Integrationsleistung andererseits verwiesen. So lautet eine Perspektive in Berlin: „Die städtischen Wohnungsunternehmen werden nicht alles lösen können.
Die Bestände der städtischen machen 18 Prozent des gesamten
Wohnungsangebots aus und können daher nicht 100 Prozent
der Probleme auffangen“ (IP35). Auch in Hamburg, das zwar
deutlich früher als viele andere Kommunen wieder in den Sozialen Wohnungsbau eingestiegen ist, herrscht angesichts der Wohnungsknappheit im Segment des erschwinglichen Wohnraums
eine „gewisse Ratlosigkeit“ der Beteiligten (IP44, IP53). Aufgrund
ihrer ‚geringen‘ (im Vergleich zum Bedarf) Bestände, der nicht
ausreichenden Neubauaktivitäten sowie der niedrigen Fluktuationsraten scheinen die Handlungsspielräume der städtischen
Wohnungsunternehmen vielfach nahezu ausgereizt zu sein. So
blieb z. B. die SWD, das städtische Wohnungsunternehmen in
Düsseldorf, deren Rendite in vergangenen Jahren vollständig an
den städtischen Haushalt abgeführt werden musste, bis 2015 ein
„zahnloser Tiger“ (IP70), der maßgeblich mit der Verwaltung des
Ist-Zustandes beschäftigt war. Im Rahmen der Neuausrichtung
im Jahr 2018 wurden deshalb alle städtischen Grundstücke an
die SWD übertragen, die Generierung von Einnahmen dient nun
dem Neubau von Wohnungen (IP70).56
56
Während in der Vergangenheit maximal 30 bis 50 Wohnungen jährlich durch die SWD gebaut wurden, wird nun ein Neubau von 200
bis 500 Wohnungen jährlich erwartet (IP70).
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Es ist nur wenig politischer Druck auf private und genossenschaftliche Wohnungsanbieter erkennbar, sich an der
sozialen Wohnraumversorgung zu beteiligen.
In allen drei Fallstudienstädten wird deutlich, dass sowohl die
Gemeinwohlorientierung als auch die wahrgenommenen Handlungsspielräume in Bezug auf die soziale Wohnraumversorgung
der verschiedenen Anbietertypen sehr unterschiedlich ausgeprägt
sind. So beteiligen sich privatwirtschaftliche sowie genossenschaftliche institutionelle Wohnungsanbieter in geringerem Umfang an der sozialen Wohnraumversorgung, als dies die städtischen Wohnungsunternehmen tun. Gleichzeitig scheint nur
wenig politischer Druck hinsichtlich einer sozialen Öffnung für
unterschiedliche Zielgruppen auf diese Wohnungsanbietertypen
ausgeübt zu werden bzw. ausgeübt werden zu können (IP37,
IP43). Allerdings zeigt sich gerade in der Gruppe der privaten institutionellen Wohnungsanbietenden eine große Heterogenität,
die nicht nur mit der Größe und Bestandsverteilung zu tun hat,
sondern insbesondere auch mit der inneren Struktur (vgl. hierzu
auch weiter unten). So sind gerade familiengeführte mittlere
Unternehmen vielfach durch eine größere Offenheit und Dynamik gekennzeichnet.
In Bezug auf eine stärkere Beteiligung der privatwirtschaftlichen
Wohnungsunternehmen an der sozialen Wohnraumversorgung
werden die Einflussmöglichkeiten der Stadt/des Stadtstaats als
äußerst gering erachtet (IP37, IP43).57 Im Gegenteil, wie das
Hamburger Beispiel verdeutlicht, werden städtische Grundstücke
nicht nur an die SAGA und einige Genossenschaften, sondern
zum Teil auch an privatwirtschaftliche institutionelle Wohnungsanbieter aus dem Ausland verkauft. Durch den Verkauf an letztere wird somit jedoch ganz bewusst Steuerungskompetenz über
Gebietsentwicklung und Wohnbebauung abgegeben.58 Darüber
hinaus dominiert nicht nur seitens der privaten institutionellen
Wohnungsanbieter selbst, sondern auch seitens der öffentlichen
Hand die Position, dass dieser Anbietertyp strukturell renditeorientiert ist und deshalb auch – ‚legitimerweise‘ – unterschiedliche Strategien der Bestandsentwicklung an verschiedenen
Standorten verfolgt (IP30, IP36, IP38, IP41). Darunter fällt auch
die beobachtete Strategie, dass während an weniger lukrativen
Standorten tendenziell nicht modernisierte Wohnungen an ressourcenschwächere Haushalte vermietet werden, Wohnungen in
ähnlichem Zustand an deutlich lukrativeren Standorten modernisiert und gezielt für eine andere (vielfach nicht migrantische)
Klientel aufbereitet werden.
Bei den Genossenschaften lassen sich in allen drei Fallstudienstädten teils sehr lange Wartezeiten bzw. teils ein genereller Aufnahmestopp neuer Mitglieder feststellen (IP31, IP32). Aufgrund
der genossenschaftlichen Regularien und Satzungen sowie der
Verpflichtung gegenüber ihren Mitgliedern sind die Zugangsschwellen oftmals sehr hoch – auch, da das Genossenschaftsmodell in vielen Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten
eher unbekannt ist. Die Aufnahme bedürftiger Gruppen scheint
eher ein Ausnahmefall, als ein Teil des Tagesgeschäfts zu sein
(IP34, IP36, IP37, IP43). Dies ist insofern interessant, denn zumindest in Berlin sind viele Traditionsgenossenschaften in Phasen
starker Zuwanderung und dementsprechend hohen Integrationsbedarfs entstanden. Dementsprechend wurde in einem Interview
im Bereich des Wohnungswesen in Berlin formuliert:
Fallstudien
„Teilweise erlebt man in Berlin, dass Genossenschaften
dann, wenn es um Quartiersentwicklung geht und Bestände nebenan betroffen sind, sich durchaus auch Gedanken machen nicht nur über Mitglieder. Aber dass sie
selbst aktiv sich dieser Bevölkerungsgruppe zuwenden
und sagen du bist bei uns offen willkommen – so eine
Willkommenskultur kann ich aktiv nicht feststellen. […]
Genossenschaften sollten, als damalige Kinder der Not, ein
gewisses Herz haben für heutige Kinder der Not“ (IP36).
Vielfach wird – ähnlich wie in Bezug auf die Strategien der privatwirtschaftlichen, institutionellen Wohnungsunternehmen –
seitens der Verwaltung eher Verständnis für die genossenschaftlichen Anbietenden und ihre Satzungen und die damit begründete, geringere soziale Öffnung aufgebracht, wie das nachfolgende Zitat verdeutlicht (IP37, IP43, IP70):
„Da gehen wir auch mit Wohnungsgesellschaften stringenter
um, als mit Genossenschaften, weil die Genossenschaften
sich ein Leitbild durch das Genossenschaftsrecht geben,
was nicht immer mit der Wohnungsversorgung allgemeiner
Haushalte oder sowas passt. Als Genossenschaft wirken sie
sehr stark ins Quartier und da passt auch nicht jeder da rein,
so muss man das auch mal sagen. […] Ich habe durchaus
auch Verständnis dafür. Es ist eine andere Form des Wohnungsgebers, eine Genossenschaft. Das muss passen“ (IP70).
Allerdings variiert die Belegungspolitik und soziale Ausrichtung
genossenschaftlicher Wohnungsanbieter deutlich. So sind die
genossenschaftlichen Wohnungsanbietenden in Hamburg z. B.
wichtige Bündnispartnerinnen und -partner für die soziale Wohnraumversorgung. Als Beispiel kann hier die Baugenossenschaft
freier Gewerkschafter eG (BGfG) genannt werden, die mittlerweile (wie auch einige andere Genossenschaften) rund 50 Prozent der jährlichen Neuvermietungen für Nicht-Mitglieder öffnet.
Des Weiteren haben sich einige jüngere Genossenschaften zum
Teil ganz bewusst die Versorgung einzelner vulnerabler Gruppen
zum Ziel gesetzt (IP36, IP37) – wobei auch zu konstatieren ist,
dass Erfahrungen genossenschaftlicher ‚Modellfälle‘ im genossenschaftlichen Umfeld scheinbar kaum nachgefragt werden.
Wie die vorangegangen Ausführungen verdeutlichen, besteht
zwischen Wohnungswirtschaft und Politik/Verwaltung Einigkeit
darüber, dass die unterschiedlichen Wohnungsanbietertypen
eine spezifische Ausrichtung und damit auch Daseinsberechtigung haben. Da sie sich je nach Ausrichtung an eine bestimmte
Klientel richten und diese auch versorgen müssen, scheint aus
57
58
Dabei wird vereinzelt versucht, im Rahmen von gezielten Kooperationsvereinbarungen mit institutionellen Wohnungsanbietenden diese
für eine größere Beteiligung und einer stärkere Öffnung gegenüber
bestimmten Personengruppen zu gewinnen.
Bei größeren Bauprojekten in Hamburg geht jedoch mittlerweile die
Qualität des planerischen Konzepts mit deutlicher Mehrheit (70%)
in die Bewertung ein. Der Preis des Vorhabens wird nur noch zu
30% gewichtet, um etwas gezielter Einfluss auf neue Bauvorhaben
nehmen zu können (Correctiv 2019).
vhw 51
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
wohnungswirtschaftlicher Perspektive die unterschiedliche Beteiligung an der sozialen Wohnraumversorgung unumstritten
und zum größten Teil auch akzeptiert zu sein – zum Teil sogar
innerhalb der Zivilgesellschaft (IP29, IP41, IP42, IP66, IP67). In
gewissem Sinne ausgleichend könne es hier wirken, wenn landeseigene/kommunale Grundstücke an Anbietende, die keinen
Beitrag zur sozialen Wohnraumversorgung leisten, zu entsprechend höheren Grundstückspreisen bzw. Auflagen im Bereich
der Erstellung sozialer Infrastruktur verkauft würden (IP35).
Gezielte Steuerung von Neubauaktivitäten unterstützt
die soziale Wohnraumversorgung und schafft neue Belegungsbindungen, stärkt jedoch nicht automatisch den
Zugang zu Wohnraum für Migrantinnen und Migranten.
Neben den Versuchen, die soziale Wohnraumversorgung im Bestand zu sichern bzw. zu stärken, setzen einige Kommunen auf
die gezielte Steuerung von Neubauvorhaben und geben Zielvorgaben für die Anteile geförderten Wohnraums an Neubauvorhaben vor. „Wenn ich eine Durchmischung der Bevölkerung will,
dann muss ich auch unterschiedlichen Wohnraum anbieten. Das
ist die größte Herausforderung“ (IP37). In den drei Fallstudienstädten wird dies unterschiedlich umgesetzt. So wird in Berlin die
soziale Wohnraumversorgung über die gezielte Mischung von
Wohnungsanbietertypen sowohl bei Neuvermietungen im Bestand (siehe Kapitel 6.1, Stadtprofil Berlin) der Landeswohnungsunternehmen (LWU) als auch in Neubauvorhaben gesteuert. In
den neuen Stadtentwicklungsgebieten ist dabei eine Beteiligung
von privaten institutionellen Wohnungsanbieter auf 30 Prozent
der geplanten Wohneinheiten gedeckelt, während die LWU mit
mindestens 50 Prozent vertreten sein muss. Genossenschaften
oder andere nicht-spekulativ agierende/selbstorgansierte Wohnformen sollen mit 20 Prozent der Flächen beteiligt werden. In
Hamburg und Düsseldorf wiederum wird Sozialer Wohnungsbau nicht über die Beteiligung bestimmter Wohnungsanbieter
gesteuert, sondern über festgelegte Quoten am entstehenden
Wohnraum. So müssen in Düsseldorf – unabhängig von den
beteiligten Anbietertypen – insgesamt 40 Prozent der geplanten
Wohneinheiten bei Wohnungsneubauvorhaben59 im öffentlich
geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau realisiert werden (mind. 20% öffentlich geförderter Wohnungsbau und mind.
10 Prozent preisgedämpfter Wohnungsbau) (Stadt Düsseldorf
2016: 93). In Hamburg sieht der sogenannte „Drittelmix“ vor,
dass zu jeweils gleichen Anteilen Eigentum, frei finanzierter und
öffentlicher Wohnungsbau entsteht.
Auch wenn eine Quotierungsregelung zugunsten des Sozialen
Wohnungsbaus insbesondere in Hamburg und Düsseldorf bereits als Errungenschaft wahrgenommen wird – in Düsseldorf
insbesondere vor dem Hintergrund der stark wirtschaftsliberalen
Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte – erscheinen die Richtwerte angesichts der jüngsten Zahlen zur Mietpreisentwicklung
und Einkommenssituation dennoch niedrig. Die vorhandenen
Quotierungen werden demzufolge von einem Großteil der Interviewten aus Zivilgesellschaft und teils auch Verwaltung als nicht
ausreichend deklariert: „Also, es fallen immer noch mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue gebaut werden, das
muss man ganz klar sehen. Die Stadt rühmt sich zwar mit ihren
Initiativen und ihrem Engagement in dem Bereich, aber wenn
man sieht, dass immer noch ein Minus dabei rauskommt, ist das
natürlich einfach nicht ausreichend. Der Drittelmix, den sie da vor
52 vhw
Fallstudien
sich hertragen, geht tatsächlich am Bedarf vorbei. […] Das heißt
gesteigerter Sozialwohnungsbau, also mindestens zu zwei Drittel
und nicht nur zu einem Drittel“ (IP58).
6.2.5 Sozialräumliche Mischung und
social engineering als persistente
Zielsetzungen – Instrumente zur
Umsetzung
Sozialräumliche Mischung als persistentes Leitbild zum Erhalt „stabiler Quartiere“ – auf Kosten des Zugangs und der
Wahlfreiheit von Migrantinnen und Migranten.
Vergleichbar zu den bundesweiten Ausführungen stellt das Leitbild der sozialräumlichen Mischung nach wie vor eine zentrale
Handlungsmaxime dar, die von Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft in allen drei Fallstudienstädten verfolgt wird. Genau dieses Mischungsideal erschwert jedoch, wie die Zusammenschau im Folgenden illustriert, den gleichberechtigten Zugang zu
Wohnraum für Migrantinnen und Migranten. So kritisieren auch
Vertreterinnen und Vertreter aus der Zivilgesellschaft fast durchgehend entsprechende Leitbilder.
In Hamburg wurden aus Sorge vor einer zunehmenden Armutskonzentration in vier Hamburger Stadtteilen (Mümmelmannsberg, Wilhelmsburg, Steilshoop und Neuallermöhe-West) sogenannte Freistellungsgebiete erlassen. In diesen Gebieten werden
Eigentümerinnen und Eigentümer von Belegungsbindungen freigestellt und ihnen somit ermöglicht, Sozialwohnungen auch an
Haushalte zu vermieten, die die jeweiligen Einkommensgrenzen
überschreiten. Insgesamt handelt es sich hierbei um 15.579 von
insgesamt 78.956 (2016) Sozialwohnungen, deren Freistellung
Ende 2015 noch bis Ende 2020 verlängert wurde und die somit
dem Marktsegment des preisgebundenen Wohnraums entzogen werden (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
2016). Konkret für die Gruppe der von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen mit besonderer Dringlichkeit, die über das Amt
mittels Vorschlagrecht vergeben werden („WA-Bindungen“),
werden durch die Freistellungsgebiete rund 7.000 der ca. 35.000
Wohnungen „ausgesetzt“ (IP45). Angesichts der ohnehin nicht
ausreichenden Anzahl an Sozialwohnungen rücken die Freistellungsgebiete zunehmend in die Kritik. In Berlin wurde entsprechend die befristete Freistellung von Belegungsbindungen bereits
nach 2015 nicht verlängert. Mit dem 01.01.2016 setzte die Vermietung einer Wohnung in Objekten ohne Anschlussförderung
den Besitz eines Wohnberechtigungsscheines (WBS) voraus (Abgeordnetenhaus Berlin 2016, 4).
Einschränkungen für Migrantinnen und Migranten, die sich aus
der Leitvorstellung der Mischung ableiten, werden jedoch auch
in Berlin deutlich. Exemplarisch kann diese mittelbare Diskriminierung an einem stadträumlich geschlossenen Siedlungsbestand
des Sozialen Wohnungsbaus aus den 1970er Jahren verdeutlicht
59
Dies gilt für Wohnungsbauvorhaben im Rahmen von Bebauungsplänen mit städtebaulichem Vertrag, bzw. bei vorhabenbezogenen
Bebauungsplänen mit Durchführungsvertrag.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
werden, in dem die Zielsetzung verfolg wurde, zu einer stärkeren
sozialräumlichen Durchmischung beizutragen. In diesem Sinne
sollte der Zuzug ressourcenstärkerer Gruppen, die bisher nicht im
Quartier wohnten, in das Gebiet gefördert werden. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass freiwerdende Wohnungen explizit
nicht umzugsinteressierten, bereits ansässigen (v. a. migrantischen) Bewohnerinnen und Bewohnern innerhalb des Bestandes
angeboten wurden.
Vertreterinnen und Vertreter aus der Zivilgesellschaft kritisieren vorhandene Mischungsleitbilder insbesondere auch vor dem
Hintergrund, dass unter sozialer zumeist implizit auch ethnische
Mischung verstanden werde. Somit scheint sich hinter dem Mischungsdiskurs eine nach wie vor eher defizitorientierte Perspektive auf Migrantinnen und Migranten zu verbergen, die in
den drei Fallstudienstädten auch außerhalb des Diskurses zur
sozialräumlichen Mischung deutlich wird. So wird in Hamburg
der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Sozialmonitoring der Stadt nach wie vor als einer von
mehreren sogenannten „Aufmerksamkeitsindikatoren“ (neben
u. a. SGB II-Empfängerinnen und -empfänger, Arbeitslosenrate
oder Schulentlassene ohne Hauptschulabschluss) zur Identifizierung sozial benachteiligter Quartiere verwendet – was auch von
einigen Interviewten durchaus kritisch bewertet wird.
Eine noch immer eher defizitorientierte Perspektive lässt sich auch
in den beiden anderen Fallstudienstädten, Berlin und Düsseldorf,
erkennen. So stellt in Düsseldorf sozialräumliche Mischung ein
zentrales wohnungspolitisches Leitbild dar, das von Stadt und
Wohnungsamt wie institutionellen Wohnungsanbieter gleichermaßen vertreten wird. „Ziel ist es, ein Belegungsmanagement
durchzuführen, das eben nicht zu überforderten Nachbarschaften führt. Insbesondere durch sozial benachteiligte Haushalte“
(IP70). Begründet wird dieses Ideal – nicht nur in Düsseldorf –
allerdings zumeist mit integrationspolitischen Argumenten. So
wird der Mischungsdiskurs in Düsseldorf von Wohnungswirtschaft und Verwaltung klar und offen mit der Sorge vor einer
sogenannten ‚Ghettoisierung‘ mancher Quartiere begründet.
Sozial wie ethnisch homogene, benachteiligte Nachbarschaften
werden durchweg kritisch gesehen – wobei diese kritische Haltung selbstredend nicht auf weitgehend homogene von wohlhabenden Deutschen bewohnte Quartiere wie Blankenese in Hamburg oder Wannsee in Berlin zutrifft. Gleichzeitig wird jedoch im
Rahmenkonzept „Integrierte Quartiersentwicklung“ der Anteil
ausländischer Personen sowie der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund – im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen –
bewusst nicht als Benachteiligungsmerkmal erhoben bzw. verwendet, „da Düsseldorf als internationale Wirtschaftsmetropole
auch viele hochqualifizierte und besser situierte ausländische
Arbeitskräfte anzieht und beheimatet“ (Stadt Düsseldorf 2018a:
18). Soziale und ethnische Kategorien verschwimmen innerhalb
dieses Diskurses zum Teil also deutlich.
Im Kontext der Integration Geflüchteter verweisen Akteurinnen
und Akteure aus Verwaltung und Wohnungsunternehmen in
allen drei Fallstudienstädten auf die Bedeutung einer dezentralen
Unterbringung von Geflüchteten – und damit einer sozialräumlichen Mischung – als Voraussetzung für deren bessere gesellschaftliche und sprachliche Integration (Senat von Berlin 2018b):
„Letztlich geht es ja darum Quartiere gemischt zu entwickeln.
Wir haben den Ansatz Geflüchtete zu integrieren und nicht aus
Fallstudien
einem Haus ein reines Geflüchtetenhaus zu machen“ (IP31). In
Hamburg gewinnt das Thema sozialräumlicher Mischung gerade
aufgrund der neu entstehenden Unterkünfte für Geflüchtete,
die nach und nach in den regulären Wohnungsmarkt integriert
werden sollen, neuen Auftrieb. Gleichzeitig sprechen sich zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure zum Teil klar gegen
eine explizit defizitorientierte Perspektive auf ethnisch homogene
Quartiere aus: „Alles was gut funktioniert ist gut. Und dann
ist es halt – nicht negativ gemeint – im positivsten Sinne Little
Istanbul, weil man einen kulturellen Hotspot hat, wo der Bazar-Charakter auflebt und man gut durchflanieren kann“ (IP42).
Als positiver Aspekt einer stärkeren Konzentration insbesondere
von Geflüchtetenhaushalten werden auch alltagspragmatische
Gründe genannt, so z. B. die vereinfachte Koordination sozialer
Unterstützungsleistungen durch Haupt- bzw. Ehrenamtliche, wie
das folgende Zitat aus der Wohnungswirtschaft erläutert:
„Gerade am Anfang, als wir die Hochphase der Betreuungstätigkeit hatten, da wollten wir möglichst dezentral
verteilen und kamen aber da teilweise in den Konflikt mit
den Betreuern der Stadt, die gesagt haben: ‚Wenn ihr die
uns über den gesamten Stadtteil verteilt...‘ Da muss man
manchmal auch so eine Balance hinbekommen in einem
Quartier. Nicht unbedingt drei Stück in einem Haus, aber
schon vielleicht in dem Haus, in dem Haus, in dem Haus,
ne. Dass die Betreuer und auch die freiwilligen Helfer kürzere Wege haben“ (IP65).
‚Social engineering‘ als zentrales Schlüsselelement des Belegungsmanagements: Sachbearbeitende als Gatekeeper.
Ähnlich wie in der bundesweiten Erhebung wird auch in den
drei Fallstudienstädten ein gezieltes Belegungsmanagement als
Grundlage erfolgreicher Vermietung angesehen – sowohl aus
Sicht der befragten Wohnungsunternehmen als auch aus Sicht
von Politik und Verwaltung. Hinter dem formulierten Ziel, ‚stabile
und gesunde Quartiere‘ zu erhalten bzw. zu schaffen, versteckt
sich dabei zumeist jedoch das betriebswirtschaftliche Streben
nach einer effizienten Vermietungspraxis (IP47). Ein gezieltes
Belegungsmanagement dient der Konfliktminimierung und senkt
damit gleichzeitig sowohl die Fluktuationsraten (und damit die
Vermietungskosten) als auch den Bedarf an sozialräumlichen
Maßnahmen.
Die Definition der ‚Passfähigkeit‘ wird weitgehend dem Einschätzungsvermögen der jeweiligen Sachbearbeitenden im Vermietungsbereich überlassen. So werden in Interviews in allen
drei Fallstudienstädten die Bedeutung des „Bauchgefühls“ der
Sachbearbeitenden im Vermietungsbereich bzw. deren „Bestandskenntnis“ und „Erfahrung“ als zentrale Voraussetzungen
für eine gezielte Belegungspraxis benannt. „Wenn man eine
Wohnung vermietet, muss man von den 100 Bewerbungen erstmal abschmelzen. Der Prozess des Abschmelzens ist definiert.
Die letzte Entscheidung basiert auf dem Bauchgefühl des Kundenzentrumbetreuers“ (IP35). Konkrete Kriterien der Belegung
werden von einigen Wohnungsunternehmen nicht zentral vorgegeben, sondern dezentral/lokal entschieden, da Teamleitung und
Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Vermietungsbereich
über die besten Orts- und Bestandskenntnisse verfügen. „Eine
vhw 53
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
zentral gesteuerte Vermietungspolicy haben wir nicht. Dafür sind
wir zu groß. […] Deshalb haben wir dezentrale Strukturen. Es
ist die Aufgabe der Teamleiterin, in unserem Geist die richtigen
Vermietungspolicies und Vermietungsstrategien und die richtigen
Zielgruppen herauszufiltern und dort für die richtige Balance in
jedem Quartier zu sorgen“ (IP65). So sind die spezifische lokale
Belegungsstrategie und die Zusammensetzung der eigenen Bestandsstruktur nach Aussage einiger Akteurinnen und Akteure
nicht nur abhängig vom jeweiligen Gebäude, sondern auch vom
spezifischen Quartierstypus. „Es gibt Quartiere, die schon von
jeher von Diversität geprägt sind und damit auch resilienter sind“
(IP47, IP48) und damit weniger Steuerung erfordern.
Eine Bereitschaft, die konkrete Belegungspraxis transparent zu
machen, ist kaum vorhanden – auch nicht bei den kommunalen
bzw. Landeswohnungsunternehmen. Konkrete und allgemeingültige Kriterien der Belegung scheint es zudem nicht zu geben – wobei das Abrücken von festen Quoten, die noch in den
1990er Jahren die Vermietungspraxis bestimmt und den maximal
zulässigen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund pro
Gebäude oder Baublock festlegten, überwiegend betont wird.
Neben den benannten eher objektiven Kriterien, wie der Bonität
der Bewerberinnen und Bewerber sowie der Wohnungsgröße,
scheinen nach wie vor eher subjektive Kriterien, wie die persönliche ‚Passfähigkeit‘ von Neumieterinnen und -mietern in die
jeweilige Struktur eines Gebäudes, für die Einschätzung herangezogen zu werden. Darüber hinaus bestreiten die interviewten
Vertreterinnen und Vertreter institutioneller Wohnungsanbieter
in allen drei Fallstudienstädten, dass die Herkunft potentieller
Mietparteien eine Rolle bei der Vermietungspraxis spiele – obwohl sich deutliche Zuschreibungen in deren Narrativen wiederfinden lassen. „Ethnien, Hautfarbe, religiöse Zugehörigkeit – das
sind ja alles Randbedingungen, die uns nicht zu interessieren
haben“ (IP29). So werden z. B. potentielle Konfliktpotentiale
zwischen verschiedenen nationalen bzw. ethnischen Gruppen
und deren geringe ‚Kompatibilität‘ zumeist sehr offen diskutiert und als Grund für eine gezielte Belegung bzw. Ablehnung
herangezogen. „Also es wird schon darauf geachtet, dass bestimmte ethnische Volksgruppen nicht unbedingt in einem Haus
zusammen sind. Nach meiner Wahrnehmung klappt es nicht so
toll zwischen Nordafrikanern und russischen Menschen. Russischstämmigen Menschen. Und solche Dinge, das ergibt sich halt im
Geschäft, da muss man schon ein bisschen gucken, das weiß
auch jeder. Das wissen wir als Wohnungsvermittlung, wir haben
im Grunde eine Wohnungsvermittlung und das wissen auch die
Wohnungsunternehmen“ (IP70).
Wie bereits angesprochen, wird die Notwendigkeit eines ‚social
engineering‘ und eines individuell gestalteten Vermietungsprozesses zumeist mit dem Ziel ‚stabiler‘ und ‚gesunder‘ Quartiere
und der Überzeugung begründet, dass es bei weniger ‚sensibler‘
und ‚passgenauer‘ Belegung wesentlich mehr Konflikte in den
Beständen geben würde. Schwierige Quartiere, so die Meinung
einiger Akteurinnen und Akteure, würden sich ohne gezieltes
‚social engineering‘ nur selbst reproduzieren (IP39). „Wenn es sich
um ein Quartier handelt, wo jeder hinziehen möchte, wäre ein
automatisierter Entscheidungsprozess durchaus positiv. In Neukölln gibt es aber Bereiche, wo niemand hinziehen möchte und
sich schwierige Quartiere konstant selbst reproduzieren würden,
weil nur bestimmte Bevölkerungsgruppen nachfragen“ (IP39).
54 vhw
Fallstudien
Konträr zu dem vertretenen Mischungsideal steht, dass, gefragt
nach konkreten Beispielen, die befragten Vertreterinnen und
Vertreter der Wohnungswirtschaft weder in der bundesweiten
Befragung noch in den drei Fallstudienstädten über ein erhöhtes
Konfliktpotential in Gebieten mit einem hohen Anteil Geflüchteter berichten (IP29, IP35, IP51, IP52, IP53, IP65, IP76, FK3). Vor
diesem Hintergrund stellen die Zielvorstellung der sozialen wie
auch ethnischen Mischung sowie starke Vergaberegulierungen
das Sicherstellen gleicher Zugangschancen von Personen mit
und ohne Migrationshintergrund deutlich in Frage. So scheint
es weniger um die Größe der Einrichtung bzw. des Anteils an
Geflüchteten oder allgemein Zugewanderten in einem konkreten Gebiet zu gehen, sondern primär darum, wie durch soziale
Infrastruktur den dort entstehenden Bedarfen entsprochen wird.
Auch an dieser Stelle ist das Berliner Programm „BENN“ ein
hilfreicher Ansatz. Ziel des Integrationsmanagements ist es, die
Nachbarschaft im Umfeld von großen Flüchtlingsunterkünften
zu stärken und Berührungsängste zwischen Anwohnenden und
Geflüchteten abzubauen.
6.2.6 Instrumente, Strukturen und
Barrieren in Vergabeprozessen
Die Digitalisierung des Vergabeprozesses steckt noch in
den Kinderschuhen.
Rein computergestützte Verfahren, die somit nicht die lokalen
wie individuellen Spezifika von Wohnungskontext sowie Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigen, sind für die meisten der
interviewten Akteurinnen und Akteure undenkbar. Am Beispiel
einzelner Unternehmen zeigt sich jedoch – ähnlich wie bereits
im vorherigen Kapitel andiskutiert – erstes Interesse an einer
stärkeren Digitalisierung des Vermietungsprozesses, auch, um
bei steigenden Bewerberinnen und Bewerberzahlen weiterhin
wettbewerbsfähig zu bleiben (IP48). In Berlin ist hier unter den
städtischen Wohnungsunternehmen die HOWOGE Vorreiterin im
Prozess, die ein internes Pilotprojekt zu einer weitgehend digital
priorisierenden Vergabepraxis in einem ihrer Großsiedlungsbestände durchführt.
Über erste Überlegungen zur Digitalisierung hinaus geht das
Beispiel der Wohnungsgenossenschaft Düsseldorf-Ost eG (WOGEDO), die bereits im Jahr 2016 einen Kriterienkatalog mit insgesamt sechs unterschiedlich gewichteten Indikatoren entwickelt
hat, anhand dessen die Vermietungsentscheidung getroffen wird.
Die Entscheidung zu dieser Richtungsänderung basiert auf der
eigenen Kritik an der bisherigen Vergabepraxis, die nach genossenschaftlichen Prinzipien nahezu ausschließlich die Länge der
Mitgliedschaft berücksichtigte, sowie der selbstkritischen Ablehnung eines eher subjektiven Auswahlverfahrens. Klare Kriterien
und die Transparenz des Vergabeprozesses werden mittlerweile
als deutliche Vorteile gesehen, da sie den Vergabeprozess für
die jeweiligen Sachbearbeitenden im Vermietungsbereich deutlich erleichtern und Entscheidungen nachvollziehbarer und damit
weniger angreifbar machen. Dies erscheint insbesondere vor dem
Hintergrund einiger Hinweise verständlich, die auf eine zunehmend angespannte und teils aggressive Stimmung im Vermietungsprozess verweisen. Auf diese wird in einigen Fällen, wie das
folgende Zitat deutlich macht, auch unternehmensseitig reagiert:
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
„Also in allen Kundencentern […] sind mehrere Mitarbeiter
immer im Büro, da wird es auch die Situation geben, dass
da ein Mitarbeiter alleine ist. […] Dort ist es so, dass wir
an einer zentralen Stelle am Eingang einen Knopf haben,
und wir achten auch darauf, dass bei den Neugestaltungen unserer Räumlichkeiten, dass wir möglichst Glastüren
einsetzen, dass wir Sichtachsen haben falls es mal zu einer
Eskalationssituation kommt, was bislang glücklicherweise
in den Büros sehr, sehr wenig vorgekommen ist. Aber es
ist nicht so, dass es noch nicht vorgekommen ist“ (IP65).
Diskriminierung im Mietverhältnis ist eng verknüpft mit
mangelnden/fehlenden Sprachkenntnissen.
Fehlende Sprachkenntnisse schränken die Zugangschancen von
Migrantinnen und Migranten zum Wohnungsmarkt deutlich ein
– nicht nur bei privatwirtschaftlichen institutionellen Wohnungsanbieter, sondern auch bei genossenschaftlichen sowie den
städtischen Wohnungsunternehmen. Kenntnisse der deutschen
Sprache werden teils sogar als Ausgangsvoraussetzung für die
Vermietung benannt, hier zeigt sich eine Form mittelbarer Diskriminierung. Hintergrund bei entsprechenden unternehmerischen
Entscheidungen sind wie bereits erwähnt Fragen der Effizienz.
So kommt im Falle von KundInnen ohne deutsche oder englische
Sprachkenntnisse ein deutlich erschwerter und langwierigerer
Vermietungsprozess auf die Unternehmen zu. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure mahnen an, dass auch Menschen,
die zumindest gebrochenes Deutsch sprechen, zum Teil schnell
und leichtfertig mit dem Hinweis auf benötigte dolmetschende
Begleitung weggeschickt werden:
„Da schicken wir die Klienten natürlich auch hin, die haben, aber die kommen wieder und sagen: ‚Das hat gar keinen Sinn. Das hat wirklich keinen Sinn und das wird nicht
viel bringen.‘ Weil die Wohnungsunternehmen auch interkulturell, sag ich mal, gar nicht so geöffnet sind. Jemand,
der so ein bisschen gebrochen spricht, also wir könnten ja
mit denen super kommunizieren, weil man sich ja die Zeit
nimmt. Nur wenn man es direkt gar nicht will, da kommt
schnell ‚Nee, tut uns leid, bringen Sie mal nächstes Mal
einen Dolmetscher mit‘“ (IP72).
Größere Zugangsbarrieren aufgrund eines langwierigeren Vermietungsprozesses entstehen jedoch nicht nur aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, sondern scheinbar auch im Falle des
Bezugs von Sozialleistungen, wie das folgende Zitat einer Teamleitung eines privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmens
verdeutlicht:
„Wenn ich Vermieter wäre und ich sehe, ich habe die Auswahl zwischen einer, ich sag jetzt mal, Normal-Abvermietung könnte ich mir manchmal auch vorstellen, dass es der
Einfachheit halber geschuldet ist, dass man eben den einfacheren Weg geht als den etwas komplizierteren. Komplizierter dahingehend, weil ich erstmal das Wohnungsangebot
aussprechen muss, damit die Interessentin beim Wohnungsamt sich die Zusage für die Miete holen kann. Und wenn die
Fallstudien
Interessentin oder der Interessent eben nicht ganz so gut
strukturiert ist, sag ich mal vorsichtig, und man eben nicht
den guten Kontakt oder nicht die gute Kommunikation hat,
dann weiß man nicht, ‚Geht sie wirklich dahin oder geht er
da hin? Kümmert er sich jetzt darum?‘ Das heißt, ich kann
nicht sofort den Mietvertrag abschließen“ (IP64).
Personen mit Migrationshintergrund, die Sozialleistungen beziehen, sind, wie das Beispiel illustriert, dementsprechend von
Mehrfachdiskriminierung betroffen.
Neben der Sprachfähigkeit wird der Zugang zu Wohnraum teils auch anhand des ‚Integrationsgrads‘ sowie der
sogenannten ‚Wohnfähigkeit‘ der Bewerberinnen und Bewerber gemessen – und stellt ein zusätzliches Auswahlkriterium und damit eine zusätzliche Hürde insbesondere
für Geflüchtete dar.
Für die Vergabe an besonders vulnerable Gruppen, darunter Geflüchtete, scheinen zum Teil zusätzlichen Kriterien im Rahmen
des Auswahlprozesses zum Tragen zu kommen. So werden neben der Sprachfähigkeit, der ‚Integrationsgrad‘ der Betroffenen
sowie deren ‚Wohnfähigkeit‘ beurteilt. In diesem Kontext wird
in Berlin und Hamburg der sogenannte „Wohnführerschein“
kontrovers diskutiert, der eine deutliche Defizitperspektive der
Wohnungsanbieter auf migrantische Mieterinnen und Mieter
erkennen lässt. Deutliche Kritik wird dabei von Antidiskriminierungsbüros geübt. Neben datenschutzrechtlichen Bedenken
stelle ein solches Instrument eine Ungleichbehandlung dar, da ein
solcher Führerschein sich nur an eine bestimmte Personengruppe
und nicht an alle Mietparteien gleichermaßen richte. „Wenn es
wirklich einen Führerschein gibt, dann müsste er für alle gelten.
Wenn Mieten gekonnt werden muss, dann müssen wir es alle
können. Und dann erst kann ich mir angucken, ob neu Zugewanderte andere Informationen und andere Kurse brauchen“
(IP54). Auch wenn der „Wohnführerschein“ freiwillig und damit
nicht verbindlich ist, wird er Geflüchteten jedoch nahegelegt,
um ihre Zugangschancen zum Wohnungsmarkt zu erhöhen.
Dieser führe, so die Kritik aus der Zivilgesellschaft, jedoch eher
zu einer Verschärfung der Zugangschancen für die ohnehin vulnerable Gruppe der Geflüchteten: „Der Kurs bringt nur dann
was, wenn du ein Zertifikat bekommst, mit dem du dich im Bewerbungsprozess besserstellen kannst. Und dieses Besserstellen
ist ein Problem“ (IP35). Kritisch ist darüber hinaus, dass weder in
Berlin noch in Hamburg offizielle Definitionen bzw. einheitliche
Standards zur Erhebung und Beurteilung der ‚Wohnfähigkeit‘
existieren, auf denen ein Führerschein fußen könnte. So vermuten zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, dass mit
einem solchen ‚Zertifikat‘ eher den Bedarfen und dem Wunsch
nach ‚Sicherheit‘ der Wohnungswirtschaft nachgekommen wird,
als Geflüchteten damit einen diskriminierungsfreien Zugang zu
Wohnraum zu ermöglichen.
Den Wohnführerschein als (freiwilliges oder verpflichtendes) Element der Wohnraumvergabe gibt es in Düsseldorf nicht. Gleichwohl wird auch hier die sogenannte ‚Wohn- bzw. Mietfähigkeit‘
einzelner Gruppen seitens der Wohnungswirtschaft diskutiert
und zum Teil deutlich in Frage gestellt. „Dann haben wir Verträge
mit den Städten gemacht und haben gesagt ‚wir haben mit euch
eine Vereinbarung‘. Wenn die Wohnfähigkeit gegeben ist – was
vhw 55
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
bei den Flüchtlingsströmen immer sehr unterschiedlich war –
wenn die Wohnfähigkeit gegeben ist, dann können wir jeden
einzelnen Vertrag, den wir mit der Stadt abgeschlossen haben,
auch in einen Vertrag mit dem Flüchtling bzw. dem Asylsuchenden abschließen“ (IP65). Dabei bezieht sich die Diskussion jedoch
nicht ausschließlich auf die Gruppe der Geflüchteten, sondern
wird auch im Zusammenhang mit der Wohnraumversorgung
Obdachloser thematisiert. Im Rahmen der (nicht verbindlichen)
Kooperationen zur sozialen Wohnraumversorgung zwischen dem
Amt für Wohnungswesen der Stadt Düsseldorf und einzelnen
Wohnungsunternehmen scheint die ‚Mietfähigkeit‘ das zentrale
Kriterium für den Abschluss eines offiziellen Mietvertrags zu sein –
in diesem Fall wird die ‚Sicherheit‘ der Vermietung also nicht
durch ein Zertifikat, sondern durch die Kooperation und damit
die Übernahme jeglicher ‚Risiken‘ seitens der Stadt garantiert.
Neben der vehementen Kritik am Diskurs zur ‚Wohnfähigkeit‘
von Migrantinnen und Migranten bzw. explizit von Geflüchteten
gibt es jedoch auch in der Zivilgesellschaft einige Akteurinnen
und Akteure, die einem offiziellen Zertifikat wie dem „Wohnführerschein“ zumindest einige positive Aspekte zusprechen. So
könne dieses zum einem den vorhandenen Vorbehalten gegenüber der ‚Mietfähigkeit‘ einiger Gruppen seitens der Wohnungswirtschaft entgegenwirken. Des Weiteren verweisen einige Akteurinnen und Akteure auf die sozialarbeiterische Komponente
eines solchen Führerscheins, der die Möglichkeit eröffnet, Geflüchteten gezielt über den konkreten Wohnführerschein hinaus
zentrale Ankommens- bzw. Willkommensthemen zu vermitteln
(IP35, IP42, IP47).
6.3 Unternehmensinterne
Strukturen
Im Zuge der Wohnungsmarktentwicklungen stehen institutionelle Wohnungsanbieter bundesweit vor der Herausforderung,
deutlich divergierende Anforderungen von Politik, Kapitalgeberinnen und -gebern, Zivilgesellschaft und Mieterinnen und
Mietern miteinander vereinbaren zu müssen. Insbesondere jene
befragten privaten Wohnungsunternehmen, die primär als Wirtschaftsbetriebe agieren und damit Wohnen als Wirtschaftsgut
verstehen, sehen sich zunehmend mit neuen Ansprüchen und Erwartungshaltungen zur Versorgung ressourcenschwacher Mietsuchender konfrontiert.
Maßnahmen zur konkreten praktischen Umsetzung eines
Diversitätsmanagements bleiben vereinzelt und folgen zumeist keinem stringenten Verständnis bzw. keiner übergeordneten Strategie.
Vor dem Hintergrund der neuen Zuwanderung, der zunehmend
angespannten Wohnungsmärkte sowie des massiven Mangels an
bezahlbarem, gefördertem und belegungsgebundenem Wohnraum sehen sich institutionelle Wohnungsanbietende dazu angehalten, auch soziale und integrationspolitische Aufgaben in
ihrem täglichen Vermietungsgeschäft zu berücksichtigen. Die
kulturelle Diversität der Beschäftigten, die Übersetzung von Dokumenten und Informationsmaterialien oder interkulturelle Schulungen sind nur einige Aspekte, die auf die Frage nach einem
56 vhw
Fallstudien
gezielten Diversitätsmanagement benannt wurden. Zudem sind
Wohnungsunternehmen häufig stärker in Arbeitskreise und Gremien der Kommunen bzw. Bezirke – auch zu sozialen Themen
– eingebunden, stellen sich breiter hinsichtlich ihrer Diskussionskompetenz vor allem in Bezug auf soziale und gesellschaftliche
Themen auf und weisen häufig ein diverseres Aufgabenspektrum auf, z. B. Mietschuldnerberatung, Sozialmanagement etc.
(IP31, IP43, IP61, IP62, IP64). Auch die Themen auf der Agenda
wohnungswirtschaftlicher Verbände haben sich erweitert. So veröffentlichen einige eigene Positionspapiere zu sozialen Themen,
richten spezielle Arbeitskreise ein und/oder bieten diesbezügliche
Fortbildungen an (IP43, IP61). Diese Maßnahmen folgen jedoch
eher selten einer ganzheitlichen Strategie.
6.3.1 Personalentwicklung
Das Diversitätsmanagement der Wohnungsanbietenden
beginnt bei der diversitätsorientierten Personalentwicklung – Diversität im Kontext von Herkunft wird in allen
drei Anbietertypen jedoch nicht als unternehmensinterne
Zielsetzung formuliert.
Die Leitungsebenen der allermeisten Unternehmen sind überwiegend mit herkunftsdeutschem Personal besetzt. Ähnlich sieht
dies auf Ebene der Angestellten aus. Einige Wohnungsanbieter stellen jedoch gezielt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
Migrationshintergrund ein, um der steigenden Diversität der
Kundschaft gerecht zu werden und sich somit serviceorientierter
aufzustellen. „Also eigentlich war das nicht unbedingt so geplant, aber es hat sich so indirekt ergeben dadurch, dass wir so
überlegt haben ‚Wie können wir uns möglichst kundenorientiert,
serviceorientiert aufstellen?‘ Wir haben relativ gezielt aus einem
Hotel zwei Kräfte abgeworben. Die kommen gar nicht aus der
Wohnungsbranche, sondern aus der Hotelbranche, sprich die
können Englisch, was natürlich auch sehr viel hilft, insbesondere
bei Geflüchteten, wo die Sprachbarriere meist hoch ist. Das war
jetzt aber gar nicht so gezielt mit dem Hintergrund ‚Diversitymanagement‘ geplant“ (IP67). Während einige Unternehmen eine
bevorzugte Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund
ganz bewusst mit dem Argument ablehnen, Qualifikation müsse
das Hauptkriterium für eine Personalauswahl bleiben, verweisen
andere auf die Schwierigkeit, qualifiziertes Personal mit Migrationshintergrund zu rekrutieren (IP29, IP30, IP42). Gleichzeitig
steigt in der Nachwuchsgeneration der Anteil migrantischer Bewerberinnen und Bewerber, was insbesondere bei Unternehmen,
die ausbilden, zu sich langsam verändernden Strukturen führt
(IP35, IP76).
Parallel dazu plädieren zivilgesellschaftliche Akteurinnen und
Akteure für eine Vielfalt in der Personalstruktur, um Diskriminierung wirksamer vorbeugen zu können. „Man muss selber divers
sein, um Diversität zu gestalten“ (IP 35, IP37, IP38). Dafür spricht
auch die Aussage der Vertreterin einer Initiative, die Geflüchtete
unterstützt: „Wenn ich weiß, dass auch Nicht-herkunftsdeutsche
am Entscheidungsprozess beteiligt waren, befürchte ich weniger Diskriminierung“ (IP38). Auch wenn Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit Migrationshintergrund nicht per se über interkulturelle Kompetenzen verfügen, scheint die Zusammenarbeit
von Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund, wie
das folgende Zitat eines Befragten aus der Wohnungswirtschaft
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Fallstudien
verdeutlicht, förderlich zu sein für eine reflektierte Haltung bzw.
offenere Gesprächskultur.
von Mieterräten aus Unsicherheit im Umgang mit bestimmten
Gruppen sowie von Beschäftigten aus der Zivilgesellschaft benannt wird (IP36, IP42).
„Natürlich ist es so, dass wir bei uns im Haus schon eine
Besonderheit haben, die auch nicht alltäglich ist in der
Wohnungswirtschaft [Personal auf der Leitungsebene
hat Migrationshintergrund; Anmerkung der AutorInnen].
Das ist natürlich schon etwas, was wir versuchen auch in
unsere Mannschaft hinein zu transportieren. Ich glaube
aufgrund der Konstellation nicht, dass – auch wenn es bei
unseren hundert Vermietern mit Sicherheit auch einige
gibt, die Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund haben – dass man das [Vorurteile gegenüber
Menschen mit Migrationshintergrund; Anmerkung der
AutorInnen] bei uns im Haus offen aussprechen könnte“
(IP65).
Nicht immer stößt der geäußerte Bedarf an entsprechenden Angeboten jedoch auf die Unterstützungs- und Umsetzungsbereitschaft seitens der Unternehmensführung: „Ich tue mich selber
ein bisschen schwer damit, weil die Kulturen so unterschiedlich
sind. Nee, da würde ich mich echt schwertun“ (IP65). Darüber
hinaus zeigte eine Analyse zugänglicher Weiterbildungsangebote
von wohnungswirtschaftlichen Verbänden oder von ihnen beauftragten Agenturen zu interkultureller Kompetenz inhaltliche
Ansätze, die eher Stereotypen und Zuschreibungen reproduzieren. So titelt eine Weiterbildung des Hamburger Forschungsinstituts F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien
und Umwelt „Umgang mit orientalischen Mietern“ (F und B
2019) – begleitet von einem Bild einer verschleierten Frau. Es lässt
sich kaum nachvollziehen, ob Dozentinnen und Dozenten für
wohnungswirtschaftliche Seminare über einschlägige Referenzen
im Bereich Diversitätsmanagement, Interkulturelle Öffnung oder
Anti-Diskriminierung verfügen. Es ist damit auch unklar, bis zu
welchem Grad wichtige interkulturelle Kompetenzen, die das
Hinterfragen und Aufdecken der eigenen Stereotypen beinhalten, vermittelt werden.
Wie sensibel das Thema bzw. wie wenig ausgeprägt die Gesprächskultur in diesem Punkt ist, wird auch an einem Beispiel
aus einem privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen deutlich: Aus Sorge, ihr könnte positive Diskriminierung gegenüber
Migrantinnen und Migranten vorgeworfen werden, hat eine
Sachbeabeiterin mit Migrationshintergrund in der Vermietungsabteilung Menschen mit Migrationshintergrund bewusst zum Teil
bei der Vermietung benachteiligt. Erst als sie aufgrund der auffällig niedrigen Vermietung an Menschen mit Migrationshintergrund von der Geschäftsführung angesprochen wurde, konnte
ihr diese Sorge genommen werden (IP64).
Neben dem wenig offensiven Bemühen, Diversität in der Belegschaft zu fördern, scheint eine weitere Ursache für den geringen Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund damit
zusammenzuhängen, dass Berufsbilder der Wohnungswirtschaft
in Familien mit Migrationshintergrund wenig Ansehen genießen
– wie auch bereits in der deutschlandweiten Analyse zum Ausdruck kam. Um den Einstieg in die Wohnungswirtschaft für einige
Gruppen zu erleichtern und damit den Anteil der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gezielt zu erhöhen,
schlagen einige Interviewte deshalb vor, dass Wohnungsunternehmen unterstützende Vorbereitungskurse bei Sprachbarrieren
von Auszubildenden anbieten sollten (IP34, IP35, IP37).
Neben der Förderung von Diversität im Kontext von Herkunft
innerhalb des eigenen Personals setzen einige institutionelle
Wohnungsanbieter auch auf interkulturelle Schulungen und
Trainings der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IP67).
Dies umfasst die Sensibilisierung für kulturelle Stereotype und
Zuschreibungen, die den Kundenkontakt erleichtern und Konflikte minimieren sollen, wie auch das Thema ‚vorurteilsfreie Vermietung‘, das explizit auf die Beschäftigten am Kundenschalter
ausgerichtet ist (IP29, IP35). Dabei wird deutlich, dass Angebote
eines Diversitätstrainings bzw. interkulturelle Schulungen zum
Thema Chancengleichheit – und damit eine generelle Sensibilisierung – von einigen Unternehmensleitungen angestoßen werden
(IP37, IP41). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – insbesondere
Sachbearbeitende in der Vermietung – äußern den weiteren
Bedarf nach solchen Trainings zur Unterstützung ihrer Arbeit
(IP63, IP64). Interessanterweise zeigt sich in einigen Interviews,
dass der Wunsch nach interkulturellen Schulungen auch explizit
6.3.2 Kommunikationsstrukturen
Mehrsprachige Informationen nach innen und außen fördern die Zugangschancen von Personen mit fehlenden/
mangelnden Sprachkenntnissen – werden jedoch nicht immer stringent verfolgt.
Es ist es das explizite Anliegen einiger befragter Unternehmen,
in verschiedenen Sprachen mit ihren Mieterinnen und Mietern
oder Interessierten zu kommunizieren. Exemplarisch kann hier
eine Genossenschaft benannt werden, die ihre Sprechstunden in
einem Quartier, in dem 99 Prozent türkeistämmige Mieterinnen
und Mieter leben, auf Deutsch und Türkisch anbietet (IP31, IP44,
IP67). Bei Bedarf suchen auch einige andere Wohnungsunternehmen punktuell die Unterstützung von dolmetschenden Fachkräften bzw. lokalen Sprachmittlerinnen und -mittlern (IP29, IP30,
IP34, IP39) bzw. bieten Informationsmaterialien in verschiedenen
Sprachen an (IP44, IP64, IP66). Ein großes privates Wohnungsunternehmen hat auch eine arabischsprachige Hotline eingerichtet,
an die sich arabischsprachige Mieterinnen und Mieter wenden
können. Dort werden ihre Anliegen aufgenommen, um sie dann
gezielt an die lokal zuständigen Ansprechpersonen weiterzuleiten, die diese dann vor Ort, ggfs. mit Unterstützung durch
Sprachmittlerinnen und -mittler, weiterbearbeiten. So kann sichergestellt werden, dass die Anliegen trotz Sprachbarrieren
korrekt verstanden werden und auf lokaler Ebene zielgerichtet
bearbeitet werden können (IP36).
Andere Unternehmen setzen wiederum auf Kommunikation allein in der deutschen Sprache:
„Ich hab mich immer gewehrt dagegen, dass man alles
übersetzt hat, weil ich gesagt hab: ‚Wir machen es uns
zu einfach, wir leben hier in Deutschland und die Amtsvhw 57
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
sprache ist deutsch.‘ Insofern erwarte ich von jedem, dass
er sich anstrengt, dass er auf der Sprache mit uns kommunizierten kann […]. Mit Geflüchteten, ja okay, da ist es
natürlich so, dass wir natürlich dann Plakate machen, mit
Bildern arbeiten oder so. Aber ich tu mich da schwer auf
Dauer immer alles in 10, 15 Sprachen rumzuschicken. Für
plakative Kommunikation ja, aber auf lange Sicht sollten
wir eben schon ein Zeichen geben: ‚Ihr müsst unbedingt
Deutsch lernen‘“ (IP65).
Zu beobachten ist, dass mehrsprachige Informationen insbesondere dann vorliegen, wenn sprachliche Verständnisschwierigkeiten von Informationen finanzielle Folgekosten für das
Unternehmen nach sich ziehen könnten, wie z. B. aufgrund des
Nicht-Verstehens von Hausordnungen oder Funktionen der Wohnungsnutzung bzw. in Sprechstunden aufgrund der dadurch
verlängerten Gesprächsdauer (IP36). Bei Formularen zur Mängelmeldung z. B. wird weiterhin auf Deutsch als Amtssprache
verwiesen. Auch hinsichtlich mehrsprachiger Angebote auf der
Ebene der Mietverträge bestehen überall große Widerstände.
Bei der Bewerbung von Wohnungsangeboten verfolgen die
befragten Wohnungsanbieter überwiegend einen ‚Neutralitätsanspruch‘ und bewerben auf den üblichen Plattformen in
deutscher Sprache. Einzelne Wohnungsunternehmen scheinen
darüber hinaus Wohnungen auch abseits der üblichen Plattformen, z. B. über Facebook oder Instagram zu bewerben, um
ihr Zielgruppenspektrum zu erweitern und dabei gezielt eine
internationalere Klientel anzusprechen. Dies wird auch als ein
Ermöglichen von „Chancengleichheit beim Zugang“ (IP33) zu
Wohnraum dargestellt. Trotz dieses Neutralitätsanspruchs ergeben sich insbesondere für Menschen mit mangelnden/fehlenden
Sprachkenntnissen oftmals Nachteile bzw. erschwerte Zugänge,
wie das Zitat einer Sachbearbeiterin eines genossenschaftlichen
Wohnungsunternehmens deutlich macht: „Ja, wenn ich nur ein
Mitglied habe und zehn Nicht-Mitglieder und neun Nicht-Mitglieder haben eine super E-Mail geschrieben. Der eine, der ganz
gebrochen Deutsch spricht, den ich am Telefon nicht verstehen
konnte, der liegt automatisch unten. Die Chancen für den sind
definitiv schlechter, ohne das abwertend zu meinen“ (IP69).
Fallstudien
versorgen. Breite Bevölkerungsschichten meint natürlich auch die
Wohnungsbewerber, die sich an dem normalen Wohnungsmarkt
bzw. bei freien Anbietern nicht so erfolgreich bewerben können“ (IP66). Jedoch lassen sich durchaus Unterschiede zwischen
den Fallstudienstädten erkennen. Während die neue Zuwanderung sowie die an die Wohnungsunternehmen herangetragenen
neuen Ansprüche in Berlin zu einem veränderten Selbstverständnis der LWU geführt haben, scheinen sie in Düsseldorf und Hamburg über die Beteiligung an der Wohnraumversorgung Geflüchteter hinaus keine sichtbaren strukturellen Veränderungen in den
Abläufen des Unternehmens ausgelöst zu haben.
In Hamburg bildet sich dies auch im Umgang mit einer Diskriminierungsklage ab. Hier wurde im Jahr 2014 von einer türkeistämmigen Mietpartei eine Klage gegen die SAGA eingereicht.
Ein eigenes durchgeführtes informelles ‚Testing‘ der Klagenden
konnte die erfahrene Benachteiligung klar dokumentieren. Mit
Unterstützung der zuständigen Beratungsstelle wurde der Fall
erfolgreich vor Gericht gebracht und den Klagenden nach mehreren Jahren Recht zugesprochen. Das Urteil stieß bundesweit auf
großes Interesse. Nach dem erfolgreichen Gerichtsverfahren erfolgten seitens zivilgesellschaftlicher Vertreterinnen und Vertreter
Nachfragen an die SAGA zu eingeleiteten unternehmensinternen
Weichenstellungen. Auf die Forderung nach mehr Transparenz
wurde jedoch seitens der SAGA nicht reagiert. Verschiedene
zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter machen entsprechend deutlich, dass auch nach dem Gerichtsverfahren nicht
von substanziellen Veränderungen interner Strukturen und Routinen der Wohnungsvergabe ausgegangen werden könne: „die
hatten überhaupt nicht das Gefühl, dass sie sowas ernst nehmen
müssen […] damit wird eben nicht transparent umgegangen. Es
hat nie jemand das Gespräch gesucht, wir haben das eingefordert“ (IP54).
Die städtischen Wohnungsunternehmen verstehen sich
als zentrale Akteurinnen und Akteure der sozialen Wohnraumversorgung. Die Entwicklung diversitätsorientierter
Leitbilder sowie einer nach innen und außen wirkenden
Unternehmenskultur ist jedoch nicht überall gleichermaßen vertreten.
Die sechs LWU in Berlin positionieren sich hingegen klar als „Botschafter der Stadt“ (IP35). Sie haben alle die Charta der Vielfalt
unterzeichnet und weisen auch darüber hinaus verschiedene
öffentliche Selbstverpflichtungen auf, die ihr Selbstverständnis
als zentrale Akteurinnen und Akteure der sozialen Wohnraumversorgung sowie ihre integrationspolitischen Anliegen deutlich
machen, wie das Zitat auf der GESOBAU-Website verdeutlicht:
„Als landeseigenes Wohnungsunternehmen bieten wir allen
Berlinerinnen und Berlinern unabhängig von Herkunft und Einkommen ein Zuhause und fördern mit unserer Arbeit lebendige Quartiere und gute Nachbarschaften. Bereits 2006 haben
wir unsere integrationspolitischen Grundsätze verabschiedet,
ein klares Bekenntnis zu Integration und gegen Diskriminierung
auf dem Wohnungsmarkt“ (GESOBAU o.J.). Die GESOBAU hat
weiter im August 2019 als „freiwillige Serviceleistung“ die erste
Diskriminierungsbeauftragte in der Wohnungswirtschaft berufen
(GESOBAU 2019). Darüber hinaus sind der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, der auch die städtischen
Unternehmen vertritt, sowie die GESOBAU AG Mitglieder des
Fachbeirats von FMFW.
Insbesondere im Zuge der Unterbringung von Geflüchteten sehen sich die städtischen Wohnungsunternehmen als maßgeblich
Verantwortliche: „Die Stadt hat da eine Verpflichtung mit der
Unterbringung [von Geflüchteten] und da haben wir natürlich
versucht an erster Stelle zu helfen. […] Unser Unternehmensgrundsatz ist ja, breite Bevölkerungsschichten mit Wohnraum zu
Dem an sie herangetragenen Anspruch nicht nur als Wirtschafts-,
sondern auch als Unternehmen mit einem klaren sozialen Auftrag zu agieren, versuchen die Landeswohnungsunternehmen
in Berlin somit in zunehmendem Maße zu entsprechen (IP35,
IP43). Wünschenswerte Testings, um die eigene zunehmend diversitätsorientierte Politik zu überprüfen, werden jedoch in noch
6.3.3 Unternehmenskultur und Leitbildentwicklung unterschiedlicher
institutioneller Anbietender
58 vhw
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
keinem der Unternehmen durchgeführt. In einem der befragten
Unternehmen wurde ein Verhaltenskodex eingeführt, der klare
Regeln und Grundsätze definiert, die den Rahmen des unternehmerischen und gesellschaftlichen Handelns des Konzerns bilden.
Dieser bezieht sich jedoch primär auf den Umgang mit Beschäftigten und externen Partnerinnen und Partnern – nicht aber auf
den mit den eigenen Mieterinnen und Mietern. Wörtlich heißt
es darin: „Der Verhaltenskodex ist die Basis für weitere interne
Regelungen, die alle wägbaren Umstände berücksichtigen. Er
erstreckt sich auf dienstliche Belange im Konzern und auf sämtliche Bereiche, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als
dessen Repräsentanten wahrgenommen werden” (STADT und
LAND GmbH o.J.).
Einen wichtigen Meilenstein in der sozialen Neuausrichtung der
städtischen Wohnungsunternehmen bildet das Berliner Wohnraumversorgungsgesetz Berlin (WoVG Bln 2015), das das „Gesetz zur sozialen Ausrichtung und Stärkung der landeseignen
Wohnungsunternehmen für eine langfristig gesicherte Wohnraumversorgung“ (WUAusrStärkG BE 2015) in Kraft setzte. Damit wurden neue Regelungen für den Wohnungsmarkt- und
Versorgungsauftrag der landeseigenen Wohnungsunternehmen
geschaffen und die durch den Mietenvolksentscheid beförderte
Etablierung der „Wohnraumversorgung Berlin – Anstalt öffentlichen Rechts“ (WVB – AöR) beschlossen. Die Aufgabe der WVB
ist es, die Unternehmen dabei zu unterstützen, Leitlinien für die
Umsetzung des oben genannten Versorgungsauftrags der Landeswohnungsunternehmen zu entwickeln und fortzuschreiben.
Mit der im April 2017 geschlossen Kooperationsvereinbarung
„Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“ (KoopV 2017) wurde die Einführung eines Monitoringsystems zur Einhaltung der Regelungen der Kooperationsvereinbarung durch die WVB in Form einer jährlichen Berichterstattung
festgehalten (WVB AöR 2018: 8).
Bei privaten und genossenschaftlichen Wohnungsanbieter
ist eine aktive Auseinandersetzung mit einem diversitätsorientierten Leitbild in allen drei Fallstudienstädten sehr
inkonsistent. Die Unternehmensführung kann aber einen
wichtigen Impulsgeber darstellen.
Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure kritisieren, dass
das Engagement der meisten institutionellen Wohnungsanbieter
eher im Sinne von einzelnen „Leuchtturmprojekten“ erfolge,
„womit man sich nach außen darstellen kann. Es ist weniger
dieses nach innen gerichtete ‚wir überprüfen unsere Strukturen,
wir überprüfen unsere MitarbeiterInnenschaft, unseren Service,
unser Beschwerdemanagement‘“ (IP54). Wirkliche Haltungsveränderungen und interkulturelle Öffnungen scheinen hier nur
punktuell zu erfolgen und nur selten dazu zu führen, dass bestehende interne Routinen und Vergabeprozesse hinterfragt
werden. So wurden sowohl von privaten, als auch von genossenschaftlichen institutionellen Wohnungsanbieter zwar (vereinzelt) Geflüchtete in den eigenen Beständen untergebracht,
strukturelle Veränderungen in den Abläufen der Unternehmen,
z. B. im Sinne einer transparenten Priorisierung unterschiedlicher
Bedarfsgruppen, hat dies jedoch zumeist nicht ausgelöst (IP54).
Fallstudien
gende Zitat der Leitung eines privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmens verdeutlicht:
„Nichtsdestotrotz mache ich natürlich in der Zentrale Auswertungen, ob es gewisse Tendenzen gibt. Wenn ich
feststellen würde, dass wir rapide Veränderungen haben,
wenn der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund
[…] über mehrere Jahre bei 30 oder 35 Prozent liegen sollte
und der würde signifikant auf 15 Prozent runtergehen,
würde ich nachfragen. ‚Habt ihr eure Vermietungsstrategie
geändert? Gibt‘s keine Bewerber mehr an der Stelle?‘ Da
würden wir dann versuchen über ein zentrales Monitoring
zu schauen, ob es dort signifikante Veränderungen in dem
Verhaltensmuster gibt“ (IP65).
Dabei wird – und das betrifft alle institutionellen Wohnungsanbieter – zum einen deutlich, dass Veränderungen innerer Routinen sowie Leitbilder von der Unternehmensleitung ausgehen
müssen, da diese ganz entscheidenden Einfluss auf die Unternehmensphilosophie und damit auch auf die Öffnung der Unternehmen gegenüber neuen Gruppen hat. So konstatiert die Leitung
eines Wohnungsunternehmens: „Weil es natürlich extrem davon
abhängig ist, wie die Unternehmensleitung das Thema sieht. Also
wenn ich jetzt der Meinung wäre wir schotten uns so weit es
geht ab, dann könnten wir das machen. Das kann man natürlich
von der Unternehmensleitung her schon ein Stück weit steuern“
(IP62). Ein anderes bundesweit agierendes Unternehmen hat in
Berlin seit 2018 eine Mitarbeiterin, die Diversitätsmanagement in
der Vermietung nach innen und außen vertritt.
Zum anderen wird deutlich, dass die konkrete Umsetzung neuer
Leitbilder darüber hinaus ganz entscheidend davon abhängt,
inwieweit diese von den Beschäftigten getragen wird. „Ich habe
als ich angefangen habe wirklich mit jedem Mitarbeiter erstmal
ein Einzelgespräch geführt, um zu hören, was die machen und
auch die Arbeit kennenzulernen und Meinungen zu den Themenkomplexen. […] Von oben irgendwie was zu beschließen und
anzuordnen, das funktioniert natürlich nicht, weil die Mitarbeiter
dann natürlich sagen, ‚das geht gar nicht‘“ (IP67). Die gezielte
Mitnahme und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist für den Erfolg eines solchen Richtungswechsels also
unabdingbar. Bei genossenschaftlichen Anbietenden betrifft dies
neben den Mitarbeiterinnen und Mitglieder auch die Gremien
und die Mitglieder. Bei einigen Genossenschaften scheint in
diesem Sinne ein Bewusstseinswandel – zum Teil geprägt durch
die Fluchtzuwanderung – stattzufinden, der sich u. a. in einer
höheren Inanspruchnahme interkultureller Schulungen für die
Beschäftigten widerspiegelt (IP57). Da, anders als bei anderen
Anbietertypen, ein ‚neuer Kurs‘ jedoch auch den Gremien und
Mitgliedern vermittelt werden muss, ist ein zunehmendes integrationspolitisches Engagement – unabhängig von der teils sehr
progressiven Haltung der Unternehmensspitze – oftmals nur mit
längerem Atem umsetzbar (IP57, FK3).
Das Fehlen diversitätsorientierter Leitbilder bedeutet jedoch nicht,
dass Themen wie Diversität und faire Zugangschancen bei privaten Wohnungsanbieter per se keine Rolle spielen, wie das folvhw 59
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6.4 Governance auf Landes-,
Bezirks- und lokaler Ebene
Das Forschungsprojekt weist nach, dass die zunehmende Anspannung der Wohnungsmärkte und die fluchtbedingte Zuwanderung 2015/16 zu neuen strategischen Allianzen für die
Wohnraumversorgung geführt haben. Dies beinhaltet auch eine
stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure in diesem Handlungsfeld. Neben dieser wohnungspolitischen Governance-Orientierung, die sich in unterschiedlichen
Bündnissen ausdrückt, zeigt sich ebenfalls eine starke Steuerung
mithilfe einer Vielzahl von gesetzlichen und planungsrechtlichen
Regelungen, Quoten und formalisierten Bündnissen. Die formalisierten Formen der Zusammenarbeit beziehen sich nicht nur auf
die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und
Akteure, sondern beginnen vielerorts bereits bei einer verstärkten
verwaltungsinternen Kooperation bzw. Koordination.
6.4.1 Neue Formen der Zusammenarbeit
Ein versäultes Denken innerhalb der Verwaltung und unklare Zuständigkeiten erschweren die ressortübergreifende Zusammenarbeit.
Wie bereits dargestellt ist der öffentliche Diskurs zur sozialen
Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten sowie
zur Prävention von Diskriminierung in Berlin im Vergleich zu Düsseldorf und Hamburg deutlich offensiver. Dennoch entbehren
strategische Konzepte zum Thema Stadtentwicklung und Wohnen auch hier eine explizite Zielstellung zur Chancengleichheit
von Migrantinnen und Migranten. Als Nachweis für die strategische Umsetzung des Gesamtkonzepts zur Integration und Partizipation Geflüchteter wird seitens der SenSW auf Programme
und Maßnahmen wie die dezentrale Unterbringung in MUFs,
die Existenz der FMFW oder das Programm „Wohnungen für
Flüchtlinge“ (WfF) verwiesen. Weitere Zugeständnisse wurden
seitens der SenSW im Rahmen des Prozesses zur Erstellung dieses
Gesamtkonzeptes, das unter Federführung der SenIAS entstand,
jedoch nicht gemacht. Fragen der sozialräumlichen Integration
von Migrantinnen und Migranten und auch im Kontext von
Flucht werden überwiegend im Referat Soziale Stadt bzw. mit
den städtischen Wohnungsunternehmen verhandelt.
In Hamburg liegt das Thema der Zugangschancen von Migrantinnen und Migranten zum Wohnungsmarkt an der Schnittstelle
zwischen der Behörde für Soziales (BASFI) und der BSW. Ein
ämterübergreifender Jour Fixe stärkt hier die Zusammenarbeit
zwischen den Behörden. Wie einige Akteurinnen und Akteure
berichten, werden dabei kritische Themen wie die Diskriminierungsanfälligkeit des Hamburger Wohnungsmarkts jedoch in
Diskussionen bzw. vergangenen Workshop-Formaten (IP45, IP50)
teils explizit ausgespart. In diesem Themenfeld scheint auch die
Zusammenarbeit zwischen der BSW und dem landeseigenen
Wohnungsunternehmen SAGA stark von den Interessen der
Wohnungswirtschaft geprägt (IP45, IP50, IP58).60
ren bzw. über verschiedene Ämter verteilten Zuständigkeiten
in Bezug auf Integrations- und Migrationsthemen eine stärker
strategisch ausgerichtete Zusammenarbeit. Dies ist z. B. auch in
Düsseldorf der Fall, wo die ämterübergreifende Zusammenarbeit
in Bereichen wie Arbeitsmarkt oder Schule laut Aussage lokaler
Expertinnen und Experten gut funktioniere (IP71), im Bereich
Wohnen jedoch durch unklare Zuständigkeiten eher erschwert
werde. Dies ist insofern interessant, als im Januar 2018 in Düsseldorf das Amt für Migration und Integration gegründet wurde,
welches das Büro der vorherigen Flüchtlingsbeauftragten, die Abteilung „Zentrale Fachstelle für Wohnungsnotfälle, Obdachlose
und Flüchtlinge“, das zugeordnete Sachgebiet „Kommunales
Integrationszentrum“ (KI) sowie die Abteilung „Kommunale Ausländerbehörde“ bündelt. Neben der positiven Aufmerksamkeit
für Migrations- und Integrationsthemen sowie dem erhöhten
Stellenwert, den man diesen Themen mit der Neugründung des
Amts beimisst, scheint die bewusste Zusammenführung im Amt
für Migration und Integration gleichzeitig auch zu einem eher
gegenläufigen Effekt zu führen. So wurde in einigen Interviews
bei entsprechenden Fragestellungen direkt auf die Zuständigkeit
des Amts für Migration und Integration verwiesen, auch wenn
Themen wie die soziale Wohnraumversorgung von Migrantinnen
und Migranten ganz offensichtlich an einer Schnittstelle der Bereiche Integration, Wohnen und Soziales liegen, und somit auch
den Aufgabenbereich anderer Ämter betreffen.
Zum Teil wird dieser Schnittstelle jedoch auch bereits bewusst
Rechnung getragen: So werden z. B. die Außenbüros der SWD,
dem kommunalen Wohnungsunternehmen in Düsseldorf, von Beschäftigten der SWD und des Amts für Soziales gemeinsam bespielt
(IP66). Der Bedarf an und die Schwierigkeit ressortübergreifender
Zusammenarbeit zum Thema Migration werden auch in den beiden anderen Fallstudienstädten, Berlin und Hamburg, deutlich.
„Das Thema ist für Jugendhilfe ganz klar, für Schule immer
da. Auch beim Arbeitsmarkt ist es auf jeden Fall angekommen. Beim Wohnungsmarkt wär ich mir da wirklich nicht
so sicher. Hier scheint es noch nicht so wirklich angekommen zu sein als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich glaube
auch, wenn man Jahrzehnte lang aus dieser Idee kommt ‚der
Markt richtet es hier‘, dann ist das auch wirklich tatsächlich
ein Mentalitätsproblem“ (IP71).
Unklare Zuständigkeiten zwischen einzelnen Ämtern betreffen
insbesondere Fragen der Antidiskriminierung im Bereich Wohnen. In Berlin gibt es mit der von der Senatsverwaltung für Justiz,
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (SenJVA) geförderten
und von der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung (LADS)61 fachlich begleiteten Fachstelle gegen Diskrimi60
61
Neben der Sensibilität des Themas und des stark versäulten Verwaltungshandelns erschweren vor allem die zum Teil unkla60 vhw
Fallstudien
Sowohl die SAGA, als auch die BSW haben die Interviewanfrage im
vorliegenden Projekt mit dem Verweis auf fehlende Ressourcen bzw.
dem Verweis darauf, nichts „Substanzielles zum Thema“ beitragen
zu können, abgelehnt. Im Rahmen der Studie kann daher bedauerlicherweise nur Bezug genommen werden auf Aussagen anderer
Akteurinnen und Akteure.
Die LADS ist Auftraggeberin der Fachstelle FMFW, deren expliziter
Fokus das Thema Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist.
Damit nimmt sie bundesweit eine Vorreiterinnenrolle ein.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
nierung die bisher bundesweit einzige handlungsfeldbezogene
Antidiskriminierungsstelle. In Düsseldorf und Hamburg spiegelt
sich der weniger intensive öffentliche Diskurs zu Diskriminierung
im Allgemeinen – sowie in Bezug auf die Wohnraumversorgung
von Migrantinnen und Migranten im Speziellen – auch in den
dort fehlenden Zuständigkeiten wider. In beiden Städten gibt
es – auch im Gegensatz zu anderen Städten bundesweit – keine
gesamtstädtische Antidiskriminierungsstelle. In Hamburg wurde
zwar eine offizielle Antidiskriminierungsstrategie entwickelt, die
Zuständigkeit für das Nachhalten der Strategie bzw. die Einbindung entsprechender Fachbehörden scheint jedoch ungeklärt. Die entsprechenden Beratungsstellen haben wechselnde
Zuordnungen in der Verwaltung und sind personell nicht gut
ausgestattet. Darüber hinaus scheinen wichtige Erkenntnisse der
Beratungseinrichtungen möglicherweise aufgrund mangelnder
verwaltungsinterner Kommunikation nicht eingebunden und umgesetzt zu werden (IP54, IP58).
„Und dann haben die jetzt angefangen mal in den Fachbehörden nachzufragen ‚Wie ist das eigentlich mit dem
Thema Antidiskriminierung? Wurde da was getan?‘ Und
jetzt merken die Fachbehörden: ‚Hoppla, jetzt müssen wir
ja irgendwas sagen, können wir aber eigentlich gar nicht,
weil es kein Thema in dieser Stadt ist‘“ (IP54).
In Düsseldorf wird diese Lücke durch Intermediäre, sprich das
Deutsche Rote Kreuz (DRK), gefüllt. Dieses betreibt im Rahmen
der eigenen Integrationsagentur eine Antidiskriminierungsstelle,
die jedoch mit sehr begrenzten Ressourcen ausgestattet ist.
Auch in Reaktion auf die Fluchtzuwanderung entstehen
neue Formen der ämter- bzw. akteursübergreifenden Zusammenarbeit.
In Hamburg wurde vor dem Hintergrund der zunehmenden
Fluchtmigration mit der Zentralen Koordinierungsstelle (ZKF)
eine verwaltungsinterne Vernetzungsstruktur geschaffen, die
alle VerwaltungsAkteurinnen und Akteure, die an der Unterbringung von Geflüchteten beteiligt waren und sind (u. a. die
Innenbehörde, die BASFI, die Bezirksamtsleitungen sowie weitere
Expertinnen und Experten), zusammenbringt und somit deren
Zusammenarbeit stärkt und vereinfacht (IP51). Zur Unterstützung
vordringlich Wohnungssuchender und als Ergänzung der bestehenden bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle wurde
darüber hinaus im Jahr 2019 im Schulterschluss von BASFI und
der BSW ein Konzept entwickelt, das Wohnungsnotfällen entgegen wirken soll. Das sogenannte „Einzugs- und Begleitteam“
unterstützt Wohnungssuchende dabei, aus der öffentlichen
Unterkunft heraus eine neue Wohnung zu beziehen und bietet
Mietenden wie auch Vermietenden Unterstützung auch bis zu
einem Jahr nach erfolgtem Einzug.
In Berlin wurde 2017 eine Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement bei der SenIAS etabliert, deren Ziel es ist, die Lebensbedingungen geflüchteter Menschen in Berlin durch eine Zusammenarbeit insbesondere der Unterkunfts- und Wohnsituation
zu verbessern. Sie hat daher die Aufgabe, Berliner Verwaltungen
und Institutionen, Initiativen und Unterkunftsbetreiberinnen und
-betreiber auf Landes- und Bezirksebene zu einer besseren res-
Fallstudien
sortübergreifenden Zusammenarbeit zu motivieren. 2018 war
ein zentrales Element ihrer Arbeit ein runder Tisch „Alternativen
zur öffentlichen Unterbringung Geflüchteter“, der in gemeinsamer Verantwortung mit der SenSW auf Staatssekretärsebene
begleitet wurde. Dem folgten in 2019 zwei Thementische zur
Wohnraumakquise und Verbesserung von Behördenprozessen.
Weiter veranstaltet das „Berliner Willkommenszentrum“ regelmäßig Austauschtreffen für ehrenamtliche Initiativen, geförderte
Projekte, hauptamtliche Akteurinnen und Akteure und Einzelpersonen. Ziele sind dabei Wissenstransfer, Informationsaustausch
und Erkenntnisgewinn zu konkreten Handlungsbedarfen und
-möglichkeiten. Neben der Wohnraumversorgung Geflüchteter
wird hier auch der Zugang von Rom und Romnija thematisiert.
6.4.2 Im Kontext der Wohnraumversorgung Geflüchteter entstandene Kooperationen und Bündnisse
Kooperationen zwischen Verwaltung und Wohnungswirtschaft stellen oftmals eher Interessensbekundungen dar,
als verbindliche Strategien und Zielsetzungen.
Wie bereits zuvor erläutert, versucht die Verwaltung in allen
drei Fallstudienstädten, institutionelle Wohnungsanbieter über
verschiedene Bündnisstrukturen stärker an der Wohnraumversorgung Geflüchteter sowie sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu beteiligen. Dies geschieht häufig über Kooperationsvereinbarungen. So erleichtern in Hamburg insgesamt 13
Kooperationsverträge insbesondere mit der SAGA sowie zwölf
Genossenschaften die Vermittlung. In den meisten Fällen sind
diese Vereinbarungen allerdings nicht verbindlich, dennoch werden sie von allen Beteiligten als wichtiges Signal verstanden. Private Wohnungsunternehmen konnten in Hamburg trotz diverser
Anbahnungsgespräche nicht als Partnerinnen und Partner gewonnen werden. Allerdings ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass
in Hamburg rund die Hälfte der Geflüchteten nicht im Rahmen
formeller Kooperationen, sondern auch im ‚normalen Alltag‘
aufgenommen wird – daran sind auch private Anbietende wie
beispielsweise größere familiengeführte Unternehmen beteiligt.
In Berlin wurden mit dem Programm WfF die LWU als Vertragspartnerin gewonnen. Entstanden ist das Programm basierend
auf einem Kooperationsvertrag mit dem LAF bezüglich eines
Wohnraumkontingents von über 275 Wohnungen pro Jahr für
Geflüchtete, die aufgrund besonderer Härten auf aktive Unterstützung bei der Wohnungssuche angewiesen sind sowie auf
der bereits erwähnten Kooperationsvereinbarung „Leistbare
Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“.
Darüber hinaus wurde mit dem 2018 in Kooperation der SenIAS
und SenSW durchgeführten Runden Tisch „Alternativen zur
öffentlichen Unterbringung geflüchteter Menschen“ versucht,
auch private Akteurinnen und Akteure für die Wohnraumversorgung Geflüchteter zu gewinnen. Weitere Instrumente sind die
in den Kooperationsvereinbarungen mit den städtischen Wohnungsunternehmen in Berlin festgeschriebenen Kontingente für
WBS-Inhaberinnen und -Inhaber (siehe Kapitel 6.1, Stadtprofil
Berlin). Die benannten Instrumente zielen zwar nicht explizit
auf migrantische Bevölkerung ab, wohl jedoch auf die Stärkung
sozialer Wohnraumversorgung und damit auf den Zugang zu
vhw 61
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Wohnraum für ressourcenschwächere Personengruppen. So ist
festzuhalten, dass sowohl die benannten Kooperationsvereinbarungen als auch ein Mehr an günstigem Wohnraum benachteiligten Gruppen, und darunter häufig migrantischer Bevölkerung,
zugutekommt.
Aufgrund der deutlich divergierenden Interessenslagen von Kommune/Stadtstaat und den gewinnorientiert agierenden Wohnungsanbieter verkümmern einige Kooperationsvereinbarungen
zum Teil jedoch zu reinen Interessensbekundungen. So ist in
Düsseldorf eine erste Kooperationsvereinbarung mit privatwirtschaftlichen institutionellen Wohnungsanbieter, die explizit auf
die Unterbringung von Geflüchteten aus Sammelunterkünften
abzielte, gescheitert. Begründet wurden das mangelnde Interesse
bzw. die fehlende Bereitschaft der Wohnungsanbieter zur Aufnahme von Geflüchteten mit den zu großen erwarteten Risiken –
wie z. B. Mietausfälle bei plötzlicher Ausreise bzw. Abschiebungen oder einer Überbelegung aufgrund von Familiennachzug –
bei der Vermietung an diese Zielgruppe. In der Folge bietet die
Stadt Düsseldorf im Rahmen einer neuen Kooperationsvereinbarung, die Ende 2018 mit verschiedenen institutionellen Wohnungsanbieter geschlossen wurde, verschiedene Anreize und die
Übernahme etwaiger Risiken, um diese für die soziale Wohnraumversorgung zu gewinnen. In Berlin geschieht dies z. B. durch
Ausfallfonds des LAF für Wohnungen im Programm WfF. In
Düsseldorf fallen unter solche Vergünstigungen auch Konzepte
wie das sogenannte „Probewohnen“ – das es Wohnungsunternehmen erlaubt, erst nach einer Testphase von sechs Monaten
einen offiziellen Mietvertrag auszustellen –, die Gewährung von
Barkautionen anstatt Kautionsbürgschaften, Schadensregulierungen etc. Zusätzlich räumt das Amt für Wohnungswesen den
Wohnungsunternehmen größere Freiräume bei der konkreten
Belegung ihrer Wohnungen ein, indem sie Belegungsrechte bei
der Zweitvermietung nicht wahrnehmen: „Die Erstbelegung machen wir selber von Sozialwohnungen und die Weiterbelegung
machen die Wohnungsunternehmen. Wir verzichten auf unser
Besetzungsrecht. Wir lassen nur noch ein Belegungsrecht zu, das
heißt, die brauchen uns nur nachzuweisen, dass es ein berechtigter Haushalt ist. Aber aussuchen können die sich selber“ (IP70).
In allen drei Fallstudienstädten werden in entsprechenden Bündnissen auch die spezifischen Interessensstrukturen und Machtverhältnisse deutlich. So wurde in Hamburg das sogenannte
„Bündnis für das Wohnen“ ins Leben gerufen – ein strategischer
Zusammenschluss von Verwaltung und Wohnungsunternehmen,
den die Hamburger Wohnungswirtschaft als wichtige und respektvolle Form der Zusammenarbeit beschreibt. Dieses Bündnis
zeige, „wie man mit den Akteuren in vernünftiger Weise […]
zusammenarbeitet, die Spielräume auslotet, in dem jeder sich
bewegen kann. […] Und das ist ein großer Erfolg von diesem
Bündnis, die verschiedenen Geschäftsmodelle der Bündnispartner immer im Blick zu haben […] denn der Markt entspannt sich
nicht dadurch, dass man die Mieten deckelt, der entspannt sich
dadurch, dass man mehr Wohnungen hat“ (IP44).
Das Zitat spielt auf die bundesweit heftige Kritik der Wohnungswirtschaft am – nicht zuletzt aus zivilgesellschaftlichem Druck
auf die Wohnungspolitik resultierenden – Berliner Mietendeckel
an. Die in den letzten Jahren gewachsenen Bündnis- bzw. Kooperationsstrukturen zwischen dem Land Berlin und der Wohnungswirtschaft waren in der Folge nicht unerheblich belastet. Im
62 vhw
Fallstudien
Kontrast zur Situation in Berlin wird die Zusammenarbeit in Hamburg seitens der Wohnungswirtschaft dementsprechend als ausgeglichen und gleichberechtigt interpretiert. Kritikerinnen und
Kritiker interpretieren das Hamburger Bündnis hingegen eher als
Ausdruck der Stärke der Wohnungswirtschaft und kritisieren die
fehlende Beteiligung von MSOen und Wohlfahrtsverbänden, die
zwar Partnerinnen und Partner anderer Arbeitskreise, aber nicht
dieses strategischen Bündnisses seien (IP45, IP50, IP59): „Politik
scheut da zurück. Das ist richtig ein Zurückscheuen von Politik
vor dem Markt“ (IP45).
Eine weniger aktive bzw. einfordernde Rolle von Politik/Verwaltung kann nicht nur in Hamburg, sondern auch in Düsseldorf beobachtet werden. So scheinen die bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen Verwaltung und Wohnungswirtschaft in
beiden Städten zumeist nicht verpflichtend, sondern primär Absichtsbekundungen zu sein. Sie schaffen Anreize und Vorteile für
die Wohnungsunternehmen – z. B. durch Möglichkeiten wie den
Belegungstausch oder aber finanzielle Rückversicherungen –,
um diese stärker in die soziale Wohnraumversorgung einzubinden (IP50, IP70). Darüber hinaus scheint auch die Kooperation
zwischen dem kommunalen Wohnungsunternehmen und dem
neu geschaffenen Amt für Migration und Integration eher informelle Züge zu haben. So erscheint die Vereinbarung, dass jährlich
zehn Bestandswohnungen und drei Prozent der 200 Neubauwohnungen seitens der SWD dem Amt als Probewohnungen mit
entsprechendem Vorschlagsrecht zur Verfügung gestellt werden,
durchaus noch ausbaufähig.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Kooperation zwischen Wohnungswirtschaft und Politik/Verwaltung auch entscheidend vom
Interesse bzw. der Problemwahrnehmung der Kommune/des
Stadtstaats abhängt. So wird die vergleichsweise geringe Anzahl
an Kooperationen zwischen einem Wohnungsunternehmen und
der Stadt Düsseldorf aus Perspektive des Wohnungsunternehmens auf ein – im Vergleich zu anderen Kommunen – geringer
ausgeprägtes Interesse der Stadt Düsseldorf an quartiersbezogenen Interventionen zurückgeführt. Dieses sei entscheidend durch
die vergleichsweise privilegierte sozio-ökonomische Situation der
Stadt geprägt, wie in einem der Interviews mit der Wohnungswirtschaft in Düsseldorf betont wird:
„In Düsseldorf sind wir, was diese Aktivitäten angeht, eher
schwächer besetzt als in anderen Kommunen. Einerseits weil
unser Bestand dort nicht so groß und sehr breit verteilt ist,
aber auch, weil die Kommune Düsseldorf an sich aufgrund
des Zugangs zum Markt wenig Aktivitäten entfaltet was
Quartiersentwicklung, Integration, auch Verbesserung der
Wohnqualitäten anbelangt. Da ist in den eher im Wandel
bezogenen oder eher belasteten Städten und Quartieren die
Bereitschaft der Zusammenarbeit, des Netzwerkens, des Verbessern der Quartiere deutlich höher. […] Der Stadt geht‘s
zu gut“ (IP65).
Hier wird interessanterweise deutlich, dass – konträr zum bisherigen Eindruck – die Wohnungswirtschaft bzw. zumindest
das zitierte Wohnungsunternehmen größeres Interesse an einer
Kooperation im Bereich quartiersbezogener Interventionen zu
haben scheint, als die Kommune selbst.
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
6.4.3 Schnittstellen alter und neuer
lokaler Governance-Strukturen
Die Zusammenarbeit mit Intermediären ist intensiviert –
Die Schnittstelle zwischen Haupt- und Ehrenamt bleibt
auch zukünftig ein wichtiges Handlungsfeld.
Seitens der Wohnungsunternehmen wird betont, dass diese in
immer stärkerem Maße und auch zu sozialen Themen in städtische Gremien und Arbeitskreise auf Quartiersebene eingebunden
seien, längst nicht mehr nur in Gebieten des Programms „Soziale
Stadt“. Dies hat zur Folge, dass die Unternehmen sich hinsichtlich
ihrer Dialogbereitschaft und -kompetenz in Bezug auf soziale und
gesellschaftliche Themen immer breiter aufstellen (IP31, IP43).
So wurde z. B. in Berlin der Runde Tisch zu Alternativen zur
öffentlichen Unterbringung Geflüchteter und in Düsseldorf
der Runde Tisch „Asyl“ ins Leben gerufen. An beiden Formaten sind sowohl Politik und Verwaltung, Wohnungswirtschaft,
Wohlfahrtsverbände sowie Hilfs- und Freiwilligeninitiativen beteiligt. Diese Formen der Zusammenarbeit bauen dabei zum Teil
auf bereits jahrzehntelanger bzw. jahrelanger Kooperation der
Wohnungswirtschaft (insbesondere kommunaler bzw. Landeswohnungsunternehmen) mit etablierten sozialen und sozio-kulturellen Trägerorganisationen, Intermediären und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren auf, die insbesondere
zur Integration Geflüchteter und von Roma entstanden sind.
Durch das Engagement neuer Intermediärer konnten gerade in
den Hochphasen der Fluchtzuwanderung wichtige Aufgaben
geleistet werden, die von den kommunalen bzw. bezirklichen
Fachstellen nicht abgedeckt wurden. So hat z. B. die Stiftung
Wohnbrücke in Hamburg die Vermittlung Geflüchteter insbesondere an kleinere Vermieterinnen und Vermieter ermöglicht,
während sich die Stadt neben der Bereitstellung von Flächen
für die öffentlich-rechtliche Unterbringung Geflüchteter auf die
Kooperationen mit großen institutionellen Wohnungsanbieter
konzentriert hat (IP56). Die Stiftung Wohnbrücke resultiert aus
dem ehrenamtlichen Engagement Hamburger Bürgerinnen und
Bürger, die im Jahr 2014 einen Runden Tisch initiiert haben. Ziel
war es, gemeinsam mit den Führungsetagen der thematisch relevanten Akteurinnen und Akteure Wege zu diskutieren, wie Geflüchtete aus öffentlichen Unterkünften in regulären Wohnraum
vermittelt werden können. Zusammengesetzt war der Runde
Tisch aus Vertreterinnen und Vertretern von SAGA, verschiedenen Genossenschaften, Banken, der Stiftung „Fördern und Wohnen“ (als Betreiberin der Unterkünfte), BSW und BASFI sowie
sozialen Trägerinnen und Trägern. Die sehr erfolgreiche Vermittlungsaktivität der letzten Jahre, die insbesondere ein Konzept der
sozialen Begleitung durch Ehrenamtliche beinhaltet, konzentriert
sich auf Personen, die in öffentlichen Unterkünften leben und
erfolgt ausschließlich in unbefristete Mietverträge. Für ihr Engagement wurde die „Wohnbrücke“ mehrfacher bundesweit ausgezeichnet. In Berlin wird Wohnraum für Geflüchtete durch ein
sich stetig professionalisierenderes „Netzwerk Wohnungssuche“
erschlossen, das sich aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, Projekten und sozialen Trägerinnen und Trägern zusammensetzt.62
Interessanterweise beschränkt sich die Unterstützung der Wohnungssuche in der Zivilgesellschaft jedoch fast ausschließlich
Fallstudien
auf Geflüchtete, während andere migrantische Gruppen oder
anderweitig vulnerable Gruppen (wie z. B. Obdachlose) kaum im
Blickfeld sind (IP41, IP71).63 Im Kontext von Migration bilden die
einzige Ausnahme dabei die MSOen, denen oftmals jedoch eine
schwierige Doppelfunktion zukommt. Während sie einerseits mit
den an sie gerichteten Erwartungshaltungen als Integrationspartnerinnen und -partner konfrontiert sind, werden sie andererseits
kritisch als Trägerinnen und Träger von Parallelgesellschaften
wahrgenommen. So werden migrantische Mietenbündnis-Aktive
zum Teil mit dem Vorwurf konfrontiert, mit ihrem Engagement
anstelle der ‚sozialen Frage‘ Wohnen insgesamt eher die Versorgung der eigenen Klientel zu verfolgen (IW21, IW23, IP08, FK1).
Strukturelle bzw. systematische Kooperation zwischen Wohnungswirtschaft, Verwaltung und MSOen zum Thema Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten lassen sich
jedoch in keiner der drei Fallstudien erkennen. Auch scheinen
peer-to-peer-Ansätze bei der Wohnraumsuche eher begrenzt
vorhanden zu sein. Im Vergleich zu Berlin positionieren diese sich
in Düsseldorf und Hamburg deutlich seltener offensiv zum Thema
Wohnraumversorgung und Diskriminierung von Migrantinnen
und Migranten auf dem Wohnungsmarkt. Weiter zu untersuchen
bleibt ihre Rolle in Mieterräten bzw. -beiräten, deren Diversität
bisher meist gering ist.
So fruchtbar die (neue) Zusammenarbeit zwischen Politik/Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft in vielen Fällen
auch ist, so kritisch wird sie zum Teil von zivilgesellschaftlichen
Akteurinnen und Akteure selbst gesehen. So erhalten insbesondere neue Intermediäre, wie ehrenamtliche bzw. projektgesicherte Initiativen, oftmals keinen wirklich systematischen
Zugang zu institutionellen Wohnungsanbieter oder entsprechenden Kooperationsstrukturen, sondern werden lediglich punktuell
eingebunden (IP58, IP66, IP72). Aber auch bereits etablierte
zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure kritisieren das Ungleichgewicht innerhalb dieser Kooperationsstrukturen. So wird
bemängelt, dass ihre Beteiligung an bestimmten Runden bzw.
Prozessen oftmals primär eine Alibifunktion erfülle, während
eigene Expertise bzw. eigene Standpunkte gar nicht wirklich erwünscht zu sein scheinen (IP45, IP59, IP72). „Wir sind tatsächlich
immer nur Feigenblatt. Wir dürfen dabei sein, haben aber nichts
zu sagen“ (IP59). Ähnliche Kritik wird zum Teil auch in Bezug
auf die Zusammenarbeit mit kommunalen Akteurinnen und Akteure geäußert. So scheint diese angesichts der zunehmenden
Belastung im Zuge der Geflüchtetenzuwanderung gern auf die
Expertise Intermediärer – insbesondere auf sprachliche und inter-
62
63
Darunter ist neben Akteurinnen und Akteure, die die Wohnungssuche begleiten z. B. auch der Verein „Xenion – Psychosoziale Hilfen
für politisch Verfolgte e. V.“. Dieser geht neue Wege, indem er einerseits aktiv den kritischen Dialog mit den zuständigen Verwaltungen
sucht, andererseits u. a. in Kooperation mit der Ostseeplatz eG das
Projekt „Gemeinschaftswohnen im Wedding“, ein inklusives Wohnungsneubauprojekt mit partizipativem Ansatz, begleitet hat und
damit 23 Geflüchteten ermöglichte, sich am Planungsprozess zu beteiligen und 2019 in das Genossenschaftsprojekt einzuziehen.
Die Interessen von Menschen in Wohnungsnot werden eher von den
Wohlfahrtsverbänden, der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und sozialen Trägerinnen und Trägern vertreten. Sie artikulieren sich zunehmend auch mietenpolitisch, wie beim „Alternativen
Wohngipfel“ 2018 in Berlin.
vhw 63
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
kulturelle Kompetenzen – zurückzugreifen und damit Aufgaben
‚auszulagern‘, für die die eigenen, kommunalen Kapazitäten
nicht mehr ausreichen.
„Ich habe das Gefühl, die [das Amt für Wohnen] sind auch
überfordert auf jeden Fall mit allem. Sobald die hören,
‚hier die Integrationsagentur‘, wenn da Klienten kommen,
die eigentlich zum Wohnungsamt hingehören, werden
die einfach weiter vermittelt an uns. Dabei ist es eigentlich genau umgekehrt. Eigentlich müssten wir ja alle ans
Wohnungsamt weiterleiten“ (IP72).
Auch innerhalb der Wohnungswirtschaft hat sich die Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der verstärkten Zuwanderung
Geflüchteter intensiviert. So wurde als direkte Reaktion auf die
Fluchtzuwanderung z. B. der „AK Integration“ des VdW Rheinland Westfalen gegründet, in dessen Rahmen zunächst eine
Wohnraumkarte in Kooperation mit allen Mitgliedsunternehmen
erstellt wurde, um einen Überblick über leerstehende Wohnungen zu erhalten und Geflüchtete dezentral mit Wohnraum versorgen zu können. Dieser Arbeitskreis konnte anschließend in
eine dauerhafte Struktur überführt werden und trifft sich nach
wie vor regelmäßig. Darüber hinaus reagieren auch bereits bestehende Arbeitskreise der Verbände der Wohnungswirtschaft
auf die Diversifizierung der eigenen MieterInnen. So organisierte
der sogenannte „Treffpunkt Sozialarbeit“ der VdW-Unternehmen im Rahmen der regelmäßigen gemeinsamen Treffen der
SozialarbeiterInnen der beteiligten Wohnungsunternehmen eine
Fortbildung zum Thema „Sensibilisierung für wichtige kulturelle
Unterschiede“, innerhalb derer die TeilnehmerInnen mit Hilfe
praktischer Fallbeispiele aus der Wohnungsverwaltung für kulturelle Unterschiede sensibilisiert wurden und Möglichkeiten der
empfängerinnengerechten Kommunikation als Lösungsansätze
aufgezeigt bekamen.
Auch in Hamburg berichten Wohnungsunternehmen angesichts
der gestiegenen Zuwanderung von einem etwas verstärkten
Austausch – meist über Verbände wie den VNW (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V.) sowie den Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V.
(BFW). Dabei findet ein Austausch zu Fragen der Belegungspolitik
und Diversitätspolitik allerdings kaum statt: „Das Thema Migration ist ein Thema, was relativ schwach belegt ist. […] Klar, den
politischen Druck, den haben alle gespürt und alle haben irgendwie darüber nachgedacht, ob sie jetzt plötzlich Flüchtlingsheime
entwickeln sollen und ob das nicht ein geniales Investitionsobjekt
ist. […] Aber ich habe jedenfalls keine Veranstaltung erlebt, in
der man über diese Fragen in der Tiefe diskutiert hat“ (IP48). Die
wohnungswirtschaftlichen Verbände reagieren mit spezifischen
Weiterbildungsangeboten, Wissenstransfer und Positionspapieren für ihre Mitglieder (IP24, IP26, IP53).
Die Einbindung von Zivilgesellschaft/Intermediären ist
überwiegend lokal verankert.
In allen drei Fallstudienstädten wird deutlich, dass sowohl zivilgesellschaftliches Engagement, als auch die Einbindung Intermediärer stark lokal orientiert ist und somit häufig einen konkreten
Quartiersbezug hat. Die lokale Ebene ist dabei unter anderem
64 vhw
Fallstudien
bezüglich der Einbindung von EhrenämtlerInnen zentral (IP44),
wobei die Kooperation mit und Einbindung von sozialen TrägerInnen in die Quartiersarbeit durchaus sehr unterschiedlich ist.
Große, renditeorientierte Wohnungsunternehmen sind tendenziell weniger in lokale Netzwerke eingebunden (IP58). Insgesamt
scheint die Quartiersebene für Wohnungsunternehmen zwar
eine steigende Bedeutung in der Ausrichtung ihrer Wohnungspolitik zu haben, wie zahlreiche Beispiele, u. a. das soziale Engagement einiger Hamburger Genossenschaften in größeren
Neubaugebieten (z. B. „Neue Mitte Altona“) verdeutlichen. In
Berlin stellt die DEGEWO AG in Kooperation mit dem Internationalen Bund im Rahmen des Pilotprojekts „ToM – Tolerantes
Miteinander“ rund die Hälfte der neu gebauten Wohnungen für
Geflüchtete mit Bleiberecht zur Verfügung und fördert gleichzeitig die Integration der Neuzuziehenden durch verschiedene
Angebote und Aktivitäten im Quartier. Der Internationale Bund
betreut alle in diesem Kontext bestehenden Angebote und koordiniert die Bezugsphase.
Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass das quartiersbezogene
Engagement einiger Wohnungsunternehmen insbesondere auf
Quartiere mit strukturellen Benachteiligungen konzentriert ist
und daher nicht flächendeckend, sondern eher punktuell erfolgt,
wie das folgende Zitat aus der Wohnungswirtschaft deutlich
macht:
„Den sozialen Frieden in einer Art und Weise sicherzustellen,
das ist schon, denk ich mal, eher eine hoheitliche Aufgabe,
wobei natürlich die Kommunen dem immer weniger nachkommen können. Also fällt es uns vor die Füße und dann
muss man sehen, dass man Partner findet, mit denen man
was gemeinsam schafft. […] Also wir haben einige Kooperationen hier. Immer an Stellen, wo falsche Entscheidungen
getroffen sind im Rahmen von Quartiersentwicklungen. Also
die Sünden der 70er Jahre, ich sag jetzt mal 300 geförderte
Wohnungen, überwiegend Familienwohnungen an einem
Fleck. Und da haben wir überall Kooperationen, sowohl mit
den ebenfalls ansässigen Wohnungsunternehmen und dann
in aller Regel auch noch mit anderen Verbänden“ (IP62).
Häufig bestehen Kooperationen zwischen Wohnungswirtschaft
und Zivilgesellschaft in der Bereitstellung und Finanzierung von
Räumlichkeiten in den eigenen Beständen der Wohnungsunternehmen oder in der Beteiligung an der Finanzierung von
Personalstellen, die dann für soziale Projekte, wie Sprachkurse,
Schuldnerberatung, Computerkurse etc. genutzt werden. Darüber hinaus haben einige große Wohnungsunternehmen auch
Geschäftsstellen in bestimmten (vorwiegend benachteiligten)
Quartieren, verfolgen quartiersbezogene Konzepte und fördern
nachbarschaftliche Netzwerke (IP44, IP61, IP62, IP64, IP65, IP66).
Viele institutionelle Wohnungsanbieter engagieren sich zudem
im Quartiersmanagement sowie für die Vernetzung unterschiedlichster Akteurinnen und Akteure vor Ort und bieten zum Teil
eigene soziale Dienstleistungen an. Ein häufig genanntes Beispiel
ist das Konzept der HausverwalterInnen oder QuartiershausmeisterInnen, die sich nicht nur um technische Fragen, sondern explizit auch um das soziale Miteinander der Bewohnerinnen und
Bewohner kümmern sollen (IP47, IP48, IP49, IP63).
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Die lokalen Kooperationen bzw. das Engagement im Quartier
beinhalten dabei durchaus Vorteile für die Wohnungswirtschaft,
da eine stabile Nachbarschaft geringere Fluktuationsquoten ausweist und entsprechend weniger Leerstands- und Transaktionskosten verursacht – mit denen die eigenen Investitionen auch
gerechtfertigt werden können: „Also zur eigenen Beruhigung
brechen wir das immer auf die Wohnungen runter, dass wir sagen: ‚Das kostet uns so und so viel pro Wohnung und pro Monat
und das ist es uns wert.‘ Man kann das aber ablesen, also wenn
man in den Gebieten eine total niedrige Fluktuation zum Beispiel
hat, kann das auch eine Auswirkung dessen sein, was man da
tut im Quartier“ (IP62). Dabei fördern Intermediäre der Sozialen
Stadt (Quartiersmanagement) in kleinräumigen benachteiligten
Quartieren mit hohem Anteil von Migrantinnen und Migranten
häufig Kommunikations- bzw. Kooperationsstrukturen zwischen
städtischen Wohnungsunternehmen sowie privaten und genossenschaftlichen Anbietenden, die diese nicht zwangsläufig selbsttätig suchen würden (IP39). Insgesamt bleiben Vernetzungs- und
Kooperationsbeziehungen mit der Wohnungswirtschaft aus Perspektive der Intermediären und Zivilgesellschaft weiterhin ausbaufähig: „Letztens hatten wir so eine Integrationskonferenz und
da waren auch Wohngesellschaften und so weiter. Wir haben
da auch bekannt gegeben: ‚Wenn sowas [Austauschrunden der
Wohnungswirtschaft] mal ist, bitte laden Sie uns doch mal auch
noch einmal dazu ein. Vielleicht können wir unser Knowhow
mitbringen oder auch Sie können uns auch aufklären, worauf
man achten muss und so weiter.‘ Aber nee, im Moment passiert
da nicht wirklich viel“ (IP72).
6.4.4 Sektorale Aufgaben- und
Steuerungsverständnisse
Selbstverständnis von Akteuren der Wohnungswirtschaft:
Integration ist kein Kerngeschäft.
Die zum Teil eher zurückhaltende Kooperationsbereitschaft ist
auch auf das eigene Rollenverständnis der Wohnungswirtschaft
zurückzuführen. Soziale Aufgaben werden trotz der zunehmenden Aktivität in diesem Feld nach wie vor nicht als primäres Handlungsfeld der Wohnungswirtschaft erachtet: „Also wir glauben,
dass ein Wohnungsunternehmen eigentlich nicht die Aufgabe
hat die Menschen zu integrieren. Das ist eine staatliche Aufgabe
und die ist nicht von einem Wohnungsunternehmen zu erfüllen“
(IP47). Dieses Rollenverständnis sowie die klaren Vorstellungen
von Arbeitsteilung seitens der Wohnungswirtschaft können entstehende Kooperationsbeziehungen damit auch erschweren, wie
das folgende Zitat aus der Wohnungswirtschaft verdeutlicht:
„Man muss dann immer schauen, dass man ganz klare
Regelungen hat. So wie wir uns beispielsweise von den
Wohlfahrtsverbänden nicht in unsere Kerngeschäfte reinreden lassen, so machen wir das umgekehrt auch nicht.
Wenn das beide Seiten akzeptieren können, dann ist es
ok. Wohlfahrtsverbände haben in der Regel immer die
Neigung dazu, wenn man denen den kleinen Finger reicht,
schon am Oberarm zu sein. Ob das die Caritas ist oder die
AWO, Diakonie, also da sind sie alle gleich. Das hat aber
sicherlich immer so ein bisschen was damit zu tun, dass die
Fallstudien
natürlich so als non-profit Organisation die Vorstellung haben ‚Mensch da ist so ein reiches Immobilienunternehmen,
das können die doch ruhig mal machen‘. Dass wir auch
rechnen müssen, bleibt dann schon mal so ein bisschen
hinten dran“ (IP62).
Wenn darüber hinaus eigene Interessen der Wohnungswirtschaft
an die Finanzierung von Stellen im Bereich Sozialarbeit geknüpft
werden, kann dies zudem zu Rollenkonflikten führen und die
Arbeit der entsprechenden Beschäftigten vor Ort beeinflussen
und möglicherweise auch einschränken:
„Auf der anderen Seite muss man natürlich auch immer
sehen, dass die eigenen Interessen bewahrt bleiben, und
dass sich die Sozialarbeiter im Quartier nicht zu Anwälten
der Mieterschaft entwickeln. Also die Wohnungswirtschaft
bezahlt den in der Regel. Die sollen jetzt nicht als Soldaten
da durch gehen und unsere Losung da proklamieren, aber
auch nicht zu Anwälten der Mieter werden, wenn Konflikte da sind mit den Wohnungsunternehmen oder mit
den Vermietern“ (IP62).
Was die Kooperation innerhalb der Wohnungswirtschaft anbelangt, zeigt sich, dass im Vergleich mit den recht guten Austausch- und Vernetzungsstrukturen auf einer gesamtstädtischen
Ebene, deren konkrete Kooperation auf Quartiersebene in allen
drei Fallstudienstädten deutlich schwächer ausgeprägt zu sein
scheint – wobei Kooperationen in Hamburg z. B. zumindest im
Neubau durch Konzeptausschreibungen aktiv gefördert werden
(IP44). Die tendenziell geringe Anzahl an Kooperationen zwischen einzelnen Wohnungsunternehmen hat mehrere Gründe:
So kommen Kooperationen im Quartier meist erst dann zustande, wenn die beteiligten Unternehmen auch ähnlich große
Bestände und damit auch ein ähnliches Interesse an zusätzlichen,
verbessernden Maßnahmen im Quartier haben. Darüber hinaus
müssen divergierende Interessenslagen jedoch nicht zwangsläufig auf die unterschiedliche Betroffenheit der einzelnen Wohnungsunternehmen zurückzuführen sein, sondern sind zum
Teil eng verknüpft mit der (unterschiedlichen) wirtschaftlichen
Ausrichtung des Unternehmens und dem dementsprechenden
Interesse an quartiersbezogenen, sozialen Maßnahmen, wie das
folgende Zitat verdeutlicht: „Da gibt es ja durchaus unterschiedliche Meinungen, was den Umfang dieser Maßnahmen, die da
stattfinden sollen, angeht. Das ist einfach so. Und wenn sie dann
ein börsennotiertes Unternehmen haben, die sagen meist: ‚Muss
das denn alles sein?‘“ (IP62). Des Weiteren können Schwierigkeiten in der Kooperation zum einen auf divergierende Vorstellungen, wie Nachbarschaft aussehen und funktionieren soll,
zurückgeführt werden, zum anderen aber auch auf unterschiedliche Unternehmenskulturen und/oder unternehmensinterne Abstimmungsprozesse und bürokratische Strukturen.
„Der schwierigste in der Kooperation ist xy [städtische Wohnungsgesellschaft; anonymisiert]. Die haben natürlich sehr
viele soziale Brennpunkte und wir haben da teilweise auch
am Rande Bestände, so dass jeder unserer Mieter an den
Beständen xy vorbei muss. Und da haben wir regelmäßig
vhw 65
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Probleme und wir geben eigentlich immer wieder Impulse,
was könnten wir jetzt tun um die Situation zu verbessern,
aber bei xy tut sich nichts. […] Da wär viel mehr drin in den
Quartieren, wenn man an einem Strang ziehen würde. […]
Aber ich glaube, vieles muss da ganz viele bürokratische
Schleifen drehen und dann versandet einfach viel, und ich
glaube der Mitarbeiter von xy, der vor Ort ist, darf auch nicht
viel machen und entscheiden, so und dann ist es wie es ist,
da passiert halt nicht viel“ (IP67).
Das Quartier bietet deutliche Potentiale der Zusammenarbeit und
des Nutzens von Synergien insbesondere zwischen Wohnungswirtschaft und Intermediären, die allerdings offensichtlich noch
nicht hinreichend ausgeschöpft werden.
66 vhw
Fallstudien
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Fazit
7 Fazit,
zukünftige Bedarfe und
Herausforderungen
Für das Ankommen in der Gesellschaft und das Gelingen sozialräumlicher Integration stellen der Wohnungsmarkt und seine
Verteilungsmechanismen zentrale Stellschrauben dar. Vor dem
Hintergrund der für Migrantinnen und Migranten nachweislich
deutlich erschwerten Wohnraumsuche standen im Fokus der vorliegenden Studie die Analyse der Belegungspraktiken institutioneller Wohnungsanbieter, der damit verbundene Einfluss auf die
Zugänge von Migrantinnen und Migranten zum Mietwohnungsmarkt und deren sozialräumliche Integration bzw. Segregation in
angespannten Wohnungsmärkten.
Von zahlreichen Akteurinnen und Akteure des Wohnungswesens
(Wohnungswirtschaft, Verbände und zuständige Verwaltungen)
wird argumentiert, dass man nicht von einer Benachteiligung
spezifischer Bedarfsgruppen sprechen könne, sondern es um
einen übergeordneten Verteilungsengpass gehe. Jeder frei werdenden Wohnung stehe eine Vielzahl von Bewerbungen gegenüber. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie unterstreichen diese
Engpässe, illustrieren jedoch auch, dass die Vergabeprozesse
eines Großteils der institutionellen Wohnungsanbieter von Intransparenz und spezifischen mit mittelbarer Diskriminierung
verbundenen Auswahl- und Belegungsstrategien geprägt sind.
Hier zeigen sich auch Ansatzpunkte wie trotz angespannter
Wohnungsmärkte durch wohnungspolitische Strategien und
kommunale Bündnisse eine verbesserte Chancengleichheit erwirkt werden kann.
Mehr bezahlbarer Wohnraum ist nur ein Teil der
Lösung
Die derzeit in den meisten deutschen Großstädten extrem angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt erfordert einen klaren
Fokus auf den zügigen Bau einer großen Zahl erschwinglicher
Mietwohnungen. Dieser Engpass betrifft insbesondere die Wohnungsversorgung für Geringverdienende, zu denen die Mehrzahl der in den deutschen Städten lebenden Migrantinnen und
Migranten und insbesondere Geflüchteten zählt. Der bundesweit deutlich zurückgehende Anteil des Sozialen Wohnungsbaus
macht deutlich, dass Anschlussprogramme, die dem Wegfall von
Belegungsbindungen entgegenwirken, sowie die Produktion von
dauerhaft sozial gebundenem, gemeinwohlorientiertem Wohnraum dringend erforderlich sind. Mit Blick auf aktuelle Wohnungsbauförderprogramme wird darüber hinaus deutlich, dass
Engpässe bestimmte Wohnungsgrößen in besonderem Maße
betreffen. Im Kontext aktueller Zuwanderung bedeutet dies z.
B. die Wohnraumversorgung größerer Familien durch gezielte
Förderung des Baus von Wohnungen mit mehr als vier Zimmern,
wie sie beispielsweise im Programm der Wohnraumförderung in
Sachsen bereits explizit verankert ist.
Leitbild der ‚gesunden‘ sozialräumlichen
Mischung gehört auf den Prüfstand
Mit dem Ziel, bestehende Wohnungsbestände möglichst konfliktfrei und damit lebenswert und ‚vermietbar‘ zu gestalten,
vhw 67
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
wird in Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft das Leitbild einer sozialräumlichen Mischung verfolgt. Deutlich wird
durch die Untersuchung zunächst, dass es kein gemeinsames
Verständnis zur ‚gesunden‘ oder ‚richtigen‘ Mischung gibt. Die
Einschätzung der ‚Passgenauigkeit‘ erfolgt zumeist durch die
Sachbearbeitung, die damit eine zentrale Stellschraube innerhalb
des Vermietungsprozesses darstellt. Die entsprechend subjektiv
gewählten Auswahlkriterien, die auf bestimmten Fremdzuschreibungen basieren, laufen einem transparenten Vergabeprozess
klar entgegen. Die Bedeutung, die diesem Vorgehen und dem
individuellen Entscheidungsspielraum der Sachbearbeitung von
verschiedenen Akteurinnen und Akteure aus Wohnungswirtschaft und Verwaltung zugesprochen wird, schlägt sich nieder
in dem gebräuchlichen Begriff des ‚richtigen Bauchgefühls‘ der
Sachbearbeitung als Grundlage zur Selektion der Mietsuchenden. Ein kritisches Abwägen zwischen dem Mischungsideal einerseits und gleichen Zugangschancen andererseits scheint nur in
den wenigsten Fällen stattzufinden. Während eine Mischung im
Neubau (im Sinne festgelegter Quoten für bezahlbaren Wohnraum) die Zugangschancen Ressourcenschwächerer erhöht, geht
mit Mischungsidealen im Bestand zumeist eine Mieterselektion
auf Kosten vulnerabler Bevölkerungsgruppen einher. Neben der
Wohnungswirtschaft selbst sind an dieser Stelle jedoch auch die
städtischen Akteurinnen und Akteure gefragt, ihren jeweiligen
Handlungsspielraum stärker zu nutzen und sowohl das gängige
Mischungsideal, als auch die damit verbundenen Zielsetzungen
der Wohnungswirtschaft im Hinblick auf die soziale Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten zu überprüfen.
Die große Bedeutung, die dem Leitbild zugesprochen wird, ist
gerade auch zu hinterfragen vor dem Hintergrund, dass kaum
ein(e) InterviewpartnerIn von einem erhöhten Konfliktpotential
in gemischten Quartieren berichtet.
Belegungsmanagement: Transparenz erhöht
Durchlässigkeit
Die Untersuchung zeigt: Die (unzureichende) Transparenz des
Belegungsmanagements und die selektierenden Belegungsstrategien der institutionellen Wohnungsanbieter haben einen zentralen Einfluss auf den Zugang von Migrantinnen und Migranten
und Geflüchteten zum Wohnungsmarkt. Dies beginnt mit der
Frage, wie zugänglich Informationen zu freien Mietwohnungen für unterschiedliche Gruppen sind. Insbesondere begrenzte
Sprach- und unzureichende Systemkenntnisse (d. h. geringes
Wissen um erfolgreiche Suchstrategien oder unterschiedliche
Wohnungsanbietertypen) erschweren den Zugang deutlich. Um
Sprachbarrieren aufzuheben, ist es erforderlich, entsprechende
Hindernisse durch einfache Sprache zu minimieren und die Informationsvermittlung stärker auch durch bildliche Information/
Textleitsysteme zu ergänzen. Wichtig ist dabei, neben der Hausordnung insbesondere auch Informationen zum Mietvertrag, zur
Teilhabe/Selbstorganisation und zu den Rechten der MieterInnen
zu übersetzen bzw. verständlich zu vermitteln. Nur so ist zu gewährleisten, dass Angebote auch von Migrantinnen und Migranten wahrgenommen werden können. Dies könnte hinsichtlich
der Systemkenntnisse z. B. durch eine übergeordnete, regionale
Plattform nach niederländischem Vorbild erleichtert werden, in
der sich unterschiedliche Anbietende zusammenschließen und
die Bewerbung um Wohnungen unterschiedlicher Vermieterinnen und Vermieter oder auch darüber hinaus gehende Informa68 vhw
Fazit
tionen über ein zentrales Anmelde- bzw. Bewerbungsformular
erfolgt. So würden auch die Wohnungsunternehmen bei der
Bewerbung ihrer Angebote und der Datenbankpflege entlastet.
Mit Blick auf verschiedene soziale Gruppen – unter ihnen auch
Zuwanderungsgruppen – könnte dies darüber hinaus durch ein
verstärktes Bewerben von Wohnraum auf alternativen Kanälen,
wie Social Media, begleitet werden.
Ratsam wäre, dass entsprechende regionale Zusammenschlüsse
von Wohnungsunternehmen im Sinne eines Qualitätsmanagements zur Einhaltung aufgestellter (diversitätsorientierter) Leitbilder regelmäßige Testing-Verfahren initiieren. Grundsätzlich
gilt: Wo neue Wege des Belegungsmanagements gegangen
werden, verspricht ein fortlaufender Austausch institutioneller
Wohnungsanbieter zu Mischungsidealen oder auch Wirkungen
neuer Digitalisierungsansätze die eigene Strategieentwicklung
voranzubringen.
Darüber hinaus können festgelegte, transparente Kriterien der
Wohnungsvergabe die Zugänge jener Haushalte erhöhen, die
seitens der Wohnungsanbietenden eher als Risikogruppen eingeschätzt werden. Die transparente Vergabe an besondere Bedarfsgruppen verbessert jedoch nicht zwangsläufig den Zugang
zu Wohnraum für Migrantinnen und Migranten. Hier könnte, wie
das niederländische Beispiel zeigt, die Erprobung alternativer Vergabeverfahren, wie z. B. anonymisierte Bewerbungs- oder Losverfahren, eine ergänzende Möglichkeit der Vergabe darstellen.
Durch Vergabeverfahren, in denen die Entscheidungsspielräume
der Sachbearbeitenden deutlich eingeschränkt sind, ist entsprechend weniger Raum für Diskriminierung zu erwarten.
Diskriminierungsfreies Vermietung:
Zukünftig mehr Aufklärung zum Allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz erforderlich
Eine gezielte Bestandssteuerung im Sinne einer ‚guten Mischung‘, die wie dargestellt vielfach auf Stereotypen bzw. Vorurteilen gegenüber bestimmten Gruppen basiert, ist eine Form
der mittelbaren Diskriminierung. Das AGG verbietet jedoch eine
gezielte Benachteiligung einzelner Gruppen beim Zugang zu
Wohnraum aufgrund verschiedener Merkmale wie zugeschriebener Herkunft und Religion. Damit ist auch die Ablehnung von
Migrantinnen und Migranten mit der Erklärung, die ‚gesunde Mischung‘ im Quartier nicht gefährden zu wollen, rechtlich verboten. Eine Ausnahme zur Ungleichbehandlung bei der Vermietung
von Wohnraum aufgrund der ethnischen Herkunft wird zwar
in §19 Abs. 3 AGG eingeräumt, wenn dabei „sozial stabile Bewohnerstrukturen, ausgewogene Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse“
geschaffen oder erhalten werden. Ziel dieser Ausnahme vom
Diskriminierungsverbot ist es jedoch, durch positive Maßnahmen (z. B. Förderquoten) Nachteile insbesondere für Menschen
mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Wohnungsmarkt
auszugleichen. Vielfach kommt es jedoch zu Fehlinterpretationen
des Paragraphen durch Wohnungsanbieter. Diese ziehen das Ziel
einer ‚guten Mischung‘ als Rechtfertigung für den gezielten Ausschluss von Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund heran. Um einer solchen Fehlinterpretation und Umkehr
des Mischungspostulats entgegen zu wirken, bedarf es gezielter
Aufklärung von Wohnungsanbietenden zur korrekten Auslegung
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
von §19 Abs. 3 AGG und den möglichen Konsequenzen anderweitiger Anwendung sowie einer konsequenteren Verfolgung
nachweisbarer Diskriminierung. Vor diesem Hintergrund hat das
Land Berlin einer Verschärfung des AGG in diesem Bereich bereits
initiiert.
Institutioneller Wandel in Wohnungsunternehmen als Rückgrat gelingender Diversitätspolitik
Um alte Leitbilder zu diskutieren und ggf. neue Strategien der
Vergabepolitik institutionell zu verankern und nachhaltig zu etablieren, bedarf es des Engagements aller beteiligten Akteurinnen
und Akteure – insbesondere auch der Wohnungswirtschaft. Über
vereinzelten Maßnahmen hinaus sind dafür jedoch weitreichendere Veränderungen der Unternehmensstrukturen und -kulturen
institutioneller Wohnungsanbieter notwendig. Dabei zeigen die
Interviews mit Akteurinnen und Akteure unterschiedlicher Hierarchieebenen in den Wohnungsunternehmen, dass eine solche
Leitbildentwicklung langfristig nur tragfähig ist, wenn sie von
der Unternehmensspitze angestoßen und glaubhaft – sowohl
nach innen als auch nach außen – getragen, gleichzeitig aber
partizipativ mit allen Beschäftigten entwickelt wird.
Bislang ist ein umfassendes und stringentes Diversitätsmanagement bei den wenigsten Anbieterinnen und Anbietern zu erkennen. Dieses sollte neben der Anhebung und Stärkung der interkulturellen Qualifikation der Führungskräfte und des Personals
im Bereich Sozialmanagement und Vermietung auch Schulungen
zu rechtlichen Aspekten (Asyl- und Bleiberecht) sowie zur Zuständigkeit bzw. den Verfahren unterschiedlicher Sozialbehörden umfassen. Dabei sollte Diversität jedoch nicht nur in Bezug
auf die unternehmensinterne Vielfalt – auf operativer sowie auf
Entscheidungsebene – gefördert werden. Die Diversität der Vorstände und Geschäftsführungsebene sollte ebenso explizit auch
in der Außenkommunikation zum Thema gemacht werden, wie
beispielsweise mit Kundinnen und Kunden. Eine selbstkritische
Beobachtung eines solchen Wandels kann auch ‚bottom up‘
erfolgen. Dies wird illustriert durch den im Rahmen der vorliegenden Studie geäußerten Vorschlag, eine interne Whistle-Blowing-Stelle für Beschäftigte einzurichten, die diskriminierendes
Verhalten in ihrem Unternehmen melden wollen.
Quartier als wichtige Handlungsebene:
Von ‚Willkommenskulturen‘ zu ‚Willkommensstrukturen‘
Um die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten
zu fördern, hat sich die Bedeutung des Quartiers als eine wichtige Handlungsebene bestätigt. Mit Blick auf die vorliegenden
Forschungsergebnisse sollte die Debatte allerdings weniger stark
auf die jeweilige ‚gesunde‘ Zusammensetzung oder ‚richtige
Mischung‘ von Quartieren gerichtet werden, sondern vielmehr
auf deren Zugänglichkeit für unterschiedliche Gruppen sowie
deren Ausstattung mit integrationsfördernden Infrastrukturen.
Eine passfähige soziale Infrastruktur, niedrigschwellige Anlaufstellen im Quartier sowie ein interkulturell kompetentes Konfliktmanagement auf Quartiersebene sind für das Ankommen in
der Gesellschaft und das Gelingen sozialräumlicher Integration
unabdingbar. Dabei geht es jedoch nicht ausschließlich um Will-
Fazit
kommensangebote (für Neuankommende), sondern ebenso um
Nachbarschaftsangebote für länger im Quartier lebende Personen mit und ohne Migrationshintergrund. Die öffentlichen
und zivilgesellschaftlich geprägten Willkommenskulturen müssen
demzufolge durch nachhaltige öffentlich getragene Willkommensstrukturen und bei Bedarf eine ressortübergreifende Reorganisation von Verwaltungsprozessen unterstützt bzw. fortgesetzt werden.
Um Willkommensstrukturen zu etablieren und umzusetzen, sind
insbesondere für große, überregional agierende Wohnungsunternehmen starke Partnerinnen und Partner vor Ort von zentraler Bedeutung. Die Studie zeigt, dass eine soziale Begleitung
über den Umzug hinaus vielen neuzugewanderten Haushalte
wichtige Orientierung und Unterstützung bietet. Gleichzeitig
stellt die Quartiersebene für die Einbindung Ehrenamtlicher eine
wichtige Handlungsebene dar. Die Begleitung durch sogenannte
LotsInnen oder PatInnen bietet dabei nicht nur für Geflüchtete
bzw. migrantische MieterInnen eine elementare Unterstützung.
Auch Vermieterinnen und Vermieter und Wohnungsunternehmen könnten u. a. bei Fragen der Zusammenarbeit mit Leistungsbehörden o.Ä. von solchen Hilfeleistungen profitieren.
Der Bedarf an einer über den Einzug hinausgehenden Begleitung der MieterInnen durch Kommune, Zivilgesellschaft und
Wohnungswirtschaft wird aus Perspektive aller befragten Akteursgruppen klar benannt. Jedoch bleibt in vielen Fällen bisher
offen, wer für die Vermittlung der vielfach ehrenamtlich agierenden PatInnen verantwortlich ist und wie und von wem solche
Programme (dauerhaft) finanziert werden können. Wichtig erscheinen hier eine enge Zusammenarbeit und Koordination von
Hauptamtlichen und Freiwilligen.
Schnittstellen der Kooperation stärken
Neben der bereits thematisierten Leitbildentwicklung verweisen
die Untersuchungsergebnisse zudem auf den Bedarf stärkerer
Kooperationsstrukturen, um die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Dies betrifft zum einen
die Stärkung verwaltungsübergreifenden Handelns – insbesondere an den Schnittstellen Migration/Integration und Soziales
und Wohnen. Hier ist die gemeinsame strategische Zusammenarbeit der beteiligten Ämter und Fachverwaltungen mit Blick auf
die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten
noch ausbaufähig. Eine solche Zusammenarbeit fängt bereits
bei der Errichtung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle
und entsprechender handlungsfeldbezogener Beratungsarbeit
an. Während es solche Anlaufstellen bisher nur in wenigen deutschen Städten gibt, wird deren Bedeutung jedoch von zahlreichen Interviewten klar benannt. Darüber hinaus wird vielfach der
Wunsch nach einer stärkeren Unterstützung aller Wohnungsanbieter bei der Vergabe von Wohnraum an Geflüchtete durch von
der Verwaltung zu schaffende Strukturen geäußert. Als Beispiel
kann hier neben der „Wohnbrücke“ und dem „Einzugs- und
Begleitteam“ in Hamburg die geplante zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Geflüchtete, ehrenamtliche und professionelle
UnterstützerInnen sowie Vermietende in Berlin genannt werden.
Die zentrale Stelle soll im Zusammenspiel mit bezirklichen Stellen
und (wo vorhanden bereits bewährten) bezirklich geförderten
Projekten das Potential von privaten EinzeleigentümerInnen ervhw 69
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
schließen, die zwar eine Bereitschaft haben, an Geflüchtete zu
vermieten, gleichzeitig aber die bürokratischen Hürden scheuen
und/oder Informationsbedarf zu (überwiegend zugeschriebenen)
Risiken der Vermietung in diesem Feld haben. Zu den Aufgaben
der benannten Stelle wird dementsprechend auch die Beantwortung leistungs- und aufenthaltsrechtlicher Fragen von Vermieterinnen und Vermieter gehören.
Der Wunsch nach stärkeren Kooperationsstrukturen betrifft auch
die Möglichkeiten des Austauschs zwischen Politik, Verwaltung,
Wohnungswirtschaft sowie Zivilgesellschaft. Auch wenn es zwischen Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft durchaus
bereits regelmäßige Austauschformate gibt, scheinen sich diese
bislang zumeist auf die Leitungsebene zu beschränken. Ein Austausch zwischen Beschäftigten dieser Akteursgruppen auf der
mittleren Leitungsebene sowie im operativen Bereich findet seltener statt, wird jedoch von den entsprechenden Beteiligten als
wünschenswert und zielführend erachtet. Insgesamt sollten im
Rahmen solcher Kooperationen nicht nur kleinere und mittlere
Wohnungsunternehmen mit ins Boot geholt werden, sondern
auch verstärkt auf die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure auf Augenhöhe hingewirkt werden. Dies
bedeutet, dass neben traditionell etablierten Intermediären und
MSOen auch sich zunehmend professionalisierende Bürgerinitiativen, wie „Recht auf Stadt“ oder Mietervereine, als wichtige
Bündnispartnerinnen und -partner fungieren können.
Auch über die Frage der Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten hinaus scheint ein solcher Austausch von
Interesse zu sein. So äußern einige Interviewte den Bedarf an
der Etablierung einer akteursübergreifenden, interdisziplinären
Projektgruppe zu gesamtstädtischen Konzepten der zukünftigen sozialen Wohnraumversorgung und dem Umgang mit der
Konkurrenz vulnerabler Gruppen um verfügbaren bzw. für sie
leistbaren Wohnraum. Ein solches Format könnte zudem den
Wissenstransfer zu guter Praxis und ihren Voraussetzungen unter
den beteiligten Akteurinnen und Akteure stärken und dazu dienen, dementsprechende Informationen breit zu zirkulieren.
Kommunalen Gestaltungsspielraum nutzen
Die beschriebenen Handlungsoptionen setzen ein zielgerichtetes
Handeln von Kommunen voraus. Unterstützt durch bundes- bzw.
landesweite wohnungs- und integrationspolitische Programme
können die Kommunen ihre Steuerungsrolle aktiver gestalten,
um die soziale Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration zu fördern. Dies umfasst zunächst eine stärkere Transparenz zu Wohnungsbeständen unterschiedlicher AnbieterInnen,
der Struktur und räumlichen Verteilung dieser Bestände und der
Verortung sozialen Wohnungsbaus in den Quartieren. Dies beinhaltet ebenfalls das Sichtbarmachen möglicher Konkurrenzen
unterschiedlicher Bedarfsgruppen – wie dies in Städten bereits
erfolgt, die mit dem Ansatz der sozial gerechten Bodennutzung
arbeiten. Zukünftig erscheint es im Sinne der Versorgung ressourcenschwacher Haushalte darüber hinaus wichtig, nach Berliner
Vorbild die Aufhebung von sogenannten Freistellungsgebieten
zu erwirken. So kann erreicht werden, dass den von einem hohen
Anteil an Migrantinnen und Migranten und TransferleistungsbezieherInnen geprägten Quartieren keine preisgebundenen Wohnungen entzogen werden.
70 vhw
Fazit
Kommunale Spielräume bestehen weiter für die stärkere Einbeziehung von (quartiersbezogenen) Konzepten bei der Vergabe
von kommunalem Bauland, d. h. die Verknüpfung von Bodenpolitik und Baurecht mit sozialen Belegungsvorgaben im Rahmen
einer kooperativen Baulandentwicklung, wie sie in Berlin, Potsdam, München, Hamburg, Tübingen und andernorts praktiziert
wird. Entsprechende städtebauliche Verträge, d. h. planungsrechtliche Instrumente, können einsetzen, wo eine Steuerung
über die Vergabe von Bauland nicht möglich ist. Somit kann auch
Neubau als Chance genutzt werden, bestimmte Zielgruppen, wie
z. B. Geflüchtete, aktiv in die Entwicklung von Neubauprojekten
einzubeziehen.64
Fachpolitischer Dialogbedarf zu kommunalen
Belegungs- und Benennungsrechten
Die Handhabung von Belegungs-, Benennungs- oder Besetzungsrechten unterscheidet sich in den Kommunen deutlich voneinander. Im Dialog mit Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher
Kommunen wurde deutlich, dass es zunächst einer Begriffsklärung hinsichtlich der unterschiedlichen Rechte bedarf, um
überhaupt Vergleiche zwischen der Praxis einzelner Kommunen
ziehen zu können. Dabei gilt es, die spezifischen rechtlichen Vorgaben der jeweiligen Kommunen, die wesentliche Auswirkungen
auf Vergabemodelle bzw. etwaige Punkte- oder Rankingsysteme
haben, zu berücksichtigen. Im Rahmen des Fachdialogs „Mangel
fair verwalten? Wohnraumversorgung von Migrantinnen und
Migranten und Migranten“, der fachöffentlichen Abschlussveranstaltung des vorliegenden Forschungsprojekts, wurde der
Wunsch nach einem fachpolitischen Austausch zu diesem Thema
laut, um der Frage nachzugehen, welche unterschiedlichen Modelle der Wohnungsvergabe aktuell in verschiedenen Kommunen
zugrunde liegen und wie die konkrete Umsetzung der Modelle
aussieht. Dies verdeutlicht einerseits die Offenheit der Akteurinnen und Akteure, andererseits den offensichtlichen Bedarf
zahlreicher Kommunen, in diesem Bereich voneinander zu lernen
und die eigenen Modelle in einem gemeinsamen, von der wissenschaftlichen Fachwelt begleiteten Dialog kritisch zu reflektieren
und weiterzuentwickeln.
Den Korridor diversitätsorientierter Politik
festlegen: (Kommunale) Leitbildentwicklung
vorantreiben
Um die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten nachhaltig zu stärken, bedarf es neben der Weiterentwicklung kommunaler Steuerungsprozesse und -instrumente sowie
wohnungswirtschaftlicher Vergabeprozesse weitreichendere
64
Ein Beispiel dafür ist das im Kontext des Förderprogramms „Experimenteller Geschosswohnungsbau in Berlin“ in zentraler Lage
entstandene inklusive Neubauprojekt „Gemeinschaftswohnen im
Wedding“ der Berliner Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz eG, das fast ausschließlich Clusterwohnungen anbietet und
in dem 10% des Wohnraums an Geflüchtete vergeben wurden. In
einem partizipativen Verfahren zur Planung und Entwicklung der
Wohnräume hatten die geflüchteten und nichtgeflüchteten zukünftigen MieterInnen das Konzept mitgestaltet (Bezug Dezember 2018).
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Fazit
Rahmensetzungen und Maßnahmen. So ist insbesondere die
kommunale bzw. Landesebene gefragt, eine diversitätsorientierte
Leitbildentwicklung im gesamtstädtischen Kontext voranzutreiben und nachhaltig in ihren Kommunen zu etablieren. Wie die
Interviews und Fokusgruppen im Rahmen der Studie verdeutlichen, sehen einige der befragten Akteurinnen und Akteure den
Bedarf an einem Fachdialog und einer Leitbildentwicklung zum
Thema Diskriminierung, ähnlich dem aktuellen Prozess in Berlin.
Eine solche Leitbildentwicklung sowie die kritische Auseinandersetzung mit bisherigen Diskriminierungsmechanismen auf dem
Wohnungsmarkt sollte zudem dafür genutzt werden, bisherige
Muster der Ethnisierung bestimmter Problematiken kritisch zu
hinterfragen und somit Debatten um soziale Konflikte oder Ordnungswidrigkeiten deutlich von der ethnischen und kulturellen
Herkunft der Beteiligten zu entkoppeln. Dazu gehört auch, die
in einigen Städten bereits mehr oder weniger etablierten Zertifikate zum Nachweis der Wohnfähigkeit (Stichwort „Wohnführerschein“) kritisch zu reflektieren. Auch die Problematik illegaler
Vermietungspraktiken, die in vielen Städten auch, aber nicht
ausschließlich, in Verbindung mit der Fluchtzuwanderung der
letzten Jahre zu beobachten sind, könnten und sollten innerhalb
eines solchen Dialogprozesses thematisiert und problematisiert
werden.
Eine solche Leitbildentwicklung kann die Akteurinnen und Akteure der eingangs für das Zusammenspiel von Quartiersentwicklung und Wohnraumversorgung als relevant benannten fünf Governance-Arenen abholen und damit bestehende und zukünftige
strategische Allianzen städtischer Governance im Handlungsfeld
der Wohnraumversorgung stärken.
vhw 71
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
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vhw 83
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
Steckbriefe ‚gute Praxis‘
84 vhw
Anhang
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
01 Flexible Bindungen zur Erhöhung der Anzahl an Wohnungen mit Benennungs- und Besetzungsrechten – das Potsdamer Modell
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Mit der Etablierung neuer Instrumente konnten in den vergangenen Jahren Mietpreisund Belegungsbindungen geschaffen werden. Personen mit besonderer Dringlichkeit
werden durch die Ausübung von Benennungsrechten durch die Kommune bei der Wohnungssuche unterstützt. Öffentlich geförderte Wohnungskontingente ersetzen wohnungsgebundenes Belegungsrecht.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Es besteht ein Dreiecksverhältnis zwischen dem Wohnungsanbieter, der Investitionsund Landesbank (ILB) als Fördergeberin und dem Bereich Wohnen der Landeshauptstadt
Potsdam als Verfügungsberechtigtem der Wohnung.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Über das „Potsdamer Baulandmodell“ und Verträge zu „flexiblen Bindungen“ sollen
Zahl und Art der belegungsgebundenen Wohnungen an den Bedarf angepasst werden.
Freiwerdende belegungsgebundene Wohnungen werden dem Bereich Wohnen gemeldet, der drei Haushalte mit WBS benennt. Die Vorauswahl erfolgt nach Dringlichkeitskriterien, die finale Entscheidung trifft der Vermietende, der den Vertragsabschluss an
den Bereich Wohnen meldet.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Bei der Ausübung der Benennungsrechte wird auf die Verteilung im Stadtraum und individuelle Lagepräferenzen der Haushalte geachtet. Benennungsrechte sind nicht an eine
Wohnung gebunden, sondern werden aufgrund der flexiblen Bindungen innerhalb des
Gesamtbestandes eingesetzt.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Aufgrund der günstigen Baukredite verzichten viele Wohnungsanbietende auf die Inanspruchnahme von öffentlichen Fördermitteln, um der Auflage zur Schaffung mietpreisund belegungsgebundener Wohnungen zu entgehen. Dem soll mit dem „Potsdamer
Baulandmodell“ entgegengewirkt werden.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Um die Anzahl der Wohnungen mit Benennungsrechten zu erhöhen, ist eine Kombination aus mehreren Instrumenten notwendig: Die Förderung von mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen im Neubau und der Sanierung, die Erneuerung auslaufender
Bindungen sowie ein kontinuierliches Monitoring des Bestands zur bedarfsgerechten
Steuerung.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Die „flexiblen Bindungen“ besitzen für 10 bis 15 Jahre Gültigkeit. Das Modellprojekt
wurde so lange ausgeführt, bis die dafür zur Verfügung gestellten Mittel ausgeschöpft
waren. Seit 2012 wurden auf Basis dieses Modellvorhabens weitere Bindungsvereinbarungen abgeschlossen.
Durch die Ausübung von Benennungsrechten werden Haushalte mit besonderer Dringlichkeit bei der Wohnungssuche unterstützt. Die Vorauswahl der drei benannten Haushalte erfolgt nach der Eignung der Wohnung, nach individuellen (Lage-)Präferenzen sowie nach der Wartezeit der Wohnungssuchenden. Letztere ist das entscheidende Kriterium, sollten mehrere Haushalte für
dieselbe Wohnung infrage kommen. Verträge zur Schaffung flexibler Bindungen bestehen mit dem städtischen Wohnungsunternehmen ProPotsdam und der Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ eG. Im Jahr 2016 lag die Versorgungsquote im Rahmen
der Ausübung von Benennungsrechten bei 20,6 Prozent (877 ausgeübte Benennungen bei 4.253 gültigen WBS). Zur Erhöhung
der Anzahl belegungsgebundener Wohnungen mit Benennungsrechten kann entweder das Instrument der Neubauförderung
eingesetzt oder dem Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbindungen von Bestandswohnungen entgegengewirkt werden. Ein
umfassendes Bestandsmonitoring mithilfe eines Wohnungskatasters ermöglicht eine gezielte Steuerung der Neubautätigkeiten,
insbesondere der geförderten Bautätigkeit. Darüber hinaus wurde mit der Entwicklung eines wohnungspolitischen Konzepts
2015 das „Potsdamer Baulandmodell“ eingeführt. Es knüpft die Schaffung von Planungsrechten an den verbindlichen Bau von
mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen. So soll die Heterogenität der Vermieterinnen und Vermieter erhöht und die
ProPotsdam als Hauptversorgerin der Menschen mit dringendem Wohnraumbedarf entlastet werden. Gleichzeitig beendete das
Land Brandenburg die Freistellung gebundener Wohnungen von der Benennung. Diese Sozialwohnungen unterlagen nur einer
Mietpreisbindung, müssen seit Beendigung der Freistellung jedoch wieder an berechtigte Haushalte vermietet werden. In den
Verträgen zu den „flexiblen Bindungen“ wurden jährliche Zielgrößen zur Bereitstellung von Wohnungsbindungen vereinbart, um
die Kontinuität der sozialen Wohnraumversorgung zu sichern und sie zu flexibilisieren. Um die Zielgröße zu erreichen, können freiwerdende Wohnungen erneut für die Benennung bereitgestellt oder andere Wohnungen in die Bindungen genommen werden.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Ausübung von Benennungsrechten:
https://vv.potsdam.de/vv/produkte/173010100000007869.php
Potsdamer Modell:
https://www.potsdamer-modell.de/wohnen-zum-sozialtarif/mietpreis-und-belegungsbindungen/
vhw 85
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
02 Wohnen für Alle: Dezentrale Verteilung und gesellschaftliche Integration mithilfe einer sozial
und ökologisch orientierten Hausverwaltung in München
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Seit 2001 versucht München mithilfe wohnungspolitischer Handlungsprogramme preiswerten Wohnraum für benachteiligte Gruppen zu schaffen und dauerhaft zur Verfügung
zu stellen. Seit 2016 soll das Programm „Wohnen für Alle“ (WfA) zusätzlich Wohnraum
für Geflüchtete schaffen. Die Integration der Haushalte wird durch eine sozial und ökologisch orientierte Hausverwaltung unterstützt.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Der Wohnungsneubau wird bisher nur durch die städtischen Wohnungsunternehmen
geleistet. Das Sozialreferat schließt einen Vertrag mit der Hausverwaltung des Wohnungsunternehmens ab (KomPro B, C, BR), der die Grundsätze der sozialökologischen
Verwaltungstätigkeit regelt. Bei WfA wird die sozial und ökologisch orientierte Hausverwaltung in der Regel vom Sozialreferat gestellt.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Die Hausverwaltung baut auf vier Grundprinzipien auf: Beteiligungsrechte und Verwaltungsaufgaben der MieterInnen für Teilbereiche des Hauses, Verwaltung aus einer Hand,
Unterstützung bei der Überwindung sozialer Schwierigkeiten sowie Beratung bei Fragen
rund um eine ökologische Wohnnutzung und Vermittlung zu externen Kooperationspartnerinnen und -partnern.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Der Schwerpunkt des kommunalen Wohnungsbauprogramms in München liegt auf
einer kleinteiligen Mischung. Um einer räumlichen Konzentration entgegen zu wirken,
sind die Projekte mit je ca. 30 Wohnungen dezentral über das gesamte Münchener
Stadtgebiet verteilt und vorrangig in gewachsenen Quartieren anzusiedeln.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Die Errichtung von geförderten Wohnungen wird durch den Mangel an verfügbaren
Grundstücken und die geringe Beteiligung der Privatwirtschaft (Errichtung von 144 der
vereinbarten 1.500 WEs bei WfA) erschwert. Die Umsetzung der sozialökologischen
Komponenten, welche in sog. Zielvereinbarungen festgehalten sind, und das Engagement variieren zwischen den Hausverwaltungen.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Der Mehraufwand einer sozial und ökologisch orientierten Hausverwaltung wird durch
einen Zuschuss von 275 Euro pro Wohneinheit und Jahr abgedeckt. Ein Gemeinschaftsraum für niedrigschwellige Begegnungsmöglichkeiten und Beratungsangebote in jeder
Wohnanlage trägt zum Gelingen bei.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Mithilfe der sozial und ökologisch orientierten Hausverwaltung werden der Aufbau einer
stabilen Hausgemeinschaft und die Integration der Mieterinnen und Mieter im Stadtteil
für drei bis fünf Jahre gefördert.
Das Konzept der sozial und ökologisch orientierten Hausverwaltung beinhaltet die Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner
und ihre Beteiligung an bestimmten Aufgaben der Hausverwaltung. Für die Beteiligung an der Freiflächengestaltung und -pflege,
der Mitgestaltung der Hausordnung oder der Verwaltung von Gemeinschaftsräumen steht ein eigenes Budget zur Verfügung. Die
Mieterinnen und Mieter haben eine Ansprechperson für alle die Wohnung betreffenden Fragen, vom Vertragsabschluss bis zur
Klärung von Nachbarschaftskonflikten. Im Falle von sozialen Schwierigkeiten kann die Hausverwaltung bei der Vermittlung entsprechender Unterstützungsleistungen helfen. Darüber hinaus wird eine Beratung zu ökologischen Themen rund ums Wohnen,
wie richtiges Heizen, Mülltrennung etc. angeboten. Besonders wichtig ist die sozial und ökologisch orientierte Hausverwaltung
auch im Rahmen des im März 2016 beschlossenen Wohnungsbauprogramms „Wohnen für Alle“. Bis Ende 2019 sollen damit
zusätzlich bis zu 3.000 geförderte Wohneinheiten entstehen - die Hälfte durch städtische und die andere Hälfte durch private
Wohnungsunternehmen. 51% der Wohnungen ist für anerkannte Flüchtlinge mit Registrierbescheid vorgesehen, die übrigen
Wohnungen werden über die neue Internetplattform des Sozialreferats SOWON (Soziales Wohnen Online) vergeben werden. Ergänzt wird die sozial und ökologisch orientierte Hausverwaltung bei „Wohnen für Alle“ durch eine Sozialberatung vor Ort, in der
die Bewohnerinnen und Bewohner zu Ausbildung und Arbeitssuche, Integration im Quartier, Spracherwerb etc. beraten werden.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Modell der sozial ökologisch orientierten Hausverwaltung:
https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Sozialreferat/Wohnungsamt/Wohnungsbauprogramm.html
Wohnungsbauprogramm „Wohnen für Alle“:
https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Wohnen/Wohnen-fuer-Alle.html
86 vhw
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
03
Anhang
Dezentrale Wohnraumversorgung von Geflüchteten in Kempten durch die BSG Allgäu
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Die BSG Allgäu Bau- und Siedlungsgenossenschaft eG verwaltete bereits seit dem Jahr
2004 die kommunalen Liegenschaften der Stadt Kempten (Allgäu). Aufgrund dessen
sowie der jahrelangen engen Zusammenarbeit wurde die BSG mit der Beschaffung und
Verwaltung aller dezentralen Wohneinheiten der Kommune für Geflüchtete beauftragt.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Die Unterbringung erfolgte primär in Wohnungen der Stadt Kempten, der BSG Allgäu
sowie weiteren privaten und gewerblichen Anbietenden, die teilweise leerstehende oder
sanierungsbedürftige Häuser und Wohnungen für Geflüchtete zur Verfügung stellten.
Ziel dabei war, dass viele der Geflüchteten nach Statuswandel in den Wohnungen verbleiben konnten.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
2015 wurde der Kooperationsvertrag zwischen der BSG und der Stadt Kempten (Allgäu) unterzeichnet. Zu den Aufgaben der BSG zählen: Akquirierung von bezahlbarem
Wohnraum, Ausstattung der Wohneinheiten, Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen, Begleitung der Geflüchteten zu den Wohnungen, Information zur Nutzung
der Wohnung, Mediation im Fall von Nachbarschaftsstreitigkeiten, Organisation von
Umzügen etc. Die BSG fungiert dabei als Ansprechpartnerin für Ehrenamtliche und für
Vermieterinnen und Vermieter.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Die Unterbringung der Geflüchteten erfolgte dezentral über das gesamte Kemptener
Stadtgebiet verteilt.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Die dezentrale Unterbringung kann die soziale Unterstützung erschweren. Der Stadtteil
Sankt Mang hingegen, in welchem sich der größte Teil der genossenschaftlichen Mietwohnungen der BSG-Allgäu befindet, war in den vergangenen 10 Jahren Soziale Stadt
Gebiet. So kann auch über das Stadtteilbüro Unterstützung bei der Betreuung der Geflüchteten erfolgen (z. B. über Sprachkurse und –patinnen und -paten).
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Aufgrund bestehender Konkurrenzen zwischen Bedarfsgruppen müssen Vergabeentscheidungen möglichst transparent und nachvollziehbar sein. Eine Herausforderung
beim Neubau von öffentlich geförderten Wohnungen ist auch in Kempten der Zugang
zu bezahlbaren Grundstücken (bislang keine Konzeptvergaben), die Preissteigerungen,
die Vielzahl an Bauvorschriften sowie die Einbindung der Nachbarschaft.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Die soziale Komponente steht bei der BSG im Mittelpunkt. Ein negativer Schufa-Bescheid ist kein Absagegrund, solange ehrlich damit umgegangen wird. Auch eine Ratenzahlung der Genossenschaftsanteile ist möglich. In Härtefällen unterstützen zwei Sozialarbeiterinnen und -arbeitern mit interkulturellen Kompetenzen die Betroffenen.
In der Stadt Kempten wurde in den vergangenen Jahren Wohnraum neu gebaut, allerdings häufig im Bereich von höherpreisigen
Eigentumswohnungen. Der Wohnraumbedarf beim Zugang zu Wohnraum benachteiligter Bedarfsgruppen wird überwiegend
durch das städtische Wohnungsunternehmen bzw. die Wohnungsgenossenschaften abgedeckt. Die Zahl der Vormerkungen
bei der BSG stieg allein im letzten Jahr um 50%. Bei Wohnungsvergabe wird versucht, ausgeglichene soziale Strukturen in den
Hausgemeinschaften zu erhalten und die Vielfalt der Gesellschaft über die Mitgliederstruktur abzubilden. Deshalb arbeitet die
BSG-Allgäu gemäß ihrer genossenschaftlichen Philosophie an einer ausgewogenen Durchmischung der Quartiere bzw. Wohnanlagen mit frei finanzierten, öffentlich geförderten Mietwohnungen und Eigentumswohnungen, ohne dass erkennbar ist, welche
Wohnung, welcher Kategorie angehört. Um eine soziale Mischung zu erhalten, baut die Genossenschaft neu in allen Preissegmenten mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen und bemüht sich aktiv um alle Gruppen. Bei der Wohnungsvergabe „steht
immer der Mensch im Mittelpunkt“: Die Auswahl wird durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vermietungsabteilung in
Abstimmung mit der Gebäudeverwaltung getroffen.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
BSG Allgäu:
https://www.bsg-allgaeu.de/
BSG Allgäu Hauszeitung Dezember 2017 mit einem Bericht über die Betreuung der in
der Stadt Kempten untergebrachten Asylbewerber:
https://www.bsg-allgaeu.de/hauszeitungen/ausgabe-032017/
Stadtteilbüro Sankt Mang:
http://www.sanktmang.de
vhw 87
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
04 Der genossenschaftliche Auftrag im aktuellen gesellschaftlichen Kontext neu gedacht:
Die Praxis der wankendorfer Baugenossenschaft für Schleswig-Holstein eG
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Durch den Abschluss von Mietverträgen mit den Kommunen wird die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften auf ein Mindestmaß reduziert. Die dezentrale Unterbringung
vermeidet eine Überlastung einzelner Stadtteile.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
In Kooperation mit dem Städteverband Schleswig-Holstein, mit Amtsdirektorinnen und
-direktoren sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern einiger Kommunen, dem
Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten und der Investitionsbank Schleswig-Holstein entwickelte die wankendorfer einen Mustermietvertag.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Die wankendorfer stellt jede 10. freiwerdende Wohnung – auch in nachgefragten Gebieten – zur Verfügung. Die Belegung wird durch die Kommunen gesteuert.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Die rund 8.300 Bestandswohnungen sowie die rund 11.000 fremdverwaltete Wohnungen der wankendorfer verteilen sich auf vier Städte sowie acht Landkreise in Schleswig-Holstein. Die Wohnungen für Geflüchtete sind dispers in diesen Beständen verortet.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Ein offener und sensibler Austausch mit den Genossenschaftsmitgliedern über die Verwendung genossenschaftlichen Kapitals für die Wohnraumversorgung von Geflüchteten ist dringend notwendig.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Dort wo Integrationsbemühungen durch die Kommune und die Wohnungswirtschaft
spürbar sind, ist auch das zivilgesellschaftliche Engagement andauernd. Dolmetscher-innen und Dolmetscher unterstützen die Beschäftigten in den Stadtbüros der Genossenschaft und klären durch einen verbindlichen Besuch jeder neuen Mietpartei Fragen im
Zusammenhang mit der Nutzung der Wohnung.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Die wankendorfer hat sich bereits Ende 2014 intensiv mit Strategien zur Unterbringung
von Geflüchteten beschäftigt und konnte dabei auf langjährige Kooperationsverhältnisse mit den Kommunen aufbauen.
In einer ersten Phase wurden den Kommunen 2014/15 insgesamt 50 Wohnungen zur Unterbringung von anfangs 150 Geflüchteten angeboten. Dabei waren die Kommunen von der Zeichnung von Mitgliedsanteilen bzw. von Kautionszahlungen freigestellt,
sie mussten lediglich einmal die Mitgliedschaft in der Genossenschaft erwerben. Für die Anmietung der Wohnungen wurde ein
gewerblicher Mustermietvertrag entwickelt, um regulatorische Maßnahmen des herkömmlichen Mietrechts, die einer Umsetzung
des Konzeptes entgegenstanden, auszuschließen. Dieser wird auch über die Landesgrenzen Schleswig-Holsteins hinaus eingesetzt und u. a. vom Verband Haus & Grund Deutschland seinen Mitgliedern angeboten. Drei Dolmetscherinnen und Dolmetscher
unterstützen die Beschäftigten der sechs regionalen Stadtbüros sowie der zwei Vermietungsbüros und vermitteln im Konfliktfall
vor Ort. Sobald den Geflüchteten der weitere Aufenthalt gestattet wurde, soll der gewerbliche Mietvertrag mit der Kommune
für die gleiche oder eine andere Wohnung durch einen üblichen Mietvertrag mit der jeweiligen Person ersetzt werden. Heute
stellt die wankendorfer in ihrem Einzugsgebiet 541 Wohnungen (ca. 6,5% des gesamten Eigenbestandes) zur Unterbringung
von Asylwerberinnen und Asylbewerbern bereit. Davon sind 375 Wohnungen über die Kommunen vermietet und 166 Mietverhältnisse bestehen mit statusgewandelten Geflüchteten. 2014/15 wurden darüber hinaus an manchen Standorten (bspw. in
Plön) leer gezogene Häuser, die eigentlich abgerissen werden sollten, durch gezielte Instandsetzungsmaßnahmen revitalisiert und
für die Unterbringung Geflüchteter zur Verfügung gestellt. 2016 errichtete die wankendorfer Gemeinschaftsunterkünfte in Bad
Bramstadt und Bad Segeberg. Die Gebäude werden von der Kommune angemietet und während der ersten 10-15 Jahre für die
Unterbringung von Geflüchteten genutzt. In der Nachnutzungsphase wird der Umbau der Gebäude (bspw. in Altenwohnungen)
durch die wankendorfer vorgenommen, die anschließend auch die Bewirtschaftung übernimmt.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Homepage:
https://www.wankendorfer.de/willkommen.html
Wohnraum nach dem Kieler Modell in Bad Segeberg:
https://www.wankendorfer.de/die-wankendorfer/aktuelles/aktuelles-ausfuehrlich/inbad-segeberg-entsteht-wohnraum-des-kieler-modells.html
und Bad Bramstedt:
https://www.wankendorfer.de/die-wankendorfer/aktuelles/aktuelles-ausfuehrlich/auchin-bad-bramstedt-entsteht-wohnraum-des-kieler-modells.html
88 vhw
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
05 Vormerk- und Belegungsrichtlinien als transparentes Vergabeverfahren für belegungs
gebundene Wohnungen in Stuttgart
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Rund zwei Drittel des Bestandes der kommunalen SWSG unterliegen einer Mietpreisund Belegungsbindung der Kommune. Mit den Vormerk- und Belegungsrichtlinien, die
im Jahr 2003 beschlossen wurden, wurde ein transparentes und faires Vergabeverfahren
etabliert.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Die kommunale SWSG ist die größte institutionelle Anbieterin am Stuttgarter Wohnungsmarkt. Neben einigen kleineren Genossenschaften gibt es vorrangig Privateigentümerinnen und -eigentümer mit wenigen Wohnungen. Auf Stadtteilebene tauscht sich
die SWSG mit anderen institutionellen Wohnraumanbietern, die größere Bestände in
räumlicher Nähe haben, zu Themen der Quartiersentwicklung und des Bestandsmanagements aus. Auch eine Zusammenarbeit mit sozialen Trägerorganisationen erfolgt
an unterschiedlichen Stellen.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Das Amt für Liegenschaften und Wohnen führt eine Vormerkdatei, aus der sie den Anbietenden Wohnungssuchende vorschlägt. Die Voraussetzungen zur Registrierung – ein
Punktesystem, nach dem die Interessierten ausgewählt werden sowie das „Matching“
mit den Wohnungen – sind in den Vormerk- und Belegungsrichtlinien dargelegt.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
In jedem Stuttgarter Bezirk befinden sich Wohnanlagen der SWSG. Eine räumliche Konzen-tration der Bestände gibt es jedoch beispielsweise in Hallschlag (ca. 10% des Gesamtbestandes der SWSG).
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Die Diskrepanz zwischen der subjektiv wahrgenommenen und der objektiv ermittelten
Dringlichkeit führt zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Bedarfsgruppen. Um keine
Ressentiments zwischen den Gruppen zu schüren, gibt es keine Sonderförderungen oder
spezielle Kontingente. Jede Person muss denselben Weg über die Vormerkdatei gehen.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Neben objektiven Dringlichkeitskriterien und transparenten Verfahren spielt auch das
Sozialmanagement der SWSG eine wichtige Rolle. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten einen wertvollen Beitrag für ein konfliktarmes Zusammenleben in attraktiven Nachbarschaften.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
2016 gab es 3.965 Vormerkungen wohnungssuchender Haushalte (6,7% Flüchtlinge)
und 832 Wohnungsvermittlungen (3% an Flüchtlinge). Für 1-Personen-Haushalte betrug
die Wartezeit durchschnittlich 18,5 Monate, für 4+-Personen-Haushalte 16,5 Monate.
Die SWSG als einziges kommunales Wohnungsunternehmen in Stuttgart ist im Besitz der Hälfte der insgesamt ca. 14.000 Wohnungen mit Belegungsbindung. Die Belegungsbindung resultiert aus der Gewährung von Fördermitteln und der Vergabe von
Baugrundstücken im Erbbaurecht durch die Kommune. Um eine solche Wohnung zu erhalten, ist ein Eintrag in der Vormerkdatei
des Amtes für Liegenschaften und Wohnen erforderlich. Eine der zentralen Voraussetzungen dafür ist ein 3-jähriger Aufenthalt in
Stuttgart. Diese Frist gilt jedoch nicht für Wohnungssuchende, die der Kommune zur Wohnungsversorgung zugewiesen worden
sind, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Vormerkung erfüllt sind. Wird eine belegungsgebundene Wohnung der SWSG
frei, meldet sie dies dem Amt für Liegenschaften und Wohnen und übermittelt gleichzeitig alle relevanten Informationen zur
Wohnung wie Größe, Ausstattung etc. Über dieselbe digitale Schnittstelle schlägt das Amt dann in der Regel fünf Haushalte vor.
Dabei werden die Wohnbedarfe (Größe, Barrierearmut etc.) und auch individuelle Wünsche der Wohnungssuchenden (Stadtteil,
Ausstattung etc.) berücksichtigt. Die Mieterauswahl erfolgt nach einem detaillierten Punktesystem, das die im Vormerkverfahren
festgelegte Dringlichkeit sowie die Wartezeit berücksichtigt. Durch dieses transparente Verfahren ist die Entscheidung für alle
Bewerberinnen und Bewerber nachvollziehbar.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Vormerk- und Belegungsrichtlinien des Amts für Liegenschaften und Wohnen:
https://www.stuttgart.de/item/show/170038/1/publ/9227
Jahresbericht Wohnungswesen 2016:
https://www.domino1.stuttgart.de/web/ksd/KSDRedSystem.nsf/0/E36B673DBBAF3508C125810D005D9EC2/$File/26B051BB28228771C12580CF0039A040.pdf
Bündnis für Wohnen:
https://www.stuttgart.de/item/show/603928/1
vhw 89
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
06 Neue Herausforderungen im Kontext von Zuwanderung erfordern Diversitymanagement und
neue Kooperationen: Die Unternehmensstrategie der GWC Cottbus
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Der überwiegende Anteil der Cottbuser Asyl- und Bleibeberechtigten wohnt in Mietobjekten des kommunalen Wohnungsunternehmens GWC. Dieses ermöglicht in enger
Kooperation mit der Kommune Geflüchteten den dezentralen Übergang in den regulären Wohnungsmarkt.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Die GWC Cottbus ist eine kommunale Gesellschaft mit rund 17.300 Wohnungen, die ca.
1/3 der Bevölkerung in Cottbus mit Wohnraum versorgt. In den 19 Großwohnanlagen
mit je ca. 300 Wohneinheiten leben primär Menschen aus unteren und mittleren Einkommensgruppen. Der Erfolg bei der Integration Geflüchteter in den Nachbarschaften
basiert auf guter Zusammenarbeit und regelmäßigem Austausch mit der Kommune, der
Ausländerbehörde, der Polizei, dem Stadtteilmanagement, sozialen und kirchlichen Trägern, dem Sicherheitspersonal und den Mieterinnen- und Mieterverwaltungen vor Ort.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Zentral ist eine von der Kommune etablierte Steuerungsrunde zur Wohnraumversorgung
Geflüchteter, in die die GWC eigebunden ist. Im Unternehmen fand in den letzten Jahren
ein organisationsbezogener Wandel statt, der alle Beschäftigten auf Abteilungsebene
mit den Herausforderungen interkultureller Kommunikation vertraut machte. Das Unternehmen benannte einen „Geflüchteten-beauftragten“ und verstärkte angesichts der
lokalen politischen Lage sowohl das Sicherheitspersonal als auch das Sozialmanagement
in Beständen mit hohem Anteil sozial Benachteiligter zur Begleitung nachbarschaftlichen
Miteinanders, v. a. aber zur Unterstützung von Menschen mit Miet¬schulden.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Die dezentrale Unterbringung erfolgt auf allen Ebenen – kleinräumig in den Hausgruppen, den Wohnanlagen sowie im Stadtteil. Wo genau Bewerberinnen und Bewerber
um Wohnraum Mietverträge erhalten, entscheiden die Bestands-betreuerinnen und -Betreuer vor Ort.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Sprachbarrieren und Analphabetismus stellen Herausforderungen dar. Eine der wichtigen Voraussetzung für gute Nachbarschaft ist für das Unternehmen die Übersetzung der
Hausordnung, mit der notwendige Informationen für das Zusammenleben in Deutschland
gegeben werden. Der übersetzte Text ist dabei nur ein Baustein der Begleitung vor Ort.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Integration wird unterstützt durch die verständliche Vermittlung und Beachtung von für
alle geltenden Regelwerken. Sie erfordert aber v. a. niedrigschwellige Begegnungsmöglichkeiten, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GWC gefördert werden.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Der Mehrbedarf an Vermittlung vor allem zu Beginn des Miet¬verhältnisses zur Überwindung sprachlicher und kultureller Differenzen erfordert zusätzliche zeitliche Ressourcen und soziale Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Bearbeitung
von etwaigen Nachbarschaftskonflikten erfolgt rasch, um Vorurteile abzubauen und
Kulturalisierung von Konflikten zu vermeiden.
Der Wohnungsmarkt in Cottbus ist weiterhin relativ entspannt und es existieren genügend Flächenreserven für den erfolgenden
Neubau kommunaler Bestände. Die GWC besitzt ca. ein Drittel des Cottbusser Wohnungsbestands, der knapp 4% Leerstand hat.
Knapp 6% des Bestands waren 2018 an Familien mit Fluchtbiografie vermietet. Der Geflüchtetenbeauftragte der GWC wird von
der Ausländerbehörde rechtzeitig informiert zur Zahl der Personen, die in den nächsten Wochen einen anerkannten Aufenthaltsstatus erhalten werden. Dies ermöglicht in ca. 80% der Fälle einen direkten Übergang von der Erstaufnahme in eine eigene Wohnung. Der Geflüchtetenbeauftragte ist Mitglied der kommunalen „Arbeitsgruppe Flüchtlinge“, der die Leitungskräfte der Ausländerbehörde, des AsylBewerberinnen und Bewerberheims sowie Vertreterinnen und Vertreter anderer im Handlungsfeld relevanter
Einrichtungen angehören. Er verfügt über weitgehenden Handlungsfreiraum hinsichtlich seiner Arbeitsschwerpunkte. Der interne
Austausch zum Alltag in den Quartieren der GWC basiert auf wöchentlichen Berichten der Pförtnerinnen und Pförtnern in den
19 Großwohnanlagen. Grundlage für Konzepte und Belegungsmanagement bildet u. a. der Dialog mit der Zivilgesellschaft, der
seit März 2018 monatlich im Rahmen von BürgerInnenversammlungen in unterschiedlichen Stadtteilen stattfindet. Die GWC berichtet, dass ihr Diversitätsmanagement zuwanderungsbedingte Mehraufwände in der Bewirtschaftung der Bestände vermeide.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Website der GWC Cottbus GmbH :
https://www.gwc-cottbus.de/
Bürgerdialoge in Cottbus zum Thema Wohnen:
https://www.cottbus.de/aktuelles/dialoge/index.html
BBU-Verbands-Nachrichten 10/2016:
https://bbu.de/sites/default/files/publications/2uu1r8d1as4i66hjDo_10-16%20mit%20
Spezial%20Integration-web.pdf
90 vhw
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
07
Anhang
Die Genossenschaft als Türöffner für Geflüchtete – Konzept des Lübecker Bauvereins e.G.
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Der Lübecker Bauverein sieht sich in der Verantwortung, maßgeblich zu der Versorgung
Geflüchteter mit Wohnraum in Lübeck beizutragen.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, Akteure und
Stakeholder
Der Bauverein hat mehrere Kooperationsabkommen, z. B. mit der Gemeindediakonie
Lübeck, der Hansestadt Lübeck und der Investitionsbank Schleswig-Holstein.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Im Rahmen des Konzepts „Probewohnen“ mietet die Gemeindediakonie Genossenschaftswohnungen des Lübecker Bauvereins an und vergibt diese an Geflüchtete. Ein
Kooperationsvertrag mit der Hansestadt Lübeck und der Investitionsbank des Landes ermöglicht die Übertragung von Belegungs- und Mietpreisbindungen. Hierdurch soll einer
befürchteten Konzentration sozial benachteiligter Gruppen vorgebeugt werden.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Der räumliche Fokus des Bauvereins ist die Hansestadt Lübeck. Die Genossenschaft legt
in ihrer Arbeit auch einen deutlichen Fokus auf die Quartiersentwicklung, wie etwa am
Standort St. Jürgen.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Aufgrund der Rechtsform als Genossenschaft kann der Bauverein in der Belegung weniger frei agieren als andere Wohnungsanbietende. Die Genossenschaft befindet sich daher
in einem gewissen Spagat zwischen der Wahrung der Mitgliederinteressen/Gleichbehandlungsrundsatz und dem Ziel, Geflüchtete mit Wohnraum zu versorgen.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Wichtig ist es, bei entsprechenden Weichenstellungen durch gezielte Informationen,
Fortbildungen und z. B. Klausurtagungen der Sorge vor Konflikten vorzubeugen und damit auch die Sachbearbeitenden und Hauswarte mitzunehmen. Die stärkere Einbindung
Geflüchteter erscheint insbesondere in größeren Genossenschaften leichter möglich.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Der Kooperationsvertrag mit der Stadt und Investitionsbank wurde am 8. Januar 2003
für das Pilotquartier unterzeichnet. Aufgrund des Erfolges hat der Bauverein 2006 einen
weiteren Vertrag mit den Kooperationspartnerinnen und -partnern abgeschlossen, der
sich auf seinen gesamten Bestand bezieht.
Im Rahmen des Konzepts „Probewohnen“ mietet die Diakonie Genossenschaftsbestände, um dort Flüchtlinge unterzubringen.
Dies ermöglicht eine wenig bürokratische Vergabe z. B. auch an Personen ohne Wohnberechtigungsschein. Nach einem Jahr
Mietzeit übernehmen die Geflüchteten den Mietvertrag und werden in diesem Zuge zu voll haftungsfähigen Genossenschaftsmitgliedern. Bislang wurden alle Probemietverträge erfolgreich in „normale“ Mietverträge umgewandelt. Bis Herbst 2018 konnten in den Beständen des Bauvereines (dieser umfasst rund 5.600 Wohnungen, davon die Hälfte Sozialwohnungsbestand) ca.
250 Geflüchtete untergebracht werden. Der Bauverein verpflichtet sich darüber hinaus zu der Errichtung sozialer Einrichtungen
in Höhe von mindestens 40% der Gesamtinvestitionskosten, der Einrichtung eines qualifizierten Beratungs-, Konflikt- und Umzugsmanagements sowie weiterer sozialer Maßnahmen in St. Jürgen.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Homepage:
https://www.luebecker-bauverein.de/startseite.html
Kooperationsvertrag:
https://www.ib sh.de/fileadmin/user_upload/downloads/Immobilien/Informationen/
Bsp._Kooperationsvertrag.pdf
vhw 91
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
08
Anhang
Mehr Wohnungen für Flüchtlinge in Bremen: Kooperationen der Freien Hansestadt Bremen
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Ziel des Projekts ist die gezielte Unterstützung Geflüchteter bei der Wohnungssuche, die
damit sowohl zur Entlastung von Übergangswohneinrichtungen, als auch zur Vermeidung von Notunterkünften beiträgt.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Das Projekt basiert auf einer trägerübergreifenden Kooperation zwischen der Freien
Hansestadt Bremen, der AWO Bremen sowie der GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen
und Bauen.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Zentrale Bausteine sind die monatliche Bereitstellung von ‚bezahlbaren‘ Wohnungen
durch die GEWOBA, deren gezielte Vermittlung an Geflüchtete sowie die soziale Begleitung der Beteiligten auch nach Vertragsabschluss.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Aufgrund der dispersen Verteilung des Wohnungsbestands der GEWOBA liegt der
räumliche Fokus des Projekts auf der Gesamtstadt. Ziel ist es Geflüchtete möglichst desegregiert unterzubringen.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Das Projekt ist langfristig angelegt und bedarf einer entsprechend kontinuierlichen Unterlegung mit städtischen Ressourcen.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Für die erfolgreiche Umsetzung sind umfangreiche Ressourcen in Form von Wohnraum
sowie Personal (Wohnraumvermittlung und Koordination) notwendig. Zentrales Erfolgskriterium und innovatives Element zugleich ist die Beratung und Begleitung von Geflüchteten und Vermieterinnen und Vermieter über den Vertragsabschluss hinaus. Weitere
entscheidende Gelingensbedingungen sind effektive Kooperationsstrukturen zwischen
den beteiligten Trägern sowie die zentrale Projektkoordination der Wohlfahrtsverbände
durch die AWO.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Das Projekt existiert seit 2012 und wurde sukzessive aufgestockt. Die Koordination zwischen den Partnerinnen und Partnern sowie das Schaffen von Akzeptanz auch auf dem
privaten Wohnungsmarkt ist zeitaufwändig und wird auch aktuell weiterverfolgt.
Zur Verbesserung der Lebenssituation Geflüchteter und der Förderung ihrer Integration unterstützt das trägerübergreifende Projekt „Mehr Wohnungen für Flüchtlinge in Bremen“ AsylBewerberinnen und Bewerber und Geflüchtete sowohl bei der Suche als
auch beim anschließenden Bezug von eigenem Wohnraum. Ende 2018 lebten noch rund 3.700 Geflüchtete in Übergangswohnheimen. Die GEWOBA sowie ein weiteres Wohnungsunternehmen, das in der Zwischenzeit für das Projekt gewonnen werden
konnte, haben sich verpflichtet, dem Projekt monatlich rund 30 Wohnungen zur Unterbringung Geflüchteter zur Verfügung
zu stellen. Die AWO Bremen beschäftigt sogenannte Wohnraumvermittlerinnen und –vermittler, die nicht nur die Vergabe der
Wohnungen an die passenden Interessierten koordinieren, sondern diese auch bis zu einem halben Jahr nach Einzug beraten
und sie beim Aufbau von Netzwerken im jeweiligen Stadtteil unterstützen – bei besonderem Bedarf auch durch den zusätzlichen
Einsatz sogenannter Sprachvermittlerinnen und -vermittler. Um auch privaten Vermieterinnen und Vermietern die Vermietung an
Geflüchtete zu erleichtern, bietet das Projekt Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümern eine zeitunabhängige
Nachbetreuung im Falle von Fragen oder evtl. aufgetretenen Schwierigkeiten an.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
92 vhw
Homepage:
https://www.service.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen128.c.314094.de
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
09 Kontaktstelle Wohnen in Leipzig - von der Ehrenamtsinitiative im Kontext von Leerstand zur
professionellen Vermittlungsagentur in einem angespannten Wohnungsmarkt
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Da die Kapazitäten der Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig für die steigende Anzahl an
Geflüchteten nicht ausreichten, wurde Anfang 2015 nach Möglichkeiten zur dezentralen Unterbringung gesucht. Zwei ehrenamtliche Initiativen nahmen sich des Themas an
und vermittelten privaten Wohnraum an Geflüchtete.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Träger der Kontaktstelle ist der Verein Zusammen e. V., der anfangs auf rein ehren-amtlicher Arbeit basierte. Mithilfe einer Förderung durch die Kommune konnten im Frühjahr
2016 hauptamtliche Stellen geschaffen werden.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Die Kontaktstelle Wohnen unterstützt Geflüchtete dabei eine eigene Wohnung zu finden, kommuniziert mit Vermieterinnen und Vermieter, begleitet zu Wohnungsbe-sichtigungen und -übergaben und unterstützt bei Anträgen zur Mietkostenübernahme. Darüber hinaus bietet sie Sprechstunden für Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten
und orga-nisiert Workshops.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
In den ersten Jahren beschränkte sich die Arbeit der Kontaktstelle auf die Stadt Leipzig.
Seit 2017 vermittelt sie auch Wohnungen im Landkreis Leipzig an Perso-nen, die bereit
sind, ins Umland zu ziehen.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Seit Beginn der Arbeit der Kontaktstelle Wohnen hat sich die Situation auf dem Leipziger Wohnungsmarkt stark verändert: Es gibt kaum mehr günstige Wohnun-gen, die
Konkurrenzen zwischen verschiedenen Bedarfsgruppen steigen und rassisti-sche Diskriminierung nimmt zu.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Zu Beginn der Arbeit der Kontaktstelle haben viele Wohnraumanbietende bereitwil-lig
an Geflüchtete vermietet. Jedoch fühlte sich niemand für etwaige Schwierigkeiten zuständig, die in den Mietverhältnissen auftraten. Deshalb begleitet die Kontaktstel-le
Wohnen heute die Geflüchteten und Vermieterinnen und Vermieter auch über den Umzug hinaus.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Die Wohnraumsuche erfordert aktuell je nach Wohnungsgröße ca. 3-12 Monate. Die
Begleitung im Mietverhältnis kann bei Bedarf 12 Monate oder länger geleistet wer-den.
Die Arbeit der Kontaktstelle hat sich in den letzten drei Jahren stark gewandelt: Aufgrund des hohen Leer-stands und dem
starken ehrenamtlichen Engagement verzeichnete die Kontaktstelle Wohnen 2015 rasch erste Erfolge bei der Vermittlung von
Geflüchteten in privaten Wohnraum. Bald schon war die riesige Nachfrage nicht mehr allein durch Ehrenamtliche zu bewältigen
und die Initiative wurde 2016 dank einer Förderung der Kommune professionalisiert. Der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete
stieg stetig, weshalb die Kontaktstelle Wohnen ihre Ressourcen primär auf die Wohnraumvermittlung konzentrierte und keine
Begleitung über den Vertragsabschluss hinaus gewährleisten konnte. Die zunehmende Anspannung des Wohnungsmarktes wurde 2017 deutlich spürbar und führte sowohl bei den Ehrenamtlichen als auch bei den Geflüchteten zu Verdruss. Heute widmet
sich die Kontaktstelle Wohnen neben der Wohnungssuche dem Wiederaufbau von Vertrauen, das durch Vorurteile und Negativerfahrungen von Vermieterinnen und Vermieter in Einzelfällen in Mitleiden-schaft gezogen wurde. Die Kontaktstelle hat seit Mitte
2016 über 800 Personen dabei unterstützt, in eine ei-gene Wohnung zu ziehen (Stand September 2018) und seit 2017 knapp
1.300 Personen in den Sprechstunden beraten. Dennoch sind aktuell nach wie vor ca. 1.500 Menschen als wohnungssuchend
bei der Kontaktstelle gespeichert.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Kontaktstelle Wohnen:
https://www.kontaktstelle-wohnen.de/de/index.html
Jahresbericht 2017 – Kontaktstelle Wohnen, Zusammen e. V.:
https://www.betterplace.org/de/projects/49777-unterstutze-selbstbestimmtes-wohnen-fur-gefluchtete/news/171629#ppp-sticky-anchor
vhw 93
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
10
Anhang
Grandhotel Cosmopolis – Wohnraum für Geflüchtete und Kunst unter einem Dach
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Das Grandhotel Cosmopolis in Augsburg, Gewinner des Städtebaupreises 2016, bietet
Wohnraum für Asylsuchende, Übernachtungsmöglichkeiten für Reisende, Ateliers für
Künstler sowie Räumlichkeiten für Tagungsreisende. Der kosmopolitische Grundgedanke setzt ein Zeichen gegen Ab- und Ausgrenzung. Ziel ist es, einen Begegnungsort für
kulturellen Austausch zu schaffen.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Eigentümerin des Gebäudes ist die Diakonie Augsburg. Durch sie fand die Vorfinanzierung des Umbaus statt. Außerdem übernimmt die Diakonie die Beratung der Asylsuchenden im Haus. Mieterin des Teilbereichs des Grandhotels, der für die Asylsuchenden
bereitsteht, ist die Mittelbehörde der Regierung von Schwaben. Die restliche Fläche –
hierzu gehören Hotel, Ateliers und Gastronomie – wird von dem gemeinnützigen Verein
Grandhotel Cosmopolis e. V. angemietet. Zwar sind die MieterInnen unter einem Dach,
agieren jedoch finanziell unabhängig voneinander.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Modellhaft ist die Mischnutzung, welche auf verschiedenen Ebenen gesellschaftliche
Teilhabe fördern soll. Neben der reinen Unterbringung der Menschen, bietet das Grandhotel diverse Orte der Begegnung, beispielsweise durch ein Café und zwei Gartenanlagen. Die für die Nutzbarkeitsmachung des Gebäudes anfallenden Kosten wurden durch
die Mittelbehörde getragen.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Das aus den 1960er Jahren stammende Paul-Gerhardt-Haus liegt im Augsburger Domviertel, im Springergässchen 5. Die Nähe zur Innenstadt bietet nicht nur eine günstige
infrastrukturelle Anbindung für die AsylBewerberinnen und Bewerber, sondern erleichtert auch sonstigen Interessierten den Weg zum Grandhotel.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Der Verein erhielt bis 2016 projektbezogene Förderungen von diversen Stiftungen. Durch
den erhöhten Aufwand der Projektakquise wird das Grandhotel seitdem aus Eigenressourcen weitergeführt. Einnahmen werden durch das Hotel, eine Café-Bar und die Gastronomie generiert. Es ist bundesweit das einzige vergleichbare Projekt, das sich über
einen so langen Zeitraum erhalten hat. Aufgrund seiner schwierigen finanziellen Situation
ist die Existenz das Grandhotel jedoch nicht langfristig gesichert. Aus Sicht beteiligter
Expertinnen und Experten verweist das Projekt auch auf die wichtige Erfahrung, dass das
Mischen von Wohnformen und sozialen Gruppen auch Hierarchien und Trennungen reproduzieren kann.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Erfolgskriterium ist der Mut zur Zusammenarbeit und die ‚Risikobereitschaft‘ verschiedenster Akteurinnen und Akteure. Wichtig waren neben der Vorerfahrung mit Gebäudezwischennutzungen auch positive Pressestimmen, finanzielle Unterstützung durch die
Bevölkerung und „kurze Wege“ in der städtischen Verwaltung. Entscheidendes Element
ist die Einbeziehung von Kunst und Kultur. Sie ermöglichte die Umformung des Gebäudes von einer ‚Asylunterkunft‘ zu einem ‚Grandhotel‘.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Der Verein wurde 2012 durch die Hoteliers gegründet. Die Zwischennutzung der Immobilie, für die der Umbau ca. 1,5 Jahre dauerte, wurde auf zehn Jahre angelegt.
Als in den Jahren 2011/2012 Kulturschaffende und Asylsuchende Raum zum Wohnen und Leben in Augsburg benötigten, entstand die „soziale Skulptur“ des Grandhotel Cosmopolis. Der Leerstand des ehemaligen Pflege- und Altenheims des diakonischen
Werks ermöglichte dieses Projekt mit Laborcharakter. Die sieben Stockwer-ke sind so unterteilt, dass keine Nutzungsgruppe isoliert untergebracht ist. Durch das Miteinander vor Ort kann geübt werden, wie die Gesellschaft von morgen aussehen könnte:
offen, dialogbereit und unabhängig von kulturellen, sozialen und religiösen Milieus.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Konzept:
https://grandhotel-cosmopolis.org/wp-content/uploads/2014/06/GHC_3sprKonzept_
A4_view.pdf
Aktuelles:
https://grandhotel-cosmopolis.org/de/2018/11/11/wie-kam-das-grandhotel-in-existenznot/
94 vhw
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
11 Planerladen e. V. als Diskursmacher und „Wachhund“ der Dortmunder Anti-Diskriminierungspolitik
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Anlass der Aktivitäten des Planerladens war die Wahrnehmung von Zugangsbarrieren
für Migrantinnen und Migranten auf dem Wohnungsmarkt (v. a. Ausländer-Quote für
den belegungsgebundenen Wohnungsbestand in der Nordstadt). Ein aktueller Schwerpunkt ist die bedarfsgerechte Wohnraumversorgung Zugewanderter aus Rumänien und
Bulgarien.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Für die vom Planerladen initiierten Diskurse mit wohnungspolitischen Stakeholdern ist
der Mieterverein Dortmund ein wichtiger Bündnispartner. Durch lokale Formate wird ein
enger Schulterschluss mit der Bevölkerung der Dortmunder Nordstadt ermöglicht. Aktivitäten sind eingebettet in ein quartiersübergreifend agierendes kommunales Netzwerk
(„Masterplan Migration/Integration“).
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Aus der Kooperation mit dem Mieterverein ist u. a. ein Siegel für eine „Herkunftsunabhängige Gleichbehandlung bei Vermietung“ entwickelt worden. Wichtiges lokales
Format sind die seit den neunziger Jahren initiierten Nachbarschaftsforen. Um die Wohnungssuche für Neuzugezogene zu erleichtern, wurde in Abstimmung mit dem Sozialamt und dem Jobcenter der sechs-sprachige Wegweiser WOHINDO veröffentlicht
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Der räumliche Fokus liegt auf der Dortmunder Nordstadt. Der Verein setzt das Thema
aber auch in der Gesamtstadt bis hin zur Bundesebene auf die Agenda, z. B. durch entsprechende Workshops oder paired- ethnic-Testingstudien auf dem Wohnungsmarkt.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Für das Aufrechterhalten des Diskurses braucht es einen ‚langen Atem‘, v. a. da der Planerladen durch seine kritische Position vor Ort nicht immer auf Rückhalt stößt.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Wichtiges Erfolgskriterium ist die finanzielle Förderung durch die Landesebene, die hilft,
eine relative Unabhängigkeit gegenüber städtischen Akteurinnen und Akteure zu wahren. Prozessunterstützend war die Mobilisierung von Zivilgesellschaft und Bewohnerinnen und Bewohnern insbesondere mit Migrationshintergrund in der Nordstadt wie auch
die eigene interkulturelle Öffnung.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
Der Planerladen setzt sich seit den 1980er Jahren im Bereich Anti-Diskriminierungspolitik
ein. Seine Aktivitäten können als Daueraufgabe verstanden werden.
Zur Verbesserung der Wohnsituation Geflüchteter und Migrantinnen und Migranten sowie deren Integration setzt sich der Planerladen e. V. seit 1982 insbesondere in der Dortmunder Nordstadt ein. Als zivilgesellschaftlicher Akteur mit enger personeller
Verknüpfung zur Forschung ist der Planerladen (z. B. im Rahmen verschiedener transdisziplinär zusammengesetzter Workshops
oder auch initiierter Testingstudien) Impulsgeber für wohnungs-politische Diskurse auf Bundesebene. Lokale Interventionen, wie
beispielsweise die Kampagne „Blickwechsel“, rücken den Fokus von den „Neuzugewanderten als Problemursache“ auf strukturelle Rahmenbedingungen und in-stitutionelle Akteurinnen und Akteure. Das gesamtstädtisch angelegte Projekt „Dortmund
all-inclusive“ ist ein-gebettet in die nordwärts-Strategie der Stadt Dortmund, bei der es um die Harmonisierung der Lebensbedingun-gen in der Gesamtstadt und die sozial-räumliche Entwicklung und Potenzialstärkung der Quartiere im Dortmun-der
Norden geht.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
Homepage Planerladen:
http://www.planerladen.de/
Broschüre:
http://www.planerladen.de/uploads/media/WOHINDO-Wegweiser.pdf
Homepage WOHINDO:
www.wohindo.de
Siegel „Herkunftsunabhängige Gleichbehandlung bei Vermietung“ von Wohnraum:
http://www.integrationsprojekt.net/uploads/media/Siegel_Herkunftsunabhaengige_Vermietung_2011_Projektdoku.pdf
Masterplan Migration/Integration:
https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/internationales/miado/masterplanintegration/index.html
vhw 95
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Anhang
12 Neue Intermediäre zur Förderung sozialräumlicher Integration von Geflüchteten:
Das Dortmunder Integrationsnetzwerk „lokal willkommen“
Was und warum?
Anlass, Startpotential und
Steuerungskonzept
Seit 2015 wurden dezentrale Integrationsbüros („lokal willkommen“) geschaffen. Die
ersten Büros sind bewusst in Stadtbezirken entstanden, die weniger durch Migration
geprägt sind und kaum integrationsrelevante Infrastrukturen vorweisen. In den Büros
werden, neben Hilfs- und Beratungsleistungen (nicht nur) für Geflüchtete, auch Informationen für die Aufnahmegesellschaft sowie Konfliktvermittlung angeboten. Lokale
Akteurinnen und Akteure der Integrationsarbeit werden identifiziert und koordiniert.
Wer mit wem?
InitiatorInnen, SchlüsselAkteurinnen
und Akteure und Stakeholder
Die „lokal willkommen“-Büros des Integrationsnetzwerkes sind mit mindestens einer
städtischen und einer SozialarbeiterIn der freien Wohlfahrtspflege oder eines weiteren Kooperationspartners besetzt. Die Stadt Dortmund stellt somit zusammen mit den
Kooperationspartnern die personellen Ressourcen. Räumlichkeiten werden von Wohnungsunternehmen angemietet. Angebote der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und
Akteure und Vereine bilden den Kern der Vernetzungsarbeit.
Wie?
Format, Kooperation, Gremien
und Tools
Neben offenen Sprechstunden und einzelfallbezogener Hilfe wird aufsuchende Sozialarbeit in Form von Hausbesuchen geleistet bzw. Unterstützung vermittelt. Auf diese
Weise wird ein Erstkontakt hergestellt und die individuellen Integrationsbedarfe z. B. zu
Sprache, sozialen Kontakte, Wohnumfeld, Freizeitinteressen erhoben. Netzwerke mit
lokalen Akteurinnen und Akteure der Flüchtlingshilfe werden geknüpft und Bedarfslücken geschlossen.
In der Nachbarschaft, im Quartier, in der Stadt? Räumlicher
Bezugsrahmen
Beratung und Vernetzung ist an die Nachbarschaft adressiert. Die Standorte der Büros
sind sichtbar im Stadtraum und richten sich explizit auch an die Aufnahmegesellschaft.
Vorsicht vor?
Stolpersteine und Konfliktpotentiale
Das gesellschaftliche Klima bezüglich der Zuwanderung Geflüchteter in Dortmund hat
sich gewandelt. Dies zeigt sich im Rückgang zivilgesellschaftlichen Engagements sowie
privater Wohnungsangebote. Die Fokussierung der Hilfsangebote auf die Gruppe der Geflüchteten wird vereinzelt als ungerechte Bevorteilung gesehen. Kosten für den Aufbau
und Betrieb dieser dezentralen Struktur sind vergleichsweise hoch.
Mindestens nötig?
Ressourcen, Gelingensbedingungen
und Erfolgskriterien
Für den Aufbau und Betrieb des Integrationsnetzwerks sind lokale Initiativen und ehrenamtliches Engagement unabdingbar. Eine ausreichende Ressourcenausstattung sowie
zentral gelegene, leicht zugängliche Räumlichkeiten sind elementar. Die behörden- und
amtsübergreifende Kooperation ist ebenso ein zentrales Erfolgskriterium.
Wie viel Zeit muss sein?
Umsetzungszeitraum und Zeitbedarf
In den letzten drei Jahren wurden die Strukturen ausgebaut und perspektivisch sollen
alle Stadtbezirke abgedeckt werden. Derzeit sind insgesamt fünf Standorte in Betrieb. In
Hinblick auf die Abnahme des Zuzugs Geflüchteter verschiebt sich die Thematik der Beratungsanfragen hin zu alltagspraktischen Fragen, wie bspw. dem Führerscheinerwerb,
der Steuerklärung u.Ä.
Nach dem Auszug aus den Gemeinschaftsunterkünften entfallen viele Beratungsleistungen und Integrationsange-bote ersatzlos.
Das Integrationsnetzwerk „lokal willkommen“ setzt hier an und unterstützt die Geflüchteten nach dem Bezug einer eigenen Wohnung bei der Integration im Quartier. In dezentralen Integrationsbüros, die allen im Stadtteil lebenden Menschen offenstehen,
bietet das Integrationsnetzwerk einzelfallbezogene Unterstützungsleis-tungen und informiert über integrative Angebote. Durch
aufsuchende Sozialarbeit sollen Probleme im Versor-gungssystem und infrastrukturelle Defizite erkannt und beseitigt werden.
Über die Vernetzung der lokal tätigen Akteurinnen und Akteure werden zudem vorhandene Ressourcen gebündelt, Synergien
erzeugt und Lücken im Angebot identifiziert und geschlossen. Dabei fokussiert sich die Arbeit zunächst auf die Stadtbezirke, die
in der jüngeren Vergangenheit wenig durch migrantischen Zuzug geprägt wurden und entsprechend geringere integrati-onsrelevante Erfahrungen und Infrastrukturen vorweisen. Perspektivisch sollen jedoch alle Stadtbezirke mit Integ-rationsbüros versorgt.
Mehr erfahren?
Ansprechpersonen, Links und
Literatur
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Homepage: https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/familie_und_soziales/
fluechtlinge_in_dortmund/lokal_willkommen/
Wohnraumversorgung und sozialräumliche Integration von Migrantinnen und Migranten
Impressum
Die Verwendung einer Sprache frei von Diskriminierung e inzelner Geschlechter
ist dem vhw – Bundesverband für W
ohnen und Stadtentwicklung e.V. ein
wichtiges Anliegen.
Der vhw präferiert hierfür die Verwendung weiblicher und männlicher
Schreibweisen sowie neutraler Ausdrucksformen.
Herausgeber:
vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.
Fritschestraße 27/28
10585 Berlin
Auftragnehmer:
ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH
Dr. Heike Hanhörster (Gesamtprojektleitung) und Dr. Isabel Ramos Lobato;
unter Mitarbeit von Simon Liebig
UrbanPlus
Dr. Christiane Droste (Teilprojektleitung) und Carina Diesenreiter
Wissenschaftliche Begleitung:
Dr. Anna Becker, vhw e. V.
Gestaltung / Druck:
Druckerei Franz Paffenholz GmbH, Bornheim
ISBN: 978-3-87941-802-2
Berlin, im Februar 2020
ID-Nr. 1982237
98 vhw
Impressum