12431 Berfassunggebende Preußische Landesversammlung 157. Sizung am 23. September 1920 12432
JEheverbot für Lehrerinnen und Beamtiunen] wird es ihnen möglich sein, zu ihrer Gleichberehtigung
= | = und vollen Menschenwürde zu gelangen.
JFrau Reichert, Fragestellerin (U. Soz.-Dem.)] (Beifall lin?3)
Daran ersehen Sie, daß die Gleichberehtigung von . |
den untergeordneten Regierungsstellen sabotiert wird, Vizepräsident Dr von Krie8: Das3- Wori zur
obwohl man sich jezt den Kopf darüber zerbricht =- wir Begründung der Großen Anfrage der Abgeordnetex
haben ja eben eine Aussprache darüber gehabt =-, wie Dr v. Krause (Ostpreußen) und Genossen, Drucksache
man die Sittlichkeit des Volkes heben kann: I< bin der Nr 1932, hat die Abgeordnete Frau Poehlmann.
Meinung, daß man, wenn man in dieser Richtung wirken . N
will, dazu in erster Reihe diejenigen Frauen heranziehen Frau Poehlmann, Fragestellerin (D. V.-P.):
foll, die beruflich zu Erzieherinnen der Jugend heran- Der Gegenstand, der auch unserer großen Anfrage zu-
gebildet sind; ihnen soll man die Möglichkeit geben, sih grunde liegt, ist shon von der Vorrednerin in ihren
einen Hausstand zu gründen und ihre eigenen Kinder zu Ausführungen über die Große Anfrage der Abgeordneten
erziehen, denn sie haben ja vor allen Dingen die größte Adolph Hoffmann und Genossen ausführlich behandelt
Fähigkeit, die Erziehung zu leiten. Wenn man es aber worden. Wir selbst haben zu dieser Frage des Ehever-
diesen gutbefähigten Frauen nicht ermöglicht, eigene bots für Lehrerinnen und Beamtinnen s<on in ver-
Familien zu gründen, dann sabotiert man nicht allein schiedenen Sikungen" des Hauses Stellung genommen, so
die Politik der Sittlichkeit, sondern auch die Bevölkerungs- daß es sich erübrigt, no<h sehr ausführlich auf die allge-
politik. Der Bevölkerungsaussc<huß beschäftigt sich tagtäglich meinen Gesichtspunkte einzugehen. Es ist Ihnen auch
mit der Frage, wie man den ungeheuren Verlust, den von der Frau Vorrednerin in der Begründung der An-
der Krieg uns gebracht hat, wettmachen kann, und dann frage Adolph Hoffmann und Genossen mitgeteilt worden,
wird diesen Frauen, die do< gewiß zu den geistig daß seit Einbringung unserer Anfrage vom 21. Februar
begabten gehören, die Möglichkeit genommen, eine Familie d. I. eine Änderung in der Auffassung der Regierung
zu gründen und auch zur Erhöhung der Bevölkerungs- vor sich gegangen ist. Nun ist es seit dex Ära
zahl beizutragen. Doismnn: ms STEN 5 ich eveute als
ür uns Frauen aber ist es ja weiter kein Wunder, Autorität auf einem Gebiet nennen hörte, auf denen er
daß die Herren in diesen nachgeordneten Regierungsstellen mir bisSher noc<h nicht bekannt war, nämlic< auf dem Be-
fich über diese Beschlüsse der Landesversammlung sowohl biete der „Liebes“"bäder.
Mee Reihen: eiues Diese Herren können (Heiterkeit)
ur<aus nicht begreifen, daß die moderne Frau endli : : NETT
einmal nach ihrer ganzen Persönlichkeit Gon nn nicht selten gewesen, daß aus dem Kultusmisterium Ver-
sein will, daß sie neben ihrem Beruf auch noch Hausfrau ordnungen und Erlasse herausgekommen und später zurüc-
und Mutter sein kann, daß eine Frau nicht nur dazu Ienommen worden sind, und so ist auch auf die ursprünglich
Ha ist, die Dienexin des Mannes zu sein. ablehnende Haltung der Preußischen Regierung zu der
Wir kragen alfo: verfassungsmäßig zugesicherten Freiheit der Lehrerinnen
; und anderen Beamtinnen in bezug auf die Eingehung
? Jit die Staatsregierung bereit, sofort die dem einer Ehe eine andere Stellungnahme erfolgt.
Beschluß vom 12. Dezember 1919 entsprechenden Die Frau Vorrednerin hat sich auf einen Erlaß
Anweisungen an die in Betracht kommenden vom Juni bezogen, hat aber einen etwas früheren vom
Behörden ergehen zu lassen? 8. Mai d. JI. nicht angeführt, der ungefähr desselben
Gedenkt die Staatsregierung den seit Inkraft- Inhalts ist. Sie hat auch nicht Bezug genommen auf
treten der Reichsverfassung wegen Verheiratung eine Reihe von Richtlinien, die in den leßten Tagen aus
entlassenen Lehrerinnen und Staat8beamtinnen dem Reichsministerium an die Preußische Regierung er-
die Möglichkeit zu geben, wieder in ihr Amt gangen sind und durc< welhe die Durchführung der
einzutreten? Gleichberechtigung bei der Verheiratung von Beamtinnen
Steht die Staatsregierung auf dem von den gesichert werden soll. Da heißt es, daß alle Geste,
Geheimräten Leist und Gührig im Ministe- welche gegen den genannten Artikel der Reichsverfassung
rium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung verstoßen == das ist bekanntlich Artikel 128, Abs. 2 --,
vertretenen Standpunkt, daß der Beschluß der (“bald aufzuheben sind und daß dem Antrag der Be-
Preußischen Landesversammlung vom 12. De- amtin auf Versezung an den Wohnort des Chemannz2
zember 1919, betreffend Aufhebung des Ehe- tunli<h nachzukommen ist, daß ihre Versekung gegen ihren
verbotes usw, von ihr nicht zu genehmigen sei? Willen möglichst vermieden werden soll, daß in eine
Bejahendenfalls, worauf stüßt sie sich mit dieser zugewiesene Dienstwohnung die Beamtin ihren Chemann
ihrer Auffassung? und ihre Kindex aufnehmen darf, und daß die Beamtin,
| u wenn das Wohnen in den Diensträumen aus sachlichen
Auf diese Anfrage, die ja schon einmal in kleiner Form Gründen nicht geboten ist, gegen Schadloshaltung auf
gestellt war, ohne daß eine Besprechung möglich war, ist die Dienstwohnung verzichten kann. ES sind ferner "be-
ja dieser Runderlaß des Ministers erschienen, und troßdem sondere Diensterleichterungen für den Fall der Nieder-
sicht man in der täglichen Praxis, daß die Gleich- kunft vorgesehen, die erfreulicherweise so weit gehen, daß,
berechtigung nicht dur<geführt wird. Man sieht, daß die wenn die Beurlaubung der Beamtin aus Anlaß ihrer
Revolution recht hatte, als. sie überall aus den Büros Entbindung im ganzen acht Wochen nicht übersteigt, diese
die alten reaktionären Geister austrieb, , um eine neue Zeit bis höchstens acht Wochen den Anspruch auf den
Zeit erstehen zu lassen. Das entsprang dem richtigen jährlichen Erholungsuürlaub nicht s<mälern darf. Es ist
Empfinden des Volkes, daß die Menschen, die in diesen also eine zufriedenstellende und weitgehende Rücksichtnahme
Ämtern siken, die neue Zeit nicht begreifen können und auf die weiblichen Beamten und die Schwierigkeiten, die
auch nicht mebr begreifen werden. DeShalb rufe ich den sich naturgemäß aus den Fällen ergeben, wo sie ihrer
Frauen zu: nur dadurch, daß sie selbst mit in den Kampf Entbindung entgegensehen, festzustellen.
eintreten gegen alle Bestrebungen, sie zu unterdrücken Den früheren ausführlichen Erörterungen der Sache
und dem Manne gegenüber als minderwertig darzustellen, selbst, des Eheverbots für Lehrerinnen und Beamtinnen,
157. Sitg Lande3Sver]. 1919/20 812*