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XI. Die Touristin

Full text: Das weibliche Berlin / Beaulieu, Gertraut Chales de (Public Domain)

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darin nicht schon die Gewähr, daß sie es nicht über— 
treiben könne und bald wiederkehren werde? Sie dachte: 
einmal ist keinmal, und unternahm eine Pfingstfahrt 
nach der sächsischen Schweiz. Dort traf sie Leute, die 
schon weiter gereist waren, als sie. Die fragten: ob sie 
die wirkliche, die große, die Schweizer Schweiz schon ge— 
jehen? N—ein! Tante Mi wurde rot und stotierte, als 
sie das sagte. 
Sie waren noch nicht in der Schweiz? Gab es noch 
Menschen, welche die wirkliche Schweiz nicht kannten? 
Unglaublich! Eine Dame, die den Tell gelesen und noch 
nicht auf dem Rütli gestanden? — Tante mußte sich 
schuldig bekennen. 
O, dann sei es ihre heiligste Pflicht, gleich hinzu— 
reisen. Im August und September wäre überdies die 
klarste Aussichtszeit. 
Mi kehrte mit ihrem harmlosen Rückfahrschein heim 
und hatte einen aufrührerischen Entschluß gefaßt. Er rief 
einen Sturm der Entrüstung hervor: „Du, du willst 
eine so weite Reise unternehmen? In deinem Alter! 
Dir wird sicher etwas zustoßen. Im vergangenen Jahre 
herrschte die Influenza in Luzern, vor einigen Jahren 
war ein Erdbeben in Nizza, vor noch längerer Zeit 
wurden in der Schweiz ganze Ortschaften verschüttet, 
durch Bergrutsch; Lawinen kommen überhaupt jeden 
Augenblick von der Jungfrau herabgerollt, wie sich 
Perlen vom Halsband einer Schönen lösen. Wir wer— 
den wahrscheinlich im Sommer Krieg bekommen mit 
Rußland, mit Frankreich, einen Weltkrieg, dazu Revo— 
lution und die Cholera.“
	        
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