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an Stirn und Wangen ein. Sie sah aus, wie ein wohl⸗
konserviertes porzellanenes Zierfigürchen aus der ersten
Hälfte des Jahrhunderts, aus der Zeit der geistreichen
Frauen Berlins, aus der Zeit der dünnen Thees und
noch dünneren Butterbrote. An ihrem Anzuge konnte
man die Tracht der vierziger Jahre studieren, der Jahre,
in denen sie jung gewesen war. Ihre blauen Augen
— blau wie der Himmel an einem hellen klaren Winter⸗
tage — überflogen falkengleich die Versammlung; sie
wollte sehen, ob man sie bemerke, ob man bei ihrem
Anblick die Köpfe zusammenstecke und tuschle: „das ist
siel“ Als es geschah, freute sie sich darüber mit einer
kindlichen Naivetät, die sie verschönte.
Ich hatte den Platz ihr gegenüber bekommen und
konnte sie daher gut beobachten. Von der Gelehrsamkeit
ihres Vaters hatte nicht viel bei ihr abgefärbt, ja sie
befand sich oft über heute Selbstverständliches in Un—
wissenheit. Dadurch hatten die Fremden Gelegenheit, sie
zu belehren und sich intelligent und sehr „accomplished“
vorzukommen, und Meta hörte die Erklärungen so liebens—
würdig aufmerksam an, daß es ihr ganz das Herz der
Fremden gewann. Englisch und Französisch sprach sie
fließend, das Haus des Professors war ein geselliges
gewesen, es hatten dort viele vornehme Ausländer
verkehrt.
Hin und wieder aber blitzte sie in all die Kindlich—
keit und Zuthulichkeit mit einem scharfen Worte hinein,
welches bewies, daß sie trotz anscheinender Harmlosigkeit
innerlich kritisch und spöttisch gestimmt war, und sich ein
paar Tausend Meter höher fühlte, als all die anderen