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VII. Die einzelne Frau

Full text: Das weibliche Berlin / Beaulieu, Gertraut Chales de (Public Domain)

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an Stirn und Wangen ein. Sie sah aus, wie ein wohl⸗ 
konserviertes porzellanenes Zierfigürchen aus der ersten 
Hälfte des Jahrhunderts, aus der Zeit der geistreichen 
Frauen Berlins, aus der Zeit der dünnen Thees und 
noch dünneren Butterbrote. An ihrem Anzuge konnte 
man die Tracht der vierziger Jahre studieren, der Jahre, 
in denen sie jung gewesen war. Ihre blauen Augen 
— blau wie der Himmel an einem hellen klaren Winter⸗ 
tage — überflogen falkengleich die Versammlung; sie 
wollte sehen, ob man sie bemerke, ob man bei ihrem 
Anblick die Köpfe zusammenstecke und tuschle: „das ist 
siel“ Als es geschah, freute sie sich darüber mit einer 
kindlichen Naivetät, die sie verschönte. 
Ich hatte den Platz ihr gegenüber bekommen und 
konnte sie daher gut beobachten. Von der Gelehrsamkeit 
ihres Vaters hatte nicht viel bei ihr abgefärbt, ja sie 
befand sich oft über heute Selbstverständliches in Un— 
wissenheit. Dadurch hatten die Fremden Gelegenheit, sie 
zu belehren und sich intelligent und sehr „accomplished“ 
vorzukommen, und Meta hörte die Erklärungen so liebens— 
würdig aufmerksam an, daß es ihr ganz das Herz der 
Fremden gewann. Englisch und Französisch sprach sie 
fließend, das Haus des Professors war ein geselliges 
gewesen, es hatten dort viele vornehme Ausländer 
verkehrt. 
Hin und wieder aber blitzte sie in all die Kindlich— 
keit und Zuthulichkeit mit einem scharfen Worte hinein, 
welches bewies, daß sie trotz anscheinender Harmlosigkeit 
innerlich kritisch und spöttisch gestimmt war, und sich ein 
paar Tausend Meter höher fühlte, als all die anderen
	        
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