Klima-Report
Bayern 2021
Klimawandel, Auswirkungen,
Anpassungs- und
Forschungsaktivitäten
www.klima.bayern.de
Klima-Report Bayern 2021
Vorwort
3
Zusammenfassung
4
Summary
6
1 Klimapolitik
8
2 Der Mensch und das Klimasystem
2.1 Grundlagen
2.2 Anthropogener Klimawandel: Kohlenstoffkreislauf
2.3 Nachhaltiges Kohlenstoff-Management
2.4 Der Weg vom globalen Klimaproblem zum Bayern-Ensemble
14
15
17
20
27
3 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3.1 Temperatur
3.2 Niederschlag
3.3 Extremwetterereignisse
32
35
41
45
4 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.1 Wasserwirtschaft
4.2 Landwirtschaft
4.3 Wald und Forstwirtschaft
4.4 Naturschutz
4.5 Bodenschutz und Georisiken
4.6 Menschliche Gesundheit
4.7 Katastrophenschutz
4.8 Raumordnung
4.9 Städtebau/Bauleitplanung
4.10 Bauwesen
4.11 Straßenbau und Verkehr
4.12 Energiewirtschaft
4.13 Industrie und Gewerbe
4.14 Tourismus
4.15 Finanzwirtschaft
4.16 Klimawandel im Alpenraum
48
53
68
78
94
101
113
126
127
130
138
141
149
154
156
162
167
5 Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung
174
6 Literaturverzeichnis
178
Anhang
186
Glossar
190
Vorwort
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser!
Wie verläuft der Klimawandel in Bayern? Wo sind
seine Auswirkungen spürbar und wie kann sich
Bayern anpassen? Der Klima-Report Bayern 2021
gibt Antworten auf diese Fragen. Er liefert einerseits
einen spezifischen Überblick darüber, wie sich
Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Forschung in
Bayern konkret im Angesicht des Klimawandels
verändern. Andererseits informiert er über ausgewählte Aktivitäten und Maßnahmen, wie Bayern
dem Klimawandel aktuell begegnet.
Der Klima-Report enthält gute Nachrichten: mit dem
Pariser Übereinkommen von 2015 wurde auf Ebene
der internationalen Klimaverhandlungen eine vertragliche Struktur geschaffen, um die gemeinsamen
europäischen und bayerischen Wertevorstellungen
durch entschlossenes politisches Handeln proaktiv
durchzusetzen: der Anstieg der globalen Mitteltemperatur muss deutlich unter 2 °C begrenzt werden.
Dies ist ein Gebot des Vorsorgeprinzips. Bayern
bekennt sich in der Bayerischen Klimaschutzoffensive zum Handeln: spätestens in 30 Jahren – also
2050 – soll Bayern klimaneutral sein. Im Netto sollen
die Treibhausgasemissionen also auf null gesenkt
werden. Die bayerische Staatsverwaltung soll dieses
Ziel bereits im Jahr 2030 erreichen.
Klimaschutz ist eine Gesellschaftsaufgabe. Eine
nachhaltige Entwicklung bringt die drei Komponenten – Umwelt, Wirtschaft und Soziales – systematisch in Einklang. Es gilt dabei, die technologische
und wirtschaftliche Stärke Bayerns für Zwecke
des Umweltschutzes zu nutzen. Eine ambitionierte
Klimapolitik bietet einen verlässlichen Rahmen
für Umweltinnovationen. Sie sichert Bayern ökonomische Wertschöpfung aus Zukunftstechnologien.
Gleichzeitig erlaubt sie den Menschen und Unternehmen Planungssicherheit auf dem Weg zu einer
klimaneutralen Gesellschaft.
Klimaschutz steht ganz oben auf der politischen
Agenda. Die Chancen ambitionierter klimapolitischer
Gesetzgebung und des europäischen „Green Deal“
sind immens. Der Green Deal kann Kern einer
europäischen Wachstumsstrategie sein, die den
Weg zu einer klimaneutralen, modernen, ressourcen
effizienten, wettbewerbsfähigen, fairen und wohlhabenden Union weist.
Ein herzliches Dankeschön geht an das Bayerische
Landesamt für Umwelt für die Erstellung des
Klima-Reports Bayern 2021 sowie an alle Autorinnen
und Autoren und Institutionen für ihre wertvollen
Beiträge.
Ihr
Thorsten Glauber, MdL
Bayerischer Staatsminister für
Umwelt und Verbraucherschutz
3
4
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der Klima-Report Bayern 2021 ist in fünf Kapitel
gegliedert. Er berichtet über bayernweite Entwicklungen des Klimawandels. Er veranschaulicht die
Dimension der menschlichen Eingriffe in das Klimasystem sowie die Möglichkeiten, die sich für Europa
und Bayern auf Basis der bestehenden politischen
Beschlusslage zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ergeben. Der Report beschreibt ausführlich die Auswirkungen des Klimawandels in Bayern,
Möglichkeiten, negative Auswirkungen durch
Anpassung zu begrenzen, und Ergebnisse aktueller
Forschung.
Die Klimapolitik (Kap. 1) eröffnete mit dem Pariser
Übereinkommen vom Dezember 2015 eine dynamische Phase verstärkten politischen Handelns –
auf internationaler, europäischer, nationaler und
bayerischer Ebene. Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur soll deutlich unter 2 °C begrenzt werden
und Anstrengungen sollen unternommen werden,
den Temperaturanstieg unter 1,5 °C zu begrenzen
(2-Grad-Obergrenze). Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die zugesagten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) aller Vertragsparteien zum Pariser
Übereinkommen sukzessive gesteigert werden.
Bayern unterstützt mit der Bayerischen Klimaschutzoffensive und einem zielgerichteten Maßnahmenpaket (Zehn-Punkte-Plan) im Rahmen seiner
gesetzgeberischen Kompetenzen eine am Pariser
Übereinkommen orientierte Klimapolitik.
Der Mensch und das Klimasystem (Kap. 2) stellen
spätestens seit der Industrialisierung eine wechselseitige Veränderungsgemeinschaft dar. Als Konsequenz der Industrialisierung ist der seit etwa 10.000
Jahren vorherrschende stabile Zustand des Klimasystems heute gefährdet. Es besteht für uns aber
auch die Chance, unsere technologischen Möglichkeiten gezielt zu nutzen, um durch ein nachhaltiges
Kohlenstoff-Management im Sinne des Vorsorgeprinzips die heutigen natürlichen Lebensgrundlagen auch
für künftige Generationen zu schützen. Ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management zielt vorrangig darauf
ab, CO2-Emissionen zu vermeiden. Negative Emissionen können ergänzend dazu beitragen, das
Klimasystem zu stabilisieren und dabei die Lebensund Konsumrealität der Menschen berücksichtigen.
Das Klima in Bayern (Kap. 3) verändert sich –
Bayern befindet sich mitten im Klimawandel. Die
Temperaturen zwischen 1951 und 2019 weisen
einen Erwärmungstrend von 1,9 °C auf. Dieser Trend
würde sich ohne Klimaschutz bis Ende des Jahrhunderts sogar weiter beschleunigen. Ohne Klimaschutz
würde die bayerische Mitteltemperatur wahrscheinlich um etwa 3,8 °C gegenüber dem Zeitraum
1971–2000 ansteigen. Im Falle einer erfolgreichen
weltweiten Umsetzung des Pariser Übereinkommens würde der in Bayern beobachtete Erwärmungstrend hingegen innerhalb weniger Jahrzehnte
deutlich abgeschwächt werden. Spätestens ab 2050
würde die mittlere Jahrestemperatur Bayerns nicht
mehr nennenswert ansteigen, mit einem stabilen
künftigen Erwärmungsniveau von etwa 1,1 °C
gegenüber dem Zeitraum 1971–2000.
Bei den Niederschlagsmengen wurde in der Vergangenheit eine leichte Umverteilung der innerjährlichen
Niederschläge beobachtet, mit etwas geringeren
Niederschlagsmengen im Sommerquartal (Juni–Aug.)
und, ausgleichend hierzu, etwas höheren Niederschlagsmengen in Herbst-, Winter- und Frühjahrsquartal. Bayern muss sich insgesamt auf zunehmende Herausforderungen aus Extremwetterereignissen
wie Starkregen und Dürre einstellen. Die Änderungen des Klimas führen zu konkreten Auswirkungen
auf verschiedene Bereiche der bayerischen Umwelt,
Gesellschaft und Wirtschaft.
Auswirkung und Anpassung (Kap. 4) an die Folgen
des Klimawandels werden auszugsweise anhand der
Handlungsfelder der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie von 2016 diskutiert. Inhaltliche Zusammenfassungen finden sich in den „Kurz gesagt“-Rubriken
am Textanfang der Kapitel 4.1–4.16. Folgende
Themenschwerpunkte werden dort aufgeführt:
Wasserwirtschaft: Niedrigwassermanagement,
Trinkwasserversorgung, gewässerökologischer
Zustand, Schutz vor Hochwasser und Starkregen,
Landwirtschaft: Pflanzenverfügbares Wasser und
Bewässerung,
Wald- und Forstwirtschaft: Baumarten und Waldschutzrisiken, Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen, „Faktor Mensch“,
Zusammenfassung
Naturschutz: Artenvielfalt und Artenzusammensetzung,
Bodenschutz und Georisiken: Bodenabtrag von
Ackerflächen, Moorböden, Georisiken,
Menschliche Gesundheit: Nichtinfektiöse Krankheiten, Infektionskrankheiten, Allergene und Toxine,
Raumordnung: Schutzgut Klima und Luft,
Städtebau/Bauleitplanung: Hitzebelastung in
Städten, Hochwasser- und Starkregengefahr in
Städten,
Bauwesen: Schäden an Gebäuden, Innenraumklima,
Straßenbau und Verkehr: Binnenschifffahrt,
Schienenverkehr, Straßenverkehr, Luftverkehr,
Energiewirtschaft: Rohstoffimport und Stromübertragung, Photovoltaik-Anlagen und Windenergienutzung, Wasserkraftwerke, Energie aus Biomasse,
Industrie und Gewerbe: Wärmeeinleitung in
Gewässer,
Tourismus: Schneebasierter Wintertourismus,
Sommertourismus,
Finanzwirtschaft: Schäden an privaten Wohngebäuden, globale Klimarisikoversicherungen,
Klimawandel im Alpenraum: Entwicklung von
Schneedecke und Eisflächen, Entwicklung von
Permafrost, Umweltforschung an der Zugspitze.
Beiträge im sogenannten „Exkurs Forschung“
geben darüber hinaus einen Einblick in aktuelle
bayerische Forschungsarbeiten.
Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung
(Kap. 5) bilden als Begriffe im Kontext des Klimaproblems folgende Ausgangslage: laut internationaler
Vertragslage und dem Bayerischen Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 soll der Wandel des Klimas im
Rahmen des Vorsorgeprinzips begrenzt werden
(2-Grad-Obergrenze). Das Vorsorgeprinzip muss als
Maßstab staatlichen Gestaltens herangezogen
werden, da die Risiken des Klimawandels andernfalls
zunehmend unüberschaubar und unbeherrschbar
wären. Der Staat kann durch ambitionierte steuerungspolitische Maßnahmen eine Transformation
einleiten, um im Rahmen einer nachhaltigen Wachstumsdynamik ein klimaneutrales Leben und Wirtschaften in Wohlstand zu ermöglichen.
5
6
Summary
Summary
The „Bavarian Report 2021 on the Climate“ is
organized in five chapters. It reports about the
course of climate change in Bavaria. It illustrates
the scale of human interference with the climate
system and opportunities that arise from the existing
policy framework for sustaining natural resources
and for improving the human environment. The
report describes impacts of climate change in
Bavaria, chances and limits to adaptation and results
of current research activities.
Climate policy (Chap. 1) initiated, with the adoption
of the Paris Agreement in 2015, a dynamic phase of
progressive political action – on the international,
European, national and Bavarian level. Holding the
increase in the global average temperature to well
below 2 °C above pre-industrial levels and to pursue
efforts to limit the temperature increase to 1.5 °C
has become the common goal of the international
community. In order to achieve this goal, the Parties
committed to progressive negotiations of the
Nationally Determined Contributions (NDCs). Bavaria
adopted targeted measures to support precautionary
climate policies that are aligned with the Paris
Agreement.
People and the climate system (Chap. 2) have
become one single interwoven system of cause
and effect. As a result of the industrial revolution,
stability of the climatic conditions prevailing for more
than 10,000 years is endangered. However, when
harnessing technological opportunities for sustainable carbon management strategies we can sustain
the natural environment in a precautionary attitude
and improve the human environment for present and
future generations. Sustainable carbon management
aims dominantly to reduce anthropogenic greenhouse gas emissions at its sources. Negative
emissions can enable precautionary climate
protection in a complementary manner under
special consideration of the current lifestyle and
consumption patterns of the people.
The Climate in Bavaria (Chap. 3) changes – Bavaria
experiences climate change. The historic temperature
changes show a warming trend of 1.9 °C between
1951 and 2019. This trend would even accelerate
without mitigation policies until the end of this
century. Without mitigation policies, the Bavarian
average temperature is projected to increase by
3.8 °C above 1971–2000 mean levels. In case of a
successful and full implementation of the Paris
Agreement, however, the warming trend would be
significantly alleviated. After 2050 at latest, the
Bavarian average temperature would not rise notably
anymore, stabilizing at a warming level of around
1.1 °C above 1971–2000 levels.
For precipitation, past changes exhibit a slight (but
significant) trend with decreasing precipitation
levels in summer. This seasonal trend was counterbalanced by slight (and non-significant) increases of
precipitation levels in autumn, winter and spring. For
the future, Bavaria will have to cope with increasing
challenges from extreme weather events like heavy
rainfall and drought. Climate change leads to specific
impacts on diverse aspects of the Bavarian environment, society and economy.
Impacts and adaptation (Chap. 4) are addressed in
the main part of the report. The topics discussed are
organised in accordance with the fields of action of
the Bavarian strategy 2016 on climate adaptation
(BayKLAS 2016). They comprise:
Water management: low-water management,
drinking water supply, water ecology, flood and
heavy rainfall protection,
Agriculture: water availability and irrigation,
Forests and forestry: tree species and forest
protection, ecosystem services, “people factor”,
Nature conservation: biodiversity and species
composition,
Soil protection and geo-risks: soil erosion of arable
lands, peatlands, geo-risks,
Human health: non-infectious diseases, infectious
diseases, allergens and toxins,
Summary
Spatial planning: protective goods climate and air,
Urban development: heat stress in cities, flood
and heavy rain risks in cities,
Construction: damages to buildings, indoor climate,
Transportation infrastructure: inland navigation,
rail transport, road transport, air transport,
Energy supply: Resource import and power
transmission, photovoltaics and wind energy,
hydropower, energy from biomass,
Industry and trade: Heat discharge into water
bodies,
Tourism: Snow-based winter tourism, summer
tourism,
Financial sector: damages to buildings, climate risk
insurance,
Climate change in the Alps: Changes in snow
and ice cover, changes of permafrost conditions,
environmental research at the Zugspitze.
Furthermore, current Bavarian impact and adaptation
research activities are presented in dedicated
sections (“Exkurs Forschung”).
Change, adaptation and transition management
(Chap. 5) are decisive terms in the formulation of
the climate problem: according to international
treaties and the Bavarian climate law of 23.11.2020
the change of the climate should be limited by
applying the precautionary principle in policy making.
The precautionary principle is to be applied because
otherwise the risks of climate change would be
increasingly unmanageable. The state can initiate
and guide the necessary transition by ambitious
mitigation policies, which in turn foster sustainable
growth, a low emissions economy on its way
towards net-zero emissions and a prosperous
society that respects planetary guard rails.
7
1 Klimapolitik
1
Klimapolitik
Abb. 1: Teilnehmer der 21. Weltklimakonferenz in Paris (COP21). Die internationalen Klimaverhandlungen sind als ein über viele Jahrzehnte
währender Prozess zu verstehen, der laut Pariser Übereinkommen sukzessiv verstärkte weltweite Klimaschutzanstrengungen
weiter vorantreiben soll.
Klimapolitik ist ein einzelner Baustein staatlichen
Gestaltens auf dem Weg zu einer nachhaltigen
Entwicklung Bayerns. Im Jahre 1972 wurde in
Stockholm erstmals auf Ebene der Vereinten Nationen (UN) eine Konferenz über die Umwelt des
Menschen abgehalten. 113 Nationen bekannten sich
in einer wegweisenden gemeinsamen Erklärung auf
eine gemeinsame Perspektive und gemeinsame
Prinzipen, welche den Erhalt und die Verbesserung
der menschlichen Umwelt anleiten sollen [1]. Dabei
umfasste der Begriff menschliche Umwelt sowohl
die natürliche als auch die vom Menschen selbst
geschaffene Umwelt. Zudem wurden wesentliche
Eckpfeiler nachhaltiger Entwicklung benannt. Die
natürlichen Lebensgrundlagen sollen für heutige und
künftige Generationen durch sorgfältige Planung und
Steuerung geschützt werden (Prinzip 2, UN, 1972).
Gleichzeitig ist eine voranschreitende ökonomische
und soziale Entwicklung eine wesentliche Grundbedingung, um die Lebensqualität des Menschen zu
verbessern (Prinzip 8, UN, 1972). Man stellte ferner
fest, dass eine wachsende Anzahl an Umweltproblemen von globalem oder zumindest internationalem
Ausmaß ist. Daher wurde für die Umsetzung von
Nachhaltigkeitszielen einerseits die lokale Akzeptanz
der jeweiligen Verantwortung von Bürgern, Unternehmen und Institutionen als entscheidend angesehen,
andererseits aber auch eine umfassende, am Gemeinwohl orientierte internationale Zusammenarbeit.
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung fand in
den vergangenen Jahrzehnten im Zuge eines
gemeinsamen Such- und Lernprozesses zunehmende Verbreitung in Wissenschaft, Zivilgesellschaft,
bei Unternehmen und in der Politik [2]. Ein nun
weitgehend etablierter inner- und zwischenstaatlicher Konsens über konkrete Ziele einer nachhaltigen
Entwicklung ermöglicht dabei einen verstärkten
Fokus auf Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele.
Hierzu nahm Bayern 2017 in der Fortschreibung
der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie konkrete
Impulse der 2015 verabschiedeten Internationalen
Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development
Goals – SDGs) auf [3].
Der anthropogen verursachte Klimawandel wirkt sich
ursächlich auf zahlreiche Nachhaltigkeitsziele Bayerns
aus. Er ist eine der gewaltigsten Herausforderungen
für die Menschheit des 21. Jahrhunderts [3].
Internationale Klimapolitik
Im Dezember 2015 einigten sich auf der Pariser
Klimakonferenz (COP21) 195 Staaten erstmals auf
ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites
Übereinkommen. Das Pariser Übereinkommen
umfasst in Artikel 2 unter anderem:
9
10
Klimapolitik
• Das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C gegenüber
vorindustriellen Werten zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg unter
1,5 °C zu begrenzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollen in der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts im Netto global keine
Treibhausgasemissionen mehr vom Menschen
ausgestoßen werden, d. h. eventuelle Emissionen
müssen durch negative Emissionen vollständig
ausgeglichen werden (z. B. durch aufgeforstete
Wälder, vgl. Kap. 2.3). Eine Kompensation von
Treibhausgasemissionen durch negative Emissionen
erhöht grundsätzlich die im Rahmen der 2-GradObergrenze erlaubte Gesamtmenge an Emissionen
(Kap. 2.2).
Im Zuge des Pariser Übereinkommens haben die
jeweiligen Nationen sowie die Europäische Union
(EU) nationale Klimaschutzpläne (sog. Nationally
Determined Contributions – NDC) vorgelegt. In
Summe reichen diese noch nicht aus, um den
Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf unter 2 °C
zu begrenzen [4]. Daher einigte man sich in der
Pariser Übereinkunft darauf, im Jahr 2020 sowie alle
darauffolgenden fünf Jahre neue nationale Klimaschutzpläne einzureichen, welche tendenziell eine
Steigerung der Zusagen der jeweils vorherigen
Klimaschutzpläne enthalten sollen (Artikel 3 und 4).
Im Zuge der aktuellen Corona-Pandemie wurde die
progressive Nachverhandlung der NDCs auf November 2021 verschoben (COP26 in Glasgow).
Im Hinblick darauf, eine nachhaltige Entwicklung
insgesamt zu befördern, wurde im Pariser Übereinkommen (Artikel 7) unter anderem das Ziel festgeschrieben,
• Die globale Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu erhöhen und die Verwundbarkeit
gegenüber dem Klimawandel zu vermindern.
Entwicklungsländer werden hierzu weiterhin
und in gesteigertem Umfang internationale
Unterstützung erfahren.
Europäische und Nationale Klimapolitik
Deutschland und Bayern werden in den internationalen Klimaverhandlungen durch die Europäische Union
vertreten.
• Im Klimaschutzbeitrag (NDC) zum Pariser Übereinkommen verpflichtet sich die EU als Gemeinschaft
dazu, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um
mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu
senken.
Gemeinsam mit sieben Staaten außerhalb der EU
hat die Europäischen Union somit die weltweit
ambitionierteste Reduktionsquote als Klimaschutzbeitrag eingereicht.
ie klimapolitischen Ambitionen von Deutschland und Bayern
D
werden wegweisend durch europäische Instrumente und
Rechtsvorschriften gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union bestimmt.
Im Jahr 2009 setzte sich die EU das Langfristziel, bis
2050 die Treibhausgasemissionen um 80 – 95 Prozent
zu senken. Ende 2018 legte die Europäische Kommission ein Impulspapier vor: „Ein sauberer Planet
für alle – Eine Europäische strategische, langfristige
Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ [5]. Diese
Strategie zeichnet Wege, bei welchen im Rahmen
eines sozial gerechten Wandels von Wirtschaft und
Gesellschaft bereits zum Jahr 2050 im Netto keine
Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Im
Klimapolitik
Dezember 2019 folgte der Fahrplan eines „European
Green Deal“ [6]. Darauf basierend hat die EU-Kommission im März 2020 einen Vorschlag vorgelegt,
das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in einem
Europäischen „Climate Law“ zu verankern. Im
September 2020 zeigte die Europäische Kommission
in einem Bericht die Folgen und Chancen auf, die
sich ergeben, wenn die EU als Gemeinschaft ihre
Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens
55 Prozent gegenüber 1990 verringert. Mit einer so
verschärften Reduktionsquote wäre die EU künftig
auf einem Entwicklungspfad, wie er im Durchschnitt
über alle Nationen der Erde notwendig wäre, um
den Anstieg der globalen Erwärmung (kosten-effektiv) auf etwa 1,7 °C zu begrenzen (basierend auf
Zahlen des UN Emissions Gap Report 2019 [4]). Die
Europäische Union zeigt sich also entschlossen, eine
europäische vorsorgeorientierte politische Rationalität im Sinne der europäischen Werte und Interessen
zu gewährleisten. Die Frage, die sich in diesem
Zusammenhang stellt und die von der Kommission
noch zu beantworten sein wird, ist die nach dem
Zusammenspiel von Europäischem Emissionshandel
und dem Nicht-ETS-Bereich und der Verteilung der
Emissionsminderungsverpflichtungen auf die
einzelnen Mitgliedstaaten sowie nach konkreten
Maßnahmen zur Erreichung der Ziele. Bayern
begrüßt grundsätzlich die ambitionierten Impulse der
Europäischen Kommission auf dem Weg zu einer
wohlhabenden, modernen, wettbewerbsfähigen,
gerechten und klimaneutralen Europäischen Union.
Die von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam initiierten
europäischen Klimaschutzziele, die darauf basierenden europäischen Klimaschutzinstrumente (z. B. das
europäische Emissionshandelssystem) sowie die für
die Mitgliedsstaaten verbindlichen Rechtsvorschriften zur Reduktion von Treibhausgasemissionen
(gemäß der sog. „Lastenteilungsentscheidung“)
sind kausal maßgeblich, um den europäischen Anteil
an der Störung des Klimasystems zu verringern.
Bayern setzt sich weiterhin dafür ein, dass die
nationale Gesetzgebung geeignete Instrumente zur
Umsetzung der rechtsverbindlichen nationalen
Klimaschutzverpflichtungen Deutschlands erwirkt.
Bayerische Klimapolitik
Im Bayerischen Klimaschutzgesetzes vom 23.11.2020
• setzt sich Bayern zum Ziel, die Treibhausgasemissionen je Einwohner bis zum Jahr 2030 um
mindestens 55 Prozent zu senken, bezogen auf
den Durchschnitt des Jahres 1990. Spätestens
bis zum Jahr 2050 soll Bayern klimaneutral sein.
• Die Bayerische Staatsverwaltung soll spätestens
ab dem Jahr 2030 klimaneutral sein. Verbliebene
Treibhausgasemissionen sollen mit geeigneten
Maßnahmen zugunsten des Klimaschutzes
ausgeglichen werden (Kompensationsmaßnahmen).
• Die Staatsregierung stellt ein Bayerisches Klimaschutzprogramm mit Maßnahmen zur Erreichung
der Ziele des Klimaschutzgesetzes auf. Dieses
sowie eine Strategie zur Anpassung an die Folgen
des Klimawandels werden regelmäßig fortgeschrieben.
as Bayerische Klimaziel der Klimaneutralität bis spätestens
D
2050 steht im Einklang mit dem „European Green Deal“.
Bayern unterstützt im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten
(Zehn-Punkte-Plan) eine am Pariser Übereinkommen
orientierte Klimapolitik.
11
12
Klimapolitik
Die im November 2019 vom Bayerischen Kabinett
beschlossene Klimaschutzoffensive (Zehn-PunktePlan mit rd. 100 Maßnahmen) ergänzt und unterstützt die nationale und europäische Gesetzgebung
zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen
insbesondere in jenen Bereichen, in welchen regionale Fragestellungen und Perspektiven besonders
zur Geltung kommen sollen. Der Zehn-Punkte-Plan
basiert auf den drei bewährten Säulen der Bayerischen Klimapolitik: der Minderung von Treibhausgasen, der Anpassung an die Folgen des Klimawandels
sowie der Forschung und Entwicklung. Der ZehnPunkte-Plan umfasst folgende zehn Handlungsschwerpunkte, die im Rahmen der jeweils verfügbaren Stellen und Mittel umgesetzt werden:
• Umbau des Waldes: Die bayerischen Wälder
sollen auf Basis aktueller wissenschaftlicher
Erkenntnisse über die jeweiligen Klimarisiken
verschiedener Baumarten an die künftigen klimatischen Bedingungen angepasst werden. Somit
wird ihre Funktion als Kohlenstoff-Speicher,
Rohstoff-Quelle, Lebensraum für diverse Ökosysteme und als Erholungsraum für die Bürger
erhalten.
• Renaturierung der Moore: Durch die Renaturierung und die angepasste Nutzung von Mooren
(und Auenlandschaften) sollen deren vielfältige
Funktionen beispielsweise als Kohlenstoff-Speicher,
als Puffer bei Hoch- und Niedrigwasser und als Hort
der Artenvielfalt erhalten bleiben.
• Schutz des Wassers: Die Ressource Wasser soll
auch unter Berücksichtigung der erwarteten
Folgen des Klimawandels angemessen genutzt
werden. Eine sichere Trinkwasserversorgung,
nachhaltige und umweltgerechte Bewässerungskonzepte, Wasserkraftnutzung sowie intakte
Ökosysteme sollen gewährleistet werden. Ebenso
wird das Risikomanagement bei Hochwasser und
Starkregen weiterhin vorausschauend angepasst.
• Klimaschonende Landwirtschaft, Ökolandbau
und Ernährung: Neue Impulse für eine klimaangepasste und klimaschonende Landwirtschaft
werden gesetzt durch eine verstärkte Förderung
und den Ausbau des Ökolandbaus, eine Intensivierung der Forschung und Beratung, ein Förderprogramm zum Humuserhalt und -aufbau sowie
durch ein Moorbauernprogramm.
• Innovationen: Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise wird eine bayerische
Bioökonomiestrategie entwickelt und umgesetzt.
Innovationen werden u. a. durch den Ausbau des
Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern zum „Clean
Tech-Hub für Kreislaufwirtschaft der Zukunft“
angeregt. Behörden und Universitäten werden
verstärkt unterstützt, um durch Klimaforschung
die Folgen des Klimawandels abzuschätzen und
Anpassungsoptionen noch besser ableiten zu
können (z. B. Einrichtung eines Klimazentrums am
Bayerischen Landesamt für Umwelt).
• Energie: Eine neue Landesagentur für Energie
und Klimaschutz soll als Kompetenz- und Beratungsstelle die Umsetzung der Energiewende
sowie der bayerischen Klimaschutzoffensive
unterstützen. In den Bayerischen Staatswäldern
sollen etwa 100 neue Windkraftanlagen entstehen. Für die Nutzung von Bioenergie, Photovoltaik
in Verbund mit Energiespeichern, Wasserkraft und
Geothermie werden Förderprogramme initiiert
oder weitergeführt. Ein Energieeffizienzfonds und
die Ausweitung des 10.000 Häuser-Programms
sollen den Energiebedarf von Unternehmen und
Privathaushalten senken.
• Umweltbewusste Mobilität: Der Ausbau des
Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird
u. a. durch eine Erhöhung der ÖPNV-Zuweisungen
sowie durch die Förderung bedarfsorientierter
Angebote (z. B. Rufbus, etc.) vorangetrieben.
Ein 365-Euro-Jugendticket soll für Schüler und
Jugendliche die Attraktivität des ÖPNV stärken.
In einer Modellregion zur „Zukunft der Mobilität“
sollen ganzheitliche und verkehrsträgerübergreifende Mobilitätslösungen erprobt werden. Innovative Pilotprojekte z. B. zur Brennstoffzelle als
Antriebsform von Lkw und Eisenbahn werden
gefördert.
Klimapolitik
• Verstärkte Klimaarchitektur: Die neue Umweltinitiative Stadt.Klima.Natur soll zusätzliche Impulse
schaffen, um Belange von Klimaschutz und
Klimaanpassung im Städtebau zu berücksichtigen.
Das „Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung“ soll dabei Steuerungsansätze für grüne, an
die Folgen des Klimawandels angepasste Städte
entwickeln und deren Umsetzung unterstützen.
Städtebauliche Modellprojekte für einen energieeffizienten Städtebau werden gefördert.
• Mehr Holzbau: Leuchtturmprojekte und Forschung für eine innovative Holzbauweise sollen
für die Ressource Holz Möglichkeiten einer
vermehrten Nutzung aufzeigen. Bei Bauvorhaben
im staatlichen Hochbau soll Holz als Baustoff
verstärkt Verwendung finden.
• Klimaneutralität von Staat und Kommunen:
Auf allen staatlichen Gebäuden sollen Photovoltaikanlagen installiert werden, insbesondere zur
Deckung des Eigenbedarfs an elektrischer Energie.
Durch das Sonderprogramm „Energetische
Sanierung staatlicher Gebäude“ soll der Energiebedarf des staatlichen Gebäudebestands verringert werden. Die staatliche Verwaltung geht bei
der Mobilitätswende voran. Zwei Drittel aller
neu zu beschaffenden Dienst-Kfz in geeigneten
Bereichen sollen mit Elektroantrieb oder anderen
innovativen Antrieben ausgestattet sein. Die
bayerischen Kommunen werden bei Klimaschutz
und Klimaanpassung unterstützt.
13
2 Der Mensch und
das Klimasystem
2
Der Mensch und das Klimasystem
2.1 Grundlagen
Bereits 1896 beschrieb Svante Arrhenius einen
Effekt von Kohlenstoffdioxid (CO2) auf die Erdoberflächentemperatur [7]. Kohlenstoffdioxid absorbiert
ein gewisses Spektrum der Wärmestrahlung der
Erde und emittiert Teile davon zurück auf die Erdoberfläche. Durch diesen Mechanismus trägt CO2,
wie die weiteren Treibhausgase Wasserdampf,
Methan, fluorierte Kohlenwasserstoffe sowie
Distickstoffoxid, zum sogenannten Treibhauseffekt
bei. Die vom Menschen ausgestoßenen Treibhausgase verstärken den natürlichen Treibhauseffekt und
erwärmen dadurch die Erdoberfläche zusätzlich. Eine
Zusammenstellung der physikalischen Grundlagen
des natürlichen sowie des vom Menschen verursachten Treibhauseffekts finden sich im Klima-Report
Bayern 2015 [8], maßgeblich jedoch auch in den
Sachstandsberichten des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC).
Der IPCC stellt nach Sichtung der wissenschaftlichen Literatur fest, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem extrem
wahrscheinlich die dominante Ursache des seit
1950 bereits beobachteten Erwärmungstrends
ist [9]. Diese Tatsache wurde von allen 195
Mitgliedstaaten erneut offiziell anerkannt,
indem die Regierungen die Zusammenfassungen der jüngsten Sachstandsberichte
verabschiedeten. Somit erkennen sogar
Staaten wie Russland, Saudi-Arabien, Australien oder Kanada die eindeutigen wissenschaftlichen Belege an, obwohl der Export fossiler
Ressourcen ein gegenwärtiger Pfeiler ihres
wirtschaftlichen Wohlstands ist.
Der IPCC ist ein wissenschaftliches Gremium und
gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss unter
dem Dach der Vereinten Nationen (UN), welcher alle
sechs bis sieben Jahre in Sachstandsberichten den
Stand der Wissenschaft zu den Themen Klimawandel
[10], Auswirkung des Klimawandels [11]; [12] und
Minderung des Klimawandels (Mitigation) [13]
zusammenträgt und wissenschaftlich bewertet.
Die Organisationsstruktur des IPCC und detaillierte
Verfahrensregeln zielen darauf ab, dass die Informationen des IPCC verlässlich, ausgewogen und
umfassend sind.1 195 Regierungen von Staaten,
die Mitglieder der Vereinten Nationen oder der
Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sind
sowie Beobachter aus mehr als 100 akkreditierten
internationalen Organisationen und aus der Zivilgesellschaft gehören dem IPCC an. Die 195 Regierungen wählen den Vorstand des IPCC – ein Gremium,
bestehend aus rund 40 Experten. Der Vorstand des
IPCC ernennt wiederum die von den Regierungen
und Beobachtern nominierten Wissenschaftler,
welche als Autoren sowie als Gutachter die Berichte
des IPCC verfassen. Für jeden Bericht wird eine
Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger erstellt und von den Regierungen verabschiedet
(„Summary for Policymakers“). Mit der Verabschiedung dieser Zusammenfassungen erkennen die
195 Regierungen die Quintessenz des aktuellen
Wissensstands zum Klimawandel an. Die IPCC
Berichte bilden somit wichtige fachliche Grundlagen
für die globalen politischen Verhandlungen zur
Milderung und Bewältigung des Klimawandels.
Der IPCC stellt nach Sichtung der wissenschaftlichen
Literatur fest, dass der menschliche Einfluss auf
das Klimasystem die dominante Ursache des seit
1950 bereits beobachteten Erwärmungstrends war
(Konfidenzniveau > 95 %) [9]. Die CO2-Emissionen
aus der Verbrennung fossiler Energieträger und
der Ausstoß anderer Treibhausgase befördern eine
tiefgreifende Veränderung des Klimasystems, welche
noch in sehr langen Zeiträumen im Kohlenstoffkreislauf und somit im Klimasystem eine deutlich wahrnehmbare Wirkung entfalten wird (Kap. 2.2). Der
Mensch ist eine offenbar wesentliche Kraft innerhalb
des Erdsystems geworden [14].
Generell übt menschliche Aktivität „einen derartigen
Druck auf die natürlichen Funktionen der Erde aus,
dass die Fähigkeit der Ökosysteme unseres Planeten, künftige Generationen zu versorgen, nicht
länger als selbstverständlich vorausgesetzt werden
kann [15]“. Wie bereits 1972 in der Erklärung der
Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen
1
https://www.de-ipcc.de/
15
16
Der Mensch und das Klimasystem
bekundet, wurde ein Punkt in der Geschichte
erreicht, ab dem sich unser Handeln weltweit auf
Basis einer klügeren Sorgfalt gegenüber dessen
Konsequenzen für unsere Umwelt entwickeln muss:
„Durch Unwissenheit oder Gleichgültigkeit können
wir der irdischen Umwelt, von der unser Leben und
unser Wohlergehen abhängen, schweren und nicht
wiedergutzumachenden Schaden zufügen. Andererseits können wir durch vertieftes Wissen und
klügeres Handeln uns selbst und unseren Nachkommen ein besseres Leben in einer Umwelt sichern,
die den menschlichen Bedürfnissen und Hoffnungen
mehr entspricht. Vor uns liegen große Möglichkeiten,
die Qualität der Umwelt zu verbessern und ein gutes
Leben zu schaffen. Bei aller Begeisterung brauchen
wir einen kühlen Kopf und intensive, methodische
Arbeit [1].“
Die unentwirrbare Vernetzung des Erdsystems mit
dem menschlichen Handeln ist eine wesentliche
Grundbedingung dafür, dass Wissenschaftler heute
zunehmend von einer neuen erdgeschichtlichen
Epoche sprechen: der Epoche des Anthropozän (z. B.
[14] S. 33 ff). Die nachfolgenden Kapitel zeigen auf,
warum das Konzept dieser neuen Epoche für eine
Beschreibung des Klimasystems sinnig ist (Kap. 2.2),
welche Möglichkeiten und Chancen zur Lösung des
Klimaproblems sich durch ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management ergeben (Kap. 2.3), welcher
globale Handlungsspielraum zur Risikobewältigung
des Klimaproblems zur Verfügung steht und wie man
aus diesem Handlungsspielraum Konsequenzen für
die Klima-Zukunft Bayerns ableiten kann (Kap. 2.4).
Im Zeitalter des Anthropozän können unsere natürlichen Lebensgrundlagen nur durch ein multilaterales, vernunftbasiertes, wissenschaftliche Fakten berücksichtigendes menschliches Handeln geschützt
werden.
Der Mensch und das Klimasystem
2.2 Anthropogener Klimawandel:
Kohlenstoffkreislauf
In stark vereinfachter Weise stellt Abb. 2 den natürlichen Kohlenstoffkreislauf (schwarz) und dessen vom
Menschen angestoßene Veränderung (rot) dar.
Durch die Verbrennung fossiler Ressourcen, Landnutzungsänderungen und durch die Herstellung von
Zement wurden von 2000 bis 2009 weltweit jährlich
8,9 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (33 Milliarden
Tonnen CO2) in die Atmosphäre emittiert. Dadurch
erhöhte sich der Kohlenstoffbestand bzw. die CO2Konzentration der Atmosphäre. Ursprünglich war die
Atmosphäre (um das Jahr 1750) in etwa in einem
Gleichgewicht mit Kohlenstoffbeständen des Ozeans
sowie mit Vegetation und Böden. Anthropogene
CO2-Emissionen stören nun dieses Gleichgewicht.
Die Vegetation kann durch eine erhöhte atmosphärische CO2-Konzentration mehr Biomasse durch
Photosynthese aufbauen (CO2-Düngeeffekt): die
Vegetation nahm jährlich etwa 14 Milliarden Tonnen
Kohlenstoff (51 Milliarden Tonnen CO2) mehr auf, als
dies vor Anbeginn der Industrialisierung der Fall war.
1
2
Ein großer Teil der zusätzlich entstandenen Biomasse wird jedoch sehr schnell, einerseits durch Feuer,
vor allem aber durch Mikroorganismen und Pflanzen
durch Zellatmung in die molekularen Einzelbausteine
zersetzt. Das dabei entstandene CO2 wird zurück in
die Atmosphäre ausgestoßen. Wesentlicher Grund,
warum Vegetation und Böden von 2000 bis 2009 im
netto 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (9,5 Milliarden Tonnen CO2) pro Jahr aufgenommen haben, ist
der zeitliche Versatz von Photosynthese und Atmung:
die Photosyntheseaktivität nimmt bei steigenden
atmosphärischen CO2-Konzentrationen unmittelbar
zu, während die daraus produzierte Biomasse erst
im Zeitraum von Tagen bis Jahrtausenden zersetzt
wird (je nach Zusammensetzung und Umgebung
der abgestorbenen Biomasse). Trotz des CO2-Düngeeffekts hat die Vegetation zwischen 1750 und 2011
im Netto aber sogar 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff an die Atmosphäre abgegeben, da die in
diesem Zeitraum stattfindenden Landnutzungsänderungen erhebliche anthropogene Emissionen verursachten (Abb. 2).
Abb. 2: Ausschnitt aus dem Kohlenstoffkreislauf. Die Zahlen in schwarz beschreiben den natürlichen Kohlenstoffbestand in Atmosphäre,
Vegetation, Böden und Ozean (Kästen) sowie den natürlichen jährlichen Kohlenstoffaustausch vor Anbeginn der Industrialisierung
(Pfeile). Die Zahlen in Rot beschreiben die menschliche Störung der Kohlenstoffbestände über den Zeitraum 1750 bis 2011 (Kästen)
sowie die vom Menschen (unbeabsichtigt) verursachte Veränderung des jährlichen Kohlenstoffaustausches im Zeitraum 2000 bis
2009 (Pfeile). 1 Gigatonne Kohlenstoff (1 GtC) entspricht einer Milliarde Tonnen Kohlenstoff oder 3,67 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid (Quelle: Abbildung in Anlehnung an IPCC [4] Kapitel 6).2
Mit Ausnahme der Nettoflüsse stellen alle Zahlen gerundete Werte dar.
17
18
Der Mensch und das Klimasystem
Neben der landbasierten Biomasse sind die Ozeane
eine bedeutende Kohlenstoffsenke. Ist ein Wasserkörper in direktem Kontakt zur Atmosphäre, so stellt
sich ein gewisses Gleichgewicht zwischen der
Konzentration des im Wasser gelösten CO2 und der
atmosphärischen CO2 Konzentration ein – CO2 wird
im Wasser gelöst. Dieser Gasaustausch findet im
Erdsystem in Antwort auf die vom Menschen
verursachten CO2-Emissionen sehr schnell zwischen
der Atmosphäre und dem oberflächennahen Ozeanwasser statt. Hier führt das gelöste CO2 zu einer
Versauerung des Ozeanwassers, was die Bildung
von Kalkschalen und -skeletten durch z. B. Korallen,
Muscheln, Schnecken und Seeigeln beeinträchtigt.
Zu einem gewissen Grade wird CO2 des oberflächennahen Ozeanwassers nachfolgend in tiefere
Ozeanschichten befördert, einerseits durch Ozeanströmungen und andererseits indem abgestorbene
marine Biomasse Richtung Ozeangrund absinkt und
durch Mikroorganismen in tieferen Ozeanschichten
wieder in seine molekularen Einzelbausteine zerlegt
wird. Es dauert jedoch viele Jahrhunderte, bis sich
das oberflächennahe Ozeanwasser mit den tieferliegenden Ozeanschichten vermischt, weshalb die
Ozeane langfristig noch große natürliche Speicherpotentiale entfalten können. Grundsätzlich sind die
gegenwärtigen anthropogenen CO2-Emissionen aber
so hoch, dass dieses langfristige Speicherpotential
zur Lösung des aktuellen Klimaproblems wenig
beiträgt: der Transport des anthropogenen CO2 in
tiefere Ozeanschichten ist schlicht zu langsam, um
die hohen anthropogenen CO2-Emissionen ausreichend zu kompensieren, weshalb der beobachtete
Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentrationen
(und die Versauerung der Weltmeere) ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen weiterhin anhalten
wird.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der
Mensch seit Anbeginn der Industrialisierung ein
dominierender Faktor hinter den bereits beobachteten Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufes war
und ist (Abb. 2). Die Tragweite des „Klima-Faktors
Mensch“ für den Kohlenstoffkreislauf reicht jedoch
noch weit in die Zukunft. Werden beispielsweise
heute 1.000 Tonnen CO2 ausgestoßen, so werden in
den ersten 20 Jahren etwa 40 % der Emissionen
von Biomasse an Land und dem oberflächennahen
Ozeanwasser aufgenommen (Abb. 3). Innerhalb von
1000 Jahren werden weitere 36 % insbesondere
durch die tieferen Ozeanschichten aufgenommen.
Dann sind also in etwa 76 % der Emissionen nicht
mehr klimawirksam, sie sind der Atmosphäre
entzogen (Abb. 3). Die übrigen 24 % der ursprünglichen Emissionen werden danach nur sehr langsam,
zunächst durch Verwitterung von Kalkgestein und
nachfolgend über mehrere Jahrhunderttausende
durch Verwitterung von Silikatgestein der Atmosphäre entzogen. Wichtig bei diesen Zahlen ist, dass sie
nur dann weitgehend (im Mittel der Modelle) gültig
sind, wenn eine Begrenzung der Störung des
Klimasystems gemäß des Pariser Übereinkommens
gelingt (Szenario RCP2.6: „2-Grad-Obergrenze“). Für
ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) würden
hingegen um die 40 % des emittierten CO2 mehr als
1000 Jahre in der Atmosphäre verweilen, da sich bei
höheren Temperaturen und höheren CO2 Konzentrationen weniger CO2 im Ozeanwasser löst [3]. Die
RCP-Szenarien werden in Kapitel 2.4 näher erläutert.
Der Verlauf des internationalen Verhandlungsprozesses unter dem Pariser Übereinkommen entscheidet
daher über das Klimasystem der kommenden
zehntausend Jahre und der Fußabdruck des Menschen wird sich noch sehr lange im Kohlenstoffkreislauf wiederfinden. Wir leben somit im geologischen
Zeitalter oder ggf. der geologischen Epoche des
Anthropozän.
Trotz der oben beschriebenen komplexen Wirkzusammenhänge im Kohlenstoffkreislauf lässt sich das
aktuelle Klimaproblem an einer Zahl verdeutlichen:
Soll der Anstieg der globalen Mitteltemperatur mit
einer Wahrscheinlichkeit größer als 66 % auf unter
2 °C (2-Grad-Obergrenze) begrenzt werden, müssen
die globalen CO2 Nettoemissionen zwischen 2018
und 2100 weniger als 1.170 Milliarden Tonnen CO2
betragen. Für eine Begrenzung unter 1,5 °C beträgt
das erlaubte Kohlenstoffbudget lediglich 420 Milliarden Tonnen CO2. Gegenwärtig wird zudem davon
Der Mensch und das Klimasystem
ausgegangen, dass tauende Permafrostböden und
Rückkopplungseffekte mit Mooren diese Kohlenstoffbudgets um etwa 100 Milliarden Tonnen CO2
verringern [17]. 2018 wurden weltweit ca. 42 Milliar-
den Tonnen CO2 durch Verbrennung fossiler Rohstoffe, (Landnutzung und) Landnutzungswandel und
Zementherstellung emittiert, d. h. das TreibhausgasRestbudget schwindet sehr rasch.
Abb. 3: Anteil des in den kommenden 1000 Jahren in der Atmosphäre verweilenden CO2 für eine gegebene
CO2-Emission, z. B. für die Emission von 30 kg CO2 (Autofahrt München-Nürnberg) bei einer Hintergrundkonzentration von
389 ppm CO2. Graphik erstellt nach [16].
19
20
Der Mensch und das Klimasystem
2.3 Nachhaltiges Kohlenstoff-Management
Drei Begrifflichkeiten müssen in der Diskussion um
ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management unterschieden werden:
• Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen:
Technologische Innovationen können insbesondere bei Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und
Gebäuden die Treibhausgas-Emissionen weitgehend reduzieren. Alle landnutzungsbezogenen
anthropogenen Treibhausgas-Emissionen (u. a.
Landwirtschaft, Moore) können zum Teil durch
Innovationen, zum Teil aber nur durch Änderungen
der Landnutzung auf (brutto-)null gesenkt werden.
• Natürliche Kohlenstoffsenken: Zahlreiche
natürliche Prozesse im Kohlenstoffkreislauf führen
dazu, dass ein Teil der anthropogenen CO2-Emissionen natürlicherweise der Atmosphäre entzogen
wird (Abb. 2). Diese ‚natürliche‘ CO2-Aufnahme,
die aus sich heraus in Antwort auf die anthropogenen CO2-Emissionen abläuft, definiert die Wirkung
natürlicher Kohlenstoffsenken. Besonders relevant
ist hier die Änderung der Kohlenstoffvorräte in
Ozeanen und Biomasse (Abb. 2).
• Negative Emissionen: Unter negativen Emissionen wird hier der langfristige Entzug von CO2 aus
der Atmosphäre durch bewusste anthropogene
Eingriffe oder Bewirtschaftungsänderungen
verstanden. Dies kann zum einen durch technologische Ansätze erzielt werden, z. B. durch geologische Speicherung (CCS) von atmosphärischem
CO2 oder durch die Errichtung von Gebäuden aus
Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen.
Zum anderen kann aber auch eine dauerhafte
Erstaufforstung von Waldflächen und die Erhöhung
von Humusgehalten in Böden zur Kategorie der
negativen Emissionen gezählt werden.
Die Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen und
die Nutzung negativer Emissionen (Abb. 4) sind zwei
separate Maßnahmen zum Zwecke des Klimaschutzes. Im Kontext der Nutzung von Naturgütern
(Wälder, Böden, Moore) ist dabei zu beachten, dass
deren Funktion als Kohlenstoffspeicher und als
natürliche Kohlenstoffsenke erhalten werden muss.
Ein Erhalt der Speicherfunktion führt dazu, dass die
Ökosysteme weder Senke noch Quelle von Treib
hausgas-Emissionen sind. Dies bedeutet: ein Erhalt
der Speicherfunktion zielt auf die Vermeidung von
Treibhausgas-Emissionen ab. Die Auswirkungen des
Klimawandels (vor allem Trockenheit, Hitze, Schadorganismen) können dazu führen, dass vorhandene
Kohlenstoff reiche Ökosysteme (Wälder, Böden,
Moore) ihre heutige sehr große Speicherfunktion
verlieren. Im Bereich der Energiewende und der
Emissionen z. B. im Wärme und Verkehrssektor ist
ein Umbau der Volkswirtschaft durch technologische
Innovationen ebenso zentral, um Treibhausgas-Emissionen zu vermeiden. Im Wärmesektor liegen aktuell
relevante Themen zur Vermeidung von CO2-Emissionen z. B. beim Einsatz von Wärmepumpen, der
Erdwärmenutzung (für Heizung und Kühlung), der
kontrollierten Gebäudelüftung und der Geothermienutzung.
Auf Basis des aktuellen Stands des Wissens [17];
[18] wird deutlich: die Treibhausgas-Emissionen
müssen primär durch Vermeidung reduziert werden.
Trotz dieser vorrangigen und unangefochtenen
Stellung der Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen widmet dieses Kapitel dem Bereich der negativen Emissionen große Aufmerksamkeit, da diese
bedeutende politische Freiheitsgrade im Kontext der
Bayerischen Klimaschutzoffensive und des Pariser
Übereinkommens ermöglichen.
Der Mensch und das Klimasystem
Abb. 4: Veränderung des atmosphärischen Kohlenstoffgehalts bei der Nutzung negativer Emissionen (rechts) und bei Technologien zur
CO2 Vermeidung (links). Im Beispiel werden 50 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr (MtC/a) von einem Pflanzenbestand der
Vegetation durch Photosynthese aufgenommen. Wird die Biomasse nachfolgend vom Menschen verbrannt (links), so wird der in
der Biomasse gebundene Kohlenstoff bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird. In der Summe werden also jegliche CO2-Emissionen vermieden. Im Gegensatz zur CO2-Vermeidung (links) entziehen negative Emissionen (rechts) der Atmosphäre im Netto
CO2. In der rechten Abbildung werden exemplarisch 10 Millionen Tonnen Kohlenstoff durch Aufforstung gespeichert und
20 Millionen Tonnen durch Kohlenstoffspeicherung in Böden. 20 Millionen Tonnen des atmosphärischen Kohlenstoffs werden in
geologische Lagerstätten verschoben. Der Atmosphäre wurden dann 50 Millionen Tonnen Kohlenstoff entzogen (rechts).
Das Pariser Übereinkommen schließt die Nutzung
negativer Emissionen explizit mit ein. Artikel 4,
Absatz 1 des Pariser Übereinkommens formuliert
das Ziel, ein „Gleichgewicht“ anthropogener Treib
hausgasemissionen herzustellen, und zwar in der
zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Etwaige
Bruttoemissionen müssen dann zur Wahrung dieses
Gleichgewichts durch negative Emissionen kompensiert werden. Auch das Bayerische Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 beinhaltet diesen Ansatz der
Klimaneutralität.3
Mit dem Pariser Übereinkommen wurde ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Methodik
der internationalen Klimaverhandlungen eingeleitet.
Es besteht nun nicht mehr der Versuch, einzelnen
Nationen rechtlich bindende Klimaschutzzusagen am
Verhandlungstisch vorzuschreiben. Dieser alte
Ansatz hat sich, wohl u. a. aufgrund der heterogenen
und ständig in Veränderung begriffenen Werte- und
Interessenlage der globalen Gemeinschaft als wenig
3
BAYKlimaG, Artikel 2, Absatz 2: „Spätestens bis zum Jahr 2050 soll
Bayern klimaneutral sein“; Artikel 3, Absatz 1: […] es besteht das „Ziel,
bis zum Jahr 2030 eine klimaneutrale Verwaltung zu erreichen“.
zielführend herausgestellt. Stattdessen bestimmt
jede Nation ihre jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne (NDC) eigenständig, unter Berücksichtigung
u. a. der Ziele des Pariser Übereinkommens. Klimapolitische Vorreiterstaaten können nun proaktiv eine
progressive Klimaschutzdynamik vorantreiben. Im
Sinne ihrer Werte und Interessen wird die Europäische Kommission, im Falle weltweit signifikanter
Unterschiede klimapolitischer Ambitionen, einen
sogenannten Grenzausgleichsmechanismus vorschlagen („carbon border adjustment mechanism“
[6]), um das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen zu mindern. Dadurch würde zudem sichergestellt, dass der Preis von Einfuhren bzw. Importen
deren CO2-Gehalt besser widerspiegelt. Diese
Maßnahme soll so konzipiert werden, dass sie mit
den Regeln der Welthandelsorganisation und anderen internationalen Verpflichtungen der EU in Einklang steht. Sie wäre eine Alternative zu den Maßnahmen, mit denen das Risiko der Verlagerung von
CO2-Emissionen im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems derzeit gemindert wird. Entscheidend
für die Durchsetzung einer vorsorgeorientierten internationalen Klimapolitik ist, dass wirtschaftlich bedeu-
21
22
Der Mensch und das Klimasystem
tende Staaten oder Gemeinschaften wie die Europäische Union konsequent ihre Klimapolitik am Pariser
Übereinkommen ausrichten und dadurch eine weltweite Dynamik zu einer ökologischen Modernisierung
der globalen Volkswirtschaften in Gang setzen. Die
Durchsetzung dieser Ansätze geschieht also einerseits
durch die internationalen Klimaverhandlungen, andererseits aber auch durch die weltweite Zugkraft des
europäischen Binnen- und Absatzmarktes. Bayern
steht zu dieser Klimapolitik, die technologische
Chancen und negative Emissionen nutzt, Verbote
möglichst vermeidet, eine nachhaltige Wachstumsdynamik befördert und mit einem vorsorgeorientierten
Erhalt des Klimasystems und der natürlichen Lebensbedingungen des Menschen vereint.
Es gibt gegenwärtig einzelne Produktionsprozesse,
in welchen noch keine technischen Innovationsmöglichkeiten identifiziert wurden, um den jeweiligen
Produktionsprozess vollständig von der Emission
von Treibhausgasen bei angemessenen Kosten zu
entkoppeln [19]. Daher ist eine rasche und erfolgreiche Fortsetzung des internationalen Klimaverhandlungsprozesses für Bayern von großer Bedeutung.
Nur, falls eine schnelle Konvergenz zu einer im globalen Mittel notwendigen Emissionsreduktionsquote
von 25 % im Jahr 2030 gegenüber 2020 weitgehend
erreicht wird [4], können negative Emissionen
tatsächlich als eine Chance genutzt werden, mögliche Verbote bzw. unverhältnismäßige Vermeidungskosten durch Kompensationsmaßnahmen zu verhindern. Falls es nicht gelingt, die globalen bzw. die
Abb. 5: Darstellung der möglichen globalen Potentiale für negative Emission im Jahr 2050 in Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr (GtCO2/a)
und die jeweiligen Kosten, die beim Nutzen dieser Potentiale anfallen könnten (als Bereich dargestellt). Zum Vergleich: der
(mittelfristig weiterhin steigende) Marktpreis von CO2 Zertifikaten unter dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS)
schwankte im Jahr 2019 um ein Preisniveau von ca. 25 EUR/tCO2. Die vier dargestellten Optionen zur Nutzung negativer Emissionen beeinflussen sich wechselseitig in Potentialen, Kosten und Risiken. Die Potentiale sollten somit nicht zu einer Gesamtsumme
aufaddiert werden. Hinweis: beim Vergleich mit Abb. 2 ist ein Umrechnungsfaktor zu beachten, 1 GtC entspricht 3,67 GtCO2
(Quellhinweis zur Abbildung: Die Daten stellen konservative Werte dar in Anlehnung nach IPCC figure 4.2 [17] bzw. Fuss et al. [18]).
Der Mensch und das Klimasystem
jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne (NDC) für
2030 ausreichend durch den internationalen Verhandlungsprozess zu verschärfen, würde die Notwendigkeit bestehen negative Emissionen einzusetzen, um
die 2-Grad-Obergrenze überhaupt einhalten zu
können [20]. Negative Emissionen müssten dann
genutzt werden, um übermäßige Emissionen
zwischen 2020 und 2030 im Nachhinein zu kompensieren. Die ökonomische und gesellschaftliche
Chance einer vorsorgeorientierten Klimapolitik des
21. Jahrhunderts, die gleichzeitig die aktuelle Lebens- und Konsumrealität der Menschen berücksichtigt, wäre somit gefährdet. Fazit: Negative Emissionen können der Politik wichtige Freiheitsgrade
bereitstellen, sie sind aber kein Allheilmittel und
ersetzen nicht die Vermeidung von TreibhausgasEmissionen.
Ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management hat
sowohl die Potentiale (Abb. 5) als auch die Risiken
der Nutzung negativer Emissionen im Blick [18]; [17].
Dabei gibt es zahlreiche Barrieren, die berücksichtigt
werden müssen, um mögliche globale Potentiale
nutzbar zu machen. Die in Abb. 5 aufgeführten und
nachfolgend erläuterten Potentiale repräsentieren
globale Durchschnittswerte gem. IPCC-Sonderbericht zur globalen Erwärmung um 1,5 Grad.
Aufforstung
Aufforstung bedeutet, auf jenen Flächen Bäume zu
pflanzen, welche seit längerem nicht mehr bewaldet
waren (im Kontext des Kyoto-Protokolls seit mind.
50 Jahren). Die Nettoaufnahme von Kohlenstoff in
Vegetation und Böden könnte dadurch je nach
aufgeforsteter Fläche bis zum Jahr 2050 um 0,5 bis
3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gesteigert
werden (Abb. 5). Neben der zusätzlichen Kohlenstoffspeicherung wird der tatsächliche Nutzen für
den Klimaschutz durch eine Reihe von Nebeneffekten abgeschwächt (z. B. Albedo-Effekt der dunklen
Waldoberfläche) oder verstärkt (z. B. Klimaschutz
durch zusätzliche Holzprodukte, Energieeinsparung
durch Kühlwirkung für Siedlungsgebiete). Die
Flächenpotentiale sind aufgrund dieser Nebeneffekte
global sehr unterschiedlich verteilt. Das in Abb. 5
dargestellte Potential von Aufforstung bezieht sich
ausschließlich auf Tropenregionen, in welchen die
größten Potentiale liegen [18]; [17]. Wenn also
Aufforstung als anthropogene Senkenoption in
Betracht gezogen werden soll, so müssen diese
Potentiale außerhalb Bayerns und Deutschlands in
Zusammenarbeit mit Nationen des globalen Südens
mobilisiert werden. Nachfolgend müsste die Nutzungszuordnung „Wald“ auf Flächen des globalen
Südens auch (institutionell) mindestens über viele
Jahrhunderte garantiert werden.
Zusätzliche Waldflächen sind in Bayern am ehesten
in besonderen multifunktionalen Situationen denkbar, z. B. aufgrund spezieller Schutzwirkungen oder
auf wiedervernässten Niedermooren. Zusätzliche
Bäume oder Gehölze könnten dagegen auch außerhalb der Wälder gepflanzt werden, z. B. in Siedlungsbereichen. Die bayerischen Wälder leisten einen
wichtigen Beitrag zu einem nachhaltigen Kohlenstoff-Management, das auch die Vermeidung von
CO2 an den Quellen im Blick behält: Holz kann
Baustoffe mit vergleichsweise großem „CO2-Rucksack“ (z. B. Zement oder Ziegel) und fossile Brennstoffe ersetzen und dadurch anthropogene CO2Emissionen vermeiden. Dieser Substitutionseffekt
wirkt sofort und kann bei fachgerechter Ausführung
auch nicht wieder verloren gehen. Daneben speichert stofflich genutztes Holz (z. B. Bauholz) aber
während der Dauer seiner Nutzung (z. B. während
der Lebenszeit eines Gebäudes) weiterhin Kohlenstoff. Wenn der Bestand an Holzbauten oder anderen Holzprodukten steigt, entsteht also eine Senkenwirkung [21]. Der wachsende Verbrauch von
Holzprodukten weist insgesamt für die Vergangenheit auf eine Nettovergrößerung des Kohlenstoffspeichers in Holzprodukten von bis zu 0,8 Millionen
Tonnen Kohlenstoff (3 Millionen Tonnen CO2) pro
Jahr in Deutschland hin [22]. Hochgerechnet auf die
ganze Welt entspräche dies, unter der Annahme der
gleichen Relation zwischen der Zunahme des
Holzproduktespeichers und den Gesamt-CO2-Emissionen, 0,12 Milliarden Tonnen CO2 als jährliches
Senkenpotential. Das kumulative Speicherpotential
des Holzproduktespeichers ist begrenzt, denn
irgendwann werden sich Abgang und Zugang von
Biomasse die Waage halten. Ungeachtet dessen
kann am Ende der stofflichen Holzverwendung –
soweit möglich unter Nutzung von Recyclingmöglich-
23
24
Der Mensch und das Klimasystem
keiten – die Biomasse bzw. das Holz anschließend
als Produktionsmittel für negative Emissionen und
damit auch energetisch verwendet werden (Abb. 5:
Geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS) von
atmosphärischem CO2). Die staatliche Abfall- bzw.
Kreislaufwirtschaft sollte sicherstellen, dass am
endgültigen Ende des Lebenszyklus die Biomasse
dauerhaft dem Kohlenstoffkreislauf entzogen wird.
Negative Emissionen und Böden
Zwei der in Abb. 5 aufgeführten Optionen für
negative Emissionen sind u. a. mit Methoden der
Bewirtschaftung von Böden verbunden: Kohlenstoffspeicherung in Böden und beschleunigtes Verwittern
von Gesteinen.
Der Kohlenstoffspeicher von Böden kann durch
einen Humusaufbau vergrößert werden. Hierzu
müssten bekannte und wohl erprobte Methoden
klimaschonender Bodenbewirtschaftung konsequent
global angewendet werden (vgl. [18] für eine globale
und Kap. 4.5.2.1 für eine auf Bayern bezogene
Analyse). Ein Humusaufbau findet statt, sobald der
Eintrag organischen Kohlenstoffs, z. B. durch Pflanzenreste oder organischen Dünger, größer ist als die
durch mikrobielle Atmung verursachten Kohlenstoff„verluste“ (Abb. 2). Eine Umstellung auf eine global
klimaschonendere Bodenbewirtschaftung könnte im
Jahr 2050 global etwa 2 bis 5 Milliarden Tonnen CO2
an jährlichen negativen Emissionen mobilisieren [18];
[17]. Jedoch stellt sich in Böden langfristig (in
Jahrzehnten bis Jahrhunderten) ein Saturierungseffekt ein: es entsteht dann ein neues Gleichgewicht
zwischen Kohlenstoffeintrag und „-verlusten“. Das
Senkenpotential von Böden ist folglich begrenzt,
regional unterschiedlich und kann nur im Rahmen
einer dauerhaften Umstellung der Bewirtschaftungspraxis ausgeschöpft werden. Im Zuge der Folgen
des Klimawandels ist z.T. mit einem stärkeren
Humusabbau zu rechnen, dem auch durch entsprechende Bewirtschaftungsanpassungen nur bedingt
entgegengewirkt werden kann [23].
Als weitere Möglichkeit der Kohlenstoffspeicherung
wird die Einbringung von Biokohlen in landwirtschaftliche Böden diskutiert. Biokohlen können durch
thermische Zersetzung von Biomasse (sog. Pyrolyse)
grundsätzlich aus jeglicher Biomasse hergestellt
werden, beispielsweise auf Basis von organischem
„Abfall“. Die vom IPCC angegebenen globalen
Potentiale für negative Emissionen durch Biokohlen
betragen um das Jahr 2050 0,5 bis 2 Milliarden
Tonnen CO2 pro Jahr [18]. Unter bayerischen Verhältnissen konnten die den Biokohlen zugeschriebenen
positiven Eigenschaften bisher nicht ausreichend
belegt werden.
Für landwirtschaftlich genutzte Böden in Bayern
wurde von Wiesmeier et al. (2017) ein kumulatives
Senkenpotential von 108 Millionen Tonnen Kohlenstoff (395 Millionen Tonnen CO2) durch Humusaufbau ermittelt [24].4 Im Rahmen der bestehenden
Bewirtschaftungspraktiken ist das tatsächlich erreichbare Senkenpotential weitaus geringer. Entscheidend für Veränderungen des aktuellen organischen
Kohlenstoffbestands in landwirtschaftlich genutzten
Böden sind die Art der Landnutzung und die Bewirtschaftungsmaßnahmen sowie die standortspezifischen Kohlenstoffgehalte der Böden [23]. Entsprechend unterschiedlich fallen die Kosten pro zusätzlich
gespeicherter Tonne CO2 aus. Einen Hinweis auf die
große Spanne gibt Abb. 5. Im Rahmen des mehrjährigen europäischen Finanzrahmen 2021–2027 ist
vorgesehen, Klimaschutzaspekte verstärkt zu berücksichtigen. Durch eine gezielte Programmgestaltung
soll eine vorsorgeorientierte, humuserhaltende bzw.
humusmehrende Bodenbewirtschaftung unterstützt
werden. Die dafür notwendigen regionalen Informationen werden derzeit in einem Forschungsprojekt
erarbeitet.
Eine weitere Möglichkeit anthropogener Kohlenstoffspeicherung liegt in der beschleunigten Verwitterung
von Gesteinen. Die Verwitterung von Gesteinen ist
ein natürlicher Prozess, welcher der Atmosphäre CO2
weitgehend dauerhaft entzieht. Die in Abb. 5 dargestellte Technologie „beschleunigte Verwitterung“
basiert auf der Möglichkeit, Kalk- oder Silikatgesteine
zu zermahlen und das Granulat großflächig auf Böden
der natürlichen Verwitterung auszusetzen. Der sehr
4
Zum Vergleich: die energiebedingten CO2-Emissionen in Bayern betrugen
im Jahr 2018 etwa 75,4 Millionen Tonnen CO2. Die möglichen kumulativen Senkenpotentiale landwirtschaftlich genutzter Böden in Bayern sind
also relevant, aber begrenzt.
Der Mensch und das Klimasystem
langsame natürliche Verwitterungsprozess würde
dadurch deutlich beschleunigt: 2 bis 4 Milliarden
Tonnen CO2 könnten jährlich um das Jahr 2050 der
Atmosphäre entzogen werden (Abb. 5). Diese technologische Lösung geht mit positiven und negativen
Nebeneffekte einher, die derzeitig noch großen
wissenschaftlichen Unsicherheiten obliegen [18].
Die genannten Optionen zur Nutzung negativer
Emissionen könnten grundsätzlich neue Geschäftsfelder für die Landwirtschaft eröffnen. Dabei ist zu
beachten, dass die Frage der Dauerhaftigkeit der
Speicherung bei der ökonomischen Vergütung und
der konkreten regulatorischen Umsetzung berücksichtigt werden muss (z. B. in Form geeigneter
Monitoringkonzepte).
Geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS)
In der Europäischen Union gilt seit 2009 eine
Richtlinie über die geologische Speicherung von
Kohlendioxid [25], welche eine kohärente nationale
Gesetzgebung der EU Mitgliedsstaaten zur sogenannten „Carbon Capture and Storage“ (CCS)
Technologie ermöglicht. Diese bzw. das am 17.
August 2012 in Deutschland erlassene „Gesetz zur
Demonstration und Anwendung von Technologien
zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften
Speicherung von Kohlendioxid“ regeln den verantwortbaren und vorsorgebasierten Betrieb geologischer Kohlenstoffspeicher.
Geologische Kohlenstoffspeicherung kann durch
zwei Mechanismen negative Emissionen erzeugen.
Einerseits kann nach der Verbrennung von Biomasse
biogenes CO2 abgefangen und anschließend in
geologischen Lagerstädten gespeichert werden
(Bio-Energie mit CCS – BECCS). Zum zweiten kann
das gespeicherte CO2 direkt durch chemische
Verfahren aus der Luft gewonnen werden (Direct Air
Capture mit CCS – DACCS). Beide Verfahren könnten
um das Jahr 2050 jeweils zwischen 0,5 und 5 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre in
geologische Lagerstädten verschieben (Abb. 5).
Negative Emissionen durch geologische Kohlenstoffspeicherung zu erzielen birgt mehrere Risiken [18].
Aufgrund der Heterogenität der geologischen
Lagerstätten ist eine gewisse Ungewissheit bzgl.
der lokalen Risiken dieser Technologie unvermeidlich.
Der Weltklimarat (IPCC) schätzte in einem 2005
erschienenen Bericht aber ab, dass bei „angemessen ausgewählten und betriebenen“ Kohlenstofflagerstädten sehr wahrscheinlich weniger als 1 % des
gelagerten CO2 über 100 Jahre zurück in die Atmosphäre entweicht, und wahrscheinlich auch weniger
als 1 % über 1000 Jahre [26]. Hier deutet sich ein
stabiler wissenschaftlicher Konsens an: diese
Einschätzung ist nach wie vor aktuell [27] und zeigt
auf, dass für institutionell starke Staaten oder
-verbünde wie der Europäischen Union, in welchen
eine strikte vorsorgeorientierte Gesetzgebung
mögliche Risiken minimiert, solche technologische
Lösungen Teil einer vorsorgebasierten Risikobewältigung des Klimaproblems darstellen könnten. [27a]
Zusammenfassung
Die Bewältigung der Herausforderungen des Klima
problems hängt zu aller erst davon ab, die weltweiten Volkswirtschaften zügig durch einen umfassenden Umbau nachhaltig zu transformieren. Dies
bedeutet vor allem: durch steuerungspolitische
Maßnahmen (z. B. dem nationalen bzw. europäischen
CO2-Preis) müssen die CO2-Emissionen aus Produktionsprozessen und damit auch aus allen Konsumgütern – Schritt für Schritt – vermieden werden. Die
Erzeugung von (steigendem) Wohlstand muss von
der Emission von Treibhausgasen entkoppelt werden.
Bayern steht zu den Bemühungen der Europäischen
Union als Ganzes (vgl. [28]), im Rahmen einer
ambitionierten klimapolitischen Gesetzgebung einen
Umbau zu einer klimaneutralen, modernen, ressourceneffizienten, wettbewerbsfähigen, fairen und
wohlhabenden Gesellschaft zu realisieren.
Ein nachhaltiges Kohlenstoffmanagement kann im
Sinne des Pariser Übereinkommens und der Ziele
der Bayerischen Klimaschutzoffensive zu einer
Klimapolitik beitragen, die technologische Chancen
und negative Emissionen nutzt, natürliche Kohlenstoffspeicher und -senken erhält, Verbote möglichst
vermeidet, eine nachhaltige Wachstumsdynamik
befördert und mit einem vorsorgeorientierten Erhalt
des Klimasystems und der natürlichen Lebensbedingungen des Menschen vereint.
25
26
Der Mensch und das Klimasystem
Drei unterschiedliche Wirkzusammenhänge eröffnen
Möglichkeiten zur Nutzung negativer Emissionen
und Kompensationsmaßnahmen:
• Bestehende natürliche Prozesse, die im Zeitraum
von Jahrzehnten bis Jahrhunderten stattfinden,
können im Kohlenstoffkreislauf einer bewussten
anthropogenen Steuerung unterstellt werden. Die
so erzeugte Kohlenstofffixierung muss dabei
zusätzlich zu der ohnehin ablaufenden natürlichen
Kohlenstofffixierung erfolgen (Abb. 5: Aufforstung,
Kohlenstoffspeicherung in Böden).
• Soweit technisch machbar, ökologisch vertretbar
und gesellschaftlich erwünscht, kann CO2 dauerhaft aus dem Kohlenstoffkreislauf entfernt werden
(Abb. 5: Geologische Kohlenstoffspeicherung
(CCS) von atmosphärischem CO2, beschleunigte
Verwitterung).
• An einen Klimaschutznutzen gebundene Vereinbarungen mit Entwicklungsländern können dazu
beitragen, Treibhausgase zu vermeiden und die
globalen Volkswirtschaften im Sinne einer nachhaltigen, ökologischen Modernisierung zu transformieren (z. B. „Clean Development Mechanism
(CDM)“ unter dem Kyoto-Protokoll). Darüber
hinaus könnten Treibhausgase im Rahmen einer
internationalen Zusammenarbeit durch negative
Emissionen aus der Atmosphäre zurückgeholt
werden.
Die Nutzung der globalen Potentiale negativer
Emissionen (Abb. 5) würde mit großräumigen
Veränderungen einhergehen. Etwa 1.000 Injektionsbrunnen wären nötig, um 1 Milliarde Tonnen CO2 pro
Jahr durch geologische Kohlenstoffspeicherung
(CCS) zu speichern. Eine jährliche Speicherung von
3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr durch Aufforstung
im Jahr 2050 basiert auf der Annahme, dass 500
Millionen Hektar marginales Land in den Tropen
entsprechend umgewidmet würden [18] – also in
etwa 71-mal die Fläche Bayerns. Von den vier in
Abb. 5 dargestellten Optionen für negative Emissionen könnte möglicherweise die Kohlenstoffspeicherung in Böden regional und großräumlich in Bayern
angewendet werden. Entsprechende Anreizmechanismen müssten dabei gewährleisten, dass eine
klimaschonende Bewirtschaftung bzw. ein Humusaufbau für den jeweils einzelnen Landwirt eine
profitable Bewirtschaftungsoption darstellen.
Die Herausforderungen und Chancen eines nachhaltigen Kohlenstoffmanagements sind umfangreich
und komplex. Es ist entscheidend, die Begrenztheit
der Potentiale und die jeweiligen Risiken und Limitationen der vielzähligen Optionen möglicher Kompensationsmaßnahmen gleichermaßen zu beachten.
Klimapolitische Entscheidungen müssen dabei über
mehrere Jahrzehnte gedacht werden, und flexibel
anhand laufender (global-)politischer und wissenschaftlicher Entwicklungen angepasst werden. Die in
Abb. 5 aufgeführten möglichen globalen Potentiale
zur Nutzung negativer Emissionen können in den
kommenden Jahrzehnten nur dann maßvoll und
vorsorgeorientiert genutzt werden, wenn der Staat
– je nach Zuständigkeit auf europäischer, nationaler
und regionaler Ebene – durch Forschungsförderung
und Anreizsetzung die entsprechenden Weichen
stellt (vgl. [29]). Ein frühzeitiger, breit angelegter
Diskurs und die Einbindung von Zivilgesellschaft,
Verbänden, wirtschaftlichen Akteuren (Land- und
Forstwirtschaft, Industrie, Energiewirtschaft) sowie
eine internationale Zusammenarbeit sind dafür
zentrale Grundvoraussetzungen.
Der Mensch und das Klimasystem
2.4 Der Weg vom globalen Klimaproblem
zum Bayern-Ensemble
Das Klimaproblem ist in seinem Wesenskern in
Artikel 2 der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen definiert und im Pariser Übereinkommen
konkretisiert (Kap. 5).
Diese bestehende politische Beschlusslage ist
maßgeblich für die Ausgestaltung der bayerischen
und europäischen Klimapolitik (Kap. 1 und [28]). In
der Zeit vor dem Pariser Übereinkommen wurden
von weltweit anerkannten Wissenschaftlern in enger
Abstimmung zueinander sogenannte Repräsentative
[Treibhausgas-]Konzentrationspfade („Representative Concentration Pathways“ – RCPs) entwickelt,
welche u. a. zum Ziel hatten, eine für die gesamte
wissenschaftliche Literatur repräsentative und
plausible Beschreibung möglicher künftiger Entwicklungen der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen bereitzustellen [30].
Der zum Szenario RCP2.6 gehörige Emissionspfad
(Abb. 6) beschreibt einen von vielen möglichen
Treibhausgas-Emissionspfaden, welcher mit einer
Wahrscheinlichkeit größer als 66 % den Anstieg der
globalen Mitteltemperatur auf 2 °C begrenzt [31].
Dieser Pfad repräsentiert ein Klimaschutzszenario
(2-Grad-Obergrenze), das dem ökonomischen Prinzip
der Kosteneffektivität genügt. Stark vereinfacht
gesprochen maximiert dieser kosteneffektive
Emissionspfad das Wirtschaftswachstum aller
Nationen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der
2-Grad-Obergrenze. Eine Abkehr von diesem Pfad
führt also zu globalen Wohlstandsverlusten und kann
daher als ökonomisch irrational bezeichnet werden.
Die aktuellen globalen (bzw. die Summe der jeweiligen nationalen) Klimaschutzpläne (NDC) sind mit
jährlich etwa 55 Milliarden Tonnen CO2-Äq-Emissionen im Jahr 2030 [4] deutlich oberhalb der ökonomisch rationalen 40 Milliarden Tonnen CO2-Äq-Emissionen von RCP2.6. Als Konsequenz müssten bei
einem gegebenen Kohlenstoffbudget von 1170 Milliarden Tonnen CO2 (2-Grad-Obergrenze) die Emissionen nach 2030 entsprechend schneller reduziert
werden als bei RCP2.6, um die 2-Grad-Obergrenze
weiterhin einhalten zu können. Die anstehende
Transformation ist jedoch ein stetiger Such- und
Lernprozess, sowohl bei den einzelnen Individuen,
Abb. 6: Das CO2-Äquivalent der jährlichen Treibhausgasemissionen in Milliarden Tonnen CO2 (Gt CO2-Äq/Jahr) zu den vier Repräsentativen
[Treibhausgas-] Konzentrationspfaden (RCP), jeweils als schwarze Linie dargestellt. Die RCPs sind repräsentativ für ein Klimaschutzszenario (RCP 2.6), ein Szenario mit mäßigem Klimaschutz (RCP 4.5), weitgehend ohne Klimaschutz (RCP 6.0) und ein
Szenario ohne Klimaschutz (RCP 8.5). Die farbig markierten Bereiche stellen die Spannbreite der Emissionspfade der im 5.
Sachstandsbericht (AR5) des IPCC gesichteten Modellergebnisse dar, für Szenarien mit maximalen atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen vergleichbar mit RCP 8.5 (mehr als 1000 ppm CO2-Äq, schwarz), RCP 6.0 (720–1000 ppm CO2-Äq, lila), RCP 4.5
(580–720 ppm CO2-Äq, orange) und RCP 2.6 (430–480 ppm CO2-Äq, hellblau). Die gestrichelte Linie „vollständiger AR5-Datenbereich“ stellt das Maximum und Minimum der vom IPCC gesichteten Modellergebnisse dar.
27
28
Der Mensch und das Klimasystem
die sich ggf. weiterbilden müssen, als auch in den
Volkswirtschaften als Ganzes. Dieser Such- und
Innovationsprozess geschieht nicht in Jahren,
sondern in Jahrzehnten. Daher wäre es sowohl für
die globalen Volkswirtschaften als auch für die
Gesellschaften wichtig, dass politisch gesetzte
Klimaschutzziele konsequent am Pariser Übereinkommen und dem Vorsorgeprinzip (2-Grad-Obergrenze) orientiert sind. Nur so kann für Investitionen und
Individuen Planungssicherheit geschaffen werden,
können individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen angemessen zeitlich entzerrt
werden und Härtefalle optimal abgefedert werden.
Das am Pariser Übereinkommen orientierte Bayerische Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 und insbesondere auch der Vorschlag der Europäischen
Kommission zum Europäischen Klimagesetz (Kap. 1,
[28]) könnten dies für Bayern in ihren Grundzügen
gewährleisten.
Das im Pariser Übereinkommen genannte anzustrebende Ziel einer 1,5 °C-Begrenzung ist, sofern dieses
Ziel als strikte 1,5-Grad-Obergrenze interpretiert
würde, mit einem verbleibenden Kohlenstoffbudget
von 420 Milliarden Tonnen CO2 verknüpft. Dieses
strikte Ziel steht im Widerspruch zu den gegenwärtigen nationalen Klimaschutzplänen (NDCs), die in der
Summe lediglich eine Stabilisierung der CO2-Äq-(und
der CO2)-Emissionen erwarten lassen würden. Bei
konstanten jährlichen CO2-Emissionen von derzeit
42 Milliarden Tonnen CO2 (Stand 2018 [32]) wäre das
Kohlenstoffbudget somit bereits im Jahr 2028
aufgebraucht. In Artikel 2 der Klimarahmenkonvention ist aber die Bedingung enthalten, dass nachhaltiges ökonomisches Wachstum weiterhin voranschreiten soll, und somit die Transformation nicht durch
eine wirtschaftliche Rezession, sondern maßgeblich
durch Innovation, also durch einen Umbau der
wirtschaftlichen Produktionsprozesse gestaltet
werden muss. Dieser Umbau ist ein Jahrzehntewährender Prozess. Folglich müsste bei einer
strikten 1,5 °C-Begrenzung eine „progressive“
Anpassung der Klimaschutzpläne (NDCs) der Vertragsparteien zum Pariser Übereinkommen gemäß
der Empfehlungen der Vereinten Nationen (UN
Emissions Gap Report 2019 [4]) praktisch unverzüglich erfolgen – unter den globalen realpolitischen
Rahmenbedingungen eine wenig plausible Bedingung. Eine realpolitisch rationale europäische
Handlungsoption wäre hingegen, in einem ersten
Schritt entschlossen im internationalen Verhandlungsprozess für die 2-Grad-Obergrenze einzutreten
(max. globale CO2-Emissionen von 1170 Milliarden
Tonnen CO2). Bei erfolgreichem Verhandlungsverlauf
müsste dann in einem zweiten Schritt durch eine
großangelegte Nutzung negativer Emissionen die
langfristige Begrenzung unter 1,5 °C angestrebt
werden. Diese sogenannte „Overshoot“ Lösung
würde die z.T. in Kapitel 5 beschriebenen Risiken
des Klimawandels deutlich reduzieren.
Die Szenarien RCP 4.5, RCP 6.0 und RCP 8.5
(Abb. 6) stehen im Widerspruch zu Vorsorgeprinzip
und Pariser Übereinkommen (Kap. 5). Sie sind
repräsentativ für globalpolitisch gewählte Klimasysteme mit „mäßigem Klimaschutz“ (RCP4.5),
ein Klimasystem „weitgehend ohne Klimaschutz“
(RCP6.0) und „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5)5 [30].
Es ist entscheidend wahrzunehmen, dass die RCPs
keinesfalls als Vorhersagen gewertet werden dürfen
([30] S. 26). Die RCP Szenarien wurden durch
sogenannte „Integrated Assessment Modelle“
erzeugt. Diese Modelle zeigen auf, dass klimapolitische Maßnahmen, insbesondere ein stetig steigender Preis von Treibhausgasemissionen, eine politische Steuerungsgröße darstellen. Weitgehend
unabhängig von gegebenen Unsicherheitsspannen
z. B. bei der Bevölkerungsdynamik oder der Kostendynamik technologischer Innovationsprozesse
können klimapolitische Maßnahmen eine ökologische Modernisierung der Volkswirtschaften einleiten,
und dadurch ein in ähnlichen Größenordnungen wie
bisher anhaltendes Wirtschaftswachstum mit der
Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze versöhnen (die
vom IPCC aufgeführte mögliche Verringerung der
globalen Wachstumsrate um etwa 0,06 %/a ist so
niedrig, dass sie im Verhältnis zu anderen Wachstumsfaktoren und im Kontext der dadurch vorgebeugten Klimarisiken, Verluste und Schäden als
vernachlässigbar gelten kann [31]). Das Fenster
dieser Möglichkeit muss konsequent genutzt
werden.
5
Diese Terminologie nimmt Bezug auf die Statistik der Ergebnisse eines
Ensembles sogenannter Integrated Assessment Modelle.
Der Mensch und das Klimasystem
Was bedeuten diese globalen Rahmenbedingungen
für die Klimazukunft Bayerns? Die Amplitude der in
Bayern zu erwartenden klimatischen Veränderungen
hängt maßgeblich von der Entwicklung der globalen
Treibhausgasemissionen ab. Dennoch stellt der
globale Durchschnitt des Klimawandels nur unzureichend die in Bayern zu erwartenden Klimaänderungen dar. Die Änderungen des Klimas verlaufen auf
den Kontinenten – also auch in Bayern – ausgeprägter als im globalen Mittel. Selbst innerhalb Bayerns
sind die Klimaveränderungen räumlich heterogen – in
den Alpen anders als in der Donauregion. Die
Auswirkungen des Klimawandels und Möglichkeiten
der Anpassung in Bayern können durch eine räumlich
hochaufgelöste, einheitliche Datenbasis zu den
vergangenen und künftigen Klimaänderungen
systematisch abgeschätzt werden.
Eine solche Datenbasis wird vom Bayerischen
Landesamt für Umwelt erzeugt und öffentlich zur
Verfügung gestellt. Auf dem Weg zu dieser Datenba-
sis (Abb. 7) werden zunächst eine Vielzahl an Klimamodellen, welche jeweils von renommierten Forschungsinstituten herausgegeben werden,
herangezogen. Jedes einzelne Klimamodell hat
spezifische Stärken und Schwächen. Um eine für
Bayern besonders aussagekräftige Datenbasis zu
erzeugen, unterläuft jedes Klimamodell einen
systematischen Prüfprozess (Audit) (Abb. 7) [33]. Nur
wenn sich das jeweils einzelne Klimamodell im
Vergleich zu Beobachtungsdaten der Vergangenheit
als räumlich und zeitlich (saisonal) wiedergabekräftig
erweist, wird es in das sogenannte „Bayerische
Klimaprojektionsensemble“ (Bayern-Ensemble)
aufgenommen. Aus 21 dynamischen Klimamodellen
haben 10 Modelle diesen Prüfprozess bestanden.
Zusätzlich wurden zwei statistische Klimamodelle
aufgenommen, welche im Gegensatz zu dynamischen Klimamodellen die relevanten regionalen
physikalischen Prozesse nicht dynamisch berechnen,
sondern anhand von Beobachtungsdaten und
statistischer Zusammenhänge aus großräumigen
Abb. 7: Arbeitsschritte bis zur Bereitstellung einer für Bayern aussagekräftigen, einheitlichen Datenbasis klimatischer Änderungen [33].
29
30
Der Mensch und das Klimasystem
atmosphärischen Strukturen das lokale Wettergeschehens ableiten [34]. Die Klimamodelldaten dieser
12 Klimamodelle konstituieren das Bayerische
Klimaprojektionsensemble (Bayern-Ensemble) für
RCP8.5. Für RCP2.6 stehen Ergebnisse von acht, für
RCP4.5 von sechs dieser Klimamodelle zur Verfügung. Um die Modelldaten der verschiedenen
Klimamodelle mit den Messdaten der Vergangenheit
in Bezug setzen zu können, müssen diese zunächst
noch aufbereitet werden (Abb. 7: Downscaling,
Bias-Korrektur). Anschließend stehen im Ergebnis
aussagekräftige Daten (sog. Klimakennwerte) zur
Klimazukunft Bayerns zur Verfügung.
Voraussichtlich ab Mitte 2021 können die Klimakennwerte von externen Nutzern selbständig über das
Bayerische Klimainformationssystem (BayKIS) der
bayerischen Staatsregierung abgerufen werden. In
weiteren Ausbaustufen (2021 bis 2023) soll das
BayKIS zu einer sogenannten „One-Stop-Agency“
ausgebaut werden, sodass staatliche Informationen
zu den Themengebieten Klimawandel, Auswirkungen
des Klimawandels, Anpassung an die Folgen des
Klimawandels und Klimaschutz über das BayKIS
aufgerufen werden können.
Die Ergebnisse des Bayern-Ensembles werden im
nachfolgenden Kapitel 3 dargestellt. Es zeigt sich
dort sehr deutlich: die Klimazukunft Bayerns hängt
maßgeblich von der Wahl des Treibhausgasemissionsszenarios (RCP) ab. Sie ist also letztlich das
Resultat einer bewussten Entscheidung, die ihrerseits durch einen jahrzehntewährenden globalpolitischen Entscheidungsprozess unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen geformt
wird. In diesem internationalen Entscheidungs- bzw.
Verhandlungsprozess muss zügig und entschlossen
eine vorsorgeorientierte Klimapolitik (2-Grad-Obergrenze) im Sinne des Pariser Übereinkommens
faktisch durchgesetzt werden. Bayern begrüßt die
aktuellen, ambitionierten europäischen Klimaschutzimpulse der europäischen Kommission [6]; [28],
welche für alle Mitgliedsstaaten der Europäische
Union – also auch für Deutschland und die Bundesländer – internationale Maßstäbe für eine verantwortungsbewusste, verhältnismäßige und gleichzeitig
vorsorgeorientierte Klimapolitik setzen.
Der Mensch und das Klimasystem
31
3 Das Klima in
Bayern – Bayern
im Klimawandel
3
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Abb. 8: Die sieben Klimaregionen Bayerns: Alpen, Alpenvorland, Südbayerisches Hügelland, Donauregion, Ostbayerisches Hügel- und
Bergland, Mainregion und Spessart-Rhön.
33
34
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Die Begriffe „Wetter“ und „Klima“ sollten grundsätzlich voneinander unterschieden werden. Der Unterschied zwischen „Wetter“ und „Klima“ kann in
Analogie zu einem gewöhnlichen Würfel illustriert
werden. Es lässt sich zu Beginn des Wurfs eines
Würfels nicht sagen, welche Zahl am Ende fallen
wird. Erst ganz kurz bevor der Würfel in seine finale
Position gefallen ist, vor der letzten Drehung des
Würfels, könnte man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abschätzen, welches Ergebnis zu erwarten
ist. Der Würfel könnte z. B. auf der Zahl 1 liegen
bleiben – die Temperatur Bayerns könnte zu einem
gegebenen Zeitpunkt z. B. auf –8 °C „liegen bleiben“.
Wetterprognosen sagen voraus, wo der Würfel liegen
bleibt. Belastbare Wetterprognosen blicken in der
Regel nur wenige Tage in die Zukunft. Auswertungen
des Klimas haben nichts mit Wettervorhersagen zu
tun. Man wertet bei Analysen des Klimas in gewisser
Weise lediglich die Eigenschaften des Würfels aus.
Man kann dann sagen, dass jeder sechste Wurf eines
Würfels im Durchschnitt eine 1 ist – man kann sagen,
dass die 30-jährige Mitteltemperatur von Bayern über
den Zeitraum 1971–2000 7,9 °C betrug. Findet mit
den Jahren eine relevante Änderung des Klimas statt,
so stellen die im Referenzzeitraum 1971–2000 von
Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft erlebten
klimatischen Bedingungen oftmals keine ausreichende Informationsbasis mehr dar, um optimale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entscheidungen für
die Zukunft zu treffen (Kap. 4).
Um Entscheidungsträger bestmöglich zu informieren
und um gleichzeitig aufzuzeigen, welchen Einfluss
klimapolitische Entscheidungen auf den Verlauf des
Klimawandels haben, werden nachfolgend in
Kap. 3.1 und 3.2 für verschiedene Klimaregionen
Bayerns auszugsweise vergangene und plausible
künftige Änderungen des Klimas dargestellt.6 Es ist
für die Bewältigung des Klimaproblems nicht mehr
ausreichend, allein durch Beobachtungsdaten ein
„Labor der Vergangenheit [14]“ um Rat zu fragen.
6
Eine vollständigere Auflistung der Klimaänderungen kann voraussichtlich
ab 2021 über das Bayerische Klimainformationssystem (BayKIS) online
abgerufen werden.
Zusätzlich können und sollten Simulationen plausibler Entwicklungen des künftigen Klimas herangezogen werden, um aus einem „Labor der Zukunft“ zu
lernen. Die nachfolgend dargestellten Daten in
Kap 3.1 und 3.2 stützen sich für die Vergangenheit
auf Beobachtungsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und auf den Datensatz E-OBS v.20.0e
[35]–[37]. Für die Zukunft dienen als Basis die vom
Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) speziell für
den Raum Bayern aufbereiteten Daten des sogenannten „Bayern-Ensemble“ (Kap. 2.4; [38]).
Das Klima innerhalb Bayerns ist sehr unterschiedlich.
Um die heterogene Natur des bayerischen Klimas
angemessen abzubilden, wurde Bayern in sieben
zusammenhängende Klimaregionen unterteilt, die in
sich möglichst ähnlich bezüglich Temperatur und
Niederschlag sind (Abb. 8). Die Alpenregion am
südlichen Rand Bayerns ist durch die größten
Erhebungen gekennzeichnet. Die Region Voralpenland ist durch Ausläufer der Alpen und durch deren
unmittelbare Nähe geprägt. Innerhalb dieser Region
nimmt die aufgrund ihrer geringen Größe nicht extra
ausgewiesene Bodenseeregion mit ihrem milden
Klima eine Sonderstellung ein. Das Südbayerische
Hügelland umfasst die Zentren Augsburg und
München und ist klimatisch noch von der Nähe der
Alpen beeinflusst. Die Donauregion wird durch die
große Flussniederung von Ulm bis Passau und
Ausläufern nach Norden bis Weiden und Nürnberg
aufgespannt. Die Grenze zur anderen großen
Flachlandregion um den Main von Bayreuth bis
Aschaffenburg wurde nicht entlang der Wasserscheide, sondern aufgrund klimatischer Kriterien gezogen.
Die Spessart-Rhön-Region grenzt sich durch die
Mittelgebirge im Nordwesten Bayerns deutlich ab.
Auch das Ostbayerische Hügel- und Bergland,
welches von der Frankenalb übers Fichtelgebirge
bis ins Vogtland und den Bayerischen Wald reicht,
ist von den Höhenlagen der Mittelgebirge geprägt.
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3.1 Temperatur
3.1.1
Klima der Jahre 1971–2000
Der Zeitraum 1971–2000 dient für die nachfolgenden
Analysen als Referenzzeitraum. In diesem Zeitraum
betrug die mittlere Temperatur in Bayern 7,9 °C. Die
saisonalen Schwankungen sind sehr ausgeprägt.
Die mittlere Temperatur betrug im Sommer 16,3 °C
(Juni–Aug.), im Herbst 7,8 °C (Sept.–Nov.), im Winter
–0,5 °C (Dez.–Feb.) und im Frühjahr 7,7 °C (März–Mai).
Neben der saisonalen Variabilität treten im bayerischen Klima große regionale Unterschiede auf, mit
dem kleinsten Wert von 5,7 °C in der Alpenregion
und dem größten Wert von 8,5 °C in der Mainregion
(Abb. 9).
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Bayreutth
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Nürrnberg
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Mittlere Lufttemperatur 1971–2000
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5
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Augsburg
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7
8
Mittelwert je Klimaregion
0
9
50 km
Fachdaten:
LfU, basierend
auf Daten des
Deutschen Wetterdienstes
und E-OBS Daten
Abb. 9: Die mittlere Lufttemperatur im Zeitraum 1971–2000 in
den sieben Klimaregionen Bayerns.
Besonders wichtig für die Interpretation von
Klimaänderungen ist die Frage, wie stark die Temperatur bei gleichbleibendem Klima natürlicherweise
ohnehin schwanken würde. Auf Basis statistischer
Analysen wurde ermittelt, dass bei einem gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 unveränderten Klima die 30-jährige Jahresmitteltemperatur in
Bayern nur um etwa ±0,3 °C schwanken würde. Die
Werte einzelner Jahresmitteltemperaturen schwanken im Gegensatz zum 30-jährigen Mittel deutlich
stärker. Der Minimalwert der Referenzperiode betrug
6,8 °C im Jahr 1996 und der Maximalwert 9,4 °C im
Jahr 1994 – ein Wertebereich von ±1,3 °C.
Gesellschaft und Wirtschaft Bayerns treffen stetig
Entscheidungen, die vom bayerischen Klima abhängen. Für viele dieser Entscheidungen ist der in
Abb. 9 dargestellte Mittelwert der Jahrestemperatur
wenig informativ. Wichtiger ist für Nutzer von
Klimadaten, besonders markante saisonale oder
tägliche Änderungen des Wettergeschehens und
des entsprechenden Klimas zu berücksichtigen.
Tab. 1 zeigt unmittelbar interpretierbare Kennwerte
des bayerischen Klimas im Zeitraum 1971–2000. An
etwa 4 Tagen pro Jahr traten im bayernweiten Mittel
sogenannte Hitzetage auf, mit Temperaturen von
mindestens 30 °C (Tmax ≥ 30 °C). An 31 Tagen traten
Sommertage auf, mit über 25 °C (Tmax > 25 °C). Die
für den nächtlichen Schlaf für uns sehr ungewohnten
und zumeist störenden Tropennächte, in denen die
nächtliche Lufttemperatur nicht unter 20 °C absinkt
(Tmin > 20 °C), wurden in Bayern zwischen 1971–
2000 nur sehr vereinzelt und stets lokal äußerst
begrenzt gemessen (Tab. 1). An 110 Tagen pro Jahr
fielen im bayernweiten Mittel die Temperaturen unter
den Gefrierpunkt (Tmin < 0 °C) und an 30 Tagen
blieben die Temperaturen ganztägig unter dem
Gefrierpunkt (Tmax < 0 °C).
35
36
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Tab. 1: Klima-Kennwerte: Mittlere Anzahl der Kenntage pro Jahr im Zeitraum 1971–2000. Die Werte wurden als Flächenmittel bestimmt.
Raumbezug
Hitzetage
(Tmax ≥ 30 °C)
Sommertage
(Tmax > 25 °C)
Tropennächte
(Tmin > 20 °C)
Frosttage
(Tmin < 0 °C)
Eistage
(Tmax < 0 °C)
Bayern
4,1
31
0,02
110
30
Alpen
0,5
10
0,00
154
41
Alpenvorland
1,5
22
0,04
121
30
Südbayerisches
Hügelland
3,9
33
0,03
107
29
Donauregion
5,1
36
0,02
106
30
Ostbayerisches
Hügel- und
Bergland
2,5
24
0,01
123
37
Mainregion
6,2
37
0,03
96
23
Spessart-Rhön
2,5
24
0,04
103
30
3.1.2
Klimawandel von 1951 bis 2100
Der Klimawandel ist einerseits bereits heute in
Bayern angekommen und er wird uns andererseits
in Zukunft weiterhin beschäftigen (Abb. 10). Das
Klima in Bayern ändert sich – Bayern und die globale
Gemeinschaft haben Wahlmöglichkeiten, Risiken des
Klimawandels durch Klimaschutz (Kap. 2.3) vorzubeugen und negative Auswirkungen durch Anpassung (Kap. 4) zu begrenzen.
Beobachteter Klimawandel
Abb. 10 zeigt für Messdaten der Vergangenheit die
Werte der einzelnen Jahresmitteltemperaturen von
1951 bis 2019 (graue Punkte), jeweils als Abweichung
gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000.
Augenscheinlich waren nach 1985 die meisten Jahre
wärmer als vor 1985 (Abb. 10). Eine statistische
Analyse der Jahresmitteltemperaturen liefert einen
hoch signifikanten Erwärmungstrend von +1,9 °C
über den Zeitraum 1951–2019 (Konfidenzniveau
≥ 99 %). Dieser hoch signifikante Erwärmungstrend
verlief im Herbst (Sept.–Nov.) mit +1,2 °C deutlich
moderater als in Winter (+2,1 °C; Dez.–Feb.), Frühjahr
(+2,1 °C; März-Mai) und Sommer (+2,4 °C, Juni–Aug.).
7
8
Das 30-jährige Mittel der Jahrestemperatur stieg
zwischen 19657 und 2004 deutlich an (Abb. 10:
schwarze Linie). Bereits um das Jahr 1994 liegt es
außerhalb des Schwankungsbereichs8 des Referenzzeitraums (Abb. 10: schwarze Kurve verlässt den
grauen Bereich). Dies bedeutet, dass nach etwa
einer Dekade bereits eine nennenswerte Klimaänderung stattgefunden hat. Aufgrund dieser hohen
Geschwindigkeit der Klimaänderung ist es keine
Überraschung, dass bereits heute weitreichende
Auswirkungen des Klimawandels beobachtet
werden (vgl. Kap. 4).
Statistische Analysen erlauben grundsätzlich keine
Aussagen zur Ursache der beobachteten Veränderungen. Um die Ursache dieser Veränderungen wissenschaftlich zu bestimmen, müssen naturgesetzliche
Zusammenhänge explizit in Modellen und Hypothesen repräsentiert werden. Auf Basis eines belastbaren naturgesetzlichen Prozessverständnisses wurde
bereits seit längerem folgender wissenschaftlicher
Konsens hergestellt: der menschliche Einfluss auf
das Klimasystem ist extrem wahrscheinlich die
dominante Ursache des seit 1950 beobachteten
globalen Erwärmungstrends [9].
Um den Wert der 30-jährigen Mitteltemperatur zu berechnen, müssen 30 einzelne Werte der Jahrestemperatur vorliegen. Das 30-jährige Mittel des
Zeitraums 1951–1980 liefert also das 30-jährige Mittel zum Jahr 1965.
Der Schwankungsbereich des Referenzzeitraums 1971–2000 zeigt auf, innerhalb welches Bereiches 95 % der Werte des 30-jährigen Mittels liegen
würden (95 % Konfidenzintervall), wenn das beobachtete Klima der Jahre 1971–2000 auch für Vergangenheit oder Zukunft aussagekräftig wäre. Verlässt
das 30-jährige Mittel diesen Bereich, so hat sich das Klima spürbar verändert.
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3
2
1
0
−1
−2
Lufttemperatur [°C]
Änderung zu 1971−2000
4
5
Bayern
1950
2000
um 1985 (Referenzzeitraum)
Messungen
30−jähriges Mittel
einzelne Jahreswerte
Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel
Abb. 10:
2050
2100
um 2035
Projektionen
RCP2.6
um 2085
RCP8.5
Median 30−jähriges Mittel
Bandbreite 30−jähriges Mittel
Abweichung der beobachteten jährlichen Mitteltemperatur (graue Punkte) und des 30-jährigen Mittels (schwarze Linie)
der Messwerte zwischen 1951 und 2019 gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Die simulierte Änderung der 30-jährigen
Mittel zeigt einen Temperaturverlauf „ohne Klimaschutz“ (orange, Szenario RCP8.5) und ein Klimaschutzszenario gemäß
„2-Grad-Obergrenze“ (grün, RCP2.6).
Wahlmöglichkeiten künftiger Klimaänderungen
Der Mensch und die anthropogenen Treibhausgasemissionen sind also der entscheidende Faktor bei
der Frage, wie sich das Klima verändert. Daher
haben wir Menschen auch Wahlmöglichkeiten bei
der Frage, wie sich das Klima in Zukunft verändern
wird. Simulationen solch wählbarer Klima-„Zukünfte“
sind in Abb. 10 als grüner und oranger Bereich
dargestellt.
Die grüne Linie in Abb. 10 stellt die im 30-jährigen
Mittel laut 50 % der Klimamodelle (Median) erwartete Erwärmung dar, wenn die im Pariser Übereinkommen genannte 2-Grad-Obergrenze eingehalten wird
(Szenario RCP2.6). Der grüne Bereich spiegelt die
Bandbreite der Ergebnisse aller Klimamodelle wider,
also den möglichen Bereich zwischen der „kühlsten“
und der „wärmsten“ Klimaentwicklung in Bayern.
Um das Jahr 2004 (d. h. im Zeitraum 1990–2019) lag
die gemessene Abweichung der 30-jährigen Jahresmitteltemperatur mit +0,7 °C nur knapp unter der für
2035 simulierten Median Erwärmung von +1 °C
(Abb. 10) und ebenso nur knapp unter der langfristig
simulierten Median Erwärmung von bis zu +1,2 °C.
Somit deuten die Modellergebnisse an, dass die
vergangenen 30 Jahre zwischen 1990 und 2019 mit
dem künftigen Klima Bayerns zumindest auf Seiten
der jährlichen Mitteltemperaturen weitgehend
vergleichbar wären. Es würden künftig laut der
Mehrzahl der Klimamodelle also nur noch moderate
Klimaänderungen stattfinden. Die obere Grenze der
Bandbreite des grünen Bereiches von Abb. 11 macht
aber auch deutlich, dass um das Jahr 2035 im
Rahmen der Modellunsicherheiten durchaus eine
zusätzliche Erwärmung von +1,5 °C gegenüber dem
Referenzzeitraum 1971–2000 möglich wäre.
37
38
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Ganz anders verhält sich das simulierte Klima in
einem Szenario ohne Klimaschutz (Abb. 10 in
orange). Um das Jahr 2035 simulieren die Hälfte der
Klimamodelle einen größeren Anstieg der 30-jährigen Mitteltemperatur als dies im Maximum bei einer
erfolgreichen Umsetzung des Pariser Übereinkommens der Fall wäre (Abb. 10: grüner Bereich vs.
orange Linie). Gegen Ende des Jahrhunderts (2071–
2100) wäre für das 30-jährige Mittel eine Erwärmung
von +3,8 °C wahrscheinlich und bis zu +4,8 °C
möglich.
Plausibilität und Einordnung der Ergebnisse
Wie plausibel sind die in Abb. 10 dargestellten
Modellergebnisse? Generell ist auffällig, dass die
30-jährige gemittelte Veränderung der beobachteten
Jahrestemperatur (Abb. 10: schwarze Linie) zunehmend deutlich oberhalb des Szenarios RCP2.6
(grüne Linie) liegt. So liegt das beobachtete Mittel
um 2004 bzw. des Zeitraums 1990–2019 mit +0,7 °C
deutlich über der Medianerwärmung von RCP2.6
(+0,3 °C). Der Unterschied von +0,4 °C ist nennenswert, da diese zusätzliche Erwärmung außerhalb
des Schwankungsbereiches des Referenzzeitraums
(+-0,3 °C) liegt. Dieses Ergebnis ist grundsätzlich
sehr plausibel: Beide Szenarien RCP2.6 und 8.5
basieren bis zum Jahr 2005 auf Messwerten der
globalen THG-Emissionen. Ab dem Jahr 2005
unterscheiden sich die Annahmen zu den THGEmissionen bei RCP8.5 („ohne Klimaschutz“ [39];
[4]) und RCP2.6 („2-Grad-Obergrenze“). Da die
realen vergangenen Treibhausgasemissionen zwischen 2005 und 2018 deutlich höher waren als im
Szenario RCP2.6 angenommen (Kap. 2.4), ist eine
entsprechend höhere beobachtete Erwärmung keine
Überraschung.
Grundsätzlich gilt für die globale Mitteltemperatur
bei der 2-Grad-Obergrenze (RCP2.6) der sogenannte
Budgetansatz: global dürfen insgesamt noch maximal 1170 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen
werden, um den Anstieg der globalen Mitteltemperatur unter 2 °C zu begrenzen (Kap. 2.2). Dieses
Budget steht für den Zeitraum 2018–2100 zur
Verfügung. Wenn das Pariser Übereinkommen
erfolgreich umgesetzt wird, wäre daher die künftige
Erwärmung in Bayern langfristig wohl in etwa
innerhalb des in Abb. 10 aufgezeigten Ergebnisbereiches des Szenarios RCP2.6.
Die langfristig simulierte Median Erwärmung von bis
zu +1,2 °C (Abb. 10, grüne Linie im Zeitraum 2041–
2070) liegt um +0,5 °C über der gemessenen
Abweichung der 30-jährigen Jahresmitteltemperatur
des Zeitraums 1990–2019 (+0,7 °C). Es wäre künftig
(im Median) also eine nennenswerte, aber nur
moderate zusätzliche bayernweite Erwärmung zu
erwarten. Dieses Ergebnis ist eine Überraschung.
Schließlich liegt der Anstieg der globalen Mitteltemperatur mit aktuell etwa 1,1 °C (Stand 2017 [17])
gegenüber vorindustriellen Werten noch um ganze
0,9 °C unter der 2-Grad-Obergrenze. Regionale
Rückkopplungseffekte könnten in Verbund mit der
regionalen Variabilität bzw. dem Schwankungsbereich des 30-jährigen Mittels ein Grund für ein
solches Verhalten des bayerischen Klimas sein.
Zuletzt könnte die Mehrzahl der regionalen Klimamodelle die künftige bayerische Jahresmitteltemperatur aber auch deutlich unterschätzen. In diesem
Fall wäre der Maximalwert von 1,6 °C Erwärmung
gegenüber 1971–2000 ein „richtiger“ Wert.
Zahlen zu Klimawandel und Klima-Kennwerten
Auswirkungen des Klimawandels hängen oftmals
explizit von den in Tab. 2 und Tab. 3 aufgeführten
Klima-Kennwerten ab.
Ausgehend von etwa 4 Hitzetagen im Zeitraum
1971–2000 (Tab. 1) sind für den Zeitraum 2021–2050
mindestens drei zusätzliche Hitzetage wahrscheinlich (Tab. 2: nahe Zukunft „2-Grad-Obergrenze“
RCP2.6) und bis zu 11 zusätzliche Hitzetage möglich
(Tab. 3: nahe Zukunft „ohne Klimaschutz“ RCP8.5).
Die Zahl der Hitzetage wird bayernweit demnach um
60–220 % steigen.
Diese große Bandbreite künftiger Klimaänderungen
resultiert für die nahe Zukunft (2021–2050) neben der
Wahl des Szenarios vor allem aus den Klimamodellen
selbst: es könnten die Simulationsergebnisse der
Mehrheit der Klimamodelle eintreten, es könnten
sich aber auch besonders „warme“ Klimamodelle
als aussagekräftig erweisen (Tab. 2 vs. Tab. 3).
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Die in den vergangenen 50 Jahren bereits erlebten
Klimaänderungen sind tendenziell schneller als jene,
welche für die Zukunft unter der Pariser 2-GradObergrenze (Szenario RCP2.6) zu erwarten wären.
Der ermittelte Trend der Vergangenheit weist beispielsweise darauf hin, dass in den vergangenen 50
Jahren die Anzahl der Eistage um 11 abgenommen
hat. Demgegenüber erscheint eine etwas geringere
Abnahme von 8 Eistagen zwischen 2021–2050
gegenüber 1971–2000 in RCP2.6 wahrscheinlich.
Eine erfolgreiche weltweite Umsetzung des Pariser
Übereinkommens würde den Klimawandel auch in
Bayern wahrscheinlich bereits in den kommenden
Jahrzehnten merklich verlangsamen (Tab. 2: Trend
pro 50 Jahre vs. RCP2.6 der nahen Zukunft) und
spätestens ab 2050 vollständig zum Stillstand
kommen lassen (Tab. 2: RCP2.6 nahe Zukunft vs.
ferne Zukunft).
Im Gegensatz zum Klimaschutzszenario RCP2.6
führt ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5)
dazu, dass sich die Klimaänderungen im Verlauf
dieses Jahrhunderts sogar weiter beschleunigen
würden. Ein ungebremster Klimawandel würde
nämlich „ohne Klimaschutz“ zwischen der nahen
und der fernen Zukunft eine künftige, mittlere
Klimaänderung von +2,4 °C über 50 Jahre aufweisen
und somit nochmals deutlich oberhalb des Trends
der Vergangenheit von 1,4 °C liegen (Tab. 2). Zunehmend würden die voranschreitenden Klimaänderungen zu Auswirkungen und Ereignissen führen, die in
der Vergangenheit noch undenkbar schienen. Gegen
Ende des Jahrhunderts wären 22 zusätzliche Hitzetage im bayernweiten Mittel zu erwarten (Tab. 2:
RCP8.5 ferne Zukunft) und bis zu 36 zusätzliche
Hitzetage im Maximum möglich (Tab. 3: RCP8.5
ferne Zukunft). Phänomene wie Tropennächte, in
denen die nächtlichen Tagestemperaturen nicht unter
20 °C absinken, wären ein Phänomen, das im
bayernweiten Mittel wahrscheinlich an etwa +6
Tagen im Jahr auftreten würde (Tab. 2).
Tab. 2: Bayernweite Änderung von Klima-Kennwerten. Der Trend der Vergangenheit wurde aus einer Zeitreihe von Messwerten zwischen 1951
und 2019 ermittelt. Die Klimaänderung der nahen Zukunft (2021–2050) und fernen Zukunft (2071–2100) stellt die im Median simulierte
Änderung des 30-jährigen Mittels gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 dar, jeweils für ein Klimaschutzszenario gemäß
„2-Grad-Obergrenze“ (RCP2.6) und ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5).
Klima-Kennwert
Trend der
Vergangenheit
(1951 – 2019)
Nahe Zukunft (2021–2050)
(Erwartete Änderung
pro 50 a)
Ferne Zukunft (2071–2100)
(Erwartete Änderung
pro 100 a)
Seit 1951
Pro 50 a
RCP2.6
RCP8.5
RCP2.6
RCP8.5
Temperatur [°C]
+1,9
+1,4
+1,0
+1,4
+1,1
+3,8
Hitzetage
(Tmax > 30 °C)
+8,5
+6,2
+3
+5
+4
+22
Sommertage
(Tmax > 25 °C)
+25
+18
+10
+12
+11
+40
Tropennächte
(Tmin > 20 °C)
+0,03
+0,02
+0,2
+0,3
+0,3
+6,2
Frosttage
(Tmin < 0 °C)
–26
–19
–18
–28
–19
–65
Eistage
(Tmax < 0 °C)
–15
–11
–8
–12
–10
–23
39
40
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Tab. 3: Maximale Änderung von Jahresmitteltemperatur [°C] und von weiteren Klima-Kennwerten [Tage]. Der Maximalwert (Max.) ist von den
Simulationen mit dem größten Änderungssignal abgeleitet. Die Klimaänderung der nahen Zukunft (2021–2050) und fernen Zukunft
(2071–2100) stellt die simulierte Änderung des 30-jährigen Mittels gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 dar, jeweils für ein
Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (RCP2.6) und ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5).
Klima-Kennwert
Nahe Zukunft (2021–2050)
(Max. Änderung pro 50 a)
Ferne Zukunft (2071–2100)
(Max. Änderung pro 100 a)
RCP2.6
RPC8.5
RCP2.6
RPC8.5
Temperatur [°C]
+1,5
+2,1
+1,6
+4,8
Hitzetage (Tmax > 30 °C)
+11
+11
+11
+36
Sommertage
(Tmax > 25 °C)
+24
+33
+23
+73
Tropennächte
(Tmin > 20 °C)
+1,2
+1,4
+1,6
+18
Frosttage (Tmin < 0 °C)
–26
–46
–31
–81
Eistage (Tmax < 0 °C)
–12
–18
–12
–26
Konkrete Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft,
Gesellschaft und Kultur Bayerns sind im Falle eines
drastischen Klimawandels „ohne Klimaschutz“
(RCP8.5) sehr weitreichend. „Ohne Klimaschutz“
wären nicht nur die maximalen (worst-case) Temperaturänderungen sehr ausgeprägt (Tab. 3), sondern
sogar die in Tab. 2 dargestellten erwarteten Klimaänderungen. Dies bestätigt im Wesentlichen eines:
würde die internationale Gemeinschaft eine Zukunft
„ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) wählen, so würden
Zug um Zug Phänomene und Ereignisse auftreten,
die so auch in Bayern in der Vergangenheit weder
denkbar waren noch mit der aktuellen Lebensrealität
der Menschen vereinbar sind.
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die
künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung […] (Art. 20a, Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland).“ Um die Umsetzung
dieses Staatsziels zu gewährleisten und um den
Klimawandel selbst sowie seine Folgen für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu minimieren, ist
die konsequente politische Umsetzung des Pariser
Übereinkommens eine zentrale Voraussetzung
(Kap. 5).
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3.2 Niederschlag
3.2.1
Klima der Jahre 1971–2000
Im Referenzzeitraum 1971–2000 betrug der mittlere
Jahresniederschlag 941 mm. Diese 941 mm Niederschlag fielen, charakteristisch für das mitteleuropäische Klima, vermehrt im Sommerquartal (Juni–Aug.:
313 mm), und ansonsten relativ homogen verteilt
über Herbst (Sept.–Nov.: 218 mm), Winter (Dez.–
Feb.: 199 mm)9 und Frühjahr (März–Mai: 212 mm).
Auch saisonal unterscheiden sich die Niederschlagsmuster in Bayern merklich. Im Winter dominieren
periodisch wiederkehrende großräumige Regenereignisse, welche als Regenfront oftmals über ganz
Bayern hinwegziehen. Im Sommer treten meist eher
lokale, sogenannte konvektive Niederschlagsereignisse (Schauer) auf.
Wie bei der Temperatur (Kap. 3.1) weist das bayerische Klima auch für den Niederschlag sehr große
regionale Unterschiede auf. Im Alpenland sind die
jährlichen Niederschlagssummen mit 1966 mm mehr
als doppelt so hoch als die Werte der Donau- und
Mainregion (Abb. 11).
Die Niederschlagssummen schwanken natürlicherweise relativ stark: der Schwankungsbereich des
30-jährigen Mittels beträgt ± 24 mm bzw. ± 8 % im
Sommerquartal und ± 23 mm bzw. ± 12 % im
Winterquartal.
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Main
Bayreutth
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Mittlerer Jahresniederschlag 1971–2000
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650 750 850 950 1100
935
9
1300
1500
Mittelwert je Klimaregion
Abb. 11:
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50 km
Fachdaten:
LfU, basierend
2000 auf Daten des
Deutschen Wetterdienstes
Der mittlere Jahresniederschlag in den sieben
Klimaregionen Bayerns für den Zeitraum 1971–2000.
Abweichend vom Referenzzeitraum (1971–2000) erstreckt sich dieser für
Angaben zum Winterquartal von Dezember 1970 bis Februar 2000. Dies
sowie Rundungsvorschriften können dazu führen, dass die Summe
einzelner Quartalsangaben (z. B. Niederschläge) von den Jahresangaben
abweicht.
41
42
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3.2.2
Klimawandel von 1951–2100
Im starken Gegensatz zur Temperatur, die im Zuge
eines voranschreitenden Klimawandels deutlich
ansteigt (Abb. 10), sind mögliche Änderungen in den
Niederschlagssummen unsicher und im Verhältnis
zum Schwankungsbereich des Referenzzeitraums
eher gering ausgeprägt (Abb. 12 als Beispiel für
das Sommerquartal).
Beobachteter Klimawandel
Zwischen 1951 und 2019 konnte für die jährlichen
Niederschlagssummen kein signifikanter Trend
ermittelt werden. In der jüngsten Vergangenheit
gab es vergleichsweise wenige niederschlagsreiche
Jahre: es fielen in den vergangenen 20, 15, 10 bzw.
5 Jahren etwa 2 %, 4 %, 7 % bzw. 10 % weniger
Niederschläge als im Referenzzeitraum 1971–2000.
Diese Zahlen können ganz konkret mit den jüngst
beobachteten Auswirkungen von Trockenheit in
Bayern in Zusammenhang gebracht werden. Sie sind
jedoch kein Indiz für eine Veränderung des Jahresniederschlags im Zuge des voranschreitenden Klimawandels, denn die 30-jährigen Mittel der Jahresniederschläge zeigen keine Auffälligkeiten: sie verlaufen
stets sehr deutlich innerhalb des für den Referenzzeitraum ermittelten Schwankungsbereichs
(Abb. 102 im Anhang). Für Herbst-, Winter- und
Frühjahrsquartal liegen ebenso keine statistisch
signifikanten Trends der Niederschlagssummen vor.
Lediglich im Sommerquartal (Juni–Aug.) lässt sich
aus Messdaten der Vergangenheit ein statistisch
signifikanter Trend ableiten, mit einer bayernweiten
Abnahme der Niederschlagssummen um 13 % über
den Zeitraum 1951–2019 (Konfidenzniveau ≥ 90 %).
Abb. 12: Prozentuale Abweichung der beobachteten Niederschlagssummen im Sommerquartal Juni–Aug. (graue Punkte) und des
30-jährigen Mittels (schwarze Linie) der Messwerte zwischen 1951–2019 gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Die
simulierte Änderung der 30-jährigen Mittel zeigt einen Temperaturverlauf „ohne Klimaschutz“ (orange, Szenario RCP8.5) und
ein Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (grün, RCP2.6).
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
+15
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Trendwert
Signifikanzniveau
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Sachsen
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Hessen
Winterquartal
50 km
Fachdaten:
LfU, basierend auf Daten des
Deutschen Wetterdienstes
Abb. 13: Relativer Trend der Niederschlagssummen in den sieben Klimaregionen Bayerns über die vergangenen 69 Jahre zwischen
1951–2019, jeweils für das Sommerquartal Juni–Aug. (links) und für das Winterquartal Dez.–Feb. (rechts). Fett gedruckte Werte
symbolisieren einen statistisch signifikanten Trend (Konfidenzniveau > 90 %).
Die beobachteten Änderungen zwischen 1951 und
2019 sind insgesamt von geringem Ausmaß und
regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Sommerquartal (Juni–Aug.) sind statistisch signifikante
Niederschlagstrends nur in der Donauregion, dem
Südbayerischen Hügelland und der Klimaregion
Spessart-Rhön zu verzeichnen (Abb. 13, links). In
Frühjahrs-, Winter- und Herbstquartal sind die
ermittelten Trends in keiner Klimaregion statistisch
signifikant (Abb. 106 im Anhang und Abb. 13, rechts).
Wahlmöglichkeiten künftiger Klimaänderungen
Die in Abb. 12 dargestellten Ergebnisse der Klimamodelle eines Szenarios gemäß der Pariser „2-GradObergrenze“ (RCP2.6, grün) lassen keine klaren
Schlüsse zur künftigen Entwicklung der Niederschlagsmengen des Sommerquartals zu: die
simulierte Median-Änderung liegt innerhalb des
ermittelten Schwankungsbereichs eines Klimas
des Referenzzeitraums. Gleiches gilt für Winter,
Herbst und Frühjahr (Abb. 103–Abb. 105 im Anhang).
Einzelne Klimamodelle simulieren jedoch teilweise
relevante Zu- bzw. Abnahmen der Niederschlagsmengen.
Lediglich eine THG Entwicklung „ohne Klimaschutz“
lässt für die ferne Zukunft (2071–2100) eher Abnahmen der Sommerniederschlagsmengen um 11 %
erwarten (Abb. 12: Median, RCP8.5) sowie Zunahmen um etwa 14 % bzw. 13 % in Winter- und
Frühjahrsquartal (Abb. 103 und Abb. 104 im Anhang).
Einzelne Klimamodelle deuten auch hier zum Teil an,
dass eine jeweils entgegengesetzte Änderung
möglich ist.
Die Bandbreite möglicher Änderungen ist für eine
Zukunft „ohne Klimaschutz“ generell größer als
unter der „2-Grad-Obergrenze“ (für das Sommerquartal in Abb. 12: oranger Bereich ist breiter als
grüner Bereich). Ohne Klimaschutz wird die künftige
Entwicklung der Niederschlagssummen also in
erster Linie deutlich ungewisser.
43
44
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Plausibilität und Einordnung der Ergebnisse
In starkem Gegensatz zur Temperatur, welche für
die Vergangenheit eine statistisch hoch signifikante
Veränderung aufweist und für welche die Klimamodelle belastbare Aussagen zu wählbaren Klima„Zukünften“ erlauben (Kap. 3.1), überwiegt bei den
Niederschlagssummen die Tatsache der Unsicherheit
der Klimaänderungen. Die Jahresniederschlagssummen bleiben insgesamt wahrscheinlich auch
in Zukunft in Bayern konstant. In der Vergangenheit
fand eine leichte Umverteilung der Niederschläge
vom Sommerquartal in die Quartale Herbst, Winter
und Frühjahr statt.
Was bedeuten konstante Niederschlagssummen
unter dem Einfluss des Klimawandels für Bayern?
Für Fragen zum Thema Trockenheit bedeutet dies
aufgrund der steigenden Temperaturen und somit
einer steigenden Verdunstung trotzdem eine Zunahme von Trockenheit. Gleichzeitig muss in Bayern
davon ausgegangen werden, dass durch den Klimawandel die Häufigkeit und Intensität von (lokalen)
Starkregenereignissen zunimmt (Kap. 3.3, s. Abb. 14).
Bei gleichbleibenden Niederschlagssummen dürfte
dies zu längeren Trockenperioden führen.
Ebenso wurde bereits für die Vergangenheit eine
deutliche Änderung der Auftrittshäufigkeit bestimmter, für Trockenperioden relevanter Großwetterlagen,
festgestellt [40]. Dies könnte bei Fortführung dieser
Entwicklung das Auftreten und die Auswirkungen
von Trockenheit in Zukunft weiter verschärfen.
Abb. 14: Überflutete Innstraße in Simbach am 1. Juni 2016.
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
3.3 Extremwetterereignisse
Extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Hagel,
Dürre oder Stürme verursachen oftmals hohe
Schäden in Bayern. Bisweilen stellen sie sogar
eine Gefahr für Leib und Leben dar.
Exemplarisch verursachte ein Starkregenereignis
am 1. Juni 2016 mit bis zu 111 mm Niederschlag in
6 Stunden sturzflutartige Überschwemmungen an
einzelnen Orten im Landkreis Rottal-Inn (Niederbayern). Im besonders betroffenen Markt Simbach
am Inn waren die Böden durch intensive Regenfälle
an den Vortagen bereits gesättigt [41], sodass sich in
der Fläche zahllose zusätzliche kleine Gewässerläufe
bilden konnten. Gleichzeitig verweilte eine lokal
begrenzte Niederschlagszelle sehr lange über dem
Einzugsgebiet des Simbach, weshalb sich trotz des
bestehenden Hochwasserrisikomanagements eine
Sturzflut entwickeln konnte (Abb. 14). Neben immensen Sachschäden waren auch mehrere Tote zu
beklagen [41].
In den vergangenen Jahren war Bayern aber auch
ungewöhnlich häufig sehr trockenen Bedingungen
ausgesetzt. Die Jahre 2015, 2018 und 2019 waren
laut Messungen des Deutschen Wetterdienstes
(DWD) drei der vier wärmsten Jahre seit dem Jahr
1881. Eine Häufung heißer Jahre ist im Zuge eines
voranschreitenden Klimawandels keine grundsätzliche Überraschung. In diesen besonders heißen
Jahren fielen aber gleichzeitig deutlich weniger
Niederschläge als üblich. Im Vergleich zum langjährigen Mittel der Periode 1971–2000 betrug die bayernweite jährliche Abweichung des Niederschlags
–21 %, –20 % und –9 % in den Jahren 2015, 2018
und 2019. In einzelnen Monaten und Regionen
waren Abweichungen teils deutlich größer. Als
Folge wurden beispielsweise im Jahr 2018 an vielen
Flüssen und Pegeln Bayerns die niedrigsten je
gemessenen Tagesabflusswerte und die höchsten
Wassertemperaturwertwerte verzeichnet. Grundwasserstände fielen bayernweit zum Teil beträchtlich,
wie auch der Bodenwassergehalt. Solch ein Dürreereignis hat bedeutende Auswirkungen auf Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft, Gewässerökologie und Naturschutz, die menschliche Gesundheit,
die Binnenschifffahrt sowie auf industrielle Wärmeeinleiter (Kap. 4).
3.3.1
Blickpunkt Starkregen
Definition „Starkregen“
Wie definiert sich der Begriff „Starkregen“ bzw.
„Starkniederschlag“? Die wissenschaftliche Literatur
gibt auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort.
Der Klima-Report Bayern 2021 nutzt die Definition
der Kooperation „Klimaveränderung und Wasserwirtschaft (KLIWA)“10 auf Grundlage der Warnstufen des
Deutschen Wetterdienstes (DWD). Die DWD Warnstufen für „Markantes Wetter“ (Stufe 2) und „Unwetter“ (Stufe 3) markieren dabei folgende Schwellwerte für die Intensität von Niederschlägen [42]:
• Markantes Wetter
– > 15 bis 25 mm in 1 Stunde11
– > 20 bis 35 mm in 6 Stunden
• Unwetter
– > 25 mm in 1 Stunde
– > 35 mm in 6 Stunden
Werden obige Niederschlagsmengen für die jeweilige Dauerstufe (d. h. für eine Dauer von 1 h oder 6 h)
der Warnstufen Markantes Wetter oder Unwetter
übertroffen, so findet ein Starkregenereignis statt.
Vereinfacht gesprochen fällt also sehr viel mehr
Niederschlag als innerhalb einer bestimmten Zeitspanne normal ist. Die oben genannten Ereignisse
im Juni des Jahres 2016 im Landkreis Rottal-Inn
fallen mit über 180 l/m² innerhalb von 48 Stunden
und zeitlichen Spitzenniederschlägen von etwa
75 mm Niederschlag in 3 h unter diese Definition.
Sie übertreffen damit deutlich die Kriterien für die
höchste DWD Warnstufe (Stufe 4, „extremes
Unwetter“ 60 mm in 6 Stunden).
Ein Starkregenereignis kann seine Ursache in
heftigen, örtlich begrenzten Schauern von kurzer
Dauer haben („Konvektive Niederschläge“) aber auch
in weniger intensiven, dafür aber langanhaltenden
und großflächigen Niederschlägen („Stratiforme
Niederschläge“).
10
11
www.kliwa.de
Eine Höhe von 1 mm Niederschlag entspricht einer Niederschlagsmenge
von 1 l/m².
45
46
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Abb. 15: Gesamtanzahl der Niederschlagsereignisse im Zeitraum 2001–2018 mit Überschreitung der Warnschwellen des DWD für
Starkregen.
Beobachtete Starkniederschläge
Starkniederschläge durch Messstationen zu beobachten ist schwierig. Die Messstationen Bayerns
erheben zum Teil nur Tageswerte, nicht aber Niederschlagsmengen für die Dauerstufen 1 h oder 6 h.
Außerdem reicht die Messnetzdichte oftmals nicht
aus, um statistisch belastbare Aussagen zu den lokal
auftretenden Starkregenereignissen zu treffen. Seit
2001 werden in Deutschland mittels Radar Niederschläge flächendeckend und in hoher zeitlicher
wie räumlicher Auflösung erfasst (Abb. 15). Eine
Trendanalyse dieser Daten ist aufgrund der kurzen
Zeitreihe für Fragen des Klimawandels noch nicht
zielführend. Dennoch zeigt sich (Abb. 15), dass
Starkregenereignisse überall in Bayern auftreten.
Die Anzahl der Ereignisse ist zu gewissem Grade
an die Orographie gebunden, mit häufigeren Stark
regenereignissen insbesondere im Alpenraum.
Kurzlebige lokale (konvektive) Niederschläge fallen
ab Warnstufe 3 im Verhältnis zum großflächigen
Dauerregen stärker ins Gewicht, sind aber kaum an
die Orographie gebunden [43]. Daher wird ab Warnstufe 3 der räumliche Zusammenhang zwischen
Starkregenereignissen und Orographie schwächer.
Trenduntersuchungen des DWD zeigen, dass die
Intensität von täglichen Niederschlagssummen im
Winter zwischen 1951 und 2006 um 25 % zugenommen hat (für die Dauerstufe 1 h und 6 h liegt für
ähnliche Aussagen keine ausreichende Datenbasis
vor). Für den Sommer sind die natürlichen Jahr-zuJahr-Schwankungen zu groß, um statistisch belastbare Trends zu bestimmen. Für das europäische
Festland wurde aber anhand von Klimamodellsimulationen und Beobachtungen nachgewiesen [44],
dass es im Vergleich der Zeiträume 1981–2013
und 1951–1980 allgemein zu einer Zunahme von
Starkniederschlagshäufigkeiten und -intensitäten
gekommen ist. Je intensiver und seltener die
beobachteten Ereignisse sind, desto größer ist die
jeweilige Zunahme. Eine ähnliche Schlussfolgerung
wie für das europäische Festland ist auch für Bayern
zu vermuten.
Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel
Globale Änderungen in der Zukunft
Durch den allein bis 2050 erwarteten globalen wie
bayernweiten Temperaturanstieg (Kap. 3.1) steigt
die Verdunstung, und der globale Wasserkreislauf
intensiviert sich. Die globale Niederschlagsmenge
steigt um etwa 1–3 % pro 1 °C Erwärmung [10].
Auf Grundlage physikalischer Gesetzmäßigkeiten
(Clausius-Clapeyron-Gleichung) nimmt die Niederschlagsintensität um bis zu 7 % pro 1 °C Erwärmung
für stratiforme Niederschlagstypen (Regenfront) zu
[45]; [46]. Für die lokal auftretenden, konvektiven
Starkregenereignisse sind sogar um bis zu 14 %
intensivere Niederschläge pro 1 °C Erwärmung
möglich [47]; [48]. Da die Intensität der Niederschlagsereignisse stärker steigt als die Niederschlagsmenge, wird die globale Anzahl der Niederschlagsereignisse abnehmen.
Bayernweite Änderungen in der Zukunft
Für das europäische Festland wurde für die Vergangenheit bereits ein Anstieg von Starkregenhäufigkeit
und -intensität nachgewiesen. Grundsätzlich ist
daher auch für Bayern ein ähnlicher Zusammenhang
zu erwarten. Dennoch ist eine gewisse Vorsicht
geboten. Effekte atmosphärischer Zirkulation (Wetterlagen) können in einigen Regionen der Erde den
Starkregenanstieg dämpfen, oder sogar ins Gegenteil umkehren [49].
Insbesondere für den Donauraum und das Alpenvorland gilt in Bayern der Zugbahntyp der sogenannten
Vb-Wetterlage als ein Auslöser mehrerer extremer
historischer Niederschlagsereignisse (z. B. für das
Hochwasser in Mitteleuropa im August 2002 [50]).
Dies sowie eine Intensivierung der Niederschlagsmengen bei Vb-Wetterlagen wurde im Projekt
WETRAX12 (Weather Patterns, Cyclone Tracks and
related precipitation Extremes) festgestellt. Künftige
Änderungen der Anzahl der Vb-Wetterlagen pro Jahr
wurden im Rahmen des Projekts ClimEx13 (Klimawandel und Extremereignisse – Risiken und Perspektiven für die bayerische Wasserwirtschaft) auf
Basis eines Single Modellensembles untersucht.
Für Herbst und insbesondere für Sommer wurde
12
13
https://www.zamg.ac.at/cms/de/forschung/klima/zeitliche-klimaanalyse/
wetrax
www.climex-project.org
Abb. 16: Das Logo des Projektes WETRAX vereint stark
vereinfacht zwei Eigenschaften von Vb-Tiefdruckgebieten: Sie drehen sich gegen den Uhrzeigersinn
und transportieren auf ihrer Zugbahn vom Atlantik
über den Mittelmeerraum feuchtwarme Luftmassen
nach Mitteleuropa. Daraus folgen zum Teil äußerst
ergiebige Niederschläge.
eine Abnahme der Anzahl der Vb-Zugbahnen ermittelt, für Winter und Frühling eine Zunahme. Beide
Entwicklungen verstärken sich im Laufe des Jahrhunderts im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels. Starkregenereignisse treten vor allem
gegen Ende des Frühjahrs sowie im Sommer auf.
Je nach betrachteter Jahreszeit verstärkt bzw.
dämpft deshalb die künftige Veränderung der Anzahl
der Vb-Zugbahnen in Bayern den globalen Trend hin
zu mehr und intensiveren Starkregenereignissen.
Gleichzeitig können die Vb-Zugbahnen jedoch durch
die Temperaturerhöhung intensivere Niederschläge
auslösen.
Die bisherigen Erkenntnisse für Deutschland und
Bayern lassen eine Zunahme von Anzahl und Intensität der Starkniederschlagsereignisse erwarten,
bei gleichzeitiger Abnahme der schwachen und
mittleren Niederschläge [51]–[54]. Um genauere,
auf Bayern zugeschnittene Aussagen zu den klein
skaligen (lokalen) und zumeist kürzeren (Minuten bis
mehrere Stunden) Starkregenereignissen zu treffen,
werden im Rahmen der Kooperation KLIWA aktuell
zeitlich sowie räumlich hochauflösende Klimamodelle ausgewertet. Auch das Projekt WETRAX wird in
WETRAX+ fortgesetzt und vertieft die Untersuchungen zu Starkregenereignissen.
47
4 Klimawandel –
Auswirkung
und Anpassung
4
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Der Klimawandel äußerst sich zunächst in einem
Wandel verschiedener klimatischer Kennwerte wie
z. B. in einem Anstieg von Temperatur und Hitzetagen. Der Wandel des Klimas hat Auswirkungen.
Ausgewählte Auswirkungen werden in Kap. 4 des
Klima-Reports anhand der 15 Handlungsfelder der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016 [55]) beschrieben. Handlungsfelder (z. B.
Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Wald und Forstwirtschaft) können durch Aktivitäten und Maßnahmen der Anpassung negative Auswirkungen des
Klimawandels begrenzen und Chancen nutzen.
Anpassungsaktivitäten müssen teils vorausschauend
erfolgen (Kap. 4.3 Waldumbau), teils ist aber auch
eine reaktive Anpassung an vergangene Klimaänderungen ausreichend (Kap. 4.10 bautechnisches
Regelwerk).
Durch das Zusammenspiel reaktiver und vorausschauender Klimaanpassung mit beobachteten und
möglichen künftigen Klimaauswirkungen ergibt sich
ein Kreislauf von Auswirkungen und Anpassungsreaktionen (Abb. 17). Maßnahmen zur Anpassung an
die Folgen des Klimawandels sollten dabei folgende
Prinzipien beachten (nach BayKLAS 2016 [55]):
• Wirksamkeit: Die Maßnahmen tragen zur Nutzung von Chancen bei und mindern dauerhaft
die Risiken des Klimawandels.
• Nachhaltigkeit: Die Maßnahmen tragen zum
Ausgleich aller Interessen bei und ermöglichen
eine dauerhaft umwelt- und sozialgerechte Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft.
• Umweltverträglichkeit: Die Maßnahmen sollten
nicht zu signifikant negativen Auswirkungen auf
die Umwelt führen.
• Wechselwirkung zwischen Klimaschutz und
Anpassung: Synergien zwischen Klimaschutz und
Anpassungsmaßnahmen sollten genutzt und
Zielkonflikte möglichst vermieden werden.
• Integrative Ansätze: Effektive Managementansätze mit Synergieeffekten für mehrere Handlungsfelder sollen vorrangig unterstützt werden.
• Kooperation und Akzeptanz: Die Umsetzung
von Maßnahmen bedarf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz und einer hohen Bereitschaft zur
Kooperation aller betroffener Akteure.
• Umsetzbarkeit: Die Umsetzung von Maßnahmen
ist von finanziellen und personellen Ressourcen
abhängig. Staatliche und kommunale Akteure,
aber auch Unternehmen, gesellschaftliche Gruppierungen und Bürger können für die Umsetzung
von Maßnahmen verantwortlich sein.
• Unsicherheiten und Robustheit: Simulierte
Klimasignale sind unterschiedlich robust. Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Klimaentwicklungen
und der Auswirkungen des Klimawandels soll
Rechnung getragen werden (z. B. im Rahmen von
Vorsorgeprinzip und einer „No-Regret-Policy“).
Abb. 17: Vom Klimawandel hervorgerufener Kreislauf von
Auswirkung und Anpassung in den Handlungsfeldern der BayKLAS 2016.
• Flexibilität: Die Maßnahmen sollten so flexibel
sein, dass sie mit vergleichsweise geringem
(Kosten-)Aufwand an veränderte Auswirkungen
des Klimawandels angepasst werden können.
• Sonderrolle Wasser: Von besonderer Bedeutung
für Anpassungsmaßnahmen ist die künftige
Verfügbarkeit der Lebensgrundlage Wasser.
49
50
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Ulrike Kaltenhauser, Ludwig-MaximiliansUniversität München, Leitung der Geschäftsstelle bayklif
Durch regionale
Forschung Klimaprozesse
besser verstehen
Das Bayerische Klimaforschungsnetzwerk (bayklif)
wurde 2018 vom Staatsministerium für Wissenschaft
und Kunst ins Leben gerufen, als politische Maßnahme des Freistaats und um in der bayerischen
Forschung einen besonderen Fokus auf das Thema
Klimawandel zu legen. Die komplexen Zusammenhänge werfen viele Fragen auf:
Die interdisziplinären Forscherteams des Programms
setzen sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz Bayern zusammen und fokussieren sich mit Ihren Forschungsarbeiten auf genau
diese Fragestellungen. So soll das Netzwerk dazu
beitragen, die im Freistaat vorhandenen Aktivitäten
in diesem Forschungsfeld zu bündeln. Deshalb
stehen die Mitglieder der einzelnen geförderten
Forschungsteams untereinander im direkten Informationsaustausch, um alle neuen Erkenntnisse
schnell weiterzugeben und umsetzen zu können.
Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
stellt für das neue Programm rund 18 Millionen Euro,
über einen Zeitraum von 5 Jahren zur Verfügung.
• Was kann von der wissenschaftlichen Seite dazu
beigetragen werden, um das Wissen über die
Klimaprozesse zu vertiefen und den Kenntnisstand
insbesondere zu den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels zu verbessern?
• Wie können Voraussagen zu den Klimaszenarien
datenbasiert untermauert werden, bzw. welche
Messpunkte werden benötigt um die Vorhersagen
besser zu untermauern?
• Inwiefern können wir aktiv dazu beitragen, den
Dialog mit der Gesellschaft auf einer fachlich
basierten Ebene zu führen, um nicht nur die
Neugierde für das Thema zu wecken, sondern
auch alle für die Mitarbeit zu motivieren?
• In welcher Form müssen die vorhandenen und
neu gewonnenen Erkenntnisse verständlich
übersetzt und transportiert werden, um das
Design von regionalen und überregionalen Strategien als Instrument der Politik für Klimaschutz und
Klimaanpassung zu ergänzen und zu optimieren?
Abb. 18: Am 10. Dezember 2018, Staatsminister Sibler stellt
bayklif der breiten Öffentlichkeit vor.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Vor dem Hintergrund des Klimaschutzprogrammes
2050 sollen so Handlungsoptionen für Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft erarbeitet werden, die
folgende Forschungsschwerpunkte beinhalten:
• Vertiefung des Wissens, insbesondere zu den
ökologischen und gesellschaftlichen Folgen, die
durch die weitreichenden Veränderungen des
Weltklimas für die Menschen im Freistaat zu
erwarten sind.
• Ausarbeiten und bewerten von regionalen und
überregionalen Strategien und Instrumenten für
Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassungen als Empfehlung an die Politik.
• Die Entwicklung und Anwendung von Verfahren,
Strategien und Modellen, die dabei helfen, die
regionale CO2-Produktion zu verringern, die zur
Minderung der Auswirkungen der veränderten
Klimabedingungen beitragen und es ermöglichen,
regionale Anpassungen zu etablieren, um so die
Folgen des Klimawandels zu reduzieren.
Für die im Rahmen des Netzwerks geförderten
Projekte gilt das Motto: „Durch Zusammenarbeit
mehr erreichen“. Die interdisziplinäre Vernetzung der
beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erlaubt es Verfahren, Strategien und Modelle zu
entwickeln, um die Grundlagen für eine schonende
Landnutzung und einen verbesserten Schutz der
natürlichen Ressourcen effektiver und schneller zu
erarbeiten. Die Vermittlung von wissenschaftsbasierten Inhalten und Handlungsoptionen an politische
Entscheidungsträger sowie auch für die Wirtschaft
und die gesellschaftliche Öffentlichkeit auf allen
Ebenen nationaler und internationaler Klimapolitik
bildet einen zentralen Aspekt der angestrebten Ziele.
Strukturell werden dabei zwei Forschungsformate
miteinander vernetzt. An den Universitäten Erlangen,
Eichstätt, München (TUM und LMU), Freising,
Augsburg, Regensburg, Bayreuth und Würzburg
arbeiten fünf interdisziplinär ausgerichtete Verbund-
projekte zusammen. Diese werden von etablierten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus
Bayern geleitet und bearbeitet. Neben den Verbundprojekten werden unabhängige Juniorforschergruppen gefördert, die herausragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Bayern
die Möglichkeit eröffnen, Akzente zu setzen und
eigenständige Forschungsgruppen zu etablieren.
Die Verbundprojekte setzen sich aus drei bis zehn
Teilprojekten zusammen, in denen jeweils an einer
zentralen Thematik zur Klima- und Klimafolgenforschung gearbeitet wird:
• Im Verbundprojekt BayTreeNet verbinden die
Wissenschaftler der drei Teilprojekte Aspekte der
Klimamodellierung, Dendroökologie und Bildungsforschung indem sie einerseits die Reaktionen von
Wald – Ökosystemen auf die aktuelle und mögliche zukünftige Klimadynamiken über ganz Bayern
hinweg untersuchen. Gleichzeitig werden Bäume
in allen Untersuchungsgebieten mit internetfähigen Übertragungseinheiten ausgestattet, so dass
ein Netzwerk von Partnerschulen diese „talking
trees“ betreuen kann. So werden Schülerinnen
und Schüler für die Vorgänge im Wald sensibilisiert
und tragen gleichzeitig einen wichtigen Teil zur
Forschung selbst bei.
• In den zehn Teilprojekten des Verbundprojekts
BAYSICS (Bayerisches Synthese-InformationsCitizen Science Portal für Klimaforschung und
Wissenschaftskommunikation) wird die breite
Bevölkerung angesprochen: BAYSICS ermöglicht
verschiedenen Personengruppen (z. B. Erholungssuchenden, Pollen-Allergikern, Schülern und
Studierenden), an verschiedenen aktuellen Projekten mitzuwirken. Auf diese Weise wird der Klimawandel nicht nur durch eigene Beobachtungen im
konkreten Umfeld erlebbar gemacht. Die Bevölkerung generiert ganz nebenbei relevantes Wissen
zu Klimafolgen, -anpassung und -schutz mit
modernen Medien des Crowdsourcing.
51
52
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 19: 10.–11. Februar 2020 Informationsaustausch der bayklif-Mitarbeiter an der Evangelischen Akademie in Tutzing.
• Im Rahmen des Verbundprojekts BLIZ werfen die
Wissenschaftler aus sechs Teilprojekten einen
Blick in die Zukunft und entwickeln neue Szenarien
für ein nachhaltiges Management von Ökosystemen in Bayern. Dabei untersucht es die Auswirkungen des Klimawandels auf ökologische Systeme (Ökosystemleistungen und Biodiversität) und
sozioökonomische Systeme (Landnutzungsentwicklung) und deren Wechselwirkungen. Mit Hilfe
von computergestützten Simulationsmodellen
wird erforscht, welche Anpassungsstrategien zu
einer Stabilisierung dieser Systeme führen, und
unter welchen Umständen drastische ökologische
Veränderungen (sogenannte Kipppunkte) auftreten
können, die dann weitreichende soziökonomische
Folgen hätten.
• Da Fließgewässer in Bayern zu den für die Biodiversität besonders wichtigen Ökosystemen
gehören, gleichzeitig aber vom Klimawandel
besonders betroffen sind, konzentrieren sich die
Wissenschaftler der sieben Teilprojekte des
Verbundprojekts AQUAKLIF auf die Auswirkung
klimatischer Einflussfaktoren wie Temperatur,
niederschlagsbedingter Feinsedimenteintrag und
schwankende Abflussmengen auf Gewässerökologie und Wasserqualität.
• Im Projekt LandKlif untersuchen die Wissenschaftler in 10 Teilprojekten die Auswirkungen des
Klimawandels auf Artenvielfalt und Ökosystemleistungen in naturnahen, agrarischen und urbanen
Landschaften und Strategien zum Management
des Klimawandels.
Weitere Informationen zu den fünf Verbundprojekten
sind über die offizielle Homepage des bayklif abrufbar (www.bayklif.de). Vier Teilprojekte aus BAYSICS,
AQUAKLIF und LandKlif werden im Klima-Report
Bayern 2021 nachfolgend im Rahmen der Rubrik
„Exkurs Forschung“ ausführlich beschrieben.
In den unabhängigen Junior-Forschergruppen
beschäftigen sich herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Themen:
• Anpassungsfähigkeit von Bestäubern im alpinen
Raum (ADAPT)
• Mit energieaktiven Gebäudehüllen als Baustein
klimaorientierter Stadtentwicklung (Cleanvelope)
• Mit Biodiversitätsprognosen durch multidimensionale Integration (MINTBIO)
• In HyBBEx werden die Hysterese-Effekte in
Bayerischen Buchenwald-Ökosystemen durch
Klimaextreme erforscht
• In BayForDemo werden die Anpassungsstrategien
an den Klimawandel für bayerische Wälder basierend auf der Simulation demografischer Prozesse
untersucht.
Durch die enge Zusammenarbeit mit den etablierten
Kollegen der Verbundprojekte erhalten die jungen
Wissenschaftler die ideale Infrastruktur, um sich zu
entwickeln und internationale Sichtbarkeit zu erreichen. Als Gemeinschaft haben wir uns das Ziel
gesetzt, wichtige Entwicklungen auf dem Sektor
des Klimaschutzes voranzutreiben.
Damit leistet die bayerische Wissenschaft einen
wichtigen Beitrag für die Zukunft des Freistaats.
Die Mitglieder des Netzwerks sind sich aber auch
bewusst, dass die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt ein nachhaltiges Engagement verlangt.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.1 Wasserwirtschaft
Kurz gesagt,
• zum Niedrigwassermanagement: Der Klimawandel wird in der nahen Zukunft (2021–2050) die
Abflüsse regional um bis zu 15 Prozent, im worstcase bayernweit bis zu 30 Prozent verringern. Der
Niedrigwasser-Informationsdienst (NID) und die
„Alarmpläne Gewässerökologie“ an Main und
Donau bieten Informationen, welche für ein
effektives Niedrigwassermanagement, z. B. durch
den Einsatz staatlicher Wasserspeicher, genutzt
werden können.
• zur Trinkwasserversorgung: Insgesamt kann die
öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern auch
zukünftig als versorgungssicher angesehen
werden. Jedoch sind bei einzelnen Wasserversorgungsanlagen insbesondere in Gebieten mit
gering ergiebigen Grundwasserleitern, die sich
z. B. ausschließlich auf Quellwasservorkommen
stützen, bei längerer Trockenheit Versorgungsengpässe möglich. Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit wird die Schaffung eines „Zweiten
Standbeins“ unterstützt, beispielsweise durch die
Förderung einer interkommunalen Verbundleitung.
• zum gewässerökologischen Zustand: Niedrigwasserereignisse und steigende Wassertemperaturen beeinflussen die Ökologie von Flüssen und
Seen auf vielfältige Weise. Die Revitalisierung von
naturfernen Gewässern kann dazu beitragen, die
Gewässerökosysteme widerstandsfähiger gegenüber künftig zunehmenden Extremsituationen zu
machen und die Gewässerbewohner vor nachhaltigen Beeinträchtigungen zu bewahren. Eine
angepasste, ressourcenschonende Gewässernutzung trägt zudem zum Erhalt der ökologischen
Funktionsfähigkeit bei.
• zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen:
Überall in Bayern muss zukünftig mit häufigeren
und intensiveren Starkniederschlägen gerechnet
werden, die Hochwasser an Fließgewässern und
Überflutungen durch Oberflächenabfluss nach sich
ziehen können. Für großräumige, mehrtägige
Niederschlagsereignisse gilt: der klimawandelbedingt erhöhten Gefährdungslage durch Flusshochwasser muss auch weiterhin durch zielgerichtetes
Hochwasserrisikomanagement und präventiven
Hochwasserschutz begegnet werden. Die im
Aktionsprogramm 2020plus begonnenen Maßnahmen müssen im Bayerischen Gewässeraktionsprogramm (BAP) 2030 fortgeführt und erweitert
werden.
53
54
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.1.1
Ausgangslage
Wasser ist elementarer Bestandteil der öffentlichen
Daseinsvorsorge, die einerseits direkt über die
Trinkwasserversorgung, andererseits aber auch über
weitere Handlungsfelder die Grundversorgung der
Bevölkerung mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen gewährleistet. Die nutzbare Ressource
Wasser verzahnt in besonderer Weise Zielstellungen
bezüglich menschlicher Gesundheit, Naturschutz,
Landwirtschaft, Tourismus, Industrie und Gewerbe,
Energiewirtschaft und Verkehr. All diese Handlungsfelder leisten wertvolle Beiträge zur öffentlichen
Daseinsvorsorge. Jedoch ist insbesondere im
Kontext des Klimawandels und längerer wie intensiverer Trockenperioden (Kap. 3.2 und 3.3) besonders
wichtig, dass in Bayern durch ordnungspolitische
Maßnahmen weiterhin ein Ausgleich zwischen
widerstrebenden Zielstellungen der einzelnen
Handlungsfelder hergestellt wird. Der Klima-Report
Bayern 2021 widmet diesem handlungsfeldübergreifenden Ausgleich verschiedener Wassernutzungsformen besondere Aufmerksamkeit.
Bereits seit 1999 bearbeiten die Länder BadenWürttemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sowie
der Deutsche Wetterdienst gemeinsam in der
Kooperation „Klimaveränderung und Konsequenzen
für die Wasserwirtschaft“ (KLIWA)14 die Frage, wie
der Klimawandel den Wasserhaushalt im Süden
Deutschlands beeinflusst. Besonderer Fokus liegt
dabei einerseits auf den Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasser, Niedrigwasser, Grundwasser, Starkregen, Bodenerosion und Gewässer
ökologie. Andererseits widmet sich KLIWA der
Aufgabenstellung, wie sich die Wasserwirtschaft an
die erwarteten Veränderungen in diesen Bereichen
anpassen kann. Auch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) widmet diesen Themen
hohe Aufmerksamkeit [56].
14
www.kliwa.de
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Wasserwirtschaft unter
anderem folgende Handlungsziele [55]:
• Die Strukturen der öffentlichen Trinkwasserbereitstellung müssen, bei zunehmend auftretenden
klimabedingten Extremereignissen, eine ausreichende Resilienz aufweisen, um die Verfügbarkeit
der Ressource Wasser in Qualität und Quantität zu
gewährleisten.
• Der Erhalt möglichst naturnaher ökologischer
Verhältnisse und der natürlichen Lebensraumfunktion der aquatischen Ökosysteme ist zur Aufrechterhaltung der vielfältigen Ökosystemdienstleistungen
erforderlich. Dabei ist eine abgestimmte Koordination der Nutzeransprüche zu gewährleisten.
• Unter Berücksichtigung zunehmender Extremereignisse gilt es, die negativen Folgen von Hochwasser durch ein konsequentes Hochwasserrisikomanagement aller Beteiligten zu verringern.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 20: Einfluss des Klimawandels auf wasserabhängige Nutzungen in der Wasserwirtschaft und weiteren Handlungsfeldern.
4.1.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.1.2.1
Niedrigwassermanagement
Als Niedrigwasser wird ein Wasserstand bzw. ein
Abfluss in Gewässern bezeichnet, der deutlich unter
einem als durchschnittlich definierten Zustand liegt.
Niedrigwasser entsteht ursächlich durch ein Niederschlagsdefizit, welches sowohl durch einen Mangel
an Niederschlägen (Trockenheit) als auch durch hohe
Verdunstung ausgelöst werden kann. Die Intensität
der Niedrigwasserereignisse hängt allerdings, neben
diesen klimatologischen Ursachen, von weiteren
Faktoren ab. Einerseits von den natürlichen Geländeund Gebietseigenschaften: beispielsweise speichern
Böden, Grundwasserkörper und die Vegetation
Wasser, und können somit die Intensität von Niedrigwasserereignissen abfedern. Andererseits beeinflusst menschliches Verhalten die Abflüsse.
Beispielsweise können Oberflächenwasserentnahmen, wie für die landwirtschaftliche Bewässerung
oder für Trink- und Brauchwasser, eine Niedrigwassersituation verschärfen. Staatliche Wasserspeicher
erfüllen hingegen eine Pufferfunktion und vermögen
die Abflussmengen bei Niedrigwasserereignissen zu
stützen. Dieser menschliche Einfluss kann im Sinne
vorsorgender oder akuter Maßnahmen im Zuge des
Niedrigwassermanagements genutzt werden, um
Auswirkungen von Niedrigwasserereignissen
abzumildern [57].
Die Auswirkungen von Niedrigwasser auf die
Wasserwirtschaft und weitere Handlungsfelder
(Abb. 20) sowie ausgewählte Maßnahmen zum
Niedrigwassermanagement werden im Klima-Report
Bayern 2021 weitreichend beschrieben. Niedrigwasser beeinflusst den gewässerökologischen Zustand
und die Trinkwasserversorgung (Kap. 4.1), die
Nutzung von Oberflächengewässern als Vorfluter
für gereinigtes Abwasser, zur Kühlwasserentnahme
und Wiedereinleitung (Kap. 4.13), die Leistung von
Wasserkraftanlagen (Kap. 4.12), die landwirtschaftliche Bewässerung (Kap. 4.2), die Fischerei und
Teichwirtschaft, die Schiffbarkeit der Wasserstraßen
(Kap. 4.11), den wassergebundenen Tourismus
sowie die Gefährdungslage durch Blaualgen in
Badegewässern (Kap. 4.6) [57].
55
56
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 21: Veränderung des durchschnittlichen sommerlichen Niedrigwasserabflusses MNQ [%] (Apr–Sept) in der nahen Zukunft (2021–2050)
gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000.
Auswirkungen auf Niedrigwasserabflüsse
Die Kooperation KLIWA untersuchte den Trend der
Niedrigwasserabflüsse an 71 Pegeln in Bayern.
Wertet man den Trend ab Messbeginn bis zum Jahr
2015 aus, scheinen die Niedrigwasserabflussmengen in Bayern entweder zu stagnieren oder zu
steigen, aber kaum zu fallen. Dies betrifft sowohl
das Sommer- als auch das Winterhalbjahr. Allerdings
sind seit 1980, also über die vergangenen 40 Jahre
betrachtet, an deutlich mehr Pegeln abnehmende
Tendenzen der Niedrigwasserabflüsse erkennbar
(und somit eine Verschärfung der Niedrigwassersituation). Generell ist hierbei der Einfluss des Klimawandels in der Vergangenheit nur bedingt durch
Beobachtungen bestimmbar, da im Rahmen des
bereits bestehenden Niedrigwassermanagements
und der wasserwirtschaftlichen Überprägung der
bayerischen Fließgewässer bereits seit langem
Gegenmaßnahmen getroffen werden, die einen
möglichen klimabedingten Trend überlagern [57].
Die Klimaprojektionen sind sich einig: Es wird in
Zukunft wärmer. Damit steigt auch die Verdunstung,
vor allem im Sommerhalbjahr. Wenn gleichzeitig die
Niederschlagsmengen gleich bleiben oder gar abnehmen, steht weniger Wasser für den Oberflächenabfluss zur Verfügung. Die Abflussmengen bei Niedrigwasser werden also sinken und kleinere Gewässer
häufiger und länger trocken fallen.
Abb. 22: „Worst-case“ Veränderung des durchschnittlichen sommerlichen
Niedrigwasserabflusses MNQ [%] (Apr–Sept) in der nahen Zukunft
(2021–2050) gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000.
Die Abflussänderungen auf Grundlage der Klimaprojektionen des 5. IPCC-Berichtes werden derzeit
erarbeitet. Daher greift man auf die vorliegenden
Abflussprojektionen auf Grundlage des 4. IPCCBerichtes zurück.
Für die nahe Zukunft zeigt der Median des Abflussprojektionsensembles im Sommerhalbjahr (Abb. 21)
tendenziell eine Zunahme des mittleren sommerlichen Niedrigwasserabflusses (MNQ) nördlich der
Donau. Insofern beruhigt sich dort die Niedrigwassersituation in diesem Zeitraum. Südlich der Donau
nehmen die Abflüsse dagegen um bis zu 15 Prozent
ab. Nimmt man ein besonders trockenes, worst-case
Klimamodell als Referenz, so ergibt sich in Gesamtbayern eine starke Abnahme des mittleren sommerlichen Niedrigwasserabflusses, mit regionalen
Abnahmen von bis zu 30 Prozent (Abb. 22). Wenn
also Klimaanpassung auf Basis eines strikten
Vorsorgegedankens angewandt werden soll, so müssen in Gesamtbayern vorbeugende Niedrigwassermaßnahmen ergriffen werden.
Die Niedrigwasserprojektionen der fernen Zukunft
(2071–2100) zeigen – für das SRES Szenario A1B,
einem Szenario weitgehend ohne Klimaschutz –
an der Mehrzahl der Pegel nicht nur im worst-case,
sondern auch im Median einen bayernweiten
Rückgang sommerlicher Niedrigwasserabflüsse,
also eine Verschärfung der Niedrigwassersituation
(meist um mehr als 10 Prozent). Bei Einhaltung des
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
globalen politischen Zielbeschlusses einer 2-GradObergrenze (Kap. 1) lässt die ferne Zukunft hingegen
ähnliche Ergebnisse wie die nahe Zukunft erwarten.
Insofern gilt für die Auswirkungen des Klimawandels:
• In den vergangenen, etwa 100 Jahren, waren
nutzungsbedingte Eingriffe in der Wasserwirtschaft für das Auftreten von Niedrigwasserereignissen wesentlicher als direkte Auswirkungen des
Klimawandels.
• In der nahen Zukunft (2021–2050) muss im
worst-case in Gesamtbayern von einer verschärften Niedrigwasserproblematik mit bis zu 30
Prozent niedrigeren Abflusswerten ausgegangen
werden. Wahrscheinlich sind allerdings eher
Veränderungen in der Größenordnung einer
regionalen 10-prozentigen Ab- oder Zunahme.
Umsetzung von Klimaanpassung
Trockene Witterungsereignisse, die zu Niedrigwasser
führen, lassen sich nicht verhindern. Jedoch kann ein
ganzheitliches Niedrigwassermanagement bewirken,
dass extreme hydrologische Situationen in Grundund Oberflächengewässern vermieden werden oder
zumindest weniger intensiv ausfallen. Ein solches
Management setzt sich zusammen aus vielen
verschiedenen, aufeinander abgestimmten Vorsorgeund Akutmaßnahmen. Die Planung und Umsetzung
solcher Maßnahmen ist ein steter Abwägungsprozess, bei dem finanzielle, administrative und politische Hemmnisse zu berücksichtigen sind [58].
Ebenso erfordert es den engen Dialog zwischen den
Behörden und allen betroffenen Wassernutzern. Eine
erste Abschätzung zu Wirksamkeit, Akteuren sowie
Vor- und Nachteilen von ausgewählten Niedrigwassermanagement-Maßnahmen findet sich in den
Publikationen „Pilotstudie Niedrigwasser Naab und
Sächsische Saale“ [58] und „KLIWA-Heft 23“ [59].
In diesem Kapitel wird vor allem auf übergreifende
Maßnahmen eingegangen, welche der öffentlichen
Zuständigkeit obliegen. Für einen umfassenden
Überblick sei auf „Niedrigwasser in Bayern“ und
andere Veröffentlichungen verwiesen.
Ein wesentlicher Punkt im Sinne der Niedrigwasserund Trockenheitsvorsorge sind der Rückhalt und die
Speicherung von Wasser. Dazu zählt, die Verweildauer des Wassers in der Landschaft zu erhöhen,
beispielsweise durch die Renaturierung von Gewässern und Auen, Ausweisung von Wasservorranggebieten, Entsiegelung, dezentrale Versickerung oder
die Analyse der Wasserspeicherkapazität durch die
Renaturierung von Mooren.
Die zweite Möglichkeit zur Wasserspeicherung
besteht in Form technischer Bauwerke, wie Rückhaltebecken. Diese können etwa zur Speicherung von
Bewässerungs- oder Brauchwasser genutzt werden
und vermeiden somit einen Zugriff auf Grund- oder
Oberflächenwasserressourcen. Weiterhin erfüllen
15 der 25 staatlichen Wasserspeicher in Bayern in
ihrer Haupt- oder Nebenfunktion den Zweck der
Niedrigwasseraufhöhung an unterliegenden Fließgewässern. Die Donau-Main-Überleitung ist das größte
System dieser Art und stützt den Abfluss im Main in
Niedrigwasserzeiten. Eine umfangreiche Beschreibung findet sich in der Publikation „Wasser für
Franken“ [60]. Mit vermehrten oder längeren
Trockenphasen kommt auf die Speicherbewirtschaftung die Herausforderung zu, einen bedarfsangepasst ausreichenden Füllstand zu erhalten. Das
zeigten exemplarische Auswertungen im Rahmen
von KLIWA [58]. Mögliche bautechnische Anpassungsmaßnahmen, wie die Erweiterung des Stauraums oder gar der Neubau von Speichern, lassen
einen sehr hohen finanziellen, administrativen und
politischen Umsetzungsaufwand erwarten. Deutlich
einfacher umsetzbar ist eine Anpassung von Betriebsplänen auf Grundlage von aktueller Forschung
zur Gebietshydrologie.
Neben der Wasserspeicherung bedarf es vor allem
eines sparsamen Umgangs mit der Ressource
Wasser. Die Bewusstseinsbildung – sowohl bei der
Bevölkerung als auch bei gewerblichen Wassernutzern sowie in der Landwirtschaft – erleichtert zudem
die Akzeptanz für andere Maßnahmen. Darüber
berücksichtigt ein gesamtheitliches Niedrigwassermanagement die Belange aller betroffenen Wassernutzer. Erste Schritte in diese Richtung geht die
Regierung von Unterfranken in ihrem Projekt
57
58
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
„Entwicklung eines Niedrigwassermanagements“
mit dem Fokus vor allem auf landwirtschaftliche
Bewässerung. Eine vorausschauende, verantwortungsvolle Verteilung der Ressource Wasser vermeidet deren Übernutzung bereits im Vorfeld. Die
Umsetzung des Wasserrechts gewährleistet dies
bereits. Bei zunehmender Trockenheit ändern sich
jedoch die Bescheidsgrundlagen, weshalb den
zuständigen Behörden ausreichendes Wissen zu
lokalen klimabedingten Änderungen des Wasserhaushalts zur Verfügung stehen sollte. Auch Entscheidungshilfen, beispielsweise für eine einheitliche
Bewertung von Entnahmeanträgen, wirken unterstützend. Die Forschung ist damit eine weitere
Aufgabe. Das LfU setzt dies in verschiedenen
Projekten um (z. B. Projekt „Bewässerung“ KLIWA).
Im Projekt „Nutzwasser – Gewinnung und Einsatzmöglichkeiten am Beispiel der Schweinfurter Trockenplatte“ der Regierung von Unterfranken soll die
Möglichkeit untersucht werden, z. B. gereinigtes
Abwasser aus Kläranlagenabläufen, gesammeltes
Niederschlagswasser von befestigten Flächen oder
industrielle Produktionsabwässer so aufzubereiten,
dass es als „Nutzwasser“ für Bewässerungszwecke
wiederverwendet werden kann um damit die
natürlichen Wasserressourcen zu schonen.
Im tatsächlichen Niedrigwasserfall ermöglichen
fortwährende Messungen der meteorologischen,
hydrologischen und hydrogeologischen Situation eine
fundierte Beurteilung der Lage. Darauf aufbauende
Niedrigwasser-Informationsdienste geben diese
Informationen an die Wassernutzer weiter und
erlauben diesen damit ihr Nutzungsverhalten anzupassen. Zu nennen sind hier der bayernweite
Niedrigwasser-Informationsdienst NID15 sowie die
beiden „Alarmpläne Gewässerökologie“ an Main16
und Donau17 (siehe Kap. 4.1.2.3). Perspektivisch
könnte eine Niedrigwasser-Vorhersage, vergleichbar
mit dem Hochwasserwarndienst, die Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Niedrigwassersituationen weiter
verbessern.
15
16
17
www.nid.de
https://www.regierung.unterfranken.bayern.de/aufgaben/6/3/00756/
index.html
https://www.nid.bayern.de/ado
Um die Auswirkungen von Niedrigwasserereignissen
auf vielzählige Handlungsfelder zu reduzieren,
bestehen also unter anderem folgende vorsorgende
Anpassungsmaßnahmen:
• Der Niedrigwasser-Informationsdienst (NID) sowie
die beiden „Alarmpläne Gewässerökologie“ an
Main und Donau informieren frühzeitig über
trockenheitsbedingte Niedrigwassersituationen,
• Staatliche Wasserspeicher zur Niedrigwasseraufhöhung fungieren als Puffer, welche dem Auftreten
extremer Niedrigwasserereignisse entgegenwirken,
• Maßnahmen zum Wasserrückhalt und zur
-speicherung.
4.1.2.2
Trinkwasserversorgung
In Bayern werden derzeit etwa 8.400 Wasserfassungen für die öffentliche Trinkwassergewinnung
genutzt. Dabei handelt es sich um rund 4.300
Brunnen und etwa 4.100 Quellen sowie auch drei
Oberflächenwasserentnahmen (zwei Talsperren und
Bodensee). Eine Flusswasserentnahme auf bayerischem Gebiet, die der Zweckverband Landeswasserversorgung (LWV), Stuttgart, betreibt, dient der
Trinkwasserversorgung baden-württembergischer
Gemeinden. Der überwiegende Teil des gewonnenen Wassers stammt aus dem Grundwasser
(Abb. 23). Einer nachhaltigen Bewirtschaftung der
Grundwasserressourcen kommt daher – unter dem
Aspekt einer sich ändernden Grundwasserneubildung – eine besondere Bedeutung zu.
Abb. 23: Aufteilung der Wassergewinnung in Bayern (inkl.
Gewinnung außerbayerischer WVU auf bayerischem
Gebiet, wie z. B. LWV Stuttgart, Quelle: Umweltstatistik Bayern 2016).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung
Abb. 24:
Entwicklung der Grundwasserneubildung aus Niederschlag (mm) im Zeitraum 1951 bis 2018.
Als Wasserbilanzgröße ist die Grundwasserneubildung
aus Niederschlag ein wichtiges Maß zur „natürlichen
Regenerationsfähigkeit“ des Grundwassers. Klimatisch bedingte Änderungen der Niederschlagshöhe
und -intensität sowie ein Anstieg der Lufttemperatur
haben Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung.
In der Vergangenheit wechselten sich mehrjährige
Nass- und Trockenphasen ab, wobei die Grundwasserressourcen überwiegend während der neubildungsreichen Nassjahre aufgefüllt wurden. Bedingt
durch steigende Temperaturen und eher gering
ausfallende Winterniederschläge zeigt sich seit dem
Jahr 2003 eine verminderte Grundwasserneubildung
(Abb. 24). Inwieweit dieser Trend anhält, ist derzeit
nicht absehbar.
Die zukünftig zu erwartenden Änderungen bei
Niederschlag und Temperatur (v. a. Regen statt
Schnee, Starkregen und damit schneller Abfluss,
Zunahme der Verdunstung) gehen in Summe zu
Lasten der Grundwasserneubildung und haben damit
voraussichtlich auch Auswirkungen auf Grundwasserstände und Quellschüttungen. Im Projekt „KLIWA
Grundwasser“ werden Fallstudien zur Quantifizierung
des regionalen Änderungssignals von Quellschüttungen in Bereichen mit gering ergiebigen Grundwasserleitern durchgeführt, um die regional unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das
Grundwasserdargebot abzuschätzen (www.kliwa.de).
Statistische Untersuchungen an ausgewählten
Messstellen mit langen Datenreihen lassen bei
Betrachtung des jeweiligen Messzeitraums an rund
75 % der Messstellen eine langfristig abnehmende
Tendenz erkennen (Abb. 25 und Abb. 26).
59
60
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 25: Entwicklung der Grundwasserstände der oberflächennahen Messstelle Thierhaupten-S.D36 (Quartär).
Abb. 26: Entwicklung der Grundwasserstände der Tiefengrundwasser-Messstelle Hammersbach T3T (Tertiär).
Das sinkende Grundwasserdargebot steht einem vor
allem in sommerlichen Trockenphasen erhöhten
Bedarf an Trink- und Brauchwasser gegenüber. Dies
kann zu Nutzungskonflikten führen, insbesondere
bei länger anhaltenden Trockenperioden und erschwert so eine nachhaltige Bewirtschaftung der
Grundwasserressourcen.
• Auf Grund von Austrocknung der Böden und
anschließendem (Stark-)Regen treten vermehrt
Trübstoffeinbrüche und mikrobiologische Belastungen bei Gewinnungsanlagen ohne ausreichend
filtrierende Bodenschichten auf.
Auch in einigen Tiefengrundwasservorkommen
zeigen sich seit Jahren fallende Grundwasserstände
(Abb. 26) und Anzeichen von Übernutzung. Aufgrund
der Auswirkungen des Klimawandels auf das oberflächennahe Grundwasser und des möglichen zusätzlichen Wasserbedarfs werden Begehrlichkeiten an
das sich nur langsam erneuerbare, im unbeanspruchten Zustand qualitativ hochwertige Tiefengrundwasser stärker. Auf dieses soll nur bei unabdingbarer
Notwendigkeit zurückgegriffen werden, wenn keine
anderen Alternativen vorhanden sind und weder eine
Speicherentleerung noch eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit stattfinden.
Mit einer Verringerung des Trinkwasserdargebots
können auch qualitative Aspekte einhergehen, wie
beispielsweise verstärkte Spurenstoffbelastungen
bei Trinkwassergewinnungen mit Uferfiltrateinfluss.
Für die Niederschlagsentwicklung zeigen die Szenarienrechnungen neben länger anhaltenden Trockenphasen mit einhergehender Temperaturerhöhung
auch ein verstärktes Auftreten von Starkregen- bzw.
Hochwasserereignissen. Auch hieraus können
folgende Gefahren für eine sichere Trinkwasserversorgung entstehen:
• Erhöhtes Gefährdungspotential bei Gewinnungsanlagen in Überschwemmungsgebieten mit
möglichen einhergehenden Qualitätsproblemen
und Versorgungsausfällen.
• Bei Niedrigwasser bzw. zurückgehender Grundwasserneubildung mögliche Verschlechterung der
Rohwasserqualität.
• Erwärmung des Trinkwassers in wenig durchspülten und nicht ausreichend tief liegenden Rohrleitungen, gegebenenfalls mit einhergehenden
mikrobiologischen Gefährdungen.
• Erhöhter Bedarf an Trinkwasseraufbereitungsanlagen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Für die Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung stellen sich insbesondere vor den zu
erwartenden Veränderungen durch den Klimawandel
neue Herausforderungen. Auch in künftig auftretenden Trockenzeiten müssen ausreichende Trinkwasserressourcen in guter Qualität zur Verfügung
stehen, trotz möglicherweise anhaltend rückläufiger
Grundwasserneubildung, fallenden Grundwasserständen und niedrigerer oder sogar ausbleibender
Quellschüttung. Dies kann – wo regional möglich –
durch die Erschließung zusätzlicher Gewinnungsgebiete erreicht werden. Wichtig ist insbesondere auch
eine weitere „Vernetzung“ der Wasserversorgungsunternehmen untereinander durch Schaffung
leistungsfähiger Verbünde und der sorgsame Umgang mit Trinkwasser.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Im Projekt „Erhebung und Bewertung der öffentlichen Wasserversorgung in Bayern“ erfolgt die
Bewertung der Versorgungssicherheit aller bayerischen öffentlichen Wasserversorgungsanlagen. Nach
Abschluss der ersten Erhebungsrunde im Jahr 2016
mit Veröffentlichung der „Wasserversorgungsbilanzen 2025“, steht deren Fortschreibung für den
Prognosehorizont 2035 an. Dabei ist für jede Wasserversorgungsanlage der künftige Wasserbedarf
abzuschätzen und dem langfristig gesicherten und
schützbaren Dargebot gegenüberzustellen (Wasserbilanz), insbesondere auch vor den zu erwartenden
Auswirkungen des Klimawandels und dem Szenario
einer weiter anhaltenden defizitären Grundneubildung. Das zweite Kriterium zur Beurteilung der
Versorgungssicherheit ist die Frage nach Versorgungsalternativen („Zweites Standbein“).
Das Projekt „Klimaanpassung und Wasserversorgung – Risikobewältigung bei Hochwasser, Starkniederschlägen und Uferfiltrateinfluss“ beschäftigt sich
mit den Auswirkungen des Klimawandels auf
Wasserversorgungsanlagen, die Trinkwasser aus
uferfiltratbeeinflussten Anlagen gewinnen. Durch
das Projekt sollen bayernweit Wassergewinnungsanlagen erhoben und bewertet werden, welche
bedingt durch den Klimawandel zunehmenden
Risiken durch Überschwemmungen, Uferfiltrateinfluss oder beschleunigter Niederschlagsversickerung
bei Starkregenereignissen ausgesetzt sind. Für einen
vorsorgenden Trinkwasserschutz erweitern sich die
Kriterien gegenüber dem unterirdischen Einzugsgebiet um Risiken der angekoppelten Oberflächengewässer. Ziel ist die Entwicklung entsprechender
Handlungsanleitungen für eine sichere Wasserversorgung auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse fließen auch in die bayerische
Strategie im Umgang mit Spurenstoffen auf Kläranlagen ein.
Seit den 1970er Jahren wurden in Bayern im Rahmen der Grundwassererkundung noch nicht genutzte, überörtliche bedeutende Grundwasservorkommen im Rahmen der Daseinsvorsorge für die
Trinkwasserversorgung untersucht und gesichert.
In mehreren Veröffentlichungen, wie z. B. „Bayerische Klima-Anpassungsstrategie 2016 [55], „Niedrigwasser in Bayern“ [57], aber auch im Maßnahmenpaket der „Klimaschutzoffensive Bayern“ [61],
werden verschiedene Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung der öffentlichen
Trinkwasserversorgung in einer klimawandelgeprägten Zukunft aufgeführt. Diese umfassen unter
anderem:
• Forschungsprojekte zu Klimawandelfolgen einschließlich geeigneter Maßnahmen wie KLIWA
(Klimaveränderung und Konsequenzen für die
Wasserwirtschaft, https://www.kliwa.de/) und
ClimEx (Climate change and hydrological extreme
events – Risks and perspectives for water
management in Bavaria and Québec,
http://www.climex-project.org/).
• Erhöhung der Versorgungssicherheit mittels
Vernetzung von Wasserversorgungsunternehmen
durch Ausbau örtlicher und regionaler Verbünde
oder Errichtung zusätzlicher Wassergewinnungsanlagen („Zweites Standbein“) und Ausbau des
Fernwasserversorgungssystems als Ergänzung.
• Ausbau der quantitativen und qualitativen Grundwassermessnetze (einschließlich Tiefen-grundwasser) zur Überwachung und Dokumentation der
langfristigen Entwicklung der Grundwasserressourcen sowie als Datenbasis für Grundwasserund Landschaftswasserhaushaltsmodelle.
• Sicherung der erkundeten Grundwasservorkommen für die öffentliche Wasserversorgung durch
Vorrang- und Vorbehaltsgebiete in den Regionalplänen mit regelmäßiger Überprüfung der Aktualität.
• Verstärkte Schonung von Tiefengrundwasser
(langsam regenerierende Grundwassersysteme).
• Sicherung der Grundwasserqualität durch konsequenten qualitativen Schutz des Grundwassers
(z. B. Nitratsanierungsprojekte).
• Schutz von Wasserversorgungsanlagen und
abwassertechnischen Anlagen vor Hochwasser.
• Berücksichtigung der klimatischen Entwicklung in
wasserrechtlichen Bescheiden.
61
62
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
• Ersatz nicht schützbarer Wasserfassungen.
• Reduzierung von Wasserverlusten bei der Wasserverteilung.
• Sensibilisierung der Öffentlichkeit, Intensivierung
des Dialogs, Kooperation und Beteiligung aller
betroffenen Akteure bei der Festlegung von
Anpassungsmaßnahmen.
• Sensibilisierung der verschiedenen Nutzergruppen
hinsichtlich ihres Wasserverbrauchsverhaltens,
Förderung der Reduzierung der Wasserentnahme.
4.1.2.3
Gewässerökologischer Zustand
Der gewässerökologische Zustand wird im Rahmen
der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
vorrangig anhand der Gewässerbiologie, also den
Algen, Wasserpflanzen, Fischen und den wirbellosen
Organismen des Gewässergrundes bestimmt.
Unterstützend werden chemisch-physikalische
Parameter wie z. B. Phosphor-, Ammoniak- und
andere Nährstoffkonzentrationen sowie hydromorphologische Komponenten für die Bewertung
herangezogen [57]. Die Wasserrahmenrichtlinie gibt
als Ziel vor, dass alle Flüsse und Seen sowie das
Grundwasser nach Möglichkeit bis 2015 – spätestens bis 2027 – in einem „guten“ oder einem „sehr
guten ökologischen Zustand“ sind, also in einem
naturnahen, vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Zustand. Im Jahr 2015 wurde dieses Ziel in
Bayern für etwa 15 Prozent aller WRRL-relevanten
Fließgewässer und für etwa die Hälfte (56 Prozent)
der Seen erreicht [57]. Die Gründe für eine Zielverfehlung sind vielfältig. Es ist jedoch anzunehmen,
dass auch die Folgen von Klimaveränderungen,
beispielsweise veränderte Niedrigwasserabflüsse
oder steigende Wassertemperaturen, Einfluss auf
den ökologischen Zustand haben.
Auswirkungen auf den gewässerökologischen
Zustand
Das Vorkommen aquatischer Tier- und Pflanzenarten
wird durch die abiotischen Gewässereigenschaften
maßgeblich beeinflusst. Jede Art besitzt einen
spezifischen Optimums- und Toleranzbereich bezüglich Faktoren wie Wassertemperatur und Nährstoff-
gehalt. Bei Niedrigwasser und damit sehr geringen
Wassermengen weichen die genannten Parameter
besonders stark von „normalen“ Wertebereichen ab.
Diese Veränderungen in Wasserdargebot und
-qualität können sich vor allem in Verbindung mit
bereits bestehenden anthropogenen Beeinträchtigungen negativ auf die Gewässerlebensgemeinschaften auswirken.
Fließgewässer
Besonders an kleinen Fließgewässern besteht in
langanhaltenden Niedrigwasserperioden Austrocknungsgefahr. Die sinkenden Wasserstände bedingen
zudem eine schnellere Erwärmung insbesondere
langsam fließender Gewässer. Dieser Effekt kann
lokal durch menschliche Nutzung, beispielsweise
Kühlwassereinleitungen oder Stauhaltungen, verstärkt werden. Warmes Wasser löst weniger Sauerstoff, der Sauerstoffbedarf der Organismen hingegen
nimmt mit steigenden Temperaturen zu. Dies
bedeutet einen zunehmenden physiologischen
Stress für die Gewässerfauna. Sinkt der Sauerstoffgehalt unter einen kritischen Wert, so kann dies
negative Auswirkungen insbesondere auf kälteangepasste, sauerstoffbedürftige Organismen (z. B.
Salmoniden, heimische Muschelarten) haben. Im
ungünstigsten Fall führt der Sauerstoffmangel zu
einem Verenden einzelner Tiere oder sogar lokaler
Bestände. Auch kommt bei Niedrigwasser der
Verdünnungseffekt weniger zum Tragen: Werden
durch menschliche Aktivitäten Nähr- oder Schadstoffe eingeleitet, finden sich diese konzentrierter im
Wasser wieder. In bereits belasteten Gewässern
kann es so zu einer Überschreitung von Toleranzwerten kommen, die eine Schädigung sensibler Organismen zur Folge hat. Niedrigwasserperioden begünstigen auch die Massenentwicklung von bestimmten
Algen- und Wasserpflanzenarten, zum Nachteil für
konkurrenzschwache Arten. Abbauprozesse der
absterbenden Biomasse verstärken zusätzlich die
Sauerstoffzehrung im Wasser. Ausführlichere Auswirkungen von Niedrigwasser auf die Gewässerökologie werden in der LfU-Publikation „Niedrigwasser in
Bayern – Grundlagen, Veränderung und Auswirkungen“ beschrieben [57].
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Seen
Kritische Wasserstände bei Seen infolge von Niedrigwasser beeinflussen die Gewässerökologie insbesondere im Uferbereich, wenn in der Regel überstaute Flächen der Uferbänke über längere Zeit
trockenfallen. Größere Teile des Lebensraums für
makroskopische und mikroskopische Wasserpflanzen sowie für an das Leben im Wasser angepasste
Tierarten verschwinden, bereits abgelegter Laich
vertrocknet. An das Freiwasser angebundene
Bereiche wie Röhrichtbestände werden abgeschnitten und verlieren dadurch ihre Funktion als Lebensraum, Laichhabitat, Unterstand, Futterhabitat und
Schutzzone für Wasserorganismen. Es ist anzunehmen, dass zukünftig trockenheitsresistentere Arten
gegenüber sensibleren Arten Vorteile haben.
In größeren Seen können insbesondere klimabedingt steigende Wassertemperaturen weitreichende
direkte oder indirekte Folgen für die Gewässerökologie haben. Fehlende oder sehr geringe Eisbedeckung verbunden mit vermehrter Sonneneinstrahlung macht das Auftreten von Planktonblüten und
damit auch deren Absterben früher im Jahresverlauf
möglich. Dies hat Auswirkungen unter anderem auf
die Nahrungskette. Alle Konsumenten, deren
Auftreten und Wachstum zeitlich auf das zur Verfügung stehende Futterangebot abgestimmt sind,
müssen auf diese Verschiebung reagieren. Gelingt
dies nicht, entstehen Situationen, in denen sich
Organismengruppen nicht entwickeln können oder
auch absterben. Generell werden wärmeliebende
Organismen gefördert. Dazu gehören auch toxische
Arten. Im Uferbereich können überdurchschnittlich
hohe Wassertemperaturen für weniger mobile
Organismen wie z. B. Pflanzen oder Muscheln
existenziellen Stress bedeuten, da sie nicht in
kühlere Gewässerbereiche ausweichen können.
Die Temperatur hat zudem entscheidenden Einfluss
auf das Schichtungsverhalten eines Sees. Eine klimabedingte Verlängerung der sommerlichen Schichtung
könnte zukünftig die bereits existierenden anthropogen bedingten Eutrophierungsprozesse, die bei den
Seen die Hauptursache für die Zielverfehlung nach
WRRL darstellen, verstärken. Während der sommerlichen Schichtungsphase findet auf Grund des
Dichtegradienten kein Sauerstoffaustausch zwischen
Oberflächen- und Tiefenwasser statt. Je stärker sich
der Wasserkörper im Sommer aufheizt, desto später
im Jahr wird eine Durchmischung stattfinden. In
einigen Fällen und Jahren findet diese auch gar nicht
statt. Der in der Tiefe aufgebrauchte Sauerstoff wird
dann nicht ersetzt. Je länger dieser Zustand anhält,
desto größer ist die Gefahr, dass es am Seegrund zu
einer absoluten Sauerstofffreiheit kommt. Dies kann
eine Rücklösung von Phosphor aus dem Sediment in
das Freiwasser zur Folge haben, wodurch während
der nächsten Durchmischung des Sees der Nährstoffgehalt im gesamten Wasserkörper steigt.
Der Klimawandel beeinflusst den ökologischen
Zustand der Gewässer über Änderungen im Wasserstand und Temperaturregime also wie folgt:
• Langanhaltende, sommerliche Niedrigwasserereignisse beeinflussen die Gewässerlebensräume
durch Minderung in Wasserdargebot und -qualität.
Trockenfallende Uferbänke gehen als Lebensraum
für Wasserbewohner verloren.
• Klimabedingte Veränderungen der abiotischen
Gewässereigenschaften wie Temperatur oder
Nährstoffgehalt bedingen Verschiebungen in
Artenvorkommen und -zusammensetzung.
• Eine zukünftige regionale Verschärfung von
Niedrigwasserereignissen und langanhaltenden
Hitzewellen können sich so, zusätzlich zu bestehenden Stressfaktoren, negativ auf den ökologischen Zustand der bayerischen Gewässer auswirken.
Umsetzung von Klimaanpassung
Um Beeinträchtigungen der Gewässerökologie
infolge von Klimaveränderungen gering zu halten,
bedarf es in erster Linie eines zukunftsorientierten
und gebietsspezifischen Gewässermanagements,
das sowohl vorsorgende als auch operative Maßnahmen beinhaltet. Zukünftig könnten vermehrt lokale
Maßnahmen, beispielsweise die Umsiedlung
einzelner Muschelpopulationen aus trockenfallenden
Gewässern, notwendig werden, um ohnehin bereits
gefährdete Arten in ihrem Bestand zu schützen. Ein
Ziel sowohl der EG-WRRL als auch des Bayerischen
63
64
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Gewässer-Aktionsprogramms 2030 ist es, die
ökologische Funktionsfähigkeit von Gewässerökosystemen durch Revitalisierungsmaßnahmen,
insbesondere an stark beeinträchtigten Gewässern,
zu stärken. Je naturnäher ein Gewässer, desto
widerstandsfähiger ist es gegenüber Extremereignissen.
Fließgewässer
Naturnahe Fließgewässer besitzen meist eine große
Habitatdiversität und können durch Strukturen wie
tiefe Kolke einen Rückzugsraum im Niedrigwasserfall
bieten. Die ökologische Durchgängigkeit von Fließgewässern trägt dazu bei, dass Fische und Wirbellose
in wasserreichere Gebiete ausweichen können.
Gewässerbeschattung durch natürlichen Uferbewuchs bewirkt insbesondere an kleinen Gewässern
eine deutliche Senkung der Wassertemperatur und
mindert somit den physiologischen Stress für die
Bewohner. Ein naturnah gestaltetes Ufer trägt
außerdem dazu bei, Schad- und Nährstoffeinträge
aus dem Umland, zu vermindern.
Neben der Stärkung der Gewässerresilienz spielt
auch eine an die ökologischen Erfordernisse angepasste, ressourcenschonende Nutzung eine wichtige
Rolle im Niedrigwassermanagement. Zunehmende
Niedrigwasserereignisse insbesondere in den
Sommermonaten verringern die Wasserverfügbarkeit, während der Wasserbedarf z. B. für landwirtschaftliche Bewässerungsmaßnahmen mit zunehmender Trockenheit steigt. Wasserqualitäts- und
Umweltziele dürfen durch Entnahme größerer
Wassermengen nicht beeinträchtigt werden. In
Fließgewässern ist es daher wichtig auch im Niedrigwasserfall einen ökologischen Mindestwasserabfluss z. B. an Ausleitungskraftwerken oder in Zuläufen von Teichanlagen zu erhalten. Entsprechende
Mindestwasserregelungen sind in den Wasserrechtsbescheiden festzuhalten oder unter dem
Aspekt zukünftiger Klimaveränderungen zu aktualisieren. Eine Überwachung der Wasserqualität und
ein gebietsspezifisches Management tragen dazu
bei, irreparable Beeinträchtigungen der Gewässer
ökologie in Niedrigwassersituationen zu verhindern.
Sowohl am bayerischen stauregulierten Main als
auch an der bayerischen Donau wurde dazu ein
„Alarmplan Ökologie“ etabliert. Erreichen Wasserqualitätsparameter wie Temperatur oder Sauerstoffgehalt einen für die Gewässerökologie kritischen
Wert, wird der Alarmplan ausgelöst. Je nach Meldestufe werden verschiedene Maßnahmen eingeleitet,
die auch zu Einschränkungen in der Gewässernutzung führen können. Derartige Maßnahmen beinhalten beispielsweise Turbinenbelüftung und Wehrüberfall an Kraftwerken, um den Sauerstoffgehalt zu
erhöhen, aber auch Möglichkeiten zur Einschränkung
gewerblicher Wärme- und Nährstoffeinleitungen oder
Wasserentnahmen.
Seen
Bei Seeökosystemen muss ein vorsorgendes,
zukunftsorientiertes Management insbesondere
Maßnahmen enthalten, die einen Nähr- und Schadstoffeintrag in die Gewässer weitgehend verhindern,
um einer klimabedingten Verstärkung von Eutrophierungsprozessen entgegenzuwirken. Dabei ist eine
angepasste Nutzung sowohl des Einzugsgebietes
der Zuflüsse als auch des direkten Gewässerumfelds
entscheidend, beispielsweise auf landwirtschaftlich
genutzten Flächen. Auch ausreichend breite Gewässerrandstreifen mit einer standortgerechten Ufervegetation können Nährstoffeinträge minimieren.
Möglichst naturnahe Ufer können das Trockenfallen
und Abschneiden von z. B. Röhrichtbeständen zwar
nicht verhindern, bieten aber zumindest mobileren
Organismen bessere Möglichkeiten den passenden
Lebensraum zu erreichen. Nicht mobile Organismen,
wie z. B. Pflanzen, können unverbaute Ufer besser
wiederbesiedeln.
Die Bewirtschaftung von Seen und Talsperren muss
unter Berücksichtigung der Anforderungen der
Gewässerökologie erfolgen und bei längerfristig
wirkenden Maßnahmen auch für einen entsprechenden Zeitraum geplant werden. Beispielsweise muss
im Fall von Niedrigwasseraufhöhung eine Abwägung
von ökologischen und nutzungsbedingten Anforderungen beachtet werden. Thermische Nutzung ist
wie bei Fließgewässern nur unter Berücksichtigung
des Gesamttemperaturregimes des Gewässers zu
genehmigen und durchzuführen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.1.2.4
Schutz vor Hochwasser und Starkregen
Im Juni 2013 verursachten Hochwasserereignisse
entlang der großen Flüsse alleine in Bayern einen
monetären Schaden in Höhe von ca. 1,3 Milliarden
Euro [62]. Aber auch Hochwasser infolge von
Starkregenereignissen dürfen nicht unterschätzt
werden. Die extremen Ereignisse von 2016 verursachten alleine im Regierungsbezirk Niederbayern
Schäden in Höhe von ca. 1,25 Milliarden Euro [41].
Im Rahmen des Zehn-Punkte-Plans zur Bayerischen
Klimaschutzinitiative und dem neuen Bayerischen
Gewässeraktionsprogramm 2030 (BAP 2030) liegt
darum auch in Zukunft eine hohe Priorität auf
Hochwasserrisikomanagement und Hochwasserschutz [61].
In Bezug auf Flusshochwasser wurden 60 bayerische Pegel im Zeitraum 1932 bis 2015 ausgewertet
[63]. Hier zeigten in etwa 20 Prozent der Pegel
belastbare zunehmende Trends der jährlichen
Höchstabflüsse, vor allem südlich der Donau.
Modellergebnisse der zukünftigen mittleren Hochwasserabflüsse (Flusshochwasser) im hydrologischen Winterhalbjahr tendieren zu einer Zunahme,
allerdings regional unterschiedlich stark. Für das
Sommerhalbjahr weisen die Modellergebnisse keine
eindeutige Entwicklung auf. Für die Zukunft zeigen
die Ergebnisse von KLIWA und dem Projekt ClimEx,
dass sich Intensität und Frequenz, besonders von
seltenen Hochwasserereignissen voraussichtlich
erhöhen werden.
Aufgrund des Klimawandels gilt für Hochwasser:
Auswirkungen auf Hochwasser
Durch den Klimawandel werden in Bayern für die
Zukunft häufigere und intensivere lokale Starkniederschläge sowie großräumige und flusshochwasserverursachende Regenereignisse erwartet (Kap. 3.3).
Besonders stark prägt sich diese Zunahme bei
seltenen Ereignissen mit kurzer Dauer (wenige
Stunden) aus [42]. Es muss also davon ausgegangen
werden, dass Extremereignisse in Bayern in Zukunft
häufiger auftreten werden.
Abb. 27: Durch Starkregen bildet sich auf einem Acker
Oberflächenabfluss.
• Die Gefährdungslage durch Hochwasser infolge
von Starkregen wird voraussichtlich überall in
Bayern steigen, da intensive Starkregenereignisse
häufiger werden und diese auch unabhängig von
Fließgewässern zu Oberflächenabfluss und
Sturzfluten führen können.
• An Fließgewässern muss bei einer Zunahme von
Intensität und Häufigkeit großräumiger, mehrtägiger Regenereignisse zudem mit einer erhöhten
Hochwassergefährdung gerechnet werden.
Umsetzung von Klimaanpassung
Starkregen und Hochwasser können durch den
Menschen nicht verhindert werden. Der Mensch
kann und muss sich jedoch auf diese Ereignisse
vorbereiten und damit zu einer wesentlichen Reduzierung der negativen Folgen beitragen. Hochwasserrisikomanagement und technischer Hochwasserschutz sowie Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt
müssen an die prognostizierten Veränderungen der
Gefährdungslage angepasst werden. Bemühungen
zur Vorsorge müssen von allen Beteiligten und
Betroffenen weiter intensiviert werden. Dies gilt
insbesondere auch für Gewässer dritter Ordnung, an
denen häufig noch keine Hochwassergefahren und
Überschwemmungsgebiete ermittelt wurden. Ein
besonderer Fokus muss zudem auf Oberflächenabfluss und Sturzfluten infolge von Starkregen gelegt
werden, da diese auch fern von Gewässern zu
erheblichen Schäden führen können.
65
66
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Durch eine wassersensible Siedlungsentwicklung
und hochwasserangepasste Bauweisen können
Risiken verringert werden. Synergien mit dem
ökologischen Gewässerausbau und der naturnahen
Regenwasserbewirtschaftung und Freiraumgestaltung müssen genutzt werden. Dabei ist auch der
Umgang mit zu wenig Wasser infolge von längeren
Trockenheits- und Hitzeperioden mit zu berücksichtigen und bereits frühzeitig in den Planungsprozessen
einzubeziehen.
Künftige Änderungen des Hochwassergeschehens
an großen Fließgewässern werden im Hochwasserrisikomanagement und bei präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern bereits berücksichtigt:
seit 2004 wird bei der Bemessung von Hochwasserschutzanlagen ein vorsorgender Klimaänderungszuschlag einbezogen [8]. Vor dem Hintergrund des
Klimawandels sind im bayerischen Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus besonders der
Umgang mit extremen Hochwasserereignissen und
mit der Überlastung von Hochwasserschutzanlagen
(Überlastfall) in den Fokus gerückt. Eine Konsequenz
ist ein erweitertes Rückhaltekonzept, bei dem das
Ziel verfolgt wird, Retentionspotenziale systematisch
zu erheben, ihre Wirkungen zu analysieren und
daraus Empfehlungen für eine verstärkte Umsetzung
geeigneter Maßnahmen abzuleiten. Hierzu werden
mehrere Grundlagenuntersuchungen zur Wirksamkeit unterschiedlicher Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt, von dezentralen Rückhaltemaßnahmen in der Fläche und am Gewässer, über
Staustufenmanagement, bis zu Flutpoldern an
großen Flüssen für den Hochwasserrückhalt bei sehr
großen Hochwasserereignissen [56]. An der Donau
wird zum Umgang mit dem Überlastfall bei auftretenden sehr großen Hochwasserereignissen bereits
das bayerische Flutpolderprogramm umgesetzt. Der
erste Flutpolder an der Donau wird Anfang 2020 bei
Riedensheim (stromaufwärts von Neuburg a. d.
Donau) fertig gestellt sein.
Ein durch intensiven Starkregen verursachtes
Hochwasser äußert sich in Form von Oberflächenabfluss und Sturzfluten an Gräben und kleinen Gewäs-
sern. Der Umgang mit Hochwasser infolge
intensiven Starkregens erfordert ein integrales
Risikomanagement. Der Schwerpunkt für die
Ausarbeitung und Umsetzung gezielter Maßnahmen
eines Starkregenrisikomanagements liegt dabei auf
der lokalen Ebene. Dabei nehmen die Kommunen
eine Schlüsselrolle in den Bereichen Vorsorge,
Bewältigung und Wiederaufbau ein [62].
Grundsätzlich gilt, dass Hochwasser infolge von
Starkregen überall auftreten kann, auch fern von
Gewässern. Es muss daher auch davon ausgegangen werden, dass durch den Klimawandel ganz
Bayern von erhöhten Gefahren durch Oberflächenabfluss und Sturzfluten betroffen sein kann. Das
Projekt HiOS (Hinweiskarten Oberflächenabfluss
und Sturzflut) liefert wichtige Grundlagen für eine
bayernweite Hinweiskarte für die Gefährdung der
bayerischen Kommunen.18 Beispiele wie das in
Kapitel 3.3 erwähnte Sturzflutereignis des Jahres
2016 von Simbach am Inn zeigen, dass auch extreme
Ereignisse in Bayern möglich sind.
Wie bereits im Klima-Report-Bayern 2015 [8] ausführlich beschrieben, muss im Zuge des Klimawandels auch mit einer Verstärkung von Wildbachgefahren gerechnet werden. Diesem Aspekt wird beim
Wildbachausbau einerseits durch Verwendung des
Klimaänderungszuschlags Rechnung getragen,
andererseits werden einzugsgebietsbezogene
vergangene und zukünftige Entwicklungen im
Rahmen von integralen Wildbachentwicklungskonzepten berücksichtigt.
Grundsteine für die Umsetzung der Klimaanpassung
sind:
• Konsequente Weiterführung der im Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus begonnen und
durch das Gewässeraktionsprogramm 2030
ergänzten Maßnahmen
• Intensivierung von Hochwasser- und Starkregenrisikomanagement
• Wassersensible Siedlungsentwicklung und
hochwasserangepasste Bauweisen
18
www.hios-projekt.de
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
David Piatka, Doktorand, Prof. Johannes A.C. Barth,
PhD, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (bayklif);
Verbundprojekt „AquaKlif“
Sauerstoff als ohnehin
knappes Gut in Gewässern könnte noch weniger
werden
Das Verbundprojekt AquaKlif beschäftigt sich mit
Einflüssen multipler Stressoren auf Fließgewässer
im Klimawandel. Das nachfolgend dargestellte
AquaKlif Teilprojekt 2 bestimmt Veränderungen der
Konzentration des im Wasser gelösten Sauerstoffs,
um ökologische Auswirkungen veränderter Umweltbedingungen und geeignete Maßnahmen zum
Gewässerschutz zu eruieren. Um Aussagen über
Quellen, Senken und Umsetzungen von Sauerstoffkonzentrationen zu treffen, werden mit speziellen
Massenspektrometer-Techniken neben den Konzentrationen auch stabile Isotopenverhältnisse des
gelösten Sauerstoffs gemessen. Hierbei geben
Verschiebungen der 18O/16O-Verhältnisse Hinweise
dazu, ob Sauerstoff aus der Luft oder aus Aktivitäten
von Wasserpflanzen und Algen stammt. Atmung als
Hauptverbraucher des Sauerstoffs verursacht oft
eigene typische Isotopenverhältnisse. Damit können
wichtige Beziehungen zwischen Photosynthese und
Respiration definiert werden und es lässt sich
bewerten, wie sie sich in Fließgewässern über
Jahres- und Tageszeiten ändern. Durch Verknüpfung
der Ergebnisse mit Daten gefährdeter Arten können
Empfehlungen für deren Schutz erarbeitet werden.
Es ist eine Herausforderung, diese Dynamiken nicht
nur in frei fließenden Wässern, sondern auch in
Flusssedimenten zu untersuchen. Hierzu müssen
spezielle Beprobungstechniken entwickelt werden,
die den wenigen Sauerstoff im oft trüben Sedimentwasser gut erhalten, bevor er im Labor gemessen
wird. Solche Untersuchungen sind sowohl in natürlichen Gewässern als auch in künstlichen Fließrinnen
vorgesehen. Fließrinnenexperimente können Einflüsse von Temperatur, Sedimenteintrag und Grundwasser gezielt simulieren und somit verschiedene
Klimaszenarien darstellen.
Bisherige Ergebnisse zeigen, wie komplex Verfügbarkeit und Umsätze von Sauerstoff in Fließgewässern
und Sedimenten sind. Möglicherweise spielen
bislang kaum untersuchte Prozesse wie Eisenoxidbildungen eine Rolle. Einflüsse von Grundwasser
können durch spezielle Methoden des Gases Radon
näher untersucht und mit Sauerstoff in Verbindung
gebracht werden. Es gibt aber auch Sedimente die
möglicherweise Reste von Sauerstoff aus Photosynthese vorweisen. Hierbei sind Beziehungen zu
Nährstoffen und Grundwassereintrag genauer zu
klären. Bislang kaum erkannte Beziehungen zu
Temperaturänderungen, geringeren Abflüssen und
Sedimenteinträgen sind sehr wahrscheinlich. Es
müssen aber auch Einflüsse vorherrschender
Landnutzung im Einzugsgebiet der Fließgewässer
mit in Betracht gezogen werden. Insgesamt stellt
die interdisziplinäre Untersuchung des Sauerstoffs
durch Isotopenanalysen in Kombination mit einem
biologischen und hydrogeologischen Prozessverständnis in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung
eine sehr vielversprechende Herangehensweise dar,
um Auswirkungen des Klimawandels auf Fließgewässer besser verstehen und abmildern zu können.
Abb. 28: Sauerstoffkonzentrationen in Gewässern und
Sedimenten hängen stark von Fließdynamiken
und Lufttemperatur ab.
67
68
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.2 Landwirtschaft
Kurz gesagt,
• Zu pflanzenverfügbarem Wasser und Bewässerung: Steigende Temperaturen führen zu einer
erhöhten Verdunstung und somit zu weniger
pflanzenverfügbarem Wasser in den Böden. Um
ein nachhaltiges Management der Wasserressourcen zu gewährleisten, werden
(i)
für ausgewählte Gebiete Wasserbilanzen
erstellt und der landwirtschaftliche Wasserbedarf über eine Studie des Thünen-Institutes
prognostiziert,
(ii) im Rahmen des Aktionsplans Bewässerung
der bayerischen Staatsregierung neue, nachhaltige Wasserressourcen für die Bewässerung ermittelt,
(iii) an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau
und Gartenbau (LWG) und der bayerischen
Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) durch
Forschungstätigkeiten die Grundlagen für eine
ressourcenschonende und praxistaugliche
Bewässerung geliefert,
(iv) vom Bewässerungsforum Bayern in einer
internetbasierten Informationsplattform
aktuelle Erkenntnisse zu wassersparenden
Bewässerungstechnologien veröffentlicht.
4.2.1
Ausgangslage
Etwa 45 % der Gesamtfläche Bayerns werden
landwirtschaftlich genutzt. Die landwirtschaftliche
Produktion hängt auf diesen Flächen entscheidend
von der Qualität und Verfügbarkeit zahlreicher
natürlicher Ressourcen wie Boden und Wasser ab.
Durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der Nutzflächen trägt die Landwirtschaft aktiv zum Ressourcenschutz wie auch zum Klimaschutz bei. Die moderne
Landwirtschaft erfüllt somit neben der Produktion
hochwertiger regionaler Lebensmittel heute zusätzlich diverse Öko- und Ausgleichsfunktionen für
Gesellschaft, Natur und Umwelt.
Abb. 29: Kohlanbau.
Durch die extreme Trockenheit des Jahres 2018
(Kap. 3.3), in welchem allein die existenzbedrohenden Schäden in landwirtschaftlichen Betrieben in
Deutschland mit 770 Millionen Euro beziffert wurden, trat die Abhängigkeit der Landwirtschaft von
Niederschlags- und Temperaturmustern deutlich
hervor. Insbesondere im Gartenbau ist die Beregnung ein essentieller wirtschaftlicher Faktor. Generell
wirken sich die veränderten Klimarahmenbedingungen unterschiedlich auf Pflanzenbau, Tierhaltung und
Teichwirtschaft aus. Dabei muss sich die Landwirtschaft weiterhin auf längere Vegetationsperioden
und die Aufnahme neuer, wärmeliebender Kulturen
in das Anbauprogramm einstellen. Gleichzeitig
profitieren manche Unkräuter, tierische Schaderreger
und Pilzkrankheiten vom Klimawandel, andere
werden zurückgedrängt. Durch den früheren Vegetationsbeginn werden klimabedingte Gefahren, wie
z. B. Spätfröste zu einem existenziellen Problem
frühblühender Kulturen des Obst- und Weinbaus.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für die Handlungsfelder Landwirtschaft und
Wasserwirtschaft folgende Handlungsziele, welche
die Landwirtschaft als Akteur unmittelbar betreffen
[55]:
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Main
Eger
HAS
Ma
in
SW
Bewässerte land- und gartenbauliche
Nutzfläche je Landkreis
[% der landwirtschaftlichen Fläche]
Hof
< 0,1
> 0,1 bis 5
Bayreuth
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Ansbach
Bad en Wü rtte mb erg
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Donau
> 20
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Landkreiskürzel
Grenze Landkreis
Do
Inn
Isar
Lech
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Bewässerte Flächen
über 1.000 ha
Regen
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DON
Augsburg
> 15 bis 20
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> 10 bis 15
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Nürnberg
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> 5 bis 10
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• Eine Strategie für die Versicherung witterungsbedingter Risiken entwickeln.
Aschaffenburg
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• Die Rahmenbedingungen für geeignete Strukturen
zur nachhaltigen Wasserbeschaffung und zur fairen
Wasserverteilung erarbeiten und entsprechende
Beratungskapazitäten aufbauen.
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• Untersuchungen zum Bewässerungsbedarf und
zur Verfügbarkeit von Wasserressourcen sowie
zum Bedarf an Bewässerungstechnologien und zur
Förderung geeigneter Bewässerungsstrukturen.
Sa a
le
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ai
M
• Die Förderung von Konzepten zur nachhaltigen
und umweltverträglichen Bewässerung.
Pflanzenverfügbares Wasser und
Bewässerung
Iller
Bo
Rosenheim
Kempten
de
ns
ee
SCHW EI Z
0
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Der bayerische Ministerrat hat am 03.07.2018 das
Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Staatsministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten beauftragt, den „Bayernweiten Aktionsplan für die Bewässerung“ auszuarbeiten. Folgende Ziele sollen zum Erhalt der
regionalen und nachhaltigen Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, Obst, Wein und
Gemüse umgesetzt werden:
4.2.2.1
m
Alt
• Große Bedeutung erhalten die Ziele, die Wasserversorgung der Kulturpflanzen durch geeignete
Maßnahmen zu verbessern sowie Gefahren durch
neue Schädlinge und Krankheiten so gering wie
möglich zu halten.
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
ein
• Eine Anpassung der landwirtschaftlichen Nutzung
mit zeitnaher Umsetzung gewässerschonender
Maßnahmen ist erforderlich, um die negativen
Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer soweit möglich zu minimieren.
4.2.2
Rh
• Neben der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen pflanzlichen und tierischen
Nahrungsmitteln, soll die Landwirtschaft auch
einen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz
leisten.
69
ch
Le
Inn
25
50 km
Fachdaten:
Landesamt für Statistik
Salzach
Abb. 30: Prozentualer Anteil bewässerter land- und gartenbaulicher
Flächen, bezogen auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche
je Landkreis. In schraffierten Landkreisen liegt die bewässerte
Flächengröße über 1.000 ha (Quelle: LfStat, abgebildet in [57]).
Um Quantität und Qualität des Ertrages landwirtschaftlicher Kulturen zu gewährleisten, muss ausreichend Wasser im Boden gespeichert sein, welches
dann von den Pflanzen genutzt werden kann.
Insbesondere gartenbauliche Erzeugnisse müssen
obligatorisch bewässert werden, aber auch Wein
oder Kartoffeln werden in Bayern bewässert, sofern
bestimmte Qualitätseigenschaften des Produktes
sichergestellt werden sollen [57]. Laut Bayerischem
Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
(LfStat) wurden im Berichtsjahr 2009 im Mittel zwar
nur etwas weniger als 1 Prozent der gesamten
landwirtschaftlichen Nutzfläche Bayerns bewässert,
jedoch sind die regionalen Unterschiede sehr groß:
in manchen Landkreisen wurden etwa 20 Prozent
der Nutzflächen bewässert (Abb. 30). Der Großteil
des Bewässerungswassers stammt hierbei aus dem
Grundwasser oder dem gewässernahen Uferfiltrat.
Geringere Mengen werden aber auch aus Oberflächengewässern bezogen.
70
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 31:
Trockenrisse im Boden.
Auswirkungen auf pflanzenverfügbares Wasser
und Bewässerung
Die Installation von Bewässerungsanlagen ist für
Landwirte zunächst einmal mit hohen Investitionskosten verbunden. Diese sind einerseits im Kontext
zunehmender Qualitätsansprüche des Verbrauchers
an landwirtschaftliche Produkte zu sehen [57],
andererseits zahlen sie sich eher aus, wenn unter
natürlichen Bedingungen das Risiko für Trockenheit
und Missernten hoch ist. Die Böden sind umso
trockener, je niedriger die Niederschlagsmengen
und je höher die Temperaturen und somit die Verdunstungsmenge des Bodenwassers sind. Generell
beobachtet man zwischen 1951 und 2019 für das
Sommerhalbjahr (Apr.–Sept.) keinen statistisch
signifikanten Trend der Niederschlagsmengen, für
die Monate Juni bis August jedoch eine signifikante
Abnahme der Niederschlagsmengen um –13 %.
Projektionen für die Zukunft lassen keine eindeutigen Trendaussagen zu Niederschlagsmengen zu,
wenngleich im worst-case für das Sommerhalbjahr
und die nahe Zukunft (2021–2050) bayernweite
Abnahmen um etwa –11 % gegenüber dem Zeitraum 1971–2000 möglich sind (Kap. 3.2). Dies ist
ein bayernweiter Durchschnittswert, weshalb die
Auswirkungen regional stärker oder schwächer
ausfallen können. Da für die Temperaturen in Bayern
jedoch zwischen 1951 und 2019 ein Temperaturtrend
von 1,9 °C ermittelt wurde, und die Temperaturen
in der nahen Zukunft (2021–2050) auch weiterhin
ansteigen werden, ist für Bayerns Böden allein
aufgrund der steigenden Verdunstung mit zunehmender Trockenheit zu rechnen.
Neben diesen direkten Auswirkungen des Klimawandels ist die Landwirtschaft durch gesetzgeberische
Ausgleichsmechanismen im Rahmen des Handlungsfeldes Wasserwirtschaft betroffen (Kap. 4.1).
Bei Niedrigwasser muss beispielsweise im Zuge der
Wasserrahmenrichtlinie der ökologische Zustand
eines Gewässers bei Wassernutzungen berücksichtigt werden. In den Oberflächengewässern können
Trockenperioden zu erheblichen Niedrigwasserständen führen. In der Regel sind Wasserentnahmen
dann bereits schon nicht mehr möglich, da eine
ökologisch erforderliche Mindestwasserführung
stets im Gewässer verbleiben muss. Dauern die
Trockenphasen über einen überdurchschnittlich
langen Zeitraum an, können insbesondere kleinere
Gewässer zeitweise sogar gänzlich trockenfallen.
Wenn die Wasserstände so niedrig sind, dass die
Gewässerökologie von Oberflächengewässern
bereits unter besonderem Stress steht, kann eine
zusätzliche Absenkung der Pegel verhindert werden,
indem behördliche Entnahmeeinschränkungen oder
-verbote für landwirtschaftliche Bewässerung
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
erlassen werden. Ebenso hat die Trinkwasserversorgung in Bayern Vorrang vor anderen Wassernutzungen. Im Kontext einer projizierten sinkenden Grundwasserneubildungsrate wird die Reduzierung der
Bewässerung aus Grundwasser durch das Nachhaltigkeitsprinzip zunehmend relevant [55]. Der größte
Bewässerungsbedarf entsteht in der Landwirtschaft
in der Regel während besonders ausgeprägter
Trocken- und Niedrigwasserperioden [57], weshalb
behördlich angeordnete Entnahmeeinschränkungen
oder -verbote für Grund-, Quell- und Oberflächenwasser zu Einbußen in der landwirtschaftlichen
Produktion führen. Daher würden geringere Niedrigwasserabflüssen und niedrigere Grundwasserneubildungsraten (Kap. 4.1) die Möglichkeiten landwirtschaftlicher Bewässerung eingrenzen.
Die Menge an pflanzenverfügbarem Wasser wird
durch den Klimawandel sowie verschiedene Anpassungsmaßnahmen im Rahmen des Handlungsfeldes
Wasserwirtschaft wie folgt beeinflusst:
• Die Menge des pflanzenverfügbaren Wassers wird
in Bayern in der nahen Zukunft (2021–2050) ohne
zusätzliche Bewässerungsinfrastruktur weiterhin
abnehmen, da sich zwar (im Median) die Niederschlagsmengen des Sommerhalbjahrs kaum
verändern, die Temperaturen und somit die
Mengen an verdunstetem Wasser jedoch weiterhin steigen.
• Die Gesamtmenge an landwirtschaftlich nutzbarem Oberflächen-, Quell-, und Grundwasser
könnte in der nahen Zukunft (2021–2050) regional,
im worst-case sogar bayernweit, abnehmen und
mögliche Einschränkungen für die behördlich
genehmigten Entnahmemengen von Beregnungswasser zur Folge haben.
Umsetzung von Klimaanpassung
Abb. 32: Tropfbewässerung.
Durch den Klimawandel stehen sich generell zwei
Trends gegenüber: einer (regional) geringeren Menge
an landwirtschaftlich nutzbarem Oberflächen-, Quell-,
und Grundwasser steht ein durch höhere Verdunstung verursachter, höherer Bedarf für Bewässerung
gegenüber. Durch diese gegensätzlichen Trends
ergibt sich ein besonderer Handlungsbedarf für
Anpassungsmaßnahmen. Folgende Projekte unterstützen die Weiterentwicklung landwirtschaftlicher
Anpassungsoptionen:
• In einem Pilotprojekt der Regierung von Unterfranken werden hierzu Regelungsansätze zu
landwirtschaftlicher Bewässerung, Niedrigwassermanagement und Grundwasserschutz entwickelt (Projekt Nutzwasser, Fall Bergtheimer Mulde,
Niedrigwassermanagement).
• Um gemeinschaftliche Bewässerungsstrukturen zu
unterstützen, fördert der Freistaat die Erstellung
von Konzepten zu Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit seit 01.01.2019 als Regelförderung.
• Noch in 2020 soll die pilothafte Förderung zur
Realisierung größerer Bewässerungsinfrastrukturen für landwirtschaftliche Kulturen starten.
71
72
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
• Das LfU-Projekt „Datenerhebung und Dargebotsermittlung in den Schwerpunktgebieten
landwirtschaftliche Bewässerung und Erarbeitung
von Regelungen für die Begutachtungspraxis bei
Bewässerungsanträgen“ hat zum Ziel, das nachhaltig nutzbare Dargebot für Bewässerungszwecke zu bestimmen. Im Einzelnen sind folgende
Aufgaben durchzuführen:
– Aufbau eines umfassenden Datenbestandes
aller Wassernutzungen und zugehöriger
Informationen mit DV-Anwendung.
– Erstellung hydrogeologischer Modelle und
räumlich hochaufgelöster Bodenwasserhaushaltsmodellierungen.
– Erstellung von Grundwasserbilanzen des
nutzbaren Dargebots.
– Formulierung von Vorgaben für Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern sowie Ermittlung nachhaltig nutzbarer Entnahmemengen.
– Prüfung der Möglichkeiten von Beileitung und
Speicherung aus Oberflächengewässern.
– Vorgaben für die Begutachtung durch die
Wasserwirtschaftsämter.
Die Ergebnisse werden die Grundlage für künftige
Bewässerungsmanagementpläne darstellen.
• Die vom StMELF beim Thünen Institut beauftragte Studie zur Prognose des Beregnungsbedarfs landwirtschaftlicher Kulturen in Bayern soll
den Bedarf an Zusatzbewässerung unter dem
Einfluss des Klimawandels mit Hilfe von Klimamodelldaten des LfU bis auf Gemeindeebene für
2050 und 2070 abbilden.
• Das Forschungsprojekt „Ressourcenschonende
und automatisierte Bewässerung in Landwirtschaft und Gartenbau“ der LWG, Hochschule
Weihenstephan-Triesdorf und der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches
Bauwesen in Bayern e. V. (ALB) soll Entscheidungshilfen für den Praktiker entwickeln, wie er
nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll Wasser und
Dünger einsparen kann.
• Das Wissenstransfer-Projekt „Bewässerungs
forum Bayern“ der ALB wird vom StMUV und
StMELF zu gleichen Teilen finanziert. Es bietet als
neutrales Informationssystem auf der Homepage
der ALB allen Zuständigkeitsbereichen die Möglichkeit, ihr abgestimmtes Wissen der Praxis in
Form von Merkblättern, Internetauftritten und
Apps der Zielgruppe zur Verfügung zu stellen.
Zielgruppe sind vornehmlich die landwirtschaftlichen Betriebe und Berater.
• Die Bayerischen Landesanstalten für Landwirtschaft (LfL) sowie für Weinbau und Gartenbau
(LWG) forschen u. a. an der Züchtung leistungsfähiger, klimaangepasster, stresstoleranter und
krankheitsresistenter Kulturpflanzen. Eine besondere Rolle spielen bei der Züchtung die Erhaltung
und Nutzung der genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen und die Erfassung der Wechselwirkung
zwischen Pflanze und Klima.
• Eine ausführliche Übersicht zu konkreten Klimaanpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft ist in
der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie 2016
veröffentlicht.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Stephan Hartmann, Dr. Peter Westermeier;
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (Institut
für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung)
Genomische Vorhersage
des Merkmals Trockenstress in Deutschem
Weidelgras
Bayern verfügt über 1 Mio. ha Grünland. Das entspricht 34 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche
in Bayern. Im Hinblick auf die aktuelle Klimadebatte
ist es wichtig zu wissen, dass in Böden unter
Grünland etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie in
Ackerböden gespeichert ist. Aufgrund dieser Fähigkeiten und des sich ändernden Klimas ist die klimaangepasste Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Gräsern notwendig.
Bei unregelmäßig auftretenden Trockenperioden
sowie kostspieligen und zudem räumlich begrenzten
Gewächshausversuchen ist nur ein geringer Selektionsgewinn in der Breite der praktischen Züchtung zu
erwarten. Das Merkmal Trockentoleranz eignet sich
daher besonders für Methoden der genomischen
Vorhersage.
Dabei werden ähnlich wie bei der Milchleistungsvererbung bei Zuchtbullen bestimmte Eigenschaften von
Pflanzen auf Basis von DNA-Markerdaten vorhergesagt, die zuvor an einem Testsortiment von Pflanzen
kalibriert wurden. Bisher standen für Deutsches
Weidelgras keine ausreichenden Markerressourcen
zur Verfügung. Inzwischen existiert jedoch aus
Arbeiten der Universität Aberystwyth in Wales ein
Gen-Chip, mit dem in einer Analyse 3.681 unterschiedliche Markerpunkte abgefragt werden. Von
diesen konnten im untersuchten Pflanzenmaterial
2.140 Marker als geeignet für weitere Analysen
identifiziert werden. Die anderen Marker waren
entweder gleichartig und damit nicht informativ oder
lieferten im vorliegenden Material kein Signal. Der
Gen-Chip wird im Rahmen dieses Projekts erstmalig
an deutschem Material angewendet. Die ermittelten
Vorhersagegenauigkeiten von bis zu 0,58 (max. 1,0)
des geprüften Kreuzungsmaterials eignen sich für
eine markergestützte Selektion auf Trockentoleranz in
Deutschem Weidelgras. Die Analyse weiterer Populationen erweitert die Basis der Markerdaten und lässt
aufgrund des besonderen Aufbaus des Pflanzenmaterials eine erhöhte Vorhersagegenauigkeit erwarten.
Trockentoleranz ist ein komplexes Merkmal, zu dem
viele Gene ihren größeren oder kleineren Beitrag
leisten. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass
wichtige Teile davon auf Chromosom 2 liegen. Dies
wird an dem „Ausschlag“ bei diesem Chromosom im
nebenstehenden Streudiagramm, deutlich erkennbar.
Abb. 33: Streudiagramm
verschiedener
Chromosomen.
Die auffällige
Streuung von
Chromosom 2
deutet auf eine
Relevanz dieses
Chromosoms für
das Merkmal
„Trockentoleranz“ hin.
73
74
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Daniel Heßdörfer, Institut für Weinbau und
Oenologie, Bayerische Landesanstalt für Weinbau
und Gartenbau, Veitshöchheim
Drohnenbasierte Thermometrie-Messung
zur automatisierten Trockenstressbestimmung
für das großflächige Bewässerungsmanagement
der fränkischen Weinbergslagen
Angesichts von Dürre, Wasserknappheit und Klimawandel wird die ressourcenschonende Bewässerung
eine immer wichtigere Rolle in der Traubenproduktion einnehmen. Trotz dieser Herausforderungen hat
der Weinbau die Aufgabe, die Produktivität der
Traubenerzeugung zu steigern. Der Weg nach vorne?
Smart farming bzw. intelligente Landwirtschaft.
der Reben und die Zuckereinlagerung in die Beere
hat. Die Aufrechterhaltung eines moderaten Trockenstresses und damit ein leichter Wassermangel
können im Rebenanbau sehr vorteilhaft sein, da sie
die Einlagerung von Qualitätsparametern in die
Beere stimuliert, ohne den Ertrag wesentlich zu
beeinträchtigen. Um dies zu erreichen, muss der
Wasserhaushalt der Pflanze ermittelt werden mit
dem Ziel, einen vorgegebenen Grad an leichtem
Trockenstress aufrechtzuerhalten.
Abb. 34: Starker Trockenstress bei Reben.
Wasser ist ein wesentlicher Faktor, der sowohl die
Qualität als auch die Quantität des Erntegutes
beeinflusst. Eine übermäßige Wasserversorgung der
Reben führt zu einem erhöhten vegetativen Wachstum, aber die Qualitätsparameter der Trauben wie
Zuckergehalt, Säuregehalt und Holzreife werden
negativ beeinflusst. Andererseits resultiert starker
Trockenstress zu einer Schließung der Blattschließzellen, was zu einer deutlich reduzierten Assimilation
führt und negative Auswirkungen auf das Wachstum
Abb. 35: Drohnen können in geringer Höhe Bestandsdaten in
hoher Auflösung aufzeichnen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Die Überwachung der Bodenfeuchte sollte heutzutage Standard sein, um festzustellen, ab welchen
Zeitpunkt Reben zusätzlich bewässert werden
müssen. Bodenfeuchtesensoren für volumetrischen
Feuchtigkeitsgehalt und Bodenwasserspannung sind
seit mehr als 40 Jahren im Handel erhältlich, wurden
aber ursprünglich mehr in der Forschung als im
kommerziellen Pflanzenbau eingesetzt. In den
letzten Jahren hat es eine starke Zunahme von
handelsüblichen Bodenfeuchtemesssystemen für
die Landwirtschaft sowie im Weinbau gegeben. Allen
Bodenfeuchtesensoren jedoch ist gemein, dass
deren Messgenauigkeit stark von der Qualität der
Installation im Boden abhängig ist und die Apparaturen nur Punktmessungen erlauben. Inwieweit die
drohnenbasierte Thermometriemessung als Trockenstressindikator bei Reben geeignet ist und das
großflächige Bewässerungsmanagement vereinfacht, wird seit 2017 innerhalb eines dreijährigen
Forschungsprojektes im Institut für Weinbau und
Oenologie getestet. Die Überprüfung der drohnenbasierten Thermometriemessung findet in einem
bereits etablierten Versuch mit verschiedenen
Bewässerungsintensitäten statt. Innerhalb der
Versuchsdurchführung wird, zeitgleich zur drohnenbasierten Thermalanalyse, an den Versuchsreben das
Wasserpotential mit der Scholanderkammer bestimmt. Abb. 36 zeigt das Verhältnis der gemessenen Wasserpotential-(Ψpd-)Werte aus der Referenzmethode Scholanderkammer und der
Temperaturdifferenz (Tdiff) aus der Thermalanalyse.
Aus den Daten geht hervor, dass zwischen den mit
der Scholanderkammer ermittelten Werten (Ψpd) und
den Werten der drohnenbasierten Thermalanalyse
(Tdiff) ein nicht linearer Zusammenhang besteht
(R2 = 0,63). Dabei korrelierten die Messwerte beider
Messverfahren zur Bestimmung des Rebenwasserstatus über einen weiten Messbereich von guter bis
sehr schlechter Wasserversorgung miteinander.
Abb. 36: Beziehung zwischen dem frühmorgendlichen
Wasserpotential (Ψpd) und der errechneten
Temperaturdifferenz (Tdiff).
Die Exaktversuche an der LWG zeigen also, dass
mittels der drohnenbasierten Thermalanalyse Rückschlüsse auf den aktuellen Wasserhaushalt der Rebe
gezogen werden können. Die drohnenbasierte
Thermalanalyse kann der Praxis helfen, den Trockenstress einer gesamten Rebanlage einfach zu bestimmen und darauf ein ressourcenschonendes Bewässerungsmanagement abzustimmen.
75
76
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Beate Wende; Institut für Weinbau und Oenologie, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und
Gartenbau, Veitshöchheim; Forschungsprojekt:
„Untersuchungen zur Biologie des invasiven Schädlings Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) im
bayerischen Wein- und Obstbau unter besonderer
Berücksichtigung sich daraus ergebender Regulierungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten für die
Praxis“
Klimawandel im Weinbau –
Wohlfühlatmosphäre für
die invasive Kirschessigfliege (Drosophila suzukii)?
Abb. 37: Schadbild der Kirschessigfliege: saftende, einfallende Trauben und folgender Pilzbefall.
Durch den Import befallener Früchte gelangte die
Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) 2008 nach
Europa. In Bayern verursachte sie erstmals 2014
erhebliche Schäden im Wein- und Obstbau. Weibliche Fliegen verfügen über einen kräftigen, stark
gezähnten Legebohrer. Mit dessen Hilfe ritzen sie
die Frucht- bzw. Beerenhaut weichschaliger, reifender und reifer Früchte an, um ihre Eier in die Frucht
abzulegen. Die schlüpfenden Larven ernähren sich
vom Fruchtfleisch, wodurch befallene Früchte nach
kürzester Zeit weich werden und zerfallen und somit
nicht mehr vermarktungsfähig sind (Abb. 37).
Folgeschäden durch Schadpilze oder Essigfäule
sorgen ebenfalls für hohe Ernteverluste.
Winzer und Obstbauern stehen vor einer großen
Herausforderung im Kampf gegen die kleine Fliege.
Der rasche Generationszyklus sorgt für einen
rasanten Populationsaufbau im Sommer. Innerhalb
von 14 Tagen entwickelt sich bei optimalen Bedingungen eine neue Generation. Da Kirschessigfliegen
bis zu zwei Monate alt werden können, treten meist
mehrere Generationen nebeneinander auf und
erreichen zur Erntezeit im Spätsommer/Frühherbst
ihren Höchststand an Individuen. Jedoch ist der
Einsatz von Insektiziden zur Kirschessigfliegen-Bekämpfung aufgrund der einzuhaltenden Wartezeiten
vor Ernte der Früchte nur eingeschränkt möglich.
Das Forschungsprojekt hat daher einen Schwerpunkt
auf die Forschung an vorbeugenden und alternativen
Bekämpfungsmöglichkeiten gelegt. Kirschessigfliegen bevorzugen Temperaturen um 25 °C bei
gleichzeitig hoher Luftfeuchte. Lang andauernde
Hitzeperioden (wie im Sommer 2018) verträgt die
Kirschessigfliege nicht. Eiablageaktivität und Schlupfraten sinken deutlich ab. Die verminderte Aktivitätsrate kann bei dauerhaften Temperaturen über 33 °C
zum Zusammenbruch der Populationen führen
(Abb. 38). Aufgrund der Hitzeempfindlichkeit der
Kirschessigfliegen können vorbeugend Maßnahmen
ergriffen werden, die den Befallsdruck mindern.
Dazu gehören das beidseitige Entfernen der Blätter
in der Traubenzone und eine kurz gehaltene Begrünung ab Beginn der Traubenreife. Die Maßnahmen
sorgen in ihrer Gesamtheit dafür, dass sich ein
trocken-heißes Kleinklima in den Rebanlagen ausbilden kann – schlechte Bedingungen für legebereite
Kirschessigfliegen. Diese Maßnahmen können
jedoch nur wirken, wenn im Sommer eine heißtrockene und nicht feucht-warme Witterung vorherrscht.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 38: Populationsverlauf der Kirschessigfliege über drei Jahre. Hitzewellen führten zum Zusammenbruch der Population (2016) bzw.
zur stark eingeschränkten Populationsentwicklung (2018).
Die prognostizierten Klimaveränderungen sagen eine
Zunahme der Hitzewellen voraus. Wären dies die
einzigen Auswirkungen könnten Winzer und Obstbauern aufatmen. Jedoch bleiben auch längere
Dauerfrostperioden im Winter aus. Dies sorgt für
gute Überwinterungsbedingungen für die frostempfindlichen Kirschessigfliegen. Der Klimawandel
verursacht eine immer frühere Traubenreife. Dadurch
fällt die Traubenreife gefährdeter Rebsorten in den
Zeitraum, an dem viele Generationen der Kirschessigfliege nebeneinander existieren und der Befallsdruck sehr hoch ist.
Abb. 39: Trauben behandelt mit einer Gesteinsmehl-Brühe.
Bei feucht-warmen Klimabedingungen im Sommer
kann sich rasch ein hoher Befallsdruck aufbauen.
Als wirksame Vergrämungsmittel erwiesen sich in
Freilandversuchen der LWG Gesteinsmehle aus
Kaolin (Heilerde) und Diatomeen (Abb. 39). Beide
Mittel hielten den Kirschessigfliegenbefall im Untersuchungszeitraum unter der Schadschwelle. Im
weiteren Versuchsverlauf zeigte sich, dass Traubenreife, Gärung, Weinbereitung und Geschmack nicht
durch den Belag aus Kaolin bzw. Diatomeen beeinflusst wurden. Im Keltertraubenanbau scheint die
Lösung gegen die Kirschessigfliege gefunden, doch
müssen die (weithin sichtbaren) Maßnahmen gut in
der Öffentlichkeit kommuniziert werden.
77
78
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.3 Wald und Forstwirtschaft
Kurz gesagt,
• zu Baumarten und Waldschutzrisiken: Waldschutzrisiken nehmen sowohl regional als auch
baumartenspezifisch immer mehr zu. Wirtschaftlich oder ökologisch wichtige Baumarten können
sowohl durch alte als auch neue Schädlinge
schwer getroffen werden. Darüber hinaus werden
Bäume starke Klimaveränderungen aushalten
müssen. Die Baumartenwahl bei Naturverjüngung,
Pflanzung oder Saat stellt die Weichen für viele
Jahrzehnte. Der seit Jahrzehnten betriebene
Waldumbau in klimatolerantere Mischbestände
muss daher konsequent weitergehen. Neben
generell mehr Mischwald müssen Waldbesitzer
und Staat bei Gefahren ihre jeweilige Handlungsfähigkeit und Schlagkraft sicherstellen. Die Forstverwaltung setzt sich für die Wälder ein und
unterstützt die Waldbesitzer sowie andere Akteure
u. a. durch Monitoring, Forschung und Entwicklung, Wissenstransfer, Aus- und Fortbildung,
flächendeckende Beratung und finanzielle Förderung bei deren Anpassungsmaßnahmen.
• zu Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen:
Negative Auswirkungen auf die Nutz-, Schutzund Erholungsfunktionen müssen sowohl bei
der Waldbewirtschaftung als auch auf Seiten der
Bürger zu Anpassungen führen. Trotzdem muss
mit Einbußen bei den gewohnten Leistungen
gerechnet werden.
(i)
Bei der Holzproduktion ist mit Schüben von
großen Schadholzmengen zu rechnen, die die
Verarbeitungskapazitäten und den Bedarf
übersteigen können. Langfristig wird die
Nadelholzmenge sinken und mehr Laubholz
erzeugt werden. Hierfür sollen Innovationen
entwickelt werden, u. a. in den Bereichen
Holzwerkstoffe, Bioökonomie und Holzbau.
(ii) Sehr viel Lebensraum für Tiere und Pflanzen, vor allem wenn sie es kühl und/oder
feucht mögen, geht durch den Klimawandel
verloren. Ganz wichtig im Rahmen der Bewirtschaftung sind daher, wo möglich, eine
naturnahe Baumartenzusammensetzung, der
Erhalt von intakten, möglichst geschlossenen
Waldbeständen und das Belassen von Totholz.
Wasserrückhalt wird zum entscheidenden
Faktor: Jeder Tropfen ist wertvoll.
(iii) Die CO2-Senkenwirkung des Sektors
Forst&Holz wird durch den Klimawandel
beeinträchtigt und könnte schlimmstenfalls
in eine Quelle umschlagen. Insbesondere bei
Wäldern mit sehr hohen Holzvorräten steigt
das Risiko, dass angesammelte Kohlenstoffvorräte durch Waldbrände und andere große
Störungen innerhalb kurzer Zeit wieder
freigesetzt werden.
• Zum „Faktor Mensch“: Die Auswirkungen des
Klimawandels treffen nicht nur Bäume und Wälder,
sondern vor allem auch Menschen. Maßnahmen
zur Anpassung der Wälder können dies nur
bedingt kompensieren. Von Waldbesitzern über
Erholungsuchende und Bürger bis zu den Firmen
und Verbrauchern: Alle müssen sich nach dem
Prinzip „Eigenverantwortung und Solidarität“
darauf einstellen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.3.1
Ausgangslage
Wälder und ihre Bewirtschaftung sind als „Freiluftveranstaltung mit Anwesenheitspflicht und Überlänge“ in besonderem Maße den Auswirkungen des
örtlichen Klimas ausgesetzt. Produktionszyklen von
100 Jahren und mehr sowie die unveränderliche
Bindung der Bäume an ihren Standort stellen
besonders anspruchsvolle Rahmenbedingungen dar.
Gravierende Änderungen stellen daher schon immer
extreme Herausforderungen für Wälder und Waldbesitzer dar.
Die über 2,6 Mio. Hektar Wald in Bayern (rund 37 %
Landesfläche) werden von rund 700.000 privaten
Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern (56 % der
Waldfläche), über 2.000 Körperschaften des öffentlichen Rechts (12 %) sowie vom Bund (2 %) und vom
Freistaat (30 %) bewirtschaftet. Im weitaus größten
Teil der Wälder wird regelmäßig und nachhaltig Holz
geerntet. Im Cluster Forst und Holz in Bayern
erzielten 2017 rund 190.000 Beschäftigte einen
Umsatz von rund 39 Mrd. €.
Abb. 40: Natürliche Waldtypen in Europa (nach einer Idee von
Kölling (2014) [64]; Datenquelle: Bohn et al. (2004)
[65]; Urheber: L. Zimmermann, LWF).
Unsere Wälder erbringen zahlreiche Ökosystemleistungen für Mensch, Natur und Wirtschaft. Von
2002–2012 sind jährlich rund 30 Mio. Kubikmeter
Holz nachgewachsen, von denen rund 28 Mio.
genutzt wurden. Die Wälder Bayerns speichern
umgerechnet rund 1,1 Mrd. Tonnen CO2 in der oberund unterirdischen Biomasse der Bäume. Hinzu
kommt eine ähnlich große Menge im Totholz und im
Boden. Per Saldo wirkten die Wälder, wie auf
globaler Ebene (Kap. 2.2), auch in Bayern in den
letzten Jahrzehnten als Kohlenstoffsenke, d. h. die
Kohlenstoffspeicherung der Wälder hat stetig
zugenommen [66]. Zusätzlich hilft der nachwachsende Rohstoff Holz beim Klimaschutz, indem er
einerseits Kohlenstoff speichert (teilweise sogar
über Jahrhunderte, z. B. in Holzhäusern) und andererseits emissionsintensivere Brenn- und Baustoffe
ersetzt. Insbesondere auf Steilhängen schützen
die Wälder Bayerns Siedlungen, Verkehrswege und
andere Landnutzungen vor Naturgefahren wie
Steinschlägen, Lawinen, Muren oder Hochwasser.
Das Ökosystem Wald dient ferner als Erholungsraum für Bevölkerung und Touristen, als „grüne
Lunge“ und kühlendes Klimaregulativ für die Ballungsräume sowie als Lebensraum für bundesweit
etwa 29.000 Tier-, 2.900 Pflanzen- und 5.000 Großpilzarten.
Von Natur aus wären Bayern und auch Europa fast
vollständig bewaldet. Das natürliche Waldkleid
Europas entstand durch einen Jahrtausende währenden Anpassungsprozess an vorherrschende Klimabedingungen und Böden (Abb. 40). Den Temperaturbedingungen folgend entstanden mehrheitlich boreale
Fichtenwälder im Norden, Buchenwälder in den
gemäßigten Breiten und Eichenwälder im Mittelmeerraum [8]. Zu Beginn der Neuzeit waren die
Wälder in Deutschland weitgehend verschwunden
oder ausgeplündert, weil Holz bis zur verstärkten
Nutzung von Kohle und mineralischen Baustoffen
der mit Abstand wichtigste, universell verwendete
Rohstoff war. Seit Einführung einer geregelten
Forstwirtschaft hat sich die Situation enorm verbessert, zwischendurch aber auch gesellschaftliche
(Liberalismus) oder historische (Kriege, Reparationen) Rückschläge erfahren. Zur Wiederbewaldung
großer Kahlflächen, Deckung des Holzbedarfs und
79
80
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Optimierung der Wirtschaftlichkeit wurde im
20. Jahrhundert die wuchsstarke aber gegenüber
Trockenheit und Schädlingen anfällige Fichte mit 42
Prozent zur häufigsten Baumart Bayerns [55]. Auch
die Waldkiefer wurde im Zuge dieser Entwicklung
weit über ihren natürlichen Anteil hinaus gefördert.
Seit den 1970er Jahren hat sich der Trend deutlich
verändert: Erhaltung und Schutz von naturnahen
Wirtschaftswäldern sowie von ausreichend Wäldern
ohne Nutzung (z. B. in Nationalparken und Naturwaldreservaten oder durch freiwillige oder vertragliche Verpflichtungen) sind heute weitgehend Konsens
und liefern wertvolle Beiträge für den Arten- und in
gewissem Umfang für den Klimaschutz. Der großflächige Waldumbau von anfälligen Fichten- und
Fichten-Kiefern-Reinbeständen hin zu standortgemäßen laubbaumreichen Mischwäldern verbessert
die Stabilität der Wälder, hat aber noch großen
Handlungsbedarf.
Der Klimawandel ist auch in unseren Wäldern voll
angekommen. Auswirkungen der Klimaerwärmung
und der damit verbundenen Witterungsextreme in
Form von Vitalitätseinbußen, Zuwachsrückgängen
und einer gesteigerten Mortalität vieler Baumarten
wurden in den letzten Jahren vielerorts in unseren
Wäldern deutlich sichtbar. Die derzeit noch als
außergewöhnlich angesehenen Beobachtungen
werden zukünftig eher der Normalität entsprechen.
Der Klimawandel wirkt sich massiv auf die Wälder in
Bayern aus – aktuell und erst recht in Zukunft: Zum
einen auf die bereits heute besonders anfälligen
Waldbestände, die unter teils intensiver und häufiger
auftretenden Extremereignissen (Kap. 3.3) oder
Schädlingen leiden. Beispielsweise sorgten im
Herbst 2017 und Frühjahr 2018 Stürme für ein hohes
Schadholzaufkommen, das in den sehr trockenen
und heißen Sommern 2018 und 2019 Schädlingsbefall und andere Kalamitäten zusätzlich begünstigte.
Das Frühjahr 2020 setzte mit ausgeprägt trockenwarmer Witterung diesen Negativtrend fort. Zum
anderen ist das Tempo der gegenwärtigen anthropogenen Erwärmung außergewöhnlich hoch: Ein im
Zeitraum 1971 bis 2000 gepflanzter Baum wird
gegen Ende des Jahrhunderts je nach Entwicklung
der atmosphärischen Treibhausgas-Konzentrationen
eine Änderung der jährlichen Mitteltemperatur
Bayerns um etwa 1,1 °C (Szenario 2-Grad-Obergrenze bzw. Szenario Vorsorgeprinzip) bis 3,8 °C erleben
(Szenario ohne Klimaschutz) (vgl. Kap. 3.1). Anpassung an den Klimawandel heißt für die Forstwirtschaft Bayerns, den Waldumbau hin zu klimawandeltoleranteren Waldökosystemen noch ambitionierter
voranzutreiben. Die Wahl von an Wärme und Trockenheit besser angepassten Baumarten und Herkünften
rückt dabei stark in den Fokus, genauso wie die
rechtzeitige und schlagkräftige Bewältigung von
Waldschutzrisiken. Dies ist nur für einen lokalen
Temperaturanstieg von maximal 2 °C pro 100 Jahren
möglich und Erfolg versprechend [8]. Daher hat die
Wald- und Forstwirtschaft ein unmittelbares Interesse daran, dass das im Paris Übereinkommen gesetzte Ziel, die globale Erwärmung auf „deutlich unter
2 °C“ und möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen,
möglichst schnell erreicht wird (Kap. 1), wobei
neuere IPCC-Aussagen zu besonderer Vorsicht
mahnen (Kap. 5). Gelingt dies der Weltgemeinschaft
nicht, so könnte die Anpassungskapazität unserer
Wald-Ökosysteme überstrapaziert werden, mit
künftigen bayernweiten direkten und indirekten
Schäden und Folgekosten in der Größenordnung
von mehreren Hundert Mio. Euro pro Jahr.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Wald- und Forstwirtschaft unter anderem folgendes Handlungsziel [55]:
• Zentrales Handlungsziel ist die Erhaltung und
Entwicklung von klimatoleranten zukunftsfähigen
Waldbeständen gegenüber den zu erwartenden
Klimaveränderungen, unter Wahrung der biologischen Vielfalt.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.3.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.3.2.1
Baumarten und Waldschutzrisiken
Vier Baumarten sind in Bayern besonders verbreitet:
Fichte (42 Prozent), Kiefer (17 Prozent), Buche (14
Prozent) und Eiche (7 Prozent). Klimatolerantere
Waldbestände aufzubauen heißt, die Auswirkungen
des künftigen Klimas auf die gegenwärtigen Baumbestände zu verstehen und auf dieser Basis einen
Umbau von Bayerns Wäldern voranzutreiben.
Auswirkungen auf Baumarten und
Waldschutzrisiken
Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Vitalität
der Bäume, sondern auf das gesamte Spektrum der
Tier- und Pflanzenarten aus. Während manche Arten
profitieren, werden andere an den bisherigen Orten
zurückgehen oder gar verschwinden. Damit trägt der
Klimawandel bereits seit einigen Jahren zu einer
deutlich komplexeren Waldschutzsituation bei.
Verschärfend kommt die Gefahr der Einschleppung
neuer Schädlinge durch die globalisierten Handelsströme und Reisemöglichkeiten hinzu.
Dürre, Feuer und Wind zählen genauso wie Insekten
und Pilzbefall zu den bekanntesten Risikofaktoren.
2019 stieg das Schadholzaufkommen in Bayern auf
den enormen Wert von 11,5 Mio. Kubikmeter.
Bereits heute ist klar, dass die Gefährdung der
Wälder durch extreme Wetterereignisse, Waldbrände, Schädlinge und Pilzbefall im Zuge des Klimawandels zunehmen wird. Die Kenntnisse zu den wechselseitigen Wirkungen (und ggf. Verstärkungen)
dieser Faktoren sind jedoch noch lückenhaft.
• Wichtigste abiotische Einflussfaktoren sind
Stürme (z. B. Vivien/Wiebke 1990, Kyrill 2007,
Niklas 2015, Kolle 2018, Friedericke und Burglind
2019, Sabine 2020) sowie Hitze und Sommerdürren (zuletzt 1976, 2003, 2015, 2018 und 2019).
Zunehmende Extremereignisse begünstigen die
Massenvermehrung heimischer Schadinsekten
wie beispielsweise den Fichtenborkenkäfer.
Stürme erhöhen das Brutraumangebot enorm (und
erschweren wegen der Unfallrisiken die Aufarbeitung), besonders wenn sie kurz vor Schwärmphasen auftreten. Die langen warmen Sommer
begünstigen dagegen die biologische Entwicklung
der Borkenkäfer und schwächen die Bäume. Aber
auch ohne Stürme nehmen Vitalität und Abwehrkraft von Fichten ab, die in vielen Gebieten bereits
jetzt am Rand ihres standörtlichen Spektrums
vorkommen. Während dies früher eine Ausnahme
war, konnten die Borkenkäfer 2019 nun schon das
fünfte Jahr in Folge eine 3. Käfergeneration
ausbilden – 2018 erstmals sogar in den Höhenlagen des Bayerischen Waldes. Noch vor ein paar
Jahren erschien dies undenkbar. Befallsschwerpunkte liegen aktuell in Südostbayern und in
Nordostbayern, wo es schon mehrere Jahre zu
wenig geregnet hat.
• Auch der wärmeliebende Schwammspinner
profitiert vom Klimawandel. Seit einigen Jahren
findet in weiten Teilen Frankens eine Massenvermehrung statt, die einen bestandsbedrohenden
Blattfraß an Eichen auf erheblicher Fläche befürchten lässt – wie erstmals Anfang der 1990-er Jahre.
Wenn so ein starker Lichtfraß oder Kahlfraß in
Jahren aufeinander folgt und Trockenheit, Mehltaubefall oder auch weiterer Insektenbefall hinzukommen, kann es zum Absterben betroffener Eichen
kommen. Bei mehrjährigen, starken Ereignissen
kann dies bis zur Bestandsauflösung führen – mit
allen negativen ökologischen, ökonomischen und
landeskulturellen Folgen. Die Forstverwaltung
erstellt daher jährlich auf Basis groß angelegter
Eigelegesuchen eine Befalls- und Gefährdungsprognose und bewertet wissenschaftlich die Notwendigkeit einer Bekämpfung. Im Mai 2019 wurden
von über 4.000 ha befallenen und gefährdeten
Eichenwäldern etwa 1.800 ha mit dem Pflanzenschutzmittel MIMIC behandelt. Viele Flächen
wurden in Folge gesetzlicher Auflagen oder aus
naturschutzfachlichen Gründen ausgespart. Auf ca.
1.500 ha unbehandelter Flächen fand ein Kahlfraß
statt. Auch 2020 war ein Pflanzenschutzmitteleinsatz auf rund 2.800 Hektar notwendig, um eine
großflächige Bestandgefährdung von Eichenwäldern abzuwenden.
81
82
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
• Wie schwierig es ist, auf die richtige Baumart der
Zukunft zu setzen, zeigt sich an der Esche durch
das Eschentriebsterben. Ein in Bayern erstmals
2008 entdeckter Pilz verursacht flächendeckend
Schäden. Der Anbau der einst so robusten Esche
ist derzeit nicht mehr zu empfehlen.
• Ein Beispiel für eine sich verschiebende Interaktion zwischen Wirtspflanze und Schadpilz unter sich
wandelnden klimatischen Bedingungen ist die
Ahorn-Rußrindenkrankheit (vgl. Exkurs Forschung). Der Erreger Cryptostroma corticale
profitiert von Sommertrockenheit und -wärme
und wurde seit dem Erstfund in Deutschland 2005
bereits in vielen Bundesländern nachgewiesen.
Im Sommer 2018 wurde die Erkrankung erstmals
in Bayern nachgewiesen, vornehmlich im warmtrockenen Franken. Derzeit ist eine weitere
Verstärkung und Ausdehnung auch in südliche
Gebiete Bayerns zu beobachten. Unter warmtrockenen Bedingungen führt die Russrindenkrankheit zumeist zum zügigen Absterben der befallenen Bergahorne. Sorge bereitet, dass auch die
beiden einheimischen, forstlich genutzten und
wärmeliebenden Arten Spitz- und Feldahorn
erkranken könnten. Die Pilzsporen können zudem
negative Auswirkungen auf das Atemsystem des
Menschen haben und zu einer Entzündung der
Lungenbläschen führen. Es wird angenommen,
dass C. corticale bereits großflächig als Endophyt
verbreitet sein könnte, aber erst unter disponierenden klimatischen Bedingungen zum Krankheitsauftreten führt. Da dieses Wissen zur Sicherung
aller Waldfunktionen wichtig ist, wird dies ein
Schwerpunkt der Waldschutzforschung in den
kommenden Jahren.
• Auch die Kiefer zeigt seit 2015 aufgrund klimawandelbedingter Stressfaktoren stark zunehmende
Schäden – zunächst einzel- bis nestweise, inzwischen bereichsweise flächig. Verursacher ist zum
einen der Pilz Diplodia pinea, der Erreger des
Diplodia-Triebsterbens, das durch zunehmende
abiotische Vorschädigungen (v. a. Trockenheit,
Hitze, Strahlungsschäden, Hagel) gefördert wird.
Zum anderen breitet sich die Kiefernmistel immer
weiter aus, die als Halbschmarotzer dem Baum
Wasser entzieht und gerade in Trockenphasen die
angespannte Situation verschärft. Hinzu kommen
sekundäre Schaderreger, die ebenfalls von trocken-warmen Bedingungen profitieren.
• Neu eingeschleppte Organismen spielen mittlerweile eine nicht unwesentliche Rolle im Waldschutz. Die Schäden und die Bekämpfung können
sehr hohe Kosten verursachen, sodass ein
Schwerpunkt auf der Verhinderung der Einschleppung liegen sollte. Wie langwierig, schwierig und
aufwendig die Bekämpfung von invasiven neuen
Schadorganismen ist, zeigt sich am Asiatischen
Laubholzbockkäfer (ALB). Nach dem bayerischen
Erstfund 2012 in Feldkirchen wurden umfangreiche Quarantänemaßnahmen ergriffen und weitere
Befallsherde entdeckt, zuletzt im August 2019 in
Miesbach. Quarantänezonen können erst aufgehoben werden, wenn 5 Jahre kein Nachweis vorliegt
(bisher in zwei Fällen gelungen). Aktuell sind fünf
Befallsgebiete bekannt.
Umsetzung von Klimaanpassung
Die Waldbesitzer müssen bei der Baumartenwahl
eine Entscheidung treffen, die lange in die Zukunft
reicht, auch wenn die konkreten Veränderungen
noch nicht exakt vorhersehbar sind. Diese für die
Forstwirtschaft typische Problematik hat durch den
Klimawandel eine dramatische Dynamik erfahren.
Die Bayerische Forstverwaltung hat daher 2020 neue
Leitlinien für die Baumartenwahl im Klimawandel
herausgegeben. Die erfolgversprechendste Strategie
im Klimawandel ist es, die bestehende Baumartenund Herkunftspalette heimischer Baumarten intensiv
zu nutzen und dabei – dort wo nötig – auch alternative Baumarten angemessen zu beteiligen und
konsequent auf möglichst gesicherte Erkenntnisse
zurückzugreifen. Diese Richtschnur soll für alle
Waldbesitzarten in Bayern Orientierung sein und
zugleich die Grundlage für die Beratung der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sowie die forstliche
Förderung bei der Begründung möglichst klimatoleranter Wälder darstellen. Die Leitlinien entsprechen
dem aktuellen Wissensstand, der sich im Zuge
des Klimawandels sowie neuer Erkenntnisse und
Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis stetig
weiterentwickeln wird. Es ist eine abgestufte
Vorgehensweise mit vier Hauptschritten vorgesehen:
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
(1) heimische Baumarten unter Einbeziehung
modellierter Anbaurisiken innerhalb Bayerns
räumlich verschieben (»Assisted Population
Migration«)
(2) stärkere Berücksichtigung seltener heimischer
Baumarten
(3) Verwendung alternativer Herkünfte unserer
heimischen Arten
(4) Verwendung alternativer Baumarten aus anderen
Ländern unter Inkaufnahme gewisser Risiken
(z. B. Schädlings- und Krankheitsanfälligkeit,
ökologische Integrierbarkeit, Invasionspotential,
geringe klimatische Anpassungsfähigkeit,
geringe Holzqualitäten).
Die Eignung nach Anbaufähig- und -würdigkeit ist für
zahlreiche alternative Baumarten und deren Herkünfte noch nicht hinreichend geklärt. Alternative Baumarten sind dort unverzichtbar, wo sich die Standortsund klimatischen Verhältnisse aus den Ökogrammen
heimischer Baumarten hinaus verschieben, Walderhalt folglich nur mit alternativen klimatoleranten
Arten möglich ist. Zum Umgang mit alternativen
Baumarten wurden vor allem die Integrierbarkeit in
eine naturnahe Waldbewirtschaftung, das Invasivitätspotenzial, die Schadensanfälligkeit, die Produktivität und die aktuelle Anbauerfahrung beurteilt. Auf
diese Weise sind, je nach Kenntnisstand und RisikoEinschätzung, vier Eignungs-Kategorien für alternative Baumarten entstanden.
Bisherige Strategien sind aber auch für die Zukunft
hilfreich: Das Prinzip der „naturnahen Forstwirtschaft“ ist nach wie vor die wesentliche Grundlage
für die Begründung und Pflege der heimischen
Wälder, muss allerdings im Hinblick auf den Klimawandel weiterentwickelt werden:
• Verjüngung allgemein
– Vorrang für standortgerechte Naturverjüngung
– geeignete Ergänzungspflanzungen mit sukzessiver Dynamik durch Pionierbaumarten auf
Schadflächen kombinieren
– vorhandene Naturverjüngung von Baumarten
mit hohem Klimarisiko möglichst auf unter
50 % reduzieren
– zügiger Voranbau klimatoleranter Baumarten
besonders auf Waldflächen mit Baumarten mit
hohem Anbaurisiko, auch wenn diese gegenwärtig noch keine akuten Schäden aufweisen
– ausschließlich qualitativ hochwertiges und
herkunftsgesichertes forstliches Saat- undPflanzgut verwenden
– genetische Vielfalt von heimischen Haupt- und
Nebenbaumarten erhalten und erhöhen
• Mischwald: Geschickte Baumartenmischungen
bringen Risikostreuung und ökologische Vorteile.
– vorhandene Mischbaumarten insbesondere in
jungen und mittelalten Wäldern durch Pflegemaßnahmen erhalten und gezielt fördern
– mehrere Haupt-Baumarten geeigneter Herkunft auf gleicher Fläche anstreben
– Mischung von Laubhölzern mit Nadelhölzern,
Halbschatt- und Schattbaumarten
– Mischung von Flach- und Tiefwurzlern
– möglichst breite Altersstruktur auf gleicher
Fläche schaffen
• Nachhaltig und stetig wirtschaften: Wer sich jedes
Jahr ein Stück Pflanzung, Pflege oder Verjüngung
vornimmt, puffert Wetter- und Holzmarktrisiken ab
und kann aus Erfahrungen lernen. Auch die
Wissenschaft schreitet voran – so wächst das
Wissen und die Unsicherheit nimmt ab.
• Sicherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit
(z. B. durch Fachwissen und Geräte, Vernetzung
mit Nachbarn und Beratern, überbetriebliche
Zusammenarbeit bei Aufarbeitung und Logistik).
83
84
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Der Waldschutz, bei dem Pflanzenschutzmittel
selten, aber als letztes „Mittel der Wahl“ zur Anwendung kommen können, ist elementar für den Erhalt
und die zielgerichtete Bewirtschaftung unserer
Wälder im Klimawandel und zur Sicherung ihrer
vielen Funktionen für Mensch, Natur und Wirtschaft.
Die Forstverwaltung unterstützt die Waldbesitzer
daher durch systematisches Monitoring der Risiken
(z. B. Quarantäneschaderreger), Forschung zu neuen
Schaderregern (z. B. Rußrindenkrankheit), aktuellen
Wissenstransfer (z. B. www.borkenkaefer.org), Ausund Fortbildung des eigenen Personals und der
Waldbesitzer, flächendeckende staatliche Beratung,
Organisation von Bekämpfungsmaßnahmen (z. B.
Schwammspinner) sowie finanzielle Förderung von
Pflege, Waldumbau und Wiederaufforstung.
Bei Fichte und Kiefer ist es schon seit Jahrzehnten
Ziel der bayerischen Forstpolitik, Reinbestände durch
Mischung mit anderen Baumarten stabiler zu machen. Hier wurden, wie die Daten der Bundeswaldinventuren zeigen, bereits deutliche Fortschritte erzielt
(z.T. in Abb. 41 ersichtlich). Durch den Klimawandel
sind jedoch sowohl die Schäden als auch der Handlungsdruck in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Hinzu kamen bereits in den letzten Jahren Ausfälle
bei Baumarten, die bisher als vermeintlich trockenheitstolerant galten. Gerade in Nordwestbayern könn-
te künftig auf zahlreichen Standorten in erster Linie
die Walderhaltung im Fokus stehen.
In Bayern wird ein Umbau zu klimatoleranten,
zukunftsfähigen Waldbeständen durch folgende
Maßnahmen vorangetrieben:
• Im Privat- und Körperschaftswald in Bayern
wurden mit finanzieller Förderung des Freistaats
seit 2008 (Start des Klimaprogramms 2020) rund
75.000 Hektar Nadelholzreinbestände in klimatolerantere Mischbestände umgebaut. Aufgrund der
zunehmenden klimawandelbedingten Schäden
und der überragenden Bedeutung für das Allgemeinwohl hat das Kabinett beschlossen, die
Anpassung der Wälder deutlich zu forcieren
(Waldumbauoffensive 2030). Neues Gesamtziel
sind rund 200.000 Hektar bis zum Jahr 2030.
Herzstück der Umsetzung ist die Verstärkung der
Beratung und Fortbildung der Waldbesitzer sowie
eine deutlich verbesserte waldbauliche Förderung
seit Mitte Februar 2020.
• Die gezielten Projekte im Privat- und Körperschaftswald in Bereichen mit erhöhtem Handlungsbedarf (z. B. Initiative Zukunftswald, Bergwaldoffensive) werden erfolgreich fortgesetzt und
weiterentwickelt. Dabei werden Vorzeigeprojekte
(Leuchttürme) geschaffen, die auf andere Waldbesitzer ausstrahlen sollen.
Abb. 41: Der Laubbaumanteil in Bayern ist stetig auf aktuell rund 36 % angestiegen (Quelle: Nachhaltig und naturnah – Ergebnisse der
dritten Bundeswaldinventur [66]).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
• Mit dem Bayerischen Standortinformations
system (BaSIS) wurde ein bundesweit einmaliges
Werkzeug geschaffen, um die Waldbesitzer in
hoher räumlicher Auflösung bei der Auswahl
standortangepasster zukunftsfähiger Baumarten
zu beraten (vgl. Exkurs Forschung, Beispiel 2).
Das System wird laufend um neue Baumarten
erweitert und weiterentwickelt.
• Die Bayerische Landesanstalt für Wald und
Forstwirtschaft (LWF) hat für 16 Baumarten eine
Praxishilfe „Klima-Boden-Baumartenwahl“ als
Entscheidungshilfe für Leser mit forstfachlichem
Hintergrund entwickelt. Ein Ergänzungsband ist in
Vorbereitung.
• Der Waldumbau im Staatswald der Bayerischen
Staatsforsten ist nach der gegenwärtigen Zielsetzung zur Hälfte – rund 80.000 Hektar – geschafft.
Die BaySF streben an, die restliche Fläche bis
2030 umzusetzen.
• Die Bewirtschaftung des bayerischen Staatswalds
wird zukünftig an den Leistungen für den Klimaschutz ausgerichtet. Im Staatswald werden in den
nächsten fünf Jahren 30 Millionen Bäume
gepflanzt – eine Million Bäume pro Jahr mehr als
bisher. Damit die bayerischen Staatswälder in
Zukunft verstärkt Leistungen für den Klimaschutz
erbringen können, müssen sie u. a. durch zusätzliche Pflanzungen von klimatoleranteren Baumarten
auf Dauer stabil und vital gehalten bzw. muss
dieser Zustand nach Schadereignissen wieder
aktiv hergestellt werden.
• Im Bergwald haben Schutzwaldpflege, Schutzwaldsanierung und Bergwaldoffensive dazu
beigetragen, dass zukunftsfähige Wälder erhalten
und wiederhergestellt werden konnten.
• In der Forstverwaltung wurden zwei spezielle
Waldbautrainer als Multiplikatoren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forstverwaltung zum
Waldbau im Klimawandel installiert.
• Die Sicherung der Waldverjüngung durch angepasste Schalenwildbestände ist eine entscheidende
flankierende Maßnahme für den Waldumbau. Die
Forstverwaltung erstellt alle drei Jahre für die rund
750 bayerischen Hegegemeinschaften Forstliche
Gutachten zur Situation der Waldverjüngung. Diese
sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der gesetzeskonformen Abschussplanung für Schalenwild.
• Initiativen zur Holzverwendung (z. B. Runder Tisch
Holzbau, neue Produkte aus klimatoleranteren
Baumarten) tragen zur Motivation der Waldbesitzer und damit zur Stabilisierung der Wälder bei.
4.3.2.2
Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen
Mit (Nutz-, Schutz- und Erholungs-)Waldfunktionen
oder dem neueren Begriff der (versorgenden,
regulierenden und kulturellen) Ökosystemleistungen
werden verschiedene Effekte der Natur beschrieben,
die direkt oder indirekt zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Auswirkungen aufgrund des Klimawandels werden sowohl auf Seiten der Wälder und
ihrer Bewirtschaftung als auch auf Seiten der begünstigten Bevölkerungsgruppen zu Anpassungsreaktionen führen (müssen). Trotzdem werden viele
Beteiligte auch mit Veränderungen der gewohnten
Ökosystemleistungen rechnen müssen.
Auswirkungen auf die Holzproduktion
Für die Holzwirtschaft spielt die sehr vielseitig
verwendbare und daher besonders nachgefragte
Fichte eine große Rolle. Etwa 40 % des in Deutschland erzeugten Fichtenholzes stammen aus bayerischen Wäldern. Das künftige Klima wird jedoch
auf großer Fläche außerhalb des Bereichs liegen,
in dem die Fichte bisher überleben konnte. Hitze
und Trockenheit drohen vor allem die Fichte – auch
schlagartig – zum Absterben zu bringen. Dem soll
durch rechtzeitigen aktiven Waldumbau möglichst
zuvorgekommen werden. Die Fichte wird vielfach
nicht mehr die Haupt-, sondern allenfalls eine
Nebenrolle spielen können, z. B. als Beimischung auf
Zeit. Gleichwohl ist bedingt durch Kalamitäten wie
Orkanschäden und Borkenkäferbefall mit Schüben
von großen Holzmengen zu rechnen. Diese können
die vorhandenen Kapazitäten der Holzverarbeitung
und den Bedarf übersteigen.
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86
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Umsetzung von Klimaanpassung
Um Entwertung und Holzverluste zu vermeiden,
sollen zur Anpassung Lagerplätze errichtet werden,
auf denen das Holz konserviert und die Verwertung
über mehrere Jahre gestreckt werden kann. Eine
bewährte Methode ist die Nasskonservierung durch
künstliche Beregnung des Rohholzes mit Wasser.
Die Bayerischen Staatsforsten haben bereits Nasslagerkapazitäten von über 1 Mio. Kubikmeter aufgebaut. Aber auch außerhalb des Staatswaldes sind
zusätzliche Lagerkapazitäten erforderlich. Langfristig
wird die produzierte Menge von Nadelholz sinken
und mehr Laubholz erzeugt werden. Bisher trifft
Laubholz auf einen Absatzmarkt, der den Rohstoff
überwiegend energetisch nutzt. Es stellt sich die
Frage, wie sich das zukünftig vermehrt anfallende
Laubholz im Hinblick auf eine mögliche Substitution
von Nadelholz nicht nur energetisch, sondern auch
stofflich und chemisch besser nutzen lässt. Hier sind
Forschung und Entwicklung gefordert. Neben den
Bereichen Holzwerkstoffe und Bioökonomie sollen
auch technische Innovationen entwickelt werden,
um Laubholz für konstruktive Anwendungen wie im
Holzbau zu nutzen. Die Forstverwaltung unterstützt
entsprechende Projekte.
Auswirkungen auf den Klimaschutz durch
CO2-Speicherung und CO2-Vermeidung
Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie Kohlenstoff in lebender Biomasse,
Totholz und Waldböden binden. Der Klimawandel
wird sich darauf einerseits durch zunehmende,
plötzlich auftretende Extremereignisse wie Schädlingsbefall, Waldbrand oder Stürme auswirken,
andererseits durch die allmähliche Änderung der
Umweltbedingungen von Wald-Ökosystemen. Das
genaue Ausmaß dieser Änderungen ist aufgrund der
Unsicherheit über die Höhe der künftigen Treibhausgasemissionen und –konzentrationen sowie der
Komplexität des Wald-Ökosystems ungewiss. Die
gravierendste Auswirkung können Waldbrände
verursachen, da große Teile des über Dekaden
gespeicherten Kohlenstoffs rasch wieder in die
Atmosphäre freigesetzt werden. Ein Teil wird in den
Totholzspeicher überführt. Alle Waldspeicher, lebende Biomasse wie Totholz und Bodenkohlenstoff, sind
davon betroffen. Waldbrände spielen zwar bisher in
Bayern eine vergleichsweise kleine Rolle, werden
aber aller Wahrscheinlichkeit nach zunehmen. Ein Teil
des Schadholzes kann in bewirtschafteten Wäldern
noch genutzt und in den temporären Speicher der
Holzprodukte überführt werden sowie klimaschützende Substitutionseffekte bewirken. Schadereignisse (z. B. Schädlingsbefall, Stürme, Waldbrand) führen
zu lokalen oder regionalen Netto-Verlusten bei der
Kohlenstoffspeicherung des Waldes, da die anfänglich vergleichsweise wenig CO2 bindende neue
Waldgeneration die Verluste zunächst nicht unmittelbar ausgleichen kann. Bei entsprechend hohem
Schadensausmaß würde der Wald dann von einer
‚natürlichen‘ CO2-Senke (lokal oder regional) zu einer
‚natürlichen‘ CO2-Quelle (zur Definition ‚natürlicher‘
Kohlenstoffsenken, vgl. Kap. 2.3). Dabei steigt das
Risiko unkontrollierter Verluste grundsätzlich mit der
Höhe der Holzvorräte im Wald.
In Holzprodukten kann der enthaltene Kohlenstoff
zwischen einigen Monaten bis zu mehreren Jahrhunderten gespeichert werden. Daneben können
sowohl durch stoffliche als auch durch energetische
Verwendung des geernteten Holzes klimaschädliche
Materialien und Energieträger ersetzt werden. Diese
Substitutionswirkung ist beachtlich groß: Nach Klein
& Schulz (2012) wurden dadurch in Bayern jährlich
über 12 Mio. t CO2 vermieden [67]. Eine aktuellere
Studie von Bauhus et al. (2017) zeigt für Deutschland
vermiedene Emissionen von jährlich 66 Mio. t CO2
[22]. Wenn die Holzversorgung aufgrund des Klimawandels starken Schwankungen und Strukturveränderungen unterliegt, kann dies den Klimanutzen des
Rohstoffs Holz deutlich schmälern.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Umsetzung von Klimaanpassung
Durch die Auswahl klimatoleranterer Baumarten,
regelmäßige stabilisierende Durchforstungen,
rechtzeitige Holzernte und Waldverjüngung sowie
durch sehr zeitnahe und schlagkräftige Waldschutzmaßnahmen muss versucht werden, den Kohlenstoffspeicher unserer Wälder auf hohem Niveau zu
stabilisieren. Dies sollte geschehen bevor das Risiko
für Schäden durch Borkenkäfer, Windwurf und
Trockenheit steigt. Aber auch diese Anpassung der
Wälder an den Klimawandel wirkt sich auf die
Senkenwirkung aus: Die Reduktion der Anteile der
wuchskräftigen, aber anfälligen Fichte und die
erhöhten Anteile klimatoleranterer aber zugleich
auch zuwachsschwächerer Baumarten werden zwar
stabilere Wälder schaffen, dies kann aber insbesondere kurz- und mittelfristig auch zu einem Rückgang
der durchschnittlichen CO2-Speicherung führen. Der
zukünftige Biomassezuwachs ist auch ganz allgemein und baumartenübergreifend ein wichtiger
Faktor: Höhere Temperaturen und längere Vegetationszeiten begünstigen den Holzzuwachs, solange
die Bäume ausreichend mit Wasser versorgt sind.
Ob die Holzzuwächse in Zukunft steigen oder sinken,
hängt davon ab, wie häufig zuwachsschwache
Trockenjahre auftreten. Die beiden anderen Waldspeicher Totholz und Bodenkohlenstoff werden bei
höheren Temperaturen verstärkt durch mikrobielle
Organismen abgebaut. Wenn dieser Abbau größer
ist, als die Zuführung durch Mortalität und Zersetzung von abgestorbenem organischen Material,
werden sich die Speicher ebenfalls verringern.
Das entnommene Holz sollte zunächst möglichst lange stofflich verwendet werden und klimaschädliche
Materialien und Energieträger ersetzen. Durch
gezielte Forschung und Entwicklung neuer Holzprodukte, bessere Lagerhaltung sowie Ausweitung der
Holzverwendung (z. B. im Holzbau) kann der Klimanutzen aufrechterhalten und optimiert werden.
Auswirkungen auf den Lebensraum für Tiere und
Pflanzen
Auch Veränderungen in der Artenzusammensetzung
können die Leistungs- und Widerstandsfähigkeit
unserer Wälder schwächen. Der Schutz der Biodiversität hat daher hohe Priorität. Die in oder von den
Wäldern lebenden Arten – Bäume und andere
Pflanzen, Tiere und Pilze – müssen mit raschen und
erheblichen Klimaveränderungen zurechtkommen.
Diese zeigen sich vor allem auch in einer Häufung
von Extremereignissen wie z. B. langanhaltende
Trockenheit und Hitze, aber auch deutlich mehr
Starkniederschlägen (Kap. 3.3). Die Auswirkungen
sind bereits feststellbar.
An der Professur für Geobotanik der TU München
wurde ein Computer-Modell entwickelt, welches es
ermöglicht, die heutige potentielle natürliche Vegetation (pnV) und die zukünftige pnV (unter unterschiedlichen Klimaszenarien) von ganz Bayern auf der Basis
von Standortkarten (Boden, Relief und Klima) zu
simulieren. Die Ergebnisse der Anwendung des
Modells auf verschiedene Klimaszenarien zeigen,
dass schon eine „moderate“ Temperaturerhöhung
von 1–2 °C weit reichende Veränderungen in den
Standortbedingungen und damit auf die natürliche
Vegetation und Landnutzung bewirken (Details s.
Fischer et al. 2019 [68]).
Montane und Kälte liebende Arten müssen zunehmend in Refugien ausweichen, z. B. auf der Nordseite oder in höhere Lagen. Ein solcher „uphill shift“
gelingt aber nur, wo solche Refugien existieren, sich
als Lebensraum eignen und der Weg dorthin nicht
durch Barrieren etc. versperrt ist. Da viele dieser
Arten weltweit nur kleine Areale haben, haben wir
für sie eine relativ hohe Schutzverantwortung
(Kap. 4.4.2.1). Dies gilt besonders für Arten, die
ausschließlich in durch Kälte und Feuchtigkeitsüberschuss geprägten Lebensräumen (z. B. Hoch- und
Niedermoore, Quellen und ihren Bachläufen) leben,
vor allem wenn diese bereits durch frühere Bewirtschaftung oder andere Faktoren beeinträchtigt oder
verkleinert sind.
87
88
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Eine weitere Herausforderung stellt die zunehmende
Etablierung neuer Arten dar – sei es durch natürliche
Ausbreitung oder aufgrund der Globalisierung. Die
Risiken sind bislang kaum abzuschätzen. Da viele
dieser neuen Arten wärmeliebend sind, werden sie
durch den Klimawandel weiter begünstigt.
Umsetzung von Klimaanpassung
Schlüsselfaktoren für an stabiles, kühl-feuchtes
Waldinnenraumklima oder speziell an Kälte, montanes Klima oder einen Überschuss an Feuchtigkeit
angepasste Arten sind eine möglichst naturnahe
Baumartenzusammensetzung, eine intakte Ausprägung der Standortsfaktoren (vor allem Wasser)
sowie eine ausreichende Ausstattung an lebensraumtypischen Habitatelementen (v. a. Totholz und
Biotopbäume). Durch schleichende oder schlagartige
(Extremereignisse) Auswirkungen des Klimawandels
geraten die spezialisierten Bewohner unter – zusätzlichen – Stress. Wichtigste Anpassungsmaßnahmen
sind daher, wo immer möglich, die Schaffung und
Erhaltung einer naturnahen Baumartenzusammensetzung (auch durch aktiven Waldumbau), die
Vermeidung von großflächigen Kahl- und Kalamitätsflächen, die Wiederherstellung des Wasserhaushalts
sowie das Belassen von Totholz im Waldökosystem.
Gerade unter liegendem Totholz bleiben viel länger
feuchte Bodenverhältnisse erhalten – für viele
feuchtigkeitsbedürftige Arten oder ihre Entwicklungsstadien ein (über-)lebenswichtiger Rückzugsort
in Trockenzeiten. Durch gezielten Wasserrückhalt auf
der Fläche können zudem bei Starkregen nachgelagerte Lebensräume wie Bachläufe vor Ausspülung
geschützt und zugleich die Hochwassergefahr für
Unterlieger reduziert werden. Die Forstverwaltung
unterstützt entsprechende Maßnahmen der Waldbesitzer durch Beratung und finanzielle Förderung im
Rahmen von Waldumbau und Wegebau.
Künftig sind bei Konzepten, Projekten und Monitoring zur Biodiversität im Wald die Auswirkungen des
Klimawandels sowie die Vulnerabilität und Resilienz
von Schutzgütern stets zu berücksichtigen.
Auswirkungen auf den Schutz vor Naturgefahren
Wälder spielen eine wichtige Rolle für den Schutz
von Menschen und Sachwerten vor Naturgefahren
wie Hochwasser, Steinschlag, Lawinen, Erdrutsche
und Erosion – ganz besonders in Berglagen, aber
über die Flüsse auch bis weit ins Flachland. Studien
gehen davon aus, dass der Klimawandel gerade den
alpinen Raum besonders betreffen wird, z. B. durch
zunehmende Extremwetterereignisse. Damit steigt
zum einen die Bedeutung der Bergwälder für den
Schutz vor Naturgefahren. Zum anderen sind sie
aber auch durch die veränderten Klimabedingungen
zunehmend gefährdet, z. B. durch Borkenkäfer,
Sturmwurf, Humusschwund oder Trockenphasen
sowie erhöhtes Waldbrandrisiko.
Umsetzung von Klimaanpassung
Im Zentrum der Anpassung an den Klimawandel
stehen daher der Erhalt und die Wiederherstellung
der Funktionsfähigkeit der Bergwälder. Bei gleicher
Zielsetzung ist dabei das Vorgehen im Staatswald
sowie im Privat- und Körperschaftswald unterschiedlich. Im Staatswald stellen die Bayerischen Staatsforsten mit den „Grundsätzen für die Waldbewirtschaftung im Hochgebirge“ die Schutzwaldpflege,
also die Sicherung und Verbesserung der Schutzfunktionen, in den Vordergrund. Hierzu zählt insbesondere auch der Umbau von nicht standortangepassten
Fichtenreinbeständen in Mischwälder mit gemischter Waldverjüngung auf möglichst großer Fläche.
Zusätzlich stellt der Freistaat Bayern den Bayerischen
Staatsforsten im Rahmen der besonderen Gemeinwohlleistungen Zuwendungen für Aufgaben zur
Verfügung, die über die Vorbildlichkeit der Waldbewirtschaftung hinausgehen; dies betrifft u. a. Maßnahmen im Bereich der Schutzwaldpflege sowie die
Schutzwaldsanierung.
Im Privat- und Körperschaftswald wurde in den
letzten Jahren die forstliche Förderung für die
Bergwaldbewirtschaftung zur Anpassung an den
Klimawandel und Verhinderung von Naturgefahren
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
deutlich erweitert und angepasst. Gefördert werden
z. B. Pflanzung und Naturverjüngung, Pflege- und
Durchforstungsmaßnahmen zur Erhöhung der
Mischung und der Stabilität, der Einsatz bodenschonender Seilanlagen zur Holzbringung sowie die
Borkenkäferbekämpfung und die hierfür notwendigen Erschließungsmaßnahmen. Zusätzlich hat die
Forstverwaltung im Rahmen des Klimaprogramms
Bayern bereits 2008 die Bergwaldoffensive gestartet, um in besonderen Schwerpunktgebieten besitzübergreifend Maßnahmen im Privat- und Körperschaftswald zu planen, zu koordinieren und
durchzuführen.
Bereits heute kann ein Teil der Bergwälder seine
Schutzfunktionen nicht mehr oder nur eingeschränkt
erfüllen. Im Rahmen der Schutzwaldsanierung plant
und koordiniert die Bayerische Forstverwaltung in
allen Waldbesitzarten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Schutzfunktionen dieser Wälder.
Auswirkungen auf den Schutz von Wasser und
Boden
Forstwirtschaft gehört zu den mit dem Trinkwasserschutz prinzipiell verträglichsten Nutzungsformen.
Grundwasser, das aus bewaldeten Trinkwasserschutzgebieten gewonnen wird, ist in der Regel
ohne weitere Behandlung als qualitativ wertvolles
Trinkwasser nutzbar. Etwa die Hälfte der Trinkwasserschutzgebiete in Bayern ist bewaldet (6 % der
Waldfläche) und dient damit direkt dem Wasserschutz. Neben der besonders naturnahen Landnutzung Wald an sich ist die Filterwirkung der Waldböden für die hohe Wasserqualität ein entscheidender
und unverzichtbarer Faktor. Durch den Klimawandel
muss in ganz Bayern viel öfter mit einem flächenhaften Absterben von Bäumen gerechnet werden.
Diese plötzlichen starken Auflichtungen können zur
Mineralisierung des Bodens, Mobilisierung von
Nährstoffen und in der Folge zu höheren Nitrateinträgen ins Grundwasser führen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Stabile, standortgerechte und laubholzreiche Wälder
haben eine große Bedeutung für den Erhalt der
Funktion von Waldböden und so für nitratarme
Grundwasservorkommen. Die präventive Anpassung
der Wälder an den Klimawandel hat daher besondere
Bedeutung für den Trinkwasserschutz. Die Forstverwaltung unterstützt die Waldbesitzer beim Waldumbau durch Beratung und finanzielle Zuwendungen
(Kap. 4.3.2.1).
Auswirkungen auf Erholung und Gesundheit
Durch den Klimawandel wird insbesondere in
Ballungsräumen und stadtnahen Bereichen die
Bedeutung für Gesundheit und Naherholung tendenziell steigen: Die ausgleichende kühlende
Wirkung von stadtnahen Wäldern wirkt sich je nach
Topographie und Bebauung auf das Stadtklima aus
(Kap. 4.8.2.1). Von Erholungssuchenden wird nachweislich das vergleichsweise kühlere und feuchtere
Waldinnenklima als angenehmer und erträglicher
empfunden als ein Aufenthalt auf freier Fläche
oder gar in der Stadt. Der Waldumbau in Richtung
Mischwald wird zudem die ästhetische Attraktivität
erhöhen. Von daher dürfte die Zahl der Waldbesucher
weiter steigen. Sturm- und andere Waldschäden
sowie deren Aufarbeitung führen aber auch zeitweise zu Störungen oder Sperrungen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Wegen der – ökologisch durchaus erwünschten
– Zunahme von stehendem und liegendem Totholz
sollten Waldbesucher bei Wind oder Starkregen
entsprechend vorsichtiger sein und den Wald im
Zweifel verlassen.
4.3.2.3
Faktor Mensch – Forestry is not (only)
about trees, it’s (also) about people
Der bekannte, leicht abgewandelte Slogan weist
darauf hin, dass Wald und Forstwirtschaft schon
immer einen vielfältigen Bezug zu den Menschen und
ihre unterschiedlichen Bedürfnisse haben. Aus diesem
Grund soll nachfolgend bewusst der Blick auf einige
Bevölkerungsgruppen gelenkt werden, die in unterschiedlichen Rollen mit Wald und Forstwirtschaft zu
tun haben – und deren Situation durch den Klimawandel teilweise sehr stark beeinflusst werden dürfte:
• Für die rund 700.000 Waldbesitzerinnen und
Waldbesitzer und für die Forstleute sind die
Wälder wichtiger Teil ihrer wirtschaftlichen und
89
90
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
beruflichen Existenz. Privatwald wird traditionell
als Familienerbe an die nächste Generation
weitergereicht, selbst wenn die ursprünglich damit
verknüpfte Landwirtschaft nicht mehr besteht. Die
Auswirkungen des Klimawandels bringen viele
an die Grenzen ihrer physischen und psychischen
Belastbarkeit: Zum einen wegen der nicht planbaren starken Arbeitsbelastung unter Zeitdruck durch
die Aufarbeitung des Schadholzes, verbunden mit
hohen Unfallrisiken und sinkenden, kaum kostendeckenden Holzerlösen. Der demographische
Wandel kommt erschwerend hinzu. Zum anderen,
weil der zeitlebens gewohnte Wald als Herzensangelegenheit verloren geht, die Wahl der künftigen
Baumarten immer schwieriger wird und der Erfolg
letztlich vom (ungewissen) Ausgang der weltweiten Klimaschutzbemühungen abhängt. Gleichzeitig
stehen Waldbesitzer und Forstleute aufgrund des
gesellschaftlichen Wertewandels immer mehr im
Fokus der Öffentlichkeit. Dialog und Konfliktlösung
nehmen an Bedeutung zu, kosten aber auch
zusätzlich Kraft. Anpassung erfolgt nach dem
Grundsatz „Eigenverantwortung und Solidarität“ in
Form von persönlicher Weiterbildung, betrieblicher
Organisation und überbetrieblicher Zusammenarbeit. Die Forstverwaltung unterstützt dies durch
Aus- und Fortbildung, Beratung und finanzielle
Förderung.
• Zur Situation der temporären Waldbesucher aus
nah und fern, die die Wälder zunehmend zur
Erholung am Feierabend, beim Wochenendausflug
oder im Urlaub schätzen und nutzen, s. o.
• Die dauerhaft in Waldnähe lebenden Bürger
profitieren davon insbesondere als Schutz vor
Naturgefahren und Lieferant von sauberem
Trinkwasser. Auswirkungen des Klimawandels
könnten entstehen, wenn diese (lebens-)wichtigen
Standortfaktoren durch den Klimawandel in Gefahr
geraten und dadurch erhebliche Sorgen um die
eigene Lebensplanung auslösen. Anpassung
könnte in Form von baulichen Schutzvorkehrungen
im eigenen Haus oder mehr persönlichem Engagement für den Erhalt der Wälder und Waldfunktionen erfolgen.
• Hersteller und Verbraucher von Holzprodukten
und Holzenergie wünschen sich eine bedarfsgerechte, kontinuierliche und bezahlbare Rohstofflieferung. Die als Auswirkungen des Klimawandels
auftretenden klimawandelbedingten Waldschäden
können jedoch in sehr kurzer Zeit zu Situationen
eines Überangebots (und entsprechend später
eines Mangels) an Holz führen. Die langfristigen
Änderungen der Sortimente wegen des notwendigen Waldumbaus können zu Verunsicherungen
wegen Produktionsumstellungen oder notfalls
sogar -aufgaben führen, aber auch die Anpassung
durch Entwicklung neuer Produkte aus klimatoleranteren Baumarten stimulieren. Langfristig dürfte
der Gesamtbedarf an Holz für stoffliche, energetische und chemische Verwendungszwecke steigen,
auch im Hinblick auf Klimaschutz und Dekarbonisierung. Holz wird gebraucht – künftig mehr denn
je.
Anpassungsmaßnahmen auf der Angebotsseite
(Wälder) können die Auswirkungen nur bedingt
kompensieren. Für die Zukunft ist daher ein verstärktes Augenmerk auf den „Faktor Mensch“ erforderlich. Dialog und Stärkung der Eigenverantwortung
gewinnen an Bedeutung.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Wolfgang Falk, Dr. Tobias Mette, Dr. Eric Thurm,
Oliver Schuster, Dr. Birgit Reger, Manuela Forster,
Dr. Hans-Joachim Klemmt, Bayerische Landesanstalt
für Wald und Forstwirtschaft; Bayerisches Standortinformationssystem BaSIS
Dynamische Standortdaten:
Grundlage für den Waldumbau im Klimawandel
Der Erfolg einer Baumart (Gesundheit, Zuwachs)
hängt stark vom Standort (Boden, Klima, Relief) ab.
Ansprüche der Baumart und Standort müssen
zusammenpassen – und dies sowohl beim gegenwärtigen als auch bei einem zukünftig wärmeren
Klima. Die Schäden im Wald in Folge der Trockenjahre 2015, 2018 und 2019 zeigen deutlich, wie vor
allem die immer häufiger zu erwartenden heißen
und trockenen Sommer unseren traditionellen Baumarten zusetzen. Aufbauend auf den Forschungsprojekten „Maps for the Future“ und „Trees for the
Future“ hat die Bayerische Forstverwaltung seit 2013
das digitale Bayerische Standortinformationssystem
BaSIS für die forstliche Beratung im Einsatz. Mit
hoher räumlicher Auflösung können die Forstbehörden die Waldbesitzer über standörtliche Begebenheiten und das Anbaurisiko von 21 häufigen Baumarten
auch mit Blick auf den Klimawandel informieren. Das
System wird im Rahmen von Forschungsprojekten
und im Dialog mit der Praxis ständig weiterentwickelt und erweitert (z. B. Darstellung des Einflusses
der Wasserspeicherfähigkeit der Böden in Trockenjahren). Aktuell wurden weitere elf seltene Baumarten (u. a. Edelkastanie, Wildbirne, Vogelkirsche,
Küstentanne, Roteiche, Robinie, Schwarzkiefer)
aufgenommen. Künftig sollen weitere KlimawandelSzenarien einbezogen werden.
Praxishilfe: Ergänzend zu BaSIS wurde eine Praxishilfe
„Klima-Boden-Baumartenwahl“ für Forstpersonal
und Waldbesitzer entwickelt. Diese greift ökologische und waldbauliche Eigenschaften der einzelnen
Baumarten wie Wuchsleistung, Holzeigenschaften,
Waldschutz, Biodiversität und Waldbau auf.
Fundstelle: http://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/
service/dateien/praxishilfe_baumarten_bf.pdf
Abb. 42: Anbaurisiko in Bayern für die Vogelkirsche (links Klima 1971–2000, rechts 2071–2100 für das SRES Szenario B1 – ein Szenario
mit mäßigen globalen Klimaschutzambitionen; Graphik: E.A. Thurm, LWF).
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92
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Nicole Burgdorf, Ludwig Straßer, Dr. Andreas
Hahn; Bayerische Landesanstalt für Wald und
Forstwirtschaft, Abteilung Waldschutz; Forschungsprojekt „Baumarten unter Trocken- und Hitzestress
– Phytopathologische Probleme“
Wenn Wärme und Trockenheit Bäume schwächen
und Pilze stärken
Schäden hat es im Wald schon immer gegeben.
Über lange Zeit bestand ein gewisses Gleichgewicht
zwischen Bäumen und Schadauslösern, wenn auch
mit zeitweiligen starken Ausschlägen. Doch woran
leiden und sterben Bäume heute? Sind sie schwächer geworden und/oder die Schadfaktoren stärker?
Durch den anthropogenen Klimawandel geraten
einerseits Bäume unter Trocken- und Hitzestress,
während andererseits insbesondere pilzliche Schaderreger, altbekannte und neu eingeschleppte,
profitieren. Für den Erhalt der Wälder in Bayern
stellen sich daher folgende Fragen: Welche Erreger
profitieren und welche Baumarten geraten dadurch
unter verstärkten Stress?
In den letzten Jahren sind bei verschiedenen Baumarten in Bayern Schäden sowie Absterbe-Erscheinungen aufgefallen. Neben Trockenheit und Insektenfraß
konnten pathogene Pilze damit in Verbindung
gebracht werden. So wurden z. B. seit dem Trockensommer 2015 starke Schäden in Kiefernbeständen in
Mittelfranken festgestellt Neben Kiefernprachtkäfer
und Mistel wurde eine signifikante Zunahme des
wärmeliebenden Erregers des Diplodia-Triebsterbens (Sphaeropsis sapinea) nachgewiesen. Da sich
die Schäden seit 2018 verstärkt fortsetzen, besteht
dringender Forschungsbedarf.
Auch die im Sommer 2018 erstmals in Bayern auf
der Fränkischen Platte nachgewiesene Ahorn-Rußrindenkrankheit (Cryptostroma corticale) hängt mit
Wärme und Trockenheit zusammen. Auf vier Untersuchungsflächen wiesen im Frühjahr 2019 knapp die
Hälfte der Bergahorne rußartige Sporenlager auf.
Insgesamt waren bereits 90 % der Bäume abgestor-
Abb. 43: Diplodia-Triebsterben an Pinus sylvestris
in Mittelfranken.
ben. Bergahornbestände sind unter diesen spezifischen Standort- und Klimafaktoren somit als stark
gefährdet einzustufen. Da die Pilzsporen negative
Auswirkungen auf das Atemsystem haben und zu
einer Entzündung der Lungenbläschen führen
können, sind die Vorschriften zum Arbeitsschutz zu
beachten. Weitere bestätigte Verdachtsfälle der
Ahorn-Rußrindenkrankheit wurden im Frühjahr 2019
aus den Regionen Nürnberg, Regensburg und
Augsburg gemeldet. Auch der Spitzahorn scheint
betroffen zu sein. In Folge des Trockenjahres 2018
deutet sich eine weitere Ausbreitung und Intensivierung des Schadgeschehens an, auch in Gebieten, die
nicht generell einem warm-trockenen Klima unterliegen. Auffällig ist zudem das Auftreten der Krankheit
in kleineren Waldkomplexen sowie urbanen
Bereichen, was an den
dort erhöhten Temperaturen liegen kann. Die
Epidemiologie pilzlicher
Schaderreger wurde
bislang wenig in
direktem Zusammenhang mit den Einflussfaktoren Trocken- und
Hitzestress betrachtet,
da pilzliche Pathogene
nach bisheriger Annahme eigentlich eher bei
hoher Feuchtigkeit in
Erscheinung treten
können. Die begonnenen ForschungsarbeiAbb. 44: Bergahorn mit
abplatzender Rinde
ten sollen hierzu neue
mit Sporenlagern
Erkenntnisse beförvon Cryptostroma
dern.
corticale.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Prof. Dr. Jörg Ewald, Dr. Sabine Rösler, Michelangelo
Olleck, Dr. Birgit Reger; Hochschule WeihenstephanTriesdorf (Institut für Ökologie und Landschaft);
Forschungsverbund „Bayerisches Synthese-Informations-Citizen Science Portal für Klimaforschung und
Wissenschaftskommunikation” (BAYSICS), Teilprojekt 6
Steigen die Baumgrenzen
in den Bayerischen Alpen?
Obere, kältebedingte Höhengrenzen von Bäumen im
Gebirge sind artspezifisch. Daher liegt die Vermutung
nahe, dass sie sich durch die globale Erwärmung
deutlich nach oben verschieben.
Das Forschungsprojekt der HSWT untersucht die
aktuellen Höhengrenzen in den Bayerischen Alpen
und vergleicht sie mit rund 170 Jahre alten, sehr
genauen Beobachtungsdaten des Botanikers Otto
Sendtner. Damals – am Ende der sogenannten
„Kleinen Eiszeit“ – lag die Jahresmitteltemperatur
um rund 2 °C niedriger als heute. Sendtners Veröffentlichung (1854) enthält ausführliche Ortsangaben
für 493 besonders hochgelegene Vorkommen von 15
Gehölzarten in den Bayerischen Alpen, ergänzt durch
die barometrisch ermittelte Meereshöhe, Exposition
usw. Hiervon konnten 441 Fundorte (89 %) rekonstruiert und georeferenziert werden (Abb. 45). Die
jeweils höchsten Fundorte pro Art (“Rekordbäume”)
wurden für 8 Teilregionen genauer verortet: Im
Radius 500 bis 2.000m rund um das Toponym
wurden im Geländemodell Polygone ermittelt, für
die Sendtners Angaben bezüglich Meereshöhe und
Exposition zutreffen (Abb. 45).
Das Projekt verfolgt einen Citizen Science-Ansatz,
um durch Crowdsourcing möglichst viele Beobachtungen im gesamten bayerischen Alpenraum zu
generieren. Die teilnehmenden Bergwanderer
werden für die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf den Bergwald vor ihrer Haustür sensibilisiert. Neben Baumarten an der Waldgrenze sollen
auch wärmebedürftige Arten wie die Eiche innerhalb der Bergwald-Stufe erfasst werden. Werbung
erfolgte über Funk und Fernsehen sowie über die
Medien des DAV. Das Portal www.baysics.de bietet
durch Anzeige historischer „Rekordbäume” und
neuer Meldungen Anreize, Lücken zu füllen und
auf noch höhergelegene Vorkommen zu achten
(Gamification).
Vergleiche der Sendtner-Daten mit Datenbank- und
Literaturauswertungen und ersten Beobachtungsdaten von Bergwanderern zeigen bereits ein deutliches
Ansteigen der Höhengrenzen für Eberesche, Fichte,
Weißtanne, Bergahorn und Buche. Langfristig sind
Veränderungen in der Artenzusammensetzung des
Bergwaldes und ein Anstieg der Waldgrenze bzw.
Flächenverlust bei den alpinen Rasen zu erwarten.
Abb. 45: Sendtner-Fundorte, „Rekordbäume“ der Teilgebiete rot markiert (links) und Kartenausschnitt der „Rekordbäume“ am Seinskopf
im Karwendelgebirge (rechts) (Quelle Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Institut für Ökologie und Landschaft; Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung).
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94
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.4 Naturschutz
Kurz gesagt,
• zur Artenvielfalt und Artenzusammensetzung:
Der Klimawandel beeinflusst das Verhalten, die
Verbreitung und den Stoffwechsel von Arten und
bedroht damit die heimische biologische Vielfalt.
Bayern verliert, vereinfacht gesagt, insbesondere
von kühlen und/oder feuchten Lebensbedingungen abhängige, hochangepasste, sensible und
gefährdete Arten, während gewöhnliche, wärmeliebende Arten sich ausbreiten, neu einwandern
und invasiv werden können. Naturschutzfachlich
kann diese Entwicklung mit intensivierten Schutzmaßnahmen für die bedrohten Lebensräume und
Spezies sowie einem Ausbau der Verbundstrukturen abgemildert werden. Jedoch können Naturschutzmaßnahmen nur im Verbund mit einer
vorsorgeorientierten Reduktion des globalen
Treibhausgasausstoßes (gemäß Pariser Übereinkommen: „2-Grad-Obergrenze“) einen einschneidenden klimabedingten Verlust der Biodiversität
aufhalten.
4.4.1
Ausgangslage
Seitdem sich vor etwa 3.5 Milliarden Jahren erste
Lebensformen (Cyanobakterien) entwickelten, ist
die Natur stetig durch Evolution und Anpassung im
Wandel. Mit Beginn der großflächigen landwirtschaftlichen Nutzung durch den Menschen vor etwa
10.000 Jahren nahm dieser Veränderungsprozess
deutlich an Fahrt auf, gefährdete zunächst jedoch
nicht unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Seit
dem letzten Jahrhundert führt der menschliche
Einfluss auf die Natur allerdings dazu, dass die Arten
deutlich schneller aussterben als unter natürlichen
Bedingungen (für Wirbeltiere: bis zu 100-mal schneller [69]). Im Zuge des 2019 vom Weltbiodiversitätsrat
(IPBES) veröffentlichten Berichts zu Biodiversität und
Ökosystemdienstleistungen erkennt Deutschland die
Sicht der Wissenschaft an, dass gegenwärtig weltweit etwa 25 % aller Arten (ausgenommen Insekten)
bzw. eine Million Arten vom Aussterben bedroht
sind. Nur ein weitreichender transformativer Wandel
(Kap. 5) kann verhindern, dass sich der Zustand der
Ökosysteme und damit auch die Bereitstellung von
Ökosystemdienstleistungen weiterhin mit zunehmender Geschwindigkeit verschlechtert.
Abb. 46: Kleinstrukturierte Kulturlandschaft um die Biodiversitätsgemeinde Tännesberg.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Vor diesem Hintergrund wirkt sich der Klimawandel
auch in Bayern als Multiplikator aus, der bestehende
Ökosysteme zusätzlich unter Veränderungsdruck
stellt. Dabei gilt: je intakter und vielfältiger ein
Ökosystem, desto besser kann es auf Störungen –
zum Beispiel auf den Klimawandel – reagieren [8],
ohne dabei zu kollabieren.
Daher stellen die in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) von der Bayerischen
Staatsregierung genannten Handlungsziele meist
allgemeine Naturschutzziele dar, die auf eine Verbesserung des Gesamt-Ökosystems abzielen. Sie
umfassen [55]:
• Den Schutz der Arten- und Sortenvielfalt,
• die Erhaltung der Vielfalt der Lebensräume,
• die Verbesserung des Biotopverbunds, und
• das Erleben und Erforschen der biologischen
Vielfalt.
4.4.2
4.4.2.1
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
Artenvielfalt und Artenzusammensetzung
Für die Ökologie ist das Klima ein grundlegender
Faktor. Änderungen des Klimas beeinflussen
zwangsläufig die Verbreitung von Arten sowie die
Zusammensetzung und Funktionsweise von Lebensgemeinschaften und Ökosystemen.
Die heimische Artenvielfalt wurde bislang überwiegend durch Lebensraumverluste – verursacht durch
den Landnutzungswandel – gefährdet. Zusätzlich gilt
inzwischen der anthropogene Klimawandel als
größte Bedrohung der Biodiversität und wichtigste
Ursache des Artenverlustes [70].
Es verschwinden Arten – viele davon hoch spezialisiert –, welche seit Jahrtausenden heimisch und
charakteristisch für die bayerische Landschaft waren.
Gleichzeitig wird der Wandel in der heimischen
Biodiversität durch das zunehmende Auftreten
gebietsfremder Arten (Neobiota), die von selber
zuwandern oder vom Menschen absichtlich oder
unabsichtlich eingeführt wurden, verschärft. Dadurch
wird die prägende Vegetation und die Landschaft
meist kleinflächig auf bestimmten Standorten,
manchmal aber auch sehr grundlegend umgebaut.
Das Ausmaß und die Dynamik der Artenverschiebung hängt maßgeblich von der Intensität des
weiteren Klimawandels ab.
Auswirkungen auf Klimaverlierer
Manche Arten und Lebensraumtypen weisen eine
besondere klimabezogene Gefährdung auf. Sie
lassen sich vorwiegend in eine der folgenden
Kategorien einordnen:
• Kälteangepasste und damit oft in höheren Lagen
vorkommende Arten und Lebensraumtypen, z. B.
Eiszeitrelikte oder alpine Arten,
• Arten mit Populationen von hochgradiger Gefährdung (rückläufig, klein, isoliert bzw. endemisch),
• stark spezialisierte, eng eingenischte Arten, z. B.
an bedrohte, seltene oder schwer wieder herstellbare Lebensräume/Strukturen gebunden,
• Arten mit engen Bindungen zu anderen Arten (z. B.
Insekten mit nur einer Nahrungspflanzenart),
• Arten von geringer Ausbreitungsfähigkeit (geringe
bzw. langsame Reproduktion, wenig mobil),
• Arten, die Lebensräume mit langer Entwicklungszeit besiedeln (z. B. Altbäume, Felsen, Moore)
• Feuchtlebensräume, die je nach Ausprägung und
Lage besonders von Dürreperioden bedroht sind
(z. B. Moore, Quellen und kleine Gewässer).
Als mutmaßlich einer der ersten Klimaverlierer gilt
die Mond-Azurjungfer (Coenagrion lunulatum), eine
Kleinlibellenart. Noch in den 1990er Jahren hatte
dieses Eiszeitrelikt eine ganze Reihe von Vorkommen
in Bayern, 2009 erlosch jedoch der letzte Bestand.
Für die Fauna Bayerns ist die Art damit verloren,
95
96
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Lagen wirkt sich auch auf einige Vogelarten negativ
aus, und zwar zusätzlich zu den Auswirkungen des
Nutzungswandels. So finden das kälteangepasste
Birkhuhn und Alpenschneehuhn nur noch in den
Hochgebirgslagen der bayerischen Alpen geeignete
Lebensräume.
Auswirkungen durch Extremereignisse
Die zunehmend auftretenden Witterungsextreme
wie sommerliche Dürreperioden oder Hochwasserlagen bilden neben der Temperaturerhöhung einen
weiteren Gefährdungsfaktor des Klimawandels für
die Biodiversität.
Abb. 47: Hochmoor-Gelbling (Colias paleano) –
ein mutmaßlicher Klimaverlierer.
denn eine Wiederbesiedlung gilt als nahezu ausgeschlossen. Beim Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno)
kam es um die Jahrtausendwende zu großräumigen
Arealverlusten, vor allem in Südostbayern, wo die
Art noch in den 1990er Jahren kopfstarke Populationen aufwies. Eine maßgebliche Beteiligung des
Klimawandels für den Rückgang kann als sicher
gelten [71].
Als besonders gefährdet gelten Arten und Lebensräume der alpinen Hochlagen. Dies ist alarmierend,
da die Alpen, gemessen an ihrer geringen Flächenausdehnung, überproportional zum Artenreichtum
Bayerns beitragen (vgl. Kap. 4.16 Klimawandel im
Alpenraum). Den klimatisch eng eingenischten Arten
bleiben kaum Ausweichmöglichkeiten, da die
Lebensräume nur bedingt mitwandern können,
wenn z. B. reine Fels(schutt)gebiete oder Gipfellagen
angrenzen. Rückläufige Bestandsentwicklungen gibt
es z. B. bei mehreren Laufkäferarten (Nebria bremii,
Trechus latibuli). Oftmals droht nicht nur Stress durch
die Klimaerwärmung, sondern sekundär auch die
Verdrängung durch konkurrierende Arten oder neue
Fressfeinde, die in den Lebensraum vordringen. Die
Verschiebung der Waldgrenze in immer höhere
Dürreperioden in Bayern ließen 2018 und 2019
wieder zahlreiche Bäche mit der hochbedrohten
Bachmuschel (Unio crassus) und Flussperlmuschel
(Margaritifera margaritifera) auf geringe Restwassermengen schrumpfen oder ganz versiegen, mit
direkten negativen Auswirkungen auf die Populationsgrößen dieser Bestände. Mit Ihrer starken
Bindung an Feuchthabitate und hoher Sensibilität
gegenüber UV-Strahlung sind Amphibien besonders
von den derzeitigen Klimaveränderungen betroffen.
So werden auffallend geringe Laichbestände selbst
der häufigen Amphibienart Grasfrosch im Aischgrund
in Mittelfranken mit der Trockenheit und Hitze in
Verbindung gebracht. Seit 2013 gehen dort auch die
Moorfroschbestände in einem ihrer Kernvorkommen
kontinuierlich stark zurück, was vermutlich an den
mehrheitlich überdurchschnittlich warmen und
trockenen Frühjahren und Sommern im letzten
Jahrzehnt liegt.
Längere Trockenperioden nehmen auch in den
Überwinterungsgebieten bayerischer Vogelarten
(z. B. im Sahelgürtel) zu und verringern die Überlebenschancen der dort überwinternden Arten, wie
beispielsweise Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca)
und Kuckuck (Cuculus canorus). Z. T. führen die
längeren Zugstrecken in Ausweichquartiere zu einem
späteren Eintreffen im heimischen Bruthabitat,
wodurch der Höhepunkt der Nahrungsverfügbarkeit
im Frühjahr nicht mehr mit der Aufzuchtzeit der
Jungen übereinstimmt und es zu Nahrungsengpässen kommt.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Auswirkungen auf Klimagewinner
Klimagewinner, die Bayern in jüngster Zeit erstmals
auf größerer Fläche besiedeln konnten, fallen
schneller auf als Klimaverlierer. Überwiegend
profitieren wenig spezialisierte, anpassungsfähige
Arten, die sich rasch vermehren bzw. ausbreiten können. Typischerweise stammen die Vertreter aus
Gruppen, welche ihren Verbreitungsschwerpunkt in
Wärmegebieten (z. B. Mittelmeerraum) haben. So
gibt es auffällig viele Insekten wie Bienen-, Wespenund Heuschreckenarten, deren Verbreitung aufgrund
des Klimawandels zunimmt, die inzwischen aus der
Roten Liste entlassen oder überhaupt erst wieder in
Bayern anzutreffen sind.
dies unter anderem Hausrotschwanz (Phoenicurus
ochruros), Zilp Zalp (Phylloscopus collybita) und
Weißstorch (Ciconia ciconia), die in Reaktion auf die
Klimaerwärmung kürzere Strecken ziehen, damit
früher im Brutgebiet ankommen und sich in der
Konkurrenz um das beste Territorium behaupten
können.
Auswirkungen auf Neobiota
Aufgrund der Erwärmung dringen auch vermehrt
Arten nach Bayern vor, welche früher hier nicht
heimisch waren. Viele Vertreter dieser sog. Neobiota
etablieren sich dauerhaft. Als Beispiele sind die
Feuerlibelle (Crocothemis erythraea), der KarstWeißling (Pieris mannii) oder die europaweit geschützte FFH-Art Großer Feuerfalter (Lycaena dispar)
zu nennen. Ebenso die Weißrandfledermaus, die seit
ihrer Erstsichtung 1998 inzwischen eine häufige Art
in Teilen Südbayerns ist.
Manche eingewanderten Arten werden zur potenziellen Gefahr für die heimische Biodiversität, weil
sie sich als sog. invasive Arten massiv ausbreiten
und die heimische Flora bzw. Fauna verdrängen. So
wird befürchtet, dass die Asiatische Hornisse (Vespa
velutina) in Kürze auch in Bayern als Konkurrent für
die heimische Hornisse (Vespa crabro) und als neuer
Fressfeind für zahlreiche Arten auftritt.
Abb. 48: Die hoch bedrohte Große Hufeisennase profitiert
vom Klimawandel.
Unter den Wirbeltieren sind es etwa die Große
Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum), deren
einzige Kolonie in Deutschland in der Oberpfalz ein
erfreuliches Wachstum zeigt. Die Klimaveränderungen haben auch einige positive Effekte auf die
heimische Vogelwelt. In seiner nordwärts gerichteten Ausbreitung besonders auffällig ist der Bienenfresser (Merops apiaster), von dem 2019 in Bayern
erstmals mehr als 200 Paare brüteten. Auch früher
seltene Arten wie Nachtreiher (Nycticorax nycticorax) und Purpurreiher (Ardea purpurea) brüten
inzwischen mit jeweils ca. 50 Brutpaaren in Bayern.
Manche Zugvögel finden auf ihrem Weg in die
Überwinterungsgebiete bereits früher geeignete
Habitate. Bei den in Bayern beheimateten Arten sind
Im weiteren Zeitverlauf werden auch einige eingewanderte Gehölze invasiv. So zu beobachten auf
bislang wenig bewachsenen Felsen in Wärmegebieten, auf denen sich Zwergmispel (Cotoneaster spp.),
Götterbaum (Ailanthus altissima) und vor allem auch
der Sommerflieder (Buddleja davidii) etablieren.
Innerhalb kurzer Zeit können diese Arten offene
Kalkfelsen besiedeln und so beschatten, dass die
heimischen Arten weitgehend verschwinden. Damit
entfällt auch die Nahrungsgrundlage für heimische
Insekten, die sich fast alle nicht von den fremdländischen Arten ernähren können. Ähnliches geschieht
im Bereich der Wasservegetation, wo der invasive
amphibisch wachsende Wassernabel (Hydrocotyle
ranunculoides) oder das Heusenkraut (Ludwigia
grandiflora) in der Lage sind dichte Schwimmdecken
auf Gewässern auszubilden, die durch vollständige
Ausdunkelung den Lebensraum für Fische und
97
98
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
andere Gewässerorganismen grundlegend verändern. Beide Arten kommen aktuell in Bayern aber
noch nicht vor.
Durch die zunehmende Sommertrockenheit können
ganze Pflanzenbestände absterben, die sich vorher
in einem dynamischen Gleichgewicht befanden.
Neophyten nutzen dank ihrer oftmals hohen Ausbreitungsfähigkeit durch Samen die neu entstandenen
Bestandslücken als Keimnischen und besiedeln
diese oft schneller als einheimische Arten. Götterbaum (Ailanthus altissima), Robinie (Robinia pseudoacacia), Schmalblättriges Kreuzkraut (Senecio
inaequidens) oder Goldrute (Solidago gigantea bzw.
canadensis) sind Arten, die sich durch hohe Samenproduktion, effektive Fernausbreitung und hohe
Keimfähigkeit auszeichnen. So konnte in den letzten
Jahren beobachtet werden, wie Goldruten entlang
von Bahntrassen alle Bodenstörungen (Maulwurfshaufen, Mulchschäden, Baustellen usw.) für die
Etablierung nutzen und von diesen Initialen aus
dauerhafte Bestände (Klone) bildeten. Dieser Prozess wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen
und in Nachwirkung der Extremsommer 2018/2019
verstärkt zu beobachten sein.
Abb. 49: Robinienbewuchs an einer Bahntrasse im Lkr. Schwandorf verdrängt zunehmend die natürliche Felsvegetation.
Umsetzung von Klimaanpassung
Der Schutz der Artenvielfalt Bayerns vor dem
Hintergrund des Klimawandels ist eine Herausforderung, welcher mit naturschutzorientierten Mitteln nur
eingeschränkt begegnet werden kann. Es gilt, dass
negative Folgen der Klimaveränderung durch eine
möglichst unversehrte Natur am besten abgepuffert
und kompensiert werden können und gesunde
Ökosysteme besser ihre Ökosystemdienstleistungen aufrechterhalten können [72]. Bereits geschädigte oder nur bedingt anpassungsfähige multifunktional genutzte Ökosysteme, wie z. B. ein Teil der
bayerischen Wälder, müssen dagegen aktiv unterstützt und wo erforderlich wiederherstellt werden
(vgl. Kap. 4.3 Wald und Forstwirtschaft).
Deshalb ist die Sicherung und Entwicklung seltener
und gefährdeter Lebensräume und einer strukturreichen – natur- und klimafreundlich genutzten – Kulturlandschaft ein zentraler Maßnahmenkomplex. Es gilt
Ökosysteme, einschließlich ihrer vollständigen
Artengarnituren, optimal zu gestalten und anthropogene Gefährdungsfaktoren so weit als möglich zu
reduzieren. Ein wirksamer Biotopverbund ist dafür
unverzichtbar, um z. B. im Zusammenhang mit
klimabedingten Arealverschiebungen zu gewährleisten, dass Arten neue Habitate erreichen und diese
erfolgreich besiedeln können. Für wenig mobile
Gruppen wie Bodentiere, Mollusken, nicht flugfähige
Insekten sowie viele Pflanzenarten und damit einen
erheblichen Teil der Artenvielfalt müssen zusätzliche
Maßnahmen, z. B. gezielte Artenhilfsprogramme
ansetzen. In der Fläche sollten Agrarumweltprogramme zur Verbesserung der Strukturvielfalt und Extensivierung der Landwirtschaft ausgebaut werden.
Großes Maßnahmenpotenzial bieten die von Dürreperioden bedrohten Ökosysteme der Moore und
Auen. Der Wiederherstellung und Stabilisierung des
ursprünglichen Grundwasserspiegels kommt dabei
zentrale Bedeutung zu (z. B. [73]). Intakte hydrologische Verhältnisse sind ein wichtiger Schlüssel
klimabedingte Verluste zu vermindern und zu begrenzen (zum Beitrag von Mooren als Kohlenstoffspeicher s. Kap. 4.5.2.2). Allerdings werden sich
auch nicht (mehr) entwässerte Moore bei dauerhaft
(zu) wenig verfügbarem Wasser verändern, z. B. in
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 50: Gelungene Wiedervernässung im Rosenheimer Stammbeckenmoor.
Form von Verheidung oder durch die Entwicklung
von mehr Moorwald auf vorher offeneren Flächen.
Moorwälder sind ebenfalls wertvolle Lebensräume
für seltene und gefährdete Arten und tragen zum
Klimaschutz bei.
In den von klimatischen Veränderungen besonders
betroffenen Hochlagen der Alpen sind klassische
Naturschutzmaßnahmen (z. B. Landschaftspflege,
Biotopverbund) weitgehend wirkungslos bzw. weder
sinnvoll noch realistisch. Nur durch eine vorsorgeorientierte Begrenzung der klimatischen Änderungen
gemäß des Pariser Übereinkommens (2-Grad-Obergrenze) kann der Verlust an alpinen Lebensräumen
und Arten zu gewissem Grade abgeschwächt
werden. Allgemeine Klimaschutzmaßnahmen im
Alpenraum, z. B. der Ausbau des Klimaaktionsplans
der Alpenkonvention, können hierzu einen regionalen Beitrag beisteuern.
Grundsätzlich sind jedoch die Zusammenhänge
zwischen Klimaveränderungen und der biologischen
Vielfalt in ihrer Komplexität nicht ausreichend
erforscht. Für Bayern liegen derzeit nur für wenige
Arten klimarelevante Erkenntnisse vor, Daten für
konkrete Effekte auf Lebensraumtypen bzw. ganze
Ökosysteme fehlen weitgehend. Für die Wälder kann
das aktuell im Staatswald im Aufbau befindliche
grüne Netzwerk aus 10 % nutzungsfreien Naturwäldern neue Erkenntnisse bringen. Insgesamt ist kaum
etwas über Auswirkungen von unterschiedlichen
Nutzungsformen auf Offenlandlebensräume unter
dem Einfluss des Klimawandels bekannt. Um die
negativen Folgen der Klimaerwärmung etwas
abfedern und rechtzeitig reagieren zu können, sollten
geeignete praxisnahe Forschungsvorhaben initiiert
werden mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen und
Naturschutzmaßnahmen zu entwickeln. Es wäre
auch zu empfehlen, für Bayern entsprechende
Indikatoren zu Auswirkungen des Klimawandels auf
die Biodiversität zu etablieren. Erste Anregungen
liefert die LfU-Machbarkeitsstudie zu Klimaindikatoren oder Braeckevelt et al. (2018) [74]; [75].
Insgesamt bieten die Instrumente des Naturschutzes eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die nachteiligen Folgen des Klimawandels für die heimische
Artenvielfalt abzumildern. Vor allem das „Klimaschutzprogramm Bayern 2050“ mit Schwerpunkt
Moorschutz und das „Auenprogramm Bayern“
greifen diese Ansätze zur klimawirksamen Umsetzung auf. Jedoch dürfen die Grenzen der Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen gegenüber dem
anthropogenen Klimawandel nicht übersehen
werden. Der Begriff Klimaanpassung sollte in Bezug
auf naturschutzfachlich-ökologische Themen zurückhaltend Verwendung finden, um nicht unrealistische
Vorstellungen und Erwartungshaltungen zu wecken.
Ein wirkliches und nachhaltiges Gegensteuern auf
breiter Front gegen die klimabedingten Änderungen
in der heimischen Biodiversität erfordert Klimaschutz-Maßnahmen, welche Treibhausgase und
Klimawandel gemäß der Ziele des Pariser Übereinkommens begrenzen (deutlich unter 2 °C, vgl. Kap. 1
und 2.4).
99
100
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Sarah Redlich, Ute Fricke, Cristina Ganuza, Prof.
Dr. Ingolf Steffan-Dewenter; Universität Würzburg
(Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie);
Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (Bayklif);
Verbundprojekt „LandKlif“ – Teilprojekt 1
Klimawandel im Landschaftskontext: Auswirkungen auf Bestäubung
und natürliche Schädlingsbekämpfung
Steigende Temperaturen und die zunehmende
Häufigkeit extremer Wetterereignisse sind eine
Herausforderung für Mensch und Natur. Zeitgleich
hat die zunehmend intensive Nutzung der Natur und
ihrer Ressourcen dramatische Auswirkungen. Der
daraus resultierende globale Insektenschwund
gefährdet eine Vielzahl unverzichtbarer Leistungen
von Natur und Landschaft (z. B. die Bestäubung von
Wild- und Nutzpflanzen) und dadurch letztlich unsere
ganze Gesellschaft (Abb. 51).
Abb. 51: Konzeptioneller Ansatz des Forschungsverbundes LandKlif, TP1.
Bilder © Sarah Redlich.
Abb. 52: Methoden zur Erfassung der Artenvielfalt und
Leistungen von Natur und Landschaft. Bodenbildung
(oben links), Blattfraß (oben Mitte), Regulierung von
blattfressenden Insekten (oben rechts), Bestäubung
von Wildpflanzen (unten links), Nisthilfen für
halmnistende Insekten (unten Mitte), Rapsertrag
(unten rechts).
Doch welche Folgen hat die Klimaerwärmung auf die
Artenvielfalt und Wechselbeziehungen von Insekten
in Bayern? Verstärkt eine intensive Landnutzung die
Auswirkungen des Klimawandels? Wie können
Menschen, Tiere und Pflanzen sich an den Klimawandel anpassen? Und welche Managementstrategien
fördern Leistungen wie Bodenbildung, Bestäubung
und natürliche Schädlingsregulierung auch in der
Zukunft?
Diesen Fragen gehen wir auf den Grund. In ganz
Bayern wurden dazu die Insektenvielfalt von Schädlingen, Gegenspielern und Bestäubern und Leistungen von Natur und Landschaft in verschiedenen
klimatischen Landschaften systematisch erfasst (vgl.
Abb. 52).
Wir erwarten Unterschiede in der Artenvielfalt und
den erbrachten Leistungen, je nachdem ob die
Versuchsflächen in kalten oder warmen Klimazonen,
naturnahen, agrarisch genutzten oder urbanen
Landschaften liegen. Zusätzliche Simulationen
klimatischer Extremereignisse sollen helfen, das
Anpassungspotential bzw. die Resilienz funktionell
wichtiger Insektengruppen wie Bestäubern besser
zu verstehen. Die Ergebnisse liefern die Handlungsgrundlage für ein nachhaltigeres Management der
bayerischen Natur und Landschaft und leisten so
einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Insektenvielfalt und ihrer vielfältigen Leistungen, im Kontext des
Klimawandels.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.5 Bodenschutz und Georisiken
Kurz gesagt,
4.5.1
Ausgangslage
• zu Bodenabtrag von Ackerflächen: Aufgrund des
Klimawandels stieg der Anteil der Regenerosivität
(die erosiv-wirkenden Niederschläge) auf Ackerflächen seit 1970 um 50 Prozent [76]. Bis zum Jahr
2050 könnte sich dieser verdoppeln oder gar
verdreifachen [77]. Die Ausübung guter landwirtschaftlicher Bewirtschaftungspraktiken sowie der
in der Bayerischen Klimaschutzinitiative forcierte
Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und die
Bereitstellung von Beratungs- und Förderinstrumenten zu Humuserhalt- und -aufbau in Ackerböden können diesem Trend entgegenwirken. Damit
dies gelingt, müssen wirksame Maßnahmen für
einen flächenhaften Bodenschutz umgesetzt
werden. Voraussetzung hierfür ist eine fruchtbare
Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft,
Umweltschutz, Städtebau, Gesellschaft und
Politik.
• zu Moorböden: Hauptgefährdungsursache von
Mooren sind nach wie vor direkte menschliche
Einflüsse wie z. B. die Entwässerung und die
intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung.
Im Zuge des Klimawandels sehen wir künftig eine
steigende Gefahrenlage für Moore und die
Notwendigkeit verstärkter Schutz- und Regenerationsmaßnahmen. Hier kann das MaßnahmenPaket aus der Bayerischen Klimaschutzoffensive
unter anderem mit den Beiträgen „Moorbauernund Moorwaldprogramm“ wertvolle Impulse
geben.
• zu Georisiken: Geogefahren (z. B. Hangbewegungen, Rutschungen, Felsstürze, Steinschläge,
Muren) werden durch diverse Klima- und Witterungsbedingungen beeinflusst und durch den
Klimawandel zum Teil verschärft. Der UmweltAtlas
Bayern und die Bayerische Plattform Naturgefahren informieren über regionale Risiken, Möglichkeiten der Risikovorsorge und ein integrales
Risikomanagement.
Abb. 53:
Bodenprofil eines Podsols.
Der Boden ist Lebensgrundlage und Lebensraum für
Menschen, Tiere und Pflanzen. Intakte Böden
erfüllen wichtige Funktionen im Natur- und Nahrungskreislauf – auch für uns Menschen. Sie filtern
Schadstoffe aus versickerndem Regenwasser und
sorgen so für sauberes Grund- und Trinkwasser. In
großen Teilen nutzen wir sie zum Anbau von Lebensmitteln.
In Bayern werden ca. 47 % der Bodenfläche landwirtschaftlich genutzt, weitere 36 % entfallen auf
Forstflächen und 17 % nutzt der Mensch u. a. als
Flächen für Siedlung, Verkehr und Industrie.
Der Flächenverbrauch liegt derzeit in Bayern bei
10,0 ha pro Tag (Stand 2018), von denen rund die
Hälfte versiegelt wird. Dadurch gehen wichtige
Bodenfunktionen verloren, insbesondere auch die
Funktion der Böden als CO2-Senken. Überbaute
Flächen können nicht mehr landwirtschaftlich genutzt
werden, der Lebensraum für Pflanzen und Tiere
wird eingeschränkt. Regenwasser kann nicht mehr
versickern und die Hochwassergefahr steigt.
101
102
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Werden Böden allzu intensiv genutzt, sind diese in
ihrer natürlichen Funktionalität eingeschränkt.
Landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen, die
den Bodenschutz vernachlässigen, führen oft zu
einem Verlust von fruchtbarem Oberboden (z. B.
durch Erosion), sinkenden Humusgehalten und
damit zu weniger Fruchtbarkeit.
Auch der Klimawandel macht den Böden zu schaffen,
dies gilt vor allem für extreme Wetterlagen wie lange
Trockenphasen oder Starkregenereignisse. Neben
den Auswirkungen auf die natürlichen Bodenfunktionen, kann auch die Bodenstabilität empfindlich
beeinträchtigt werden. Als Folge davon steigt die
Gefahr von sogenannten Georisiken. Dazu zählen
z. B. massive Bodenbewegungen wie Hangrutschungen oder Fels- und Bergstürze. Solche Georisiken
stellen vor allem im Bergland eine erhebliche
Bedrohung von Leib und Leben, Infrastruktur und
Sachwerten dar [55].
Die intensive Nutzung und der vom Menschen
verursachte Klimawandel bedrohen also unsere
Böden und damit eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Durch eine umsichtige und schonende
Bodennutzung kann die Ressource Boden geschützt
und erhalten werden. Die Bayerische Staatsregierung räumt deshalb in der bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016 [55]) dem Schutz von
Mensch und Boden hohe Priorität ein:
• Der Schutz des Menschen, des Bodens und die
Sicherung oder Wiederherstellung der natürlichen
Bodenfunktionen gelten als oberste Handlungsziele.
4.5.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.5.2.1
Bodenabtrag von Ackerflächen
Böden entstehen sehr langsam. In Mitteleuropa
dauert es ungefähr 100 Jahre bis ein Zentimeter
Boden entsteht. Starkregenereignisse können an
einem einzigen Tag ein Vielfaches davon erodieren.
Werden Böden abgetragen, so vermindert sich die
Ertragsfähigkeit des Ackerlandes und Oberflächenge-
wässer werden mit Sedimenten und Nährstoffen
belastet (Eutrophierung). Fließgewässer können
dabei verschlammen und versanden, mit negativen
Auswirkungen auf Abflussregime und Aquafauna
[55]. Ebenso speichern Böden organische Kohlenstoffverbindungen (Kap. 2.3). Sind die Kohlenstoff
einträge, z. B. durch Pflanzenreste oder organischen
Dünger, kleiner als die durch mikrobielle Bodenatmung verursachten Kohlenstoffausträge, so entstehen im Netto CO2-Emissionen. Böden können
grundsätzlich sowohl durch Wind als auch durch
Wasser abgetragen werden, wobei in Bayern die
Wassererosion deutlich überwiegt. Wassererosion
entsteht, wenn die kinetische Energie der starken
Niederschläge die Aggregate des Bodens zerstört
und es somit in Folge zur Verschlämmung der
Oberfläche kommt. Dadurch kann das Wasser nicht
mehr versickern, sondern fließt an der Bodenoberfläche ab und nimmt die herausgebrochenen Bodenaggregate in Richtung des topografischen Gefälles
mit. Bedeutendster Auslöser von Bodenabtrag durch
Wassererosion sind Starkregenereignisse, wenn sie
auf gering bedeckte Böden prallen [8].
Auswirkungen auf den Bodenabtrag
Jährlich gehen in Bayern durchschnittlich ca.
5 Tonnen Oberboden pro Hektar Land durch
Wassererosion verloren, regional zum Teil mehr
als 10 Tonnen pro Hektar. Der wesentliche, vom
Klimawandel beeinflusste Faktor für den Bodenabtrag ist die Regenerosivität, der als R-Faktor in die
Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG) eingeht.
Die Regenerosivität ist umso höher, je größer die
kinetische Energie und somit die Wucht des Aufpralls des Regens auf den Boden ist. Eine Erhöhung
führt in gleichem Maße zu einer Zunahme des
Bodenabtrags. Verdoppelt sich also die Regenerosivität, so verdoppelt sich auch der Bodenabtrag,
sofern nicht noch weitere wichtige Faktoren, beispielsweise die Bewirtschaftung der Ackerflächen,
Einfluss nehmen [78]. Mit dem Klimawandel wird
erwartet, dass Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen zunehmen (Kap. 3.3), weshalb auch
die Regenerosivität zunehmen wird [77].
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 54: Veränderung der Regenerosivität seit 1970 (Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), IAB 1a).
Im Jahr 2018 wurde die Veränderung der Regenerosivität in einem Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), dem
Deutschen Wetterdienst (DWD) und der Technischen
Universität München (TUM) anhand von Radardaten
der Jahre 2001 bis 2017 neu berechnet [79]
(Abb. 54). Dabei zeigte sich, bezogen auf die Ackerflächen Bayerns, eine mittlere Zunahme der Regenerosivität seit 1970 um 50 Prozent. Regional ist der
Trend teilweise deutlich ausgeprägter, besonders im
Alpenraum, mit einem Anstieg von mehr als 200
Prozent. Generell ist die prozentuale Zunahme in
jenen Regionen besonders hoch, die in absoluten
Zahlen gesehen bereits in der Vergangenheit hohe
Werte der Regenerosivität aufwiesen. Laut der
Pilotstudie „Klimawirkungskarten Bayern“ des LfU
und dem oben genannten Gemeinschaftsprojekt von
LfL, DWD und TUM wirkt sich der Klimawandel auf
die Regenerosivität und den Bodenabtrag wie folgt
aus [78]:
• Der niederschlagsbedingte Anstieg des Bodenabtrags seit 1970 beträgt im Mittel auf bayerischen
Ackerflächen ca. 50 Prozent,
• bis zum Jahr 2050 wird sich die Regenerosivität
verdoppeln oder gar verdreifachen.
103
104
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Umsetzung von Klimaanpassung
Abb. 55: Bewirtschaftungsfaktor (C-Faktor) im Jahr 2018. Der C-Faktor wurde anhand der angebauten Acker-Kulturen aus dem Jahr 2018,
getrennt nach ökologischen und konventionell bewirtschafteten Flächen berechnet. Je niedriger der C-Faktor, desto geringer der
Bodenabtrag (Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), IAB 1a).
Ohne wirksame Gegenmaßnahmen wird der Abtrag
fruchtbarer Böden in Zukunft allein aufgrund der
zunehmenden Regenerosivität weiter drastisch
zunehmen. Um dies zu verhindern, müssen Anpassungen im Sinne einer guten landwirtschaftlichen
Praxis konsequent umgesetzt werden. Die Bayerische Staatsregierung formuliert hierzu in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016)
diverse Maßnahmen. Beispielsweise sollen Fahrspuren und Bewirtschaftungsrinnen quer zum Hang
verlaufen, Hangmulden sollen begrünt bzw. durch
Vegetation bedeckt sein, erosionsgefährdete Felder
sollen durch Gehölzstreifen eingefasst werden, der
Boden durch Mulch bedeckt, die Bodenaggregate
durch eine lebendige biologische Aktivität sowie
durch Kalkung und Zwischenfruchtanbau stabil
gehalten, Bodenverdichtungen soll durch bodenschonendes Befahren der Felder sowie durch einen
Verzicht auf intensive Bodenbearbeitung vorgebeugt
werden und stark erosionsgefährdete Hänge sollen
als Grünland bewirtschaftet werden [55].
Der Bodenabtrag von Ackerflächen hängt also stark
von der Art und Weise der Ackerbewirtschaftung ab.
Diese wird an der LfL durch den sogenannten
Bewirtschaftungsfaktor (C-Faktor) erhoben. Wie in
Abb. 55 für 2018 dargestellt, ergibt sich je nach
Fruchtfolge, Bodenbedeckung und Bodenbearbeitung in Bayern ein C-Faktor zwischen 0,02 (niedriger
Bodenabtrag) und 0,81 (hoher Bodenabtrag). Laut
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
dem 2019 veröffentlichten „Thünen Report 65“ trägt
die ökologische Landwirtschaft im Vergleich zur
konventionellen Bewirtschaftung zu einer systembedingt stärkeren Reduktion des Bodenabtrags bei
[80]. Rund 11 Prozent der landwirtschaftlichen
Nutzfläche Bayerns wird nach den Richtlinien des
ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Im August
2019 ist im Naturschutzgesetz das Ziel festgesetzt
worden, dass bis 2030 der Anteil der ökologisch
bewirtschafteten Fläche auf 30 Prozent ausgedehnt
werden soll. Die Umstellung auf ökologischen
Landbau kann als Klimaanpassungsaktivität gewertet
werden.
Klimaanpassung geschieht in Bayern
• durch zahlreiche im Rahmen der Bayerischen
Klimaanpassungsstrategie 2016 beschlossenen
Einzelmaßnahmen, welche landwirtschaftliche
Nutzungsformen im Rahmen guter Bewirtschaftungspraktiken befördern und
• durch die Umsetzung der im Rahmen der Bayerischen Klimaschutzoffensive im 10-Punkte-Plan
verankerten Ziele: die Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft von derzeit 11 auf 30
Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis
2030 und die Bereitstellung von Beratungs- und
Förderinstrumenten zu Humuserhalt und -aufbau
in Ackerböden.
4.5.2.2
Moorböden
Moorböden bedecken etwa 3 Prozent der Fläche
Bayerns [81]. Diese humusreichen, organischen
Böden erfüllen wichtige Funktionen im Natur- und
Wasserhaushalt. So bieten sie z. B. Lebensraum für
hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten und
können große Mengen Wasser aufnehmen und
speichern. Dadurch können intakte Moorböden
Hochwasserereignisse puffern und in Trockenphasen
ausgleichend auf den Wasserhaushalt wirken [55].
Darüber hinaus dienen sie als effektive Kohlenstoffspeicher. Denn Moorböden binden zusammen mit
anderen Böden global etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Menge, welche vom Menschen seit
Anbeginn der Industrialisierung in die Atmosphäre
ausgestoßen wurde [10]. Bei Mooren, die intensiv
Abb. 56: Das Murnauer Moos ist der flächenmäßig größte
und qualitativ bedeutendste Moorkomplex der
Alpenrandmoore in Mitteleuropa.
genutzt werden, tritt allerdings der umgekehrte
Effekt auf. Der kohlenstoffreiche Humus wird
abgebaut und als klimaschädliches CO2 in die
Atmosphäre abgegeben. Aktuell tragen die Moore
Bayerns auf diese Weise zu etwa 6 Prozent der
gesamten CO2-Emissionen Bayerns bei [81]. Um
dieser Entwicklung entgegenzuwirken, enthält der
10-Punkte-Plan zur Bayerischen Klimaschutzoffensive
ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Thema
Moorschutz.
Auswirkungen auf Moorböden
Die jahrhundertelange, nur wenig auf Nachhaltigkeit
ausgerichtete Bewirtschaftung der bayerischen
Moore führte zu einer fortlaufenden Degradation
natürlicher Moorflächen bis hin zur kompletten
Zerstörung. Allerdings wirken sich auch andere
menschengemachte Einflussfaktoren negativ auf
den Zustand der Moore aus. Insgesamt sind folgende Hauptfaktoren ursächlich für die Abnahme
intakter Moorflächen:
105
106
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
• Die Entwässerung zum Zwecke der land- und
forstwirtschaftlichen Nutzung,
• großflächiger Torfabbau zunächst zur Gewinnung
von Brennmaterial, später zur Nutzung als Gartentorf bis Ende der 1980er Jahre,
• die Einstellung oder wenig sachgerechte Nutzung
von Kultur-Ökosystemen (z. B. Wegfall der traditionellen, schonenden Streuwiesenmahd),
• großräumige Grundwasserabsenkungen,
• Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr,
Wasserwirtschaft, Siedlung und Gewerbe und
• anthropogen verursachte Stickstoffeinträge aus
der Luft.
Zusätzlich deutet vieles darauf hin, dass sich das
verändernde Klima negativ auf den Zustand des
Ökosystems Moor auswirkt. Beobachten lässt sich
dies z. B. daran, dass
• vor allem vorgeschädigte Moorgebiete während
extremer Dürreperioden besonders unter Trockenstress geraten können (so z. B. seit Sommer 2018
bis Sommer 2020),
• sich die torfbildende Vegetation (insbes. Torfmoose) nur in Gebieten mit ausreichendem Niederschlag und geringer Verdunstung regenerieren
kann,
• die moortypischen, kältetoleranten Arten insbesondere bei Vorschädigung ihrer Lebensräume
zunehmend durch invasive „Allerweltsarten“
(Ubiquisten) verdrängt werden (s. auch Kap.
4.4.2.1).
Der direkte Eingriff des Menschen, wie z. B. die
Grundwasserabsenkung, hat auf die Zerstörung der
Moore im Moment noch einen größeren Einfluss als
die Bedrohung durch den Klimawandel. Jedoch zeigt
uns die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, dass die
Gefährdung von Mooren klimawandelbedingt immer
bedeutsamer wird. Dem Schutz und der Regeneration von Mooren ist in Zukunft daher eine besondere
Relevanz beizumessen [82].
Umsetzung von Klimaanpassung
Am 19.11.2019 hat die Bayerische Staatsregierung die
Klimaschutzoffensive gestartet [83]. Der 10-PunktePlan enthält rd. 100 konkrete Maßnahmen und basiert
auf den drei Säulen der bayerischen Klimapolitik:
• Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes in Bayern,
• Anpassung an die Folgen des Klimawandels und
verstärkte Forschung zu Umwelt- und Klimaschutz.
Dabei werden alle Bereiche mit einbezogen – von
Wäldern, Mooren und Wasser über Innovationen,
Energie und Mobilität bis hin zur Vorbildfunktion
des Staates sowie
• der Förderung des kommunalen Klimaschutzes.
Neben dem Masterplan Moore startet ein neues
Moorwaldprogramm mit 147 Maßnahmen im
Staatswald sowie der Aufbau eines neuen Moorbauernprogramms. Ziel ist es die bayerischen Moore zu
erhalten bzw. zu renaturieren.
Damit die bayerischen Moore bewahrt und im Sinne
der Klimaschutzpolitik aufgewertet werden können,
gilt es folgende Zusammenhänge zu verstehen:
• Bewusstseinsbildung, Wertschätzung und Ermutigung für alle Beteiligten entsteht, wenn in geeigneter Weise über die faszinierende Biodiversität in
Mooren berichtet wird. So erfährt Moorschutz
gesellschaftliche Aufmerksamkeit und bekommt
ein positives Image.
• Ein gutes Monitoring dient sowohl der Feststellung allgemein ablaufender Entwicklungen als
auch der Dokumentation maßnahmenbezogener
positiver Umwelteffekte wie etwa Klimaentlastung, reduzierte Sackung, reduzierte Nährstoffausträge (KLIP 2050 Bayern).
Ergänzend dazu bietet Winterholler (2020) einen
Überblick über die bisherigen Erfolge des KLIP seit
seinem Start 2008 und eine ausführlichere Zusammenstellung der künftigen Anforderungen an einen
klimaorientierten Moorschutz [84].
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.5.2.3
Georisiken
Geologische Risiken resultieren aus Vorgängen, die in
und auf der Erde stattfinden und zu Schäden führen.
In Bayern stellen vor allem im Alpen- und Mittelgebirgsraum schwerkraftbedingte, also sogenannte
„gravitative Massenbewegungen“ wie Hangbewegungen, Rutschungen, Felsstürze, Steinschläge,
Erdfälle und Muren relevante Geogefahren dar.
Auswirkungen auf Geogefahren und deren
Folgen
Das Klima und extreme Wetterereignisse beeinflussen das Auftreten gravitativer Massenbewegungen:
• Frosteinwirkung und Temperaturschwankungen
fördern Rissbildungen in Gesteinen, die Ablösung
von Gesteinsmaterial und damit die Häufigkeit von
Steinschlägen und Felsstürzen.
• Schneeschmelze, langanhaltende Niederschläge
und eine steigende Starkregengefahr (Kap. 3.3)
erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass
(i) Gesteine sich auf einer darunterliegenden
Gleitschicht verlagern (Rutschungen – die
Rutschmasse bewegt sich hierbei in einer
Geschwindigkeit von wenigen Zentimetern
pro Jahr bis Metern pro Sekunde).
(ii) Schlamm und Gesteinsmaterial in Gerinnen
schnell talabwärts fließt (Murgänge).
• Abtauende Permafrostbereiche erhöhen das
Risiko gravitativer Massenbewegungen in hochalpinen Gebieten.
Die im Zuge des Klimawandels zum Teil erhöhte
Gefährdungslage wirkt sich auf Leben, Sachwerte
und Infrastruktur aus:
• Die gebotene Vorsorge beim Management von
Georisiken kann die Entwicklungsmöglichkeiten von
Gemeinden einschränken, da risikobehaftete Flächen
nicht oder nur bedingt für Wohn- und Gewerbezwecke ausgewiesen werden können. Dies betrifft vor
allem Gemeinden mit steigenden Bevölkerungszahlen (z. B. im bayerischen Alpenraum).
• Die Beseitigung von Schäden und die Maßnahmen
zum Schutz von Siedlungen, Gewerbegebieten
und Infrastruktur können hohe Kosten für Kommunen und Bürger verursachen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Um geologische Risiken vor Ort zu mindern, müssen
Informationen zur Gefährdungslage erhoben und im
Rahmen eines Risikomanagements angemessen
berücksichtigt werden:
• Das Bayerische Landesamt für Umwelt berät
Behörden beim Umgang mit Geogefahren. Es
stellt der Öffentlichkeit sogenannte Gefahrenhinweiskarten sowie Informationen zu vergangenen
Massenbewegungs-Ereignissen (GEORISK-Kataster) und zu alpinen Permafrostgebieten über den
„UmweltAtlas Bayern“ zur Verfügung.
• Die Bayerische Plattform Naturgefahren informiert,
koordiniert und vernetzt Akteure im Sinne eines
integralen Risikomanagements (u. a. zu
Georisiken).19
Abb. 57: Rutschung am Immenstädter Horn.
• Der beste Schutz vor Geogefahren ist die Meidung
von gefährdeten Gebieten bei der Planung von
Siedlungen und Infrastruktur. Eine zielgerichtete
Raum- und Bauleitplanung (Kap. 4.8 und 4.9) sollte
bekannte Gefahrenbereiche von vornherein bei der
Landes- und Siedlungsentwicklung meiden und,
wo möglich, bereits bestehende Risiken durch
vorbeugende Maßnahmen mindern (z. B. durch
Schutzwälder an Steilhängen).
19
www.naturgefahren.bayern.de
107
108
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Anna Kühnel, PD Dr. Martin Wiesmeier, Prof. Dr.
Ingrid Kögel-Knabner, Technische Universität München (Bodenkunde); Peter Spörlein, Bay. Landesamt
für Umwelt (vorsorgender Bodenschutz)
Veränderungen der Humusqualität und -quantität
bayerischer Böden
Im Zuge des Klimawandels sind tiefgreifende
Auswirkungen auf den Humuskörper und damit auf
die Funktionalität und Produktivität von Böden zu
erwarten. Als Folge des Temperaturanstiegs ist mit
einem verstärkten Abbau der organischen Bodensubstanz zu rechnen, der mit einer unerwünschten
Freisetzung bedeutender Mengen Bodenkohlenstoffs als CO2 verbunden sein könnte.
Das Forschungsprojekt ging der Fragestellung nach,
ob und inwieweit sich die Menge, aber auch die
Qualität des Humus in bayerischen Böden im Zuge
des Klimawandels bereits heute schon verändert hat
und inwiefern dies anhand geeigneter Parameter/
Kenngrößen beobachtet werden kann.
Hierzu wurde auf Rückstellproben der Bodendauerbeobachtung von der Landesanstalt für Wald und
Forstwirtschaft (LWF), der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und vom Landesamt für Umwelt
(LfU) zurückgegriffen, die rückwirkend einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren abdecken können. Neben
der gängigen Betrachtung des Gesamtkohlenstoffs
lag ein besonderes Augenmerk auf der Qualität des
Humus, also seinen klimasensiblen Fraktionen.
Qualität meint dabei einerseits, aus welchen Fraktionen der Humus besteht und andererseits, wie stark
diese im Boden stabilisiert sind, also wie alt bestimmte Fraktionen sind (wenige Jahre bis zu
mehreren Jahrhunderten).
Während sich in Grünlandoberböden im Zeitraum
zwischen 1986 bis 2015 deutlichere KohlenstoffZunahmen, aber auch -Abnahmen ergeben haben,
sind die Änderungen in Ackeroberböden geringer.
Verantwortlich für die Kohlenstoffänderungen sind
wohl saisonale Klimaänderungen, also geringere
Niederschläge im Sommerhalbjahr und höhere
Niederschläge im Winterhalbjahr sowie höhere
Sommer- und Wintertemperaturen, was zu einer
längeren Vegetationsperiode und einer verstärkten
Sommertrockenheit führen kann. Vor allem warme
und trockene Ackerstandorte sind aufgrund rückläufiger Kohlenstoffeinträge bei extremen Trockenzeiten
anfällig für Kohlenstoffverluste. Um diese durch den
Klimawandel verursachten Kohlenstoffabnahmen
ausgleichen zu können, ist ein nachhaltiges Humusmanagement in der landwirtschaftlichen Nutzung
immer wichtiger.
Der Klimaeinfluss auf Waldböden wird wahrscheinlich vom Einfluss der gleichzeitig hohen Stickstoffeinträge überlagert. Diese führen vermutlich zu einer
erhöhten Biomasseproduktion und damit zur Zunahme des sich v. a. in der Waldauflage befindlichen
Kohlenstoffs.
In punkto Humusqualität haben sich die okkludierte
(in Bodenteilchen eingeschlossene) partikuläre
organische Substanz (oPOM) und die mineralassoziierte (an Bodenmineralien haftende) organische
Substanz (MOM) als vielversprechende Frühwarnindikatoren für Kohlenstoffänderungen in Wald- bzw.
Ackerböden herausgestellt.
Abb. 58: Methode zur Gewinnung potenziell klimasensitiver
Humusfraktionen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Annette Freibauer, Nadine Conze, Dr. Gisbert
Kuhn, Dr. Anna Kühnel; Bayerische Landesanstalt für
Landwirtschaft (Institut für Ökologischen Landbau,
Bodenkultur und Ressourcenschutz), Prof. Dr. Matthias Drösler (Projektleitung KliMoBay), Hochschule
Weihenstephan-Triesdorf, Professur für Vegetationsökologie; Teilprojekt 3 im Projekt KliMoBay (Klimaschutz- und Anpassungspotenziale in Mooren
Bayerns) Förderung: StMUV/ EU/EFRE
Anpassungspotenziale
in Moorböden Bayerns
Etwa 90 % der 220.000 Hektar Moorböden in
Bayern werden für die land- und forstwirtschaftliche
Nutzung entwässert. Die derzeitige Nutzung der
Moorböden ist endlich. Die Böden sacken kontinuierlich durch Torfzehrung um Zentimeter. Je tiefer die
Entwässerung und je intensiver die Düngung und
Nutzung sind, desto schneller laufen die Prozesse
der Bodendegradation und Sackung. Schrittweise
löst sich der fruchtbare Oberboden in das Treibhausgas Kohlendioxid auf und dichte Tonschichten, grober
Schotter oder andere Bodenschichten, die für eine
landwirtschaftliche Nutzung untauglich sind, kommen an die Oberfläche. Wo, wie schnell und wie
stark begrenzen Sackung und ungünstige Bodenhorizonte die zukünftige Nutzung von Moorböden?
Trockene vererdete Moorböden wirken wasserabweisend und die hydraulische Leitfähigkeit ist stark
reduziert. Das führt bei Starkregen dazu, dass das
Niederschlagswasser auf den Flächen stehen bleibt
oder oberflächlich abfließt. Damit beschleunigen sie
den Oberflächenabfluss, obwohl Moorböden durch
ihr großes Porenvolumen eigentlich das Potenzial
hätten, Niederschlagswasser aufzufangen, in großen
Mengen befristet zu speichern und erst langsam an
die Landschaft abzugeben. Zur Anpassung an den
Klimawandel wäre die Wiederherstellung der ursprünglichen Speicher- und Pufferfunktion von
Moorböden sehr wirkungsvoll. Das setzt eine
Wiedervernässung der Böden voraus. Wo begünstigen Bodeneigenschaften eine mögliche zukünftige
Wiedervernässung? Wo gefährden fortschreitende
Bodendegradationsprozesse eine erfolgreiche
Wiedervernässung?
Keiner der Degradationsprozesse ist für Bayern
bisher quantifiziert. Das Forschungsprojekt „Klimaschutz- und Anpassungspotenziale in Mooren
Bayerns (KliMoBay)“ will diese Forschungsfragen
schrittweise im Teilprojekt 3 „Bodeninformationen,
Klimaanpassung“ beantworten. Dazu werden
historische Moorkarten, Bodenprofile und physikalische Bodeneigenschaften ausgewertet und mit
Beprobungen verglichen, die in den nächsten Jahren
durchgeführt werden. Die Arbeiten haben in repräsentativen Moorgebieten Bayerns begonnen und
werden statistisch auf alle Moorböden Bayerns
hochgerechnet. Ziel sind Klimaanpassungspotentialkarten, in denen Bereiche mit besonderem Risiko
für die derzeitige landwirtschaftliche Nutzung und
Bereiche mit besonderer Eignung für die Wiedervernässung ausgewiesen werden. Hierbei werden
die Ergebnisse aus den Projekten MOORadapt und
MOORuse wesentliche Grundlagen liefern.
Abb. 59: Historische Moorkarte bei Prien a. Chiemsee.
Kontakt:
Dr. Annette Freibauer
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Lange
Point 12, 85354 Freising Telefon +49 8161 8640–4001
annette.freibauer@lfl.bayern.de www.lfl.bayern.de
109
110
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG: Projekt MOORadapt
Prof. Dr. Matthias Drösler, Carla Bockermann &
Dr. Tim Eickenscheidt, Hochschule WeihenstephanTriesdorf, Professur für Vegetationsökologie; Projekt
MOORadapt-N – Anpassungserfordernisse der
Niedermoore an den erwarteten Klimawandel in
Bayern, Förderung: StMUV
Anpassungserfordernisse
von Grasland-Niedermooren
an den Klimawandel – ein
Manipulationsexperiment
Der Klimawandel findet global wie regional statt. Für
Bayern ist, je nach Szenario, mit einer Temperaturzunahme von 1,5 °C bis Mitte des Jahrhunderts zu
rechnen. Im Projekt MOORadapt war es daher das
Ziel, die Effekte einer zukünftigen Klimaerwärmung
auf die Treibhausgasbilanz und die Produktivität von
Grünland-Niedermoor-Systemen in Bayern zu testen
und zu überprüfen, ob eine Wasserstandsanhebung
die erwarteten Effekte dämpfen kann. Damit wäre
eine Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel in
Form von klimaschonender landwirtschaftlicher
Nutzung für die Funktionsfähigkeit der GraslandNiedermoore möglich.
Methodisch wurden dabei zwei Grasland-Niedermoor-Systeme verglichen: (1) klassisches IntensivGrünland und (2) extensives Seggengrünland. In
einem experimentellen Versuchsdesign wurden
jeweils vier Behandlungsvarianten eingerichtet:
Referenz (Ref), erhöhter Grundwasserstand (GWH),
Erwärmung (OTC) und die Kombination aus erhöhtem Grundwasserstand und Erwärmung (OTC/GWH).
Die Erwärmung wurde mit open top chambers
(OTCs; s. Abb. 60) passiv erreicht. Die Grundwasserstandsanhebung erfolgte durch eine gesteuerte
Unterflurbewässerung in gespundeten Parzellen.
Für das Intensiv-Grünland konnten die hohen CBilanz-Verluste der Referenz und der Erwärmungsvariante durch Grundwasser-Anhebung verringert
werden. Im Seggengrünland wurde die C-Quelle
sogar zu einer C-Senke nach Grundwasseranhebung.
Hinsichtlich der Klimabilanz (Netto Klimawirksamkeit
auf Basis GWP100) führt die Wasserstandsanhebung
im Intensiv-Grünland zu einer deutlichen Reduktion,
also Milderung der Klimawirksamkeit. Im Seggengrünland wird sogar eine Netto-Klimakühlungsleistung erzeugt.
Diese vielversprechenden ersten Ergebnisse zeigen,
dass die Anpassung von Grasland-Niedermooren an
den Klimawandel mittels einer Anhebung des zentralen Steuerfaktors Wasserstand möglich ist. Allerdings
handelt es sich mit dem Projekt MOORadapt um das
erste Manipulationsexperiment zur Simulation der
Effekte des Klimawandels auf Niedermoor-GraslandÖkosysteme in Bayern. Längere Datenreihen und
eine Erweiterung auf andere Moorökosysteme (z. B.
Hochmoore) wären sinnvoll, um die Erstergebnisse
weiter zu konsolidieren und die Größenordnungen
der Effekte zu skalieren. Eine Wasserstandsanhebung
(am besten auf ein naturnahes Niveau) im Moor ist
aber bereits jetzt als sinnvolle Maßnahme für die
Klimawandel-Anpassung belegt.
Abb. 60: Open-top-chambers (OTCs) zur passiven TemperaturErhöhung im Projekt MOORadapt.
Kontakt:
Porf. Dr. Matthias Drösler
Professur für Vegetationsökologie
Forschungsprofessur für Klimawandel und Ökosysteme
Institut für Ökologie und Landschaft
HS Weihenstephan-Triesdorf
Am Hofgarten 1
85354 Freising
matthias.droesler@hswt.de
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG: Projekt MOORuse
Prof. Dr. Matthias Drösler & Dr. Tim Eickenscheidt (et multi alii s.) Hochschule Weihenstephan-Triesdorf,
Professur für Vegetationsökologie; Projekt MOORuse – Paludikulturen für Niedermoorböden in Bayern –
Etablierung, Klimarelevanz & Umwelteffekte, Verwertungsmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit Förderung:
STMUV/EU EFRE
Paludikulturen für Klimaschutz und Anpassung
in Mooren Bayerns
Klimaschutz durch Moorschutz gelingt am besten
durch Renaturierung, die z. B. im Rahmen des
Klip2050 in Bayern zielgerichtet durchgeführt wird.
Die Renaturierung, also Wasser rein und Nutzung
raus, geht aber nur, wenn keine Nutzungsansprüche
an die Flächen gestellt werden. Um aber die überwiegende Fläche der genutzten Moore für den
Klimaschutz und die Anpassung zu optimieren,
müssen Nutzungen der Nassbewirtschaftung, sog.
Paludikulturen, getestet und etabliert werden.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es daher, neue
nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten für Niedermoore
zu erarbeiten, die sowohl die ökologischen Funktionen (Biodiversität, Wasserhaushaltsregulierung, etc.)
berücksichtigen und fördern, die fortschreitende
Mineralisierung des vorhandenen Torfkörpers
verhindern (weitgehend klimaneutrale Treibhausgasbilanz), wirtschaftlich tragfähig sind und in regionale
Wertschöpfungsketten integriert werden können.
Damit soll die Bewirtschaftung auf Mooren fit für
den Klimawandel gemacht werden.
Das MOORuse-Projekt ist in vier Modulen organisiert (s. Abb. 61) und spannt damit den kompletten
Boden von der Etablierung, über die Umwelt-/
Klimarelevanz, die Verwertungsoptionen bis zur
Wirtschaftlichkeit. In Modul 2 werden erstmals
belastbare THG-Bilanzen mittels einer Automatikhaube für Paludikulturen ermittelt. Es werden erhebliche
Synergien zwischen Anpassung, Klimaschutz,
Nachhaltigkeit der Nutzung und Schutz der biotischen und abiotischen Ressourcen erwartet.
111
112
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 61: Modulstruktur Projekt MOORuse.
Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Drösler
Professur für Vegetationsökologie
Institut für Ökologie und Landschaft
HS Weihenstephan-Triesdorf
Am Hofgarten 1
85354 Freising
matthias.droesler@hswt.de
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.6 Menschliche Gesundheit
Kurz gesagt,
• zu nichtinfektiösen Krankheiten: Extreme
Wetterereignisse können den menschlichen
Organismus belasten und klinisch relevante
Symptome hervorrufen oder verstärken (z. B.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Haut- und Augenkrankheiten, chronische Atemwegserkrankungen,
psychische Erkrankungen, Unfallfolgen). Mit Hilfe
spezifischer Aktionspläne und Anpassungsmaßnahmen können die Auswirkungen besonders
innerhalb vulnerabler Gruppen gemindert werden.
• zu Infektionskrankheiten: Das Infektionsrisiko
wird in Bayern für mehrere Krankheitsbilder
ansteigen, da sich einige heimische Krankheitsüberträger (Vektoren, bspw. Stechmücken oder
Zecken) schneller vermehren und auch tropische
Vektoren einwandern können. Durch Weiterbildung
von Ärztinnen und Ärzten und Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern von medizinischen Einrichtungen,
sowie durch Aufklärung der Öffentlichkeit kann der
erhöhten Risikolage Rechnung getragen werden.
• zu Allergenen und Toxinen: Die Belastung durch
natürliche Allergene und Toxine wird zunehmen,
z. B. durch eine Verlängerung und Verstärkung der
Pollensaison, toxische Algenblüten oder Eichenprozessionsspinner. Durch die Kombination von
Beobachtungsmaßnahmen und Vorhersage (z. B.
der Pollenbelastung) können adäquate Gegenmaßnahmen getroffen werden.
4.6.1
Ausgangslage
Das Handlungsfeld „Menschliche Gesundheit“ hat
einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Die
Lebenserwartung der Menschen steigt an, während
diese Lebenszeit gleichzeitig in immer besserer
Gesundheit verbracht wird. Nichtsdestotrotz gibt es
auch in der heutigen Zeit Herausforderungen im
Bereich der menschlichen Gesundheit. Auch klimawandelbedingte Ereignisse können schwerwiegende
Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung
haben.
Diese Auswirkungen können entweder direkt, durch
die Wirkung verschiedener Klimaparameter (z. B.
Temperatur, UV-Strahlung), oder indirekt durch
klimabedingte Veränderungen in der Umwelt (z. B.
vermehrte Ausbreitung von Krankheitsüberträgern
oder Allergenen) erfolgen. Durch ungünstige Wettersituationen können zudem beispielsweise Symptome einer Krankheit ausgelöst oder verstärkt werden.
Generell besonders betroffen sind Menschen mit
chronischen Krankheiten, Kinder, ältere Menschen
und Schwangere.
Aufgrund dieser Folgen für die menschliche Gesundheit muss das öffentliche Gesundheitswesen einen
Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten.
Das öffentliche Gesundheitswesen hat die Aufgabe,
die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung zu erhalten. Hierzu zählt unter anderem das
frühzeitige Erkennen drohender Gefahren und das
Erarbeiten von Präventionsmaßnahmen sowie von
Verhaltenshinweisen, um mögliche Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Von besonderer Bedeutung sind
im Zusammenhang mit Gefahren, die sich im Zuge
des Klimawandels verschlimmern, häufen oder die
neu auftreten können, eine zeitnahe Information und
Warnung der Bevölkerung sowie die Beratung und
Schulung von Multiplikatoren (z B. von Ärztinnen und
Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern), da diese häufig
die ersten Ansprechpartner für Betroffene sind.
113
114
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Es ist damit zu rechnen, dass sich die potentielle
Gefahrenlage für gesundheitliche Folgen in den
folgenden genannten Bereichen durch den Klimawandel verändern wird. Zur Beurteilung einer
individuellen Belastung ist es grundsätzlich notwendig, dass regionale und individuelle Aspekte wie z. B.
Akklimatisierungsgrad, Alter und Vorerkrankungen
berücksichtigt werden [85].
Die Bayerische Staatsregierung formulierte in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld „Menschliche Gesundheit“ folgendes Handlungsziel [55]:
• Der Erhalt der Leistungsfähigkeit und Gesundheit
des Menschen ist das wichtigste Handlungsziel.
Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Entwicklung von Warnsystemen,
der Prophylaxe und der Vorhersage zu.
• Beispiele für Projekte, die in diesem Zusammenhang durchgeführt werden, werden im Folgenden
unter dem Gliederungspunkt „Umsetzung von
Klimaanpassung“ dargestellt.
4.6.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.6.2.1
Nichtinfektiöse Krankheiten
Extreme Wetter- und Witterungsereignisse (wie
z. B. Hitzeperioden, schnelle Temperaturänderungen,
Überschwemmungen), die im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten, können den menschlichen
Organismus belasten und klinisch relevante Symptome hervorrufen oder verstärken.
Auswirkungen auf nichtinfektiöse Krankheiten
Herz-Kreislauferkrankungen
Hitzewellen können beim menschlichen Organismus
zur sog. Hitzeerschöpfung führen, die mit starkem
Schwitzen und Durstgefühl sowie Erschöpfungszuständen einhergeht. Die Hitzeerschöpfung kann sich
bis zum Hitzschlag steigern. Bei beständig hohen
Temperaturen sinkt der Blutdruck, da sich die
Blutgefäße weiten. Nehmen Patienten blutdrucksen-
kende Medikamente, kann dieser Effekt noch
verstärkt werden und zu Schwindel, Schwächeanfällen und im schlimmsten Fall zu einem Kreislaufkollaps führen [86]. Es ist ferner bekannt, dass sich bei
hohen Lufttemperaturen u. a. die Blutgerinnung
(Hämostase) verändern kann und damit das Thromboserisiko ansteigt [87]. Steigen die Außentemperaturen von einem auf den nächsten Tag um mehr als
fünf Grad, wächst die Herzinfarktgefahr für Menschen mit Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um rund 60 %. Für diese Menschen besteht
auch ein erhöhtes Herzinfarktrisiko, wenn die
Temperatur wieder stark abfällt oder der Luftdruck
stark schwankt [88]. Auch für niedrige Temperaturen
(z. B. bei sog. „Kältewellen“ im Winter) wurde ein
Zusammenhang mit der Häufung von kardiovaskulären Ereignissen und Schlaganfällen berichtet [87].
Betroffen sind vor allem ältere Personen [87], da
diese häufiger auch an anderen Krankheiten leiden
und dadurch die Sensitivität auf thermische Belastungen erhöht ist. Als besonders gefährdete Personenkreise gelten auch Kleinkinder, die sich schlechter an Temperaturveränderungen anpassen können,
sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen
wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes.
Durch einen Anstieg der Anzahl und Länge der
Hitzewellen pro Jahr ist mit einer Zunahme der
beschriebenen Herz- Kreislauferkrankungen zu
rechnen. Dem gegenüber steht, dass ein Rückgang
der kalten Tage zu erwarten ist, wodurch es wiederrum zu weniger kältebedingten Todesfällen kommen
wird [55]; [89].
Während und vor allem nach Hitzewellen lässt sich
der sog. „Harvesting-Effekt“ beobachten. Bei
multimorbiden, schwerkranken bzw. bettlägerigen
Personen mit einem hohen Sterberisiko (unabhängig
vom Wetter- bzw. Witterungsgeschehen) kann es zu
einer Vorverlegung des Todeszeitpunktes kommen.
In 2003 wurde beobachtet, dass die Mortalitätsrate
während einer Hitzewelle deutlich über dem Erwartungswert liegt und nach Normalisierung der Temperaturen unter diesen Wert fällt.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Haut- und Augenkrankheiten
Die erwarteten höheren Jahresdurchschnittstemperaturen könnten dazu führen, dass sich Menschen
häufiger und länger leichtbekleidet im Freien aufhalten und dadurch vermehrt der solaren UV-Strahlung
ausgesetzt sind. UV-Strahlung kann akute und
chronische gesundheitliche Folgen haben:
Akute gesundheitliche Folgen der UV-Strahlung:
• Akute Schädigungen zeigen sich unter anderem an
den Augen in Form von Bindehaut- und Hornhautentzündungen.
• Bei der Haut sind dies Sonnenbrand, sog. „Sonnenallergien“ (Polymorphe Lichtdermatose), phototoxische und photosensibilisierende Reaktionen.
Chronische gesundheitliche Folgen der UV-Strahlung:
Hinsichtlich chronischer Schädigungen des Auges ist
die übermäßige UV-Bestrahlung einer der auslösenden Faktoren für den „Grauen Star“ (Katarakt).
UV-Strahlung wird auch mit Netzhautveränderungen
und der Makuladegeneration (Erkrankung der
Netzhaut) in Zusammenhang gebracht.
Übermäßig der UV-Strahlung ausgesetzte Haut kann
langfristig vorzeitig altern und weißen oder schwarzen Hautkrebs entwickeln. Hautkrebserkrankungen
können, insbesondere wenn sie metastasieren (wie
das maligne Melanom und sehr selten auch der
weiße Hautkrebs), zum Tode führen. Als Risikofaktor
für weißen Hautkrebs gilt die Höhe der kumulativen
Sonnenexposition eines Menschen (UV-Lebenszeitkonto), für den schwarzen Hautkrebs sind Hauttyp
und wiederholte Sonnenbrände in jedem Alter
entscheidend [90].
Seit den 1970er Jahren nahm in Bayern die Anzahl
der Neuerkrankungen an Hautkrebs stetig zu. Neben
einem veränderten Meldeverhalten (kostenloses
Hautkrebsscreening) wird als Hauptursache auch
das veränderte Freizeitverhalten mit vermehrtem
Aufenthalt im Freien (z. B. Wandern) und damit
erhöhter UV-Exposition großer Teile der Bevölkerung
diskutiert. Die steigenden Jahresdurchschnittstemperaturen könnten dazu führen, dass sich Menschen
zukünftig häufiger und länger leichtbekleidet im
Freien aufhalten und damit länger gegenüber
UV-Strahlung exponiert sind. Die Folge könnte ein
Anstieg der Hautkrebs-Inzidenzrate sein [88].
Chronische Atemwegserkrankungen
Die Luftschadstoffe Ozon und Feinstaub (PM 10, PM
2,5) wirken sich auf chronische respiratorische
Erkrankungen wie Asthma und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) aus [91]. Diese
Schadstoffe können z. B. akute Verschlechterungen
der COPD auslösen [92].
Aufgrund komplexer Zusammenhänge in der Atmosphäre (Emission von Vorläufer-Verbindungen, die zur
Bildung der Schadstoffe führen, Temperaturabhängigkeit chemischer Reaktionen, trockene und nasse
Deposition, meteorologische Prozesse) ist jedoch
eine Prognose der zukünftigen Luftqualität und des
Effekts auf chronische Atemwegserkrankungen mit
großer Unsicherheit behaftet [93]; [94].
Effekte durch kurzzeitige Extremereignisse hingegen, die in Verbindung mit dem Klimawandel stehen,
wie lange Hitzeperioden oder Waldbrände, werden
zu einem Anstieg der Konzentrationen von Luftschadstoffen führen. Während langer Hitzeperioden
kommt es oft zu einer Stagnation der Luftmassen
und die Reinigung der Luft durch Niederschläge
bleibt aus. Beides führt zu einer Anreicherung von
Luftschadstoffen [95]; [96]. Sollte es im Zuge des
Klimawandels auch in Bayern durch langanhaltende
Trockenheit zu Waldbränden kommen, werden vor
allem Asthmakranke, beispielsweise durch einen
Anstieg der respiratorischen Symptomen, betroffen
sein [97].
115
116
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Psychische Erkrankungen
Zu extremen Witterungsereignissen gehören u. a.
auch extreme Niederschlagsmengen, die in ihrer
Häufigkeit und Intensität zunehmen werden
(Kap. 3.3 und [98]). Diese Ereignisse können die
psychische Gesundheit der betroffenen Bevölkerung
gefährden. Das Auftreten von Angststörungen,
depressiven Erkrankungen und posttraumatischen
Stresserkrankungen werden in diesem Zusammenhang in der Literatur beschrieben [99]. Psychische
Symptome, die direkt nach einem extremen Wetterereignis auftreten, können als eine normale Reaktion
auf ein abnormales Ereignis betrachtet werden. So
können sich sekundäre Stressoren, wie Konflikte mit
Versicherungen, Baufirmen oder in sozialen Beziehungen sowie ökonomische Probleme auf die
Psyche auswirken. Die erneute Konfrontation mit
starken Regenfällen kann Sorgen, Ängste und Panik
bezüglich möglicher Fluten in der Zukunft auslösen.
Hiermit wird bei Betroffenen oft die Bedeutung des
eigenen Heims, die Identifikation mit der Heimat/stätte und damit verbundenen Erinnerungen (z. B.
Verlust persönlicher Gegenstände) verknüpft [93].
Kritisch wird es, wenn Symptome über einen
längeren Zeitraum hinweg bestehen bleiben und
betroffene Personen Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder Depressionen entwickeln.
Unfälle
Im Straßenverkehr und bei Sport im Freien, wie
bespielweise beim Bergsport, wird ein Zusammenhang zwischen einem Anstieg von Lufttemperatur
und -Feuchte und der Zunahme von Unfällen vermutet. Erste Studien aus den USA [100], Verkehrsunfalldaten des Statistischen Bundesamtes sowie Daten
des Deutschen Alpenvereins zu Bergnotfällen
weisen auf einen solchen Zusammenhang hin.
Zusammengefasst
• Bestehende Herz-Kreislauferkrankungen können
sich im Zuge von Hitzewellen verschlimmern.
• Vermehrter Aufenthalt im Freien durch einen
Anstieg der Temperaturen kann durch eine damit
einhergehende höhere UV-Exposition zu einem
Anstieg an Haut- und Augenkrankheiten führen.
• Chronische Atemwegserkrankungen können sich
durch einen Anstieg der Luftverschmutzung
verschlimmern. Modellrechnungen zu künftigen
Veränderung der Luftverschmutzung sind jedoch
mit großer Unsicherheit behaftet.
• Überschwemmungen als Folge eines Starkregenereignisses können sich negativ auf die psychische Gesundheit von Betroffenen auswirken und
bspw. Angststörungen, depressive Erkrankungen
oder posttraumatische Belastungsstörungen
auslösen.
• Unfälle im Straßenverkehr, sowie bei Sport im
Freien, beispielsweise in den Bergen, scheinen
mit einem Anstieg der Temperatur sowie der
Luftfeuchte in Zusammenhang zu stehen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Hitzewellen
Im Zuge der künftig häufiger auftretenden Hitzewellen ist es erforderlich, Maßnahmen zur Klimaanpassung bzw. zur Hitzeanpassung zu etablieren. Bereits
2008 wurde die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen an Hitzewellen als dringendes Handlungsfeld im Zusammenhang mit der wachsenden
vulnerablen Bevölkerung (demografischer Wandel)
in der von der Bundesregierung verabschiedeten
Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel hervorgehoben [101]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2008 Empfehlungen zu „Hitzeaktionsplänen“ herausgegeben, die hitzebedingte
Gesundheitsschäden durch umfassende Aktivitäten
auf verschiedenen Ebenen vermeiden sollen [91].
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2017 mit den
Mitgliedern der vom Bundesumweltministerium
(BMUB) geleiteten ehemaligen Bund/Länder-Ad-hoc
Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die
Folgen des Klimawandels (GAK)“ Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen
zum Schutz der menschlichen Gesundheit [102]
erarbeitet.
Ein wichtiger Teil der Hitzeaktionspläne sind Hitzewarnsysteme, wie das Hitzewarnsystem des
Deutschen Wetterdienstes (DWD), die es bereits
seit dem Jahr 2006 gibt. Diese Warnungen werden
herausgegeben, wenn die gefühlte Temperatur an
zwei aufeinanderfolgenden Tagen ohne ausreichende
Nachtabkühlung über 32 °C beträgt oder die gefühlte
Temperatur auf über 38 °C ansteigt [103]. Bei der
gefühlten Temperatur werden neben der Lufttemperatur auch Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit
berücksichtigt.
Einrichtungen, die sich im Hitzewarnsystem DWD
anmelden, erhalten bei Überschreitung einer vom
DWD definierten Schwellentemperatur eine elektronische Benachrichtigung. Die Benachrichtigung wird so
lange fortgesetzt, wie die Schwellentemperatur
überschritten wird [104]; [105]. Besonders die stetig
wachsende Anzahl ambulant betreuter Wohngemeinschaften ist häufig nicht an einen Träger angeschlossen und benötigt daher spezifische Informationswege.
Eine weitere Möglichkeit zur Klimaanpassung in
Bezug auf Hitze sind auch Strategien der Stadtplanung. Damit können z. B. durch die Begrenzung von
städtischen Wärmeinseln gesundheitliche Belastungen begrenzt werden [106]. Zunehmende Bedeutung bei großer Hitze erlangen auch stadtnahe,
große zusammenhängende Waldflächen, da diese
sich sowohl auf das Lokalklima innerhalb der Stadt
kühlend auswirken als auch einen alternativen
Aufenthaltsbereich für die Stadtbevölkerung darstellen können, insbesondere für die Bewohner von
stark hitzebelasteten, unsanierten Gebäuden.
Vermehrte Exposition gegenüber der UV-
Strahlung durch vermehrt sonniges und warmes/
heißes Wetter
Die Bevölkerung muss wiederholt über die Thematik
UV-Strahlung und Hautkrebs aufgeklärt werden, um
eine Anpassung zu ermöglichen. Bezüglich der
UV-Strahlung muss zielgruppenspezifisch über die
möglichen Folgen des Sonnenbadens und der
Nutzung von Solarien (z. B. Initiative „Sonne(n) mit
Verstand“20) sowie über die Funktion und Nutzen des
UV-Index (z. B. Sonnen-Konto App21) aufgeklärt
werden. Ebenso ist es wichtig Gesundheitsförderung in Kindergärten und Schulen anzustoßen.
Darüber hinaus kann ein Abgleich der Daten des
UV-Monitorings mit Registern UV-bedingter Krankheitsbilder sinnvoll sein. Ferner ist die Durchführung
von Hautkrebspräventionsmaßnahmen gemäß S3
Leitlinie Prävention Hautkrebs [107] erforderlich.
Dies hat auch das UBA in seinen Empfehlungen zu
Hitzeaktionsplänen berücksichtigt. Es weist darauf
hin, dass Risikogruppen, wie v. a. ältere und pflegebedürftige Menschen, besondere Beachtung benötigen. Aufgrund verschiedener Suszeptibilitätsfaktoren
(chronische Krankheiten, kognitive Einschränkungen,
Einnahme von Medikamenten, eingeschränkte
Mobilität oder soziale Isolation) sind vor allem die
höheren Altersgruppen empfänglich für (lebens-)
bedrohliche Hitzefolgen. Daher ist die Schulung von
Pflegepersonal in entsprechenden Einrichtungen
oder ambulanten Pflegediensten ein wichtiger
Bestandteil der Hitzeanpassung.
20
21
http://www.sonne-mit-verstand.de/
http://www.lass-dich-nicht-rösten.de/was-koennen-sie-tun/sonnen-kontoapp.html
117
118
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.6.2.2
Infektionskrankheiten
In Bayern natürlich vorkommende potentielle Überträger von Infektionskrankheiten (sogenannte
Vektoren) sind vor allem Stechmücken, Zecken,
Flöhe und Wanzen. Auch kleine Nager, wie Rötelmäuse oder Spitzmäuse, können Erreger in sich
tragen, die ausgeschieden werden können (Reservoirwirte). Über diese Vektoren und Reservoirwirte
können verschiedene Krankheitserreger wie Viren
und andere Mikroorganismen auf den Menschen
übertragen werden.
Der Klimawandel kann indirekt, durch eine Begünstigung der Ausbreitung von wärmeliebenden Vektoren
und Reservoirwirten, die Ausbreitung von Erkrankungserregern begünstigen, die bislang nur in den
Tropen bzw. wärmeren Erdregionen aufgetreten
sind.
Jährlich werden einige hundert Fälle von tropischen
vektorübertragenen Infektionskrankheiten verzeichnet (bspw. Dengue, Chikungunya), die von Reiserückkehrern importiert werden. Durch die Etablierung von Vektoren, die diese Viren von Mensch zu
Mensch übertragen können, könnten auch in Bayern
autochthone Übertragungen (Einzelfälle oder Ausbrüche) möglich sein, wie dies bereits in Teilen Frankreichs, Spanien und Italiens seit einiger Zeit beobachtet wird [111]. Im Falle des West-Nil-Virus (WNV)
kam es bereits im Sommer 2019 erstmalig zur
autochthonen Übertragung des Virus auf den Menschen durch Stechmücken innerhalb Deutschlands.
Mögliche Effekte der Klimaänderung sind laut
Umweltbundesamt beispielsweise [110]:
Abb. 62: Hyalomma marginatum-Zecke.
Auswirkungen auf Infektionskrankheiten
Sowohl das Vorkommen der Vektoren und Reservoirwirte, als auch der Krankheitserreger selbst ist von
den klimatischen Verhältnissen abhängig. Durch die
zunehmende Globalisierung, internationalen Handel
und verstärkte Reisetätigkeit können zum einen
neue Vektoren und zum andern nicht-endemische
Krankheitserreger aus anderen Teilen der Erde
eingeschleppt werden, wie beispielsweise die
Leishmaniose durch den Vektor Sandmücke [108];
[109]. Durch veränderte Witterungsverhältnisse
können sich diese ggf. zu stabilen Populationen (mit
Reproduktions- und Überwinterungsfähigkeiten)
entwickeln bzw. als Krankheitserreger in heimischen
und eingewanderten Tierarten ausbreiten [110].
• zunehmende Vermehrung von Vektoren durch
kürzere Generationsdauer (z. B. bei Malaria Erreger
Plasmodium falciparum und Vibrio spp [112])
• Verlängerung der jährlichen Aktivitätsperiode der
Vektoren und Reservoirwirte (z. B. bei zeckenübertragenen Erkrankungen wie Lyme-Borreliose und
FSME)
• höhere Überlebensraten der Vektoren und Reservoirwirte durch mildere Winter
• zunehmende Verbreitung einheimischer Vektoren
und Krankheitserreger (z. B. Zunahme der Zeckendichte in Deutschland durch klimatische Veränderungen)
• Etablierung und Verbreitung eingeschleppter neuer
Vektorarten und Krankheitserreger durch veränderte Klimabedingungen (z. B. Asiatische Tigermücke
und Hyalomma-Zecke) [113]
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Zusammengefasst
Der Klimawandel begünstigt
• die Verbreitung eingeschleppter Vektoren und
Etablierung von tropischen Vektoren,
• die autochthone Übertragung tropischer Krankheiten in Bayern,
• und die Vergrößerung der Risikogebiete bei bereits
etablierten Krankheiten.
Umsetzung von Klimaanpassung
Das Wissen über die gesundheitlichen Folgen
veränderter Umweltbedingungen und Veränderungen im Ökosystem im Zuge des Klimawandels ist
trotz aktueller Forschungsanstrengungen derzeit
noch lückenhaft und muss weiterhin erforscht
werden. Bekämpfungsmaßnahmen gegen die
tierischen Vektoren oder Reservoirwirte stehen oft in
Widerspruch zu Umwelt- und Naturschutzinteressen.
Darüber hinaus fehlen für Aufklärungs- und Vorsorgemaßnahmen präzise regionale Daten und Risikobewertungen.
Zwar gibt es gemäß Infektionsschutzgesetz seitens
des Robert Koch-Institutes auf nationaler Ebene
Surveillancesysteme für übertragbare Krankheiten.
Überwachungsprogramme für Überträger wie
Mücken, Zecken oder Reservoirwirte (Mäuse etc.)
fehlen jedoch in Deutschland bislang weitestgehend.
4.6.2.3
Allergene und Toxine
Etliche Allergene und Toxine werden durch Tiere,
Pflanzen oder Bakterien gebildet wie z. B. allergieauslösende Pollen (z. B. von Birken, Gräsern), Toxine
der Cyanobakterien oder Brennhaare des Eichenprozessionsspinners. Das Verbreitungsgebiet dieser
Pflanzen-, Tier- und Bakterienarten hängt von den
vorherrschenden Umweltbedingungen ab. Ein
wesentlicher Faktor sind dabei die klimatischen
Bedingungen einer Region. Das aktuelle Wachstum,
die Allergen- und Toxinproduktion, sowie deren
Freisetzung – und damit die konkrete Gesundheitsgefährdung – hängen von den Bedingungen in der
aktuellen Saison ab, insbesondere vom Wetter.
Auswirkungen auf Allergene und Toxine
Durch den Klimawandel verändern sich die Umweltbedingungen, sodass sich die Verbreitungsgebiete
allergen- und toxinproduzierender Arten verschieben
können. Für Bayern bedeutet dies in den meisten
Fällen, dass das Verbreitungsgebiet bestehender
Arten größer wird und wärmeliebende neue Arten
nach Bayern einwandern können.
Pollen
Von allen allergischen Erkrankungen stellen durch
Pollen verursachte Allergien den größten Anteil dar,
in Deutschland sind mittlerweile bis zu 15 % der
Bevölkerung betroffen [114].
Im Vergleich zu früheren Jahren hat sich die Pollensaison insgesamt verlängert und der Blühbeginn
allergener Pflanzen tritt früher ein. Milde Temperaturen im Winter und Frühling führen dazu, dass viele
Pflanzen früher im Jahr blühen (z. B. Hasel, Birke).
Damit verschiebt sich der Beginn der Pollensaison
vom Frühling in den Spätwinter. Durch wärmere
Temperaturen und erhöhte CO2-Konzentrationen in
der Luft wird die Biomassen- und Pollenproduktion
der Pflanzen gestärkt. Dies kann zum einen dazu
führen, dass sich die Pollensaison für die entsprechende Pollenart verlängert, zum anderen kann auch
bei gleichbleibender Dauer die Intensität der Pollensaison verstärkt werden, falls mehr Pollen gleichzeitig freigesetzt werden. Mit Luftschadstoffen verunreinigte Pollen können zudem eine stärkere Wirkung
haben als saubere Pollen. Durch eine höhere Exposition nimmt die Zahl der Allergiker zu [115].
Im Zuge des Klimawandels ist ferner zu erwarten,
dass sich bestimmte allergene Pflanzen, wie bspw.
das ursprünglich aus Nordamerika stammende
beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia),
aufgrund steigender Jahresdurchschnittstemperaturen in Deutschland stärker verbreiten. Die Pflanze
blüht später als die einheimischen allergenen
Pflanzen und verlängert damit die Allergiesaison.
Ihre Pollen sind hoch-allergen.
119
120
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 63: Cyanobakterienblüten.
Cyanobakterien
Cyanobakterien (auch „Blaualgen“ genannt) sind ein
wichtiger Bestandteil verschiedener aquatischer
Systeme. Unter bestimmten Bedingungen, bspw. im
Sommer, sind massive Vorkommen von Cyanobakterien, sog. Blüten, keine Seltenheit. Gerade in nährstoffreichen, flachen Seen ist dies häufiger zu
beobachten. In den vergangenen Sommern 2018
und 2019 trugen die langanhaltend heißen Temperaturen, neben eingetragenen Nährstoffen, zu einem
Anstieg der Vorkommen von Cyanobakterienblüten
in bayerischen Seen bei. Einige Bakterienstämme
können Toxine produzieren, welche bei Mensch und
Tier Haut, Leber oder Nerven schädigen können.
Kinder, die beim Spielen im Uferbereich in den
Sommermonaten Wasser verschlucken, sind hier
eine Risikogruppe. Zudem kam es in der Vergangenheit auch immer wieder zu verendeten Hunden,
nachdem diese Wasser aus Seen mit Cyanobakterienblüten getrunken hatten.
Eichenprozessionsspinner
Raupen von Schmetterlingen wie Schwamm- und
Prozessionsspinnern können eine Dermatitis verursachen. Wenn der Mensch mit den Brennhaaren der
Raupen, den Häutungsresten, den Nestern oder mit
Brennhaar-kontaminierten Faltern in Kontakt kommt,
entsteht teils durch mechanische Reizung, teils
durch die toxischen Bestandteile eine Hautentzündung. Die Hautentzündung ist geprägt durch starken
Juckreiz, Hautrötung, Quaddeln und Bläschen, vor
allem an nicht von Kleidung bedeckten Hautpartien
wie z. B. untere Extremitäten, Hals oder Gesicht.
Manchmal bilden sich insektenstichähnliche Knötchen bzw. Papeln. Die Krankheitsdauer liegt bei
2 Tagen bis 2 Wochen. Die unterschiedliche Stärke
des Krankheitsbildes hängt wahrscheinlich mit einer
individuell variierenden Empfindlichkeit zusammen.
Neben allergischen Reaktionen der Haut kann es
auch zu weiteren Symptomen kommen wie z. B.
Augenbindehautentzündung/Hornhautentzündung
und Ophthalmia nodosa, zu Entzündungen im
Rachenbereich und in den oberen Luftwegen.22
Zusammengefasst
Der Klimawandel führt zu
• einer Verlängerung der Pollensaison, einem
Anstieg der Pollenkonzentration und einem
Auftreten neuer Pollenarten,
• einer Zunahme der Sensibilisierungsrate gegenüber Pollenallergenen in der Bevölkerung durch
die erhöhte Exposition,
• einem verstärkten Auftreten des Eichenprozessionsspinners und
• zur Häufung von Cyanobakterienblüten in Badegewässern.
Umsetzung von Klimaanpassung
Der wirksamste Schutz vor den gesundheitlichen
Auswirkungen von Allergenen und Toxinen ist die
Vermeidung eines Kontakts. Am wirkungsvollsten
ist hierbei die Überwachung und Bekämpfung der
allergen-/toxinproduzierenden Spezies. Wo dies
jedoch nicht möglich ist, kommen dem Monitoring
bekannter Bestände und der Vorhersage der Allergen-/Toxinfreisetzung eine große Bedeutung zu.
22
Weitere Informationen finden Sie auch unter https://www.lgl.bayern.de/
gesundheit/arbeitsplatz_umwelt/biologische_umweltfaktoren/
eichenprozessionsspinner/index.htm#vorkommen
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Für die computergestützte Modellierung zukünftiger
Belastungen sind fundierte Kenntnisse zu den
Mechanismen nötig, welche zu einer Allergen-/
Toxinausschüttung führen. Eine Maßnahme der
Klimaanpassung besteht daher in der Durchführung
entsprechender Forschungsprojekte sowie in der
Umsetzung in konkreten Anwendungen.
Beim Vorkommen des Eichenprozessionsspinners
in einer Region sollten einige Vorsichtsmaßnahmen
ergriffen werden, um Gesundheitsbeeinträchtigungen soweit wie möglich zu minimieren. Förster,
Waldarbeiter, Bauarbeiter und Landschaftsgärtner,
die in Regionen mit starkem Befall arbeiten, gelten
als besondere Risikogruppen, da durch häufigen
Kontakt Reaktionsempfindlichkeit und Symptomintensität ansteigen können.
Umsetzbare oder bereits ergriffene praktische
Maßnahmen zur Prävention beziehungsweise
Anpassung speziell an Klimawandel-bedingte
Veränderungen der Exposition gegenüber Pollenassoziierten Allergenen sind beispielsweise:
• Überwachung und Bekämpfung der Einschleppung oder Ausbreitung von allergie-auslösenden
Pflanzen; für Bayern ist hier das Aktionsprogramm
„Ambrosiabekämpfung in Bayern“ des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege23 zu nennen.
• Berücksichtigung des Wissens um Pflanzen mit
allergischem Potential bei der Bepflanzung öffentlicher Räume [116].
• Bayernweites Monitoring der Pollenkonzentrationen durch acht elektronische Pollenmonitore
(ePIN: elektronisches Polleninformationsnetzwerk). Die Daten sind für Bürger, meteorologische
Dienste und wissenschaftliche Einrichtungen
online frei verfügbar.24
Abb. 64: Elektronischer Pollenmonitor auf dem Dach
des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in
Garmisch-Partenkirchen. Der Monitor wertet den
Pollenflug sowohl qualitativ als auch quantitativ
elektronisch mit Hilfe eines Lichtmikroskops und
einer Bilderkennungssoftware aus.
23
24
http://www.stmgp.bayern.de/aufklaerung_vorbeugung/ambrosia/index.
htm
www.epin.bayern.de
121
122
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Franziska Bauer, Prof. Dr. Jürgen Geist, Dr. Uta Raeder, Limnologische Station Iffeldorf (LSI) Technische
Universität München; Verbundprojekt „Klimawandel und Gesundheit“ (VKG)
Klimawandel und Cyanobakterien –
Detektion von Toxingenen in Gewässern
Cyanobakterien („Blaualgen“) gehören zur natürlichen Phytoplanktongemeinschaft fast jedes Sees.
Einzelne Stämme der Cyanobakterien besitzen die
Fähigkeit, Toxine ins Wasser abzugeben. Diese
sogenannten Cyanotoxine können in der Trinkwasseraufbereitung, in der Fischzucht und für Badende
problematisch sein. Cyanobakterien werden durch
den Klimawandel in vielfältiger Weise gefördert.
Steigende Wassertemperaturen bieten den wärmeliebenden Organismen einen Wettbewerbsvorteil
gegenüber anderen Phytoplanktonarten. Bestimmte
Cyanobakterienarten profitieren von längeren
Phasen in denen die Seen geschichtet sind. Außerdem sind Cyanobakterien an Schwachlichtbedingun-
gen angepasst, die im Zuge von Starkregenereignissen und den damit einhergehenden Einträgen in die
Gewässer häufiger werden. Toxische Cyanobakterienblüten kommen in Bayern bisher hauptsächlich in
nährstoffreichen Seen während der Sommermonate
vor. Nicht alle Cyanobakterienarten können Cyanotoxine produzieren. Die Fähigkeit zur Toxinproduktion
lässt sich nicht an äußerlichen Merkmalen, sondern
nur anhand bestimmter Gene in der DNA molekularbiologisch nachweisen. Ziel des Projektes ist es,
einen Überblick über verschiedene bayerische
(Bade-)Seen und deren potentiell toxische Cyanobakteriengemeinschaften zu bekommen.
Abb. 65: Oberflächliche Cyanobakterienblüte im Bergknappweiher im August 2019.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 66: 1000-fache Vergrößerung der Blüte im Bergknappweiher. Zu sehen sind typische Vertreter der Cyanobakteriengemeinschaften
bayerischer Gewässer: Aphanizomenon sp. (links) und Dolichospermum (rechts). Beide Gattungen sind potentielle Toxin
produzenten.
Hierzu wurden mittels Sequenzierung die aktuellen
Cyanobakteriengemeinschaften der Seen aufgedeckt. Dabei standen flache, nährstoffreiche und
tiefere, nährstoffärmere Seen im Fokus. Aquarienversuche dienten dazu, speziell die Auswirkungen zu
untersuchen, welche im Zuge des Klimawandels zu
erwarten sind. Die Untersuchung einer Vielzahl von
Seen zeigte, dass zukünftig in bayerischen Gewässern neben dem bisher bereits in der Gewässerstandardüberwachung standardmäßig analysiertem
Microcystin auch die Cyanotoxine Saxitoxin und
Anatoxin A eine große Rolle spielen werden.
Toxische Cyanobakterienblüten führen bereits heute
zu Badeverboten. Es ist in Zukunft mit einer Zunahme von toxischen Cyanobakterienblüten zu rechnen,
die eine Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier
darstellen können und dadurch den Erholungswert
von Freizeitgewässern drastisch einschränken
werden. Eine gute und fundierte Kenntnis der
vorhandenen Arten und ihrer Toxine bildet daher die
Basis für gezielte Monitoringstrategien, damit auch
in Zukunft eine sorgenfrei Nutzung von Gewässern
möglich sein wird.
123
124
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
PD Dr. Andreas Philipp, MSc. Annette Straub, MSc.
Verena Fricke; Institut für Geographie Universität
Augsburg, Dr. Michael Gerstlauer, Universitätsklinik
Augsburg, Dr. Atanasios Damialis, MSc. Daniela
Bayr; Technische Universität München
Gewitterbedingtes
Asthma in Bayern
Klimaprojektionen für das 21. Jahrhundert deuten auf
eine künftige Zunahme der Gewittertätigkeit im
Alpenraum sowie im Alpenvorland hin (Schefzyk,
Heinemann 2017). Neben direkten Auswirkungen
von Gewittern z. B. durch Windböen, Blitzschlag und
Starkregen gibt es Hinweise auf indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit in zeitlicher
und räumlicher Nähe zu Gewittern durch die Häufung allergisch bedingter, akuter Asthmaanfälle. Das
bisher schwerste dieser sogenannten ThunderstormAsthma Ereignisse wurde in Melbourne 2016
verzeichnet und führte zu einem Kollaps des Rettungsdienstsystems, in dessen Folge neun Menschen starben (Hew et al. 2019). Als Wirkmechanismus spielt nach bisherigem Kenntnisstand die
Mobilisierung von Pollen durch Windböen vor einem
Gewitter eine wichtige Rolle. Die Zerstörung der
Pollenhülle und Freisetzung von lungengängigen
Fragmenten, möglicherweise durch den Kontakt mit
Wolken- oder Niederschlagswasser, ist ein weiterer
Faktor. Inwiefern auch die elektrische Ladung in
Gewitterwolken eine Rolle spielt ist unklar.
Im Rahmen des Verbundprojekts „Klimawandel und
Gesundheit“, gefördert durch die Bayerischen Staatsministerien für Umwelt und Verbraucherschutz sowie
für Gesundheit und Pflege, wird das Auftreten von
Thunderstorm-Asthma in Bayern untersucht. Herangezogen werden Niederschlagsradardaten des DWD,
Blitzdaten der Firma Siemens zur Gewitterdetektion
sowie Daten zu Notdiensteinsätzen bei Atemwegsbeschwerden der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayern für den Zeitraum Januar 2010 bis Juli 2018. In
Abb. 67 ist zu erkennen, dass die Häufigkeiten der
allergisch bedingten Atemwegsnotfälle in Bayern, im
Gegensatz zu nicht-allergischen Notfällen, aufgrund
medizinischer Verbesserungen zwar deutlich zurück
gegangen sind, jedoch immer noch eine bemerkenswerte Zahl pro Jahr darstellen, die durch Vorwarnung
evtl. weiter reduziert werden kann, insbesondere da
ein allgemeiner Anstieg von Allergien befürchtet wird
(Reinmuth-Selzle et al. 2017).
Die beobachtete Anzahl der Tage mit gleichzeitigem
Auftritt von Gewittern und Notfällen im Vergleich zu
statistischen Erwartungswerten kennzeichnet
hierbei die Stärke des Zusammenhangs und wird auf
Überzufälligkeit untersucht. In Abb. 68 ist für die
Postleitzahlengebiete Bayerns dargestellt, wie viele
Notfälle zusätzlich zum üblichen Erwartungswert bei
Gewittern zu verzeichnen sind.
Abb. 67: Entwicklung der Anzahl der Notarztdienstfälle bei Atemwegsbeschwerden in Bayern. Schwarz: allergisches Asthma und
Heuschnupfen; rot: sonstige Fälle (Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern KVB).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Für diese ganzjährige Betrachtung aller Notfälle mit
Atemwegsbeschwerden ist festzustellen, dass die
überwiegende Anzahl der Postleitzahlengebiete nur
schwache Anzeichen eines Zusammenhangs zeigen,
die sich auch hinsichtlich des Vorzeichens uneinheitlich darstellen. Einige Regionen weisen jedoch
signifikante Häufungen von Tagen mit Gewittern und
Notruffällen auf. Insbesondere in den Ballungsräumen München, Ingolstadt und Nürnberg stellt sich
der Zusammenhang jedoch teilweise auch umgekehrt dar (weniger Tage mit gleichzeitigen Gewittern
und Notrufen als erwartet). Mögliche Einflüsse des
Verhaltens und der Gesundheitsversorgung können
hier eine Rolle spielen. Weitere Untersuchungen
sind hierzu geplant.
Als vorläufiges Ergebnis lässt sich bisher eine relativ
schwache, jedoch in etlichen Fällen signifikante
Häufung von Notruffällen aufgrund von Atemwegsbeschwerden an Gewittertagen feststellen, wobei
diese Gleichzeitigkeit an bis zu 7 Tagen häufiger als
erwartet auftritt. Momentan wird demnach die
Gefahr einer starken Häufung von Notrufen an
Gewittertagen als gering angesehen. Ob sich dies
bei zunehmender Gewittertätigkeit und zunehmenden allergischen Beschwerden künftig ändert, ist
weiteren Untersuchungen vorbehalten.
Harun N.-S., P. Lachapelle, J. Douglass (2019):
Thunderstorm-triggered asthma: what we know so
far. Journal of Asthma and Allergy, 12, 101–108.
Hew M., Lee J., Susanto NH., et al. (2019): The 2016
Melbourne thunderstorm asthma epidemic: Risk
factors for severe attacks requiring hospital admission. Allergy. 74, 122–130.
Reinmuth-Selzle K., C.J. Kampf, K. Lucas et al.
(2017): Air Pollution and Climate Change Effects on
Allergies in theAnthropocene: Abundance, Interaction, and Modification of Allergens and Adjuvants.
Environ. Sci. Technol., 51, 4119–4141.
Schefczyk, L, G. Heinemann (2017): Climate change
impact on thunderstorms: Analysis of thunderstorm
indices using high-resolution regional climate simulations. In: Meteorologische Zeitschrift, 26: 4, 409–419.
Abb. 68: Differenz zwischen beobachteter und erwarteter
Anzahl der Tage, an denen sowohl Gewitter als auch
Notfälle auftreten, für die Postleitzahlengebiete in
Bayern. Signifikante Werte (Chi-Quadrat-Test mit
Sicherheitswahrscheinlichkeit 90 %) sind durch
schwarze Umrandung hervorgehoben. Inkludiert
sind alle Tage zwischen Januar 2010 und Juni 2018.
Zur Definition der Gleichzeitigkeit von Gewittertagen
und Tagen mit asthmabedingten Notfällen wurde die
Entfernung zwischen Gewittern und Zentrum des
Postleitzahlengebietes auf max. 10 km beschränkt.
125
126
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.7 Katastrophenschutz
4.7.1
Ausgangslage
Der Katastrophenschutz in Bayern folgt dem Grundsatz: „eine nahtlose Zusammenarbeit von Staat,
Behörden, Verbänden und Ehrenamtlichen macht
uns stark!“ Staatliche Behörden erarbeiten dabei
Grundlagendaten zu Naturgefahren. Sie beraten
Gemeinden und Öffentlichkeit, beispielsweise über
das Geoportal Bayern25 zu überschwemmungsgefährdeten Gebieten sowie der regionalen Gefahrenlage gegenüber Georisiken und Lawinen. Die
effektivste und kostengünstigste Schutzmaßnahme
kann hier durch raum- und bauleitplanerische
(Kap. 4.8 und 4.9) Maßnahmen erfolgen: Besonders
gefährdete Gebiete sollten möglichst nur für jene
Nutzungen freigegeben werden, bei welchen die
jeweiligen Naturereignisse ein geringes Schadenpotential aufweisen. Kann der Katastrophenfall trotz
präventiver Maßnahmen nicht verhindert werden,
so können in Bayern zur Bewältigung der Ereignisse
über 450.000 ehrenamtliche und 20.000 hauptamtliche Einsatzkräfte der Feuerwehren, freiwilligen
Hilfsorganisationen und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) mobilisiert werden. Dieses
enorme Potential bietet die beste Gewähr für einen
effektiven Katastrophenschutz.
25
https://geoportal.bayern.de/bayernatlas/
Extrem- und Naturereignisse wie Hochwasser,
Stürme, Hagel, Lawinen, Murenabgänge und
Waldbrände werden durch den Klimawandel oftmals
häufiger und intensiver auftreten. Wird die veränderte Gefährdungslage systematisch erhoben und
kommuniziert, so können Strategien und Maßnahmen zum Katastrophenschutz im Rahmen eines
angemessenen Risikomanagements die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Katastrophenschutz
folgendes Handlungsziel [55]:
• Der Bewältigung und Abwehr von Naturkatastrophen ist vor dem Hintergrund der sich ändernden
klimatischen Verhältnisse und deren Folgen eine
besondere Bedeutung beizumessen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.8 Raumordnung
Kurz gesagt,
• Zum Schutzgut Klima und Luft: Aufgrund der
steigenden Anzahl an Tagen über 30 °C (sog.
Hitzetage) allein bis zum Jahr 2050, nimmt die
Bedeutung eines effektiven Luftaustauschs
zwischen von Hitze belasteten Räumen und
Frischluft- bzw. Kaltluftentstehungsgebieten zu.
Aktuell wird eine computergestützte Klimaanalyse
für ganz Bayern durchgeführt, deren Ergebnisse in
Klimaanalyse- und Planungshinweiskarten münden. Sie liefern damit wichtige Grundlagen für die
Landes- und Regionalplanung, zu deren Aufgaben
auch die planerische Sicherung eines effektiven
Luftaustauschs zählt.
4.8.1
Ausgangslage
Die Raumordnung beschäftigt sich mit der räumlichen Entwicklung und Ordnung Bayerns. Im Sinne
einer nachhaltigen Raumentwicklung sollen die
ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Ansprüche an den Raum gleichermaßen berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist, entsprechend
des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG), den räumlichen Erfordernissen von Klimaschutz
und -wandel Rechnung zu tragen. Hierfür sollen
sowohl Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch solche, die der Anpassung an
den Klimawandel dienen, ergriffen werden. Die
Raumordnung kann mit Hilfe von formellen sowie
informellen Instrumenten einen entscheiden Beitrag
zur Umsetzung solcher Maßnahmen auf regionaler
Ebene in vielen Handlungsfeldern leisten [117]. Sie
gilt deshalb als Querschnittssektor der bayerischen
Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016).
Die wichtigsten räumlichen Planungsinstrumente in
Bayern sind das Landesentwicklungsprogramm (LEP)
und die Regionalpläne der 18 Planungsregionen.
Deren Vorgaben werden von der Bauleitplanung vor
Ort umgesetzt (Kap. 4.9). Beispielsweise können mit
Hilfe von landschaftlichen Vorbehaltsgebieten und
regionalen Grünzügen klimarelevante Freiflächen von
Bebauung freigehalten werden. Solche klimarelevanten Freiflächen können etwa Kaltluftproduktions
flächen sein, die bei einem Luftaustausch mit Stadt-
und Verdichtungsgebieten gesundheitsgefährdenden
Hitzestress verringern und Luftverunreinigungen
abbauen.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Raumordnung unter
anderem folgendes Handlungsziel [55]:
• Die Raumordnung koordiniert Raumnutzungen auf
Landes- und Regionalebene unter Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels.
4.8.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
Schutzgut Klima und Luft
Atmosphärische Einflussgrößen – Licht, Feuchtigkeit,
Temperatur, Wind, Staub, Pollen, Abgase, etc. – wirken auf den menschlichen Organismus ein und
definieren das sogenannte Bioklima. Ausgeglichene
thermische Bedingungen und weitgehende Luftreinheit fördern Gesundheit und Wohlbefinden des
Menschen und somit ein hochwertiges Bioklima.
Dies zu gewährleisten ist Aufgabe des Schutzgutes
Klima und Luft: Gemäß § 9 Abs. 1 BNatSchG in
Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr.4 BNatSchG sollen
insbesondere Flächen mit günstiger lufthygienischer
oder klimatischer Wirkung wie Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete oder Luftaustauschbahnen
durch entsprechende Maßnahmen geschützt
werden.
Auswirkungen auf das Schutzgut Klima und Luft
Im Zeitraum 1951 bis 2019 wurde ein positiver Trend
der Tage mit Temperaturen über 30 °C (sog. Hitzetage) beobachtet, welcher bayernweit im Schnitt 8,5
zusätzliche Hitzetage aufweist (Kap. 3.1). Ausgehend
von im Mittel 4 Hitzetagen im Zeitraum 1971–2000
sind in naher Zukunft (2021–2050) 3 bis 5 zusätzliche
Hitzetage wahrscheinlich. Im worst-case könnten in
Bayern in naher Zukunft (2021–2050) sogar bis zu 11
zusätzliche und somit durchschnittlich +15 Hitzetage
pro Jahr entstehen (Kap. 3.1). In regionalen Hot-Spot
Regionen können sich solche Trends noch ausgeprägter herausbilden als im bayernweiten Mittel.
127
128
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Beispielsweise sind in Stadt- und Verdichtungsräumen aufgrund des sogenannten Wärmeinseleffekts
die Temperaturen bisweilen um einige Grad Celsius
höher als im regionalen Umland. Hitzetage werden,
insbesondere in Kombination mit hoher Luftfeuchte
und schwachem Wind, vom Menschen als Belastung
empfunden. Des Weiteren werden bei Hitzestress
die Leistungsfähigkeit vermindert und Erkrankungen
des Herz-Kreislauf Systems, Stoffwechselstörungen
sowie Erkrankungen der Nieren und Atemwege
befördert [117].
Der Klimawandel und das Schutzgut Klima und Luft
stehen also in enger Beziehung zueinander:
• Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin
erwartete Zunahme der Anzahl an Tagen mit
Temperaturen über 30 C (sog. Hitzetage) wird
die Wärmebelastung der bayerischen Bevölkerung
und Umwelt weiter erhöhen.
• In besonders betroffenen Regionen ist dem
Luftaustausch mit regionalen wie überregionalen
Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebieten eine
zunehmende Bedeutung beizumessen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Um dem regionalen Anstieg der Hitzetage in besonders betroffenen Regionen entgegenzuwirken,
können auf Grundlage des Landesentwicklungsprogramms (LEP) Bayern Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete, beispielsweise Moor- und Auenlandschaften (Kap. 4.4 und 4.5) oder Waldgebiete
(Kap. 4.3), als landschaftliche Vorbehaltsgebiete oder
regionale Grünzüge ausgewiesen werden. Während
landschaftliche Vorbehaltsgebiete den Belangen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege eine
besondere Bedeutung beimessen (LEP 7.1.2), dienen
regionale Grünzüge der Gliederung von Siedlungsräumen, der Verbesserung des Bioklimas oder der
Erholungsvorsorge. Sie sind vor Flächenumwidmungen weitgehend geschützt. Um einen Luftaustausch
zwischen Frisch- und Kaltluftentstehungsgebieten
und den besonders belasteten „Hot-Spots“ in
Stadt- und Verdichtungsräumen zu gewährleisten,
ist der Erhalt und Ausbau von Luftleitbahnen im
Rahmen des Städtebaus und der Bauleitplanung
(Kap. 4.9) von großer Bedeutung.
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und
Verbraucherschutz (StMUV) und das Bayerische
Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung
und Energie (StMWi) haben dem Bayerischen
Landesamt für Umwelt (LfU) den Auftrag erteilt,
eine landesweite Karte zum Schutzgut Klima und
Luft zu erstellen. Um Hitzeregionen zu entlasten
finden in Bayern durch das genannte Projekt folgende Maßnahmen statt:
• Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebiete, Luftleitbahnen, bioklimatisch besonders belastete
Gebiete und die Wirkzusammenhänge zwischen
belasteten Räumen und Ausgleichsräumen
werden durch ein dreidimensionales, mesoskaliges Klimamodell (FITNAH) berechnet.
• Klimaanalyse- und Planungshinweiskarten zum
Schutzgut Klima und Luft, welche Grundlage für
die regionale Raumplanung sein können, werden
erstellt.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 69: Die hier dargestellte Schutzgutkarte Klima und Luft aus dem Landschaftsrahmenplan der Region Donau-Wald zeigt beispielhaft
auf, welche Inhalte u. a. in der landesweiten Schutzgutkarte Klima und Luft analysiert werden.
129
130
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.9 Städtebau/Bauleitplanung
Kurz gesagt,
• zur Hitzebelastung in Städten: Städte heizen
sich in Zeiten des Klimawandels besonders auf.
Bereits auf Ebene der städtebaulichen Planung
müssen langfristige Weichen gestellt werden, um
diesem Effekt entgegenwirken zu können.
4.9.1
• zur Hochwasser- und Starkregengefahr in
Städten: Städte sind in besonderem Maße durch
die zunehmenden Hochwasser- und Starkregenereignisse betroffen. Neben dem Ausbau vorhandener Schutzmaßnahmen muss hier auch die
städtebauliche Planung vorausschauend reagieren.
Ausgangslage
Abb. 70: Zusammenspiel der unterschiedlichen Planungsebenen (Quelle: Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Die städtebauliche Planung liegt in der Verantwortung der Städte und Gemeinden im Rahmen ihrer
verfassungsrechtlich garantierten kommunalen
Planungshoheit. Schranken und Grenzen dieser
Planungshoheit stellen dabei die Erfordernisse der
Raumordnung dar. Gemäß Baugesetzbuch sind die
gemeindlichen Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Grundlegende Ziele, die für
die Entwicklung des ganzen Landes bedeutsam
sind, werden von der Staatsregierung nach einem
umfangreichen Beteiligungsprozess im Landesentwicklungsprogramm festgelegt. Gleiches geschieht
auf Ebene der 18 bayerischen Planungsregionen
für regional bedeutsame Ziele durch die regionalen
Planungsverbände in den Regionalplänen (Kap. 4.8).
Beide planerischen Vorgaben sind schließlich von
den Kommunen bei der Erstellung ihrer Bauleitpläne
ebenso zu beachten wie etwaige verbindliche
Vorgaben sektoraler Fachplanungen oder die Ergebnisse informeller Planungen.
Im Flächennutzungsplan stellen die Städte und
Gemeinden ihre grundlegenden Entwicklungsziele
für einen mittelfristigen Zeitraum dar. Mit den
Bebauungsplänen konkretisieren sie die bauliche
Entwicklung in einem bestimmten Gebiet. Durch
Festsetzung z. B. des Maßes der baulichen Nutzung,
der überbaubaren Grundstücksflächen oder der
örtlichen Frei- und Grünflächen werden hier bereits
wichtige Weichen für die Klimaanpassung eines
Stadtviertels gelegt. Zu beachten ist hierbei, dass
die Planungshorizonte im Städtebau lang sind. Sind
Flächen einmal mit einer bestimmten baulichen oder
gesellschaftlichen Nutzung überplant (beispielsweise
als Wohn- oder Naherholungsgebiet), so wird diese
Zuordnung häufig über Jahrzehnte oder sogar über
Jahrhunderte bestehen bleiben. Folglich gilt: der
Stadtplaner von heute muss die Grundbedürfnisse
des städtischen Lebens von morgen möglichst
akkurat umfassen.
Der Klimawandel wirkt sich in besonderem Maße
auf die Städte aus. Durch die hohe Bevölkerungsdichte sind hier besonders viele Menschen auf
vergleichsweise geringer Fläche von seinen Auswirkungen betroffen. Durch ihn ausgelöste Naturereig-
nisse wie z. B. Hitzewellen oder auch Hochwasserund Starkregenereignisse werden durch den hohen
Versiegelungsgrad noch weiter verstärkt. Neben der
besonderen Gefährdung der Bevölkerung steigt
zudem auch die Gefahr hoher Sachschäden.
Im Angesicht des Klimawandels sind die zwei
menschlichen Grundbedürfnisse nach Sicherheit und
Wohlbefinden besonders zu beachten. Erstens nimmt
das Risiko, das von Naturgefahren ausgeht, zu. Die
Hochwassergefährdung kann sich, je nach Umsetzungsstand von Anpassungsmaßnahmen, regional
verstärken und die Gefahr von Sturzfluten wird in
ganz Bayern zunehmen (Kap. 4.1). Regional kann sich
die Gefahr von Georisiken erhöhen, mit negativen
Folgen für Sachwerte, vereinzelt sogar für Leib und
Leben. Zweitens verändert sich das Bioklima in den
Städten (Kap. 4.8.2.1). Unter anderem verschärft der
sogenannte Wärmeinseleffekt die ohnehin durch den
Klimawandel steigende (sommerliche) Hitzebelastung
der städtischen Bevölkerung Bayerns (Kap. 4.9.2).
Eine vorausschauende Bauleitplanung berücksichtigt
solche vorhersehbaren Auswirkungen des Klimawandels. Sie trägt nicht nur zu einem lebenswerten
Wohn- und Arbeitsumfeld bei, sondern kann darüber
hinaus künftige Kosten für Anpassungsmaßnahmen
an den Klimawandel reduzieren.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Städtebau / Bauleitplanung unter anderem folgendes Handlungsziel [55]:
• Vorrangiges Ziel ist die Erhaltung gesunder
Lebens-, Wohn-, Arbeits- und Umweltverhältnisse
angesichts der erwarteten Klimawandelfolgen im
Siedlungsbereich. Dies soll besonders im Rahmen
einer nachhaltigen, klimaschonenden und ökologischen Siedlungsentwicklung erreicht werden.
• Eine wichtige Rolle spielt dabei das 2013 gegründete und vom Bayerischen Staatsministerium
für Umwelt und Verbraucherschutz finanzierte
„Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK)“.
Das ZSK vereint die Themenbereiche der Stadtund Landschaftsplanung, Architektur, Ingenieurwissenschaften sowie Ökologie. Ziel des interdis-
131
132
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 71: Temperaturunterschiede um 4 Uhr morgens in München (Quelle: Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und
Umwelt (2014), Klimafunktionskarte).
ziplinären Teams aus Wissenschaftlern und
Wissenschaftlerinnen ist es, praktische Handlungsempfehlungen für Städte und Kommunen in
Bayern zu erarbeiten, die zeigen, wie mit Hilfe der
Ökosystemdienstleistungen der grünen Stadtnatur
(z. B. Beschattung, Wasserspeicherung, Befeuchtung) die nachhaltige Stadt der Zukunft an die
Folgen des Klimawandels angepasst werden kann.
4.9.2
Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.9.2.1
Hitzebelastung in Städten
In einem Baugebiet steigt der langfristige Mittelwert
der Lufttemperatur pro 10 % Versiegelungsanteil um
ca. 0,2 °C gegenüber der unbebauten Umgebung an.
Wie eine Stadtklimaanalyse der Landeshauptstadt
München verdeutlichte, können sich an einzelnen
Tagen Teilregionen von Großstädten sogar teils deutlich
mehr als 5 °C im Vergleich zum Umland erwärmen [55].
Die Stadt stellt in solchen Fällen eine Wärmeinsel im
Vergleich zum Umland dar, weshalb dieses Phänomen
auch Wärmeinseleffekt genannt wird.
Auswirkungen der Hitzebelastung in Städten
Die durch den hohen Versiegelungsgrad ohnehin
höheren Temperaturen in den Städten werden durch
den Klimawandel noch weiter zunehmen. Besonders
kritisch sind dabei weniger einzelne heiße Tage als
vielmehr länger anhaltende Perioden von Hitzetagen
und Tropennächten.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Hitzetage werden, insbesondere in Kombination mit
dem Auftreten von Tropennächten, bei welchen die
Temperaturen in der Nacht nicht unter 20 °C abkühlen, vom Menschen als Belastung empfunden
(Kap. 4.8.2.1). Des Weiteren wird die Leistungsfähigkeit vermindert und Erkrankungen des Herz-Kreislauf
Systems, Stoffwechselstörungen sowie Erkrankungen der Nieren und Atemwege werden befördert
(Kap. 4.6.2.1; [117]).
Der Klimawandel führt in Städten in besonderem
Maße zu belastenden und gesundheitsgefährdenden
Temperaturbedingungen:
• Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin
erwartete Zunahme der Anzahl der Tage mit
Temperaturen über 30 °C (sog. Hitzetage) und der
Nächte über 20 °C (sog. Tropennächte) erhöht die
Wärmebelastung der städtischen Bevölkerung
Bayerns aufgrund des Wärmeinseleffekts in
besonderem Maße.
Umsetzung von Klimaanpassung
Städte sind aufgrund des Wärmeinseleffekts in
besonderem Maße auf die Zufuhr von Frisch- und
Kaltluft aus dem Umland angewiesen. Der Schaffung
und dem Erhalt von regionalen wie überregionalen
Kaltluftentstehungsgebieten sowie Luftaustauschbahnen kommt hierbei eine große Bedeutung zu
(Kap. 4.8). Auf landesplanerischer Ebene sollte daher
einer weiteren Zersiedelung der freien Landschaft,
die zu einer Beeinträchtigung der Frischluftzufuhr in
die Städte führen kann, entgegengewirkt werden.
Bei der städtebaulichen Planung ist darauf zu achten,
die Luftaustauschbahnen auch im innerörtlichen
Bereich möglichst frei von Bebauung und sonstiger
Versiegelung zu halten. Frischluftschneisen eignen
sich beispielsweise in besonderem Maße zur
Herstellung überörtlicher Grünverbindungen, die
nicht nur klimawirksam sind, sondern auch Möglichkeiten für die Naherholung der ortsansässigen
Bevölkerung bieten.
Aber nicht nur großräumige Planungen haben
Einfluss auf das Binnenklima einer Stadt. Auch mit
kleinmaßstäblichen Anpassungsmaßnahmen kann
der Erwärmung entgegengewirkt werden. Da
insbesondere der Versiegelungsgrad maßgeblichen
Einfluss auf die Aufheizung der Städte hat, kommt
der Ausstattung der Städte mit grüner und blauer
Infrastruktur, also mit Grün-, Frei- und Wasserflächen,
eine große Bedeutung zu. Die Umweltinitiative
Stadt.Klima.Natur soll, im Zuge der Bayerischen
Klimaschutzoffensive und in Zusammenarbeit mit
Verbänden (z. B. Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Städtetag, Architektenkammer) und Fachinstitutionen wie dem „Zentrum für Stadtnatur und
Klimaanpassung“, Instrumente für die Stärkung
grüner und blauer Infrastruktur in Städten entwickeln
und bündeln. Ziel ist es, die Städte bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Eine große Herausforderung stellt dabei die
Nachverdichtung dar. Diese ist angesichts des
vorhandenen Bedarfs an zusätzlichem Wohnraum
und des anhaltend großen Flächenverbrauchs
unbedingt notwendig, kann aber zu einer weiteren
Zunahme versiegelter Flächen in den vorhandenen
Siedlungsbereichen führen. Hier kann eine konsequente Entsiegelung nicht mehr benötigter, brachgefallener Flächen entgegenwirken. Mit der Förderinitiative „Flächenentsiegelung“ im Rahmen der
Städtebauförderung können entsprechende Maßnahmen in Bayern auch in besonderem Maße
finanziell und fachlich unterstützt werden. Bei der
Ausweisung neuer Bauflächen oder der Überplanung
von bestehenden Siedlungszusammenhängen im
Zuge der Nachverdichtung sollten schließlich die
Möglichkeiten des Baugesetzbuchs zur Gewährleistung klimaangepasster Siedlungsstrukturen konsequent genutzt werden. So lassen sich über die
Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB nicht
nur die städtebauliche Dichte, der Anteil der überbauten Grundstücksflächen oder Lage und Größe
von öffentlichen und privaten Grünflächen regeln,
sondern beispielsweise auch detaillierte Vorgaben zu
133
134
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Art und Umfang von Bepflanzungen, zum Umgang
mit anfallendem Oberflächenwasser oder zur Art
von Bodenbelägen machen. Ein sensibler Umgang
mit diesen Möglichkeiten kann bereits auf Ebene der
städtebaulichen Planung einer zu starken Überhitzung von Quartieren entgegenwirken. Das vom
Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und
Verkehr alle zwei Jahre veröffentlichte Nachschlagewerk „Planungshilfen für die Bauleitplanung“ [118]
enthält aktuelle und praxisnahe Hinweise für die
Ausarbeitung und Aufstellung von Bauleitplänen. Ein
besonderes Augenmerk liegt auf den Aspekten Energieeffizienz, Klimaschutz und Klimaanpassung. Für
die planerische Umsetzung in Flächennutzungs- bzw.
Bebauungsplänen werden klimawirksame Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten beschrieben.
Um dem Wärmeinseleffekt entgegenzuwirken,
sollten folgende Maßnahmen im Zuge der Bauleitplanung verstärkt berücksichtigt werden:
• Minimierung der versiegelten Flächen z. B. durch
kompakte, flächensparende Baukörper, die Verwendung versickerungsfähiger Bodenbeläge und
die ausreichende Bereitstellung von Grün- und
Freiflächen.
• Sicherstellung der Frischluftzufuhr durch entsprechende Stellung und Positionierung der vorgesehenen Baukörper.
• Nutzung des Klimaeffekts von Pflanzen (Verschattung, Erzeugung von Verdunstungskälte) bei der
Konzeption der Grünordnung.
• Nutzung der Kühlwirkung von Wasser, z. B. durch
offene Wasserflächen in den öffentlichen Freiflächen oder die oberflächen- und naturnahe Versickerung von Wasser.
4.9.2.2
Gefahr durch Hochwasser- und
Starkregenereignisse in den Städten
Durch die Klimaerwärmung werden sich in Zukunft
häufiger Wetterlagen einstellen, die zu Hochwasseroder Starkregenereignissen führen können. Dabei
stellen vor allem letztere eine große Herausforderung dar, da sie im Vergleich zu Hochwässern nur
schwer örtlich genau prognostizierbar sind. Der hohe
Versiegelungsgrad der Städte verstärkt das Schadund Gefährdungspotential solcher Ereignisse noch
zusätzlich.
Auswirkungen von Hochwasser- und
Starkregenereignissen in Städten
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasser- und Starkregenereignisse werden ausführlich in
Kap. 3.3 und 4.1.2.4 beschrieben. Hochwasser- und
Starkregenereignisse stellen die Stadtplanung in
vielerlei Hinsicht vor eine große Herausforderung:
• Der hohe Versiegelungsgrad führt zu einem
beschleunigten Durchfluss und einer verlangsamten Versickerung von Wasser
• Bauliche Strukturen stellen häufig eine Barriere für
den Abfluss von Wasser dar und können zu
Aufstauungen führen. Durch die hohe Bevölkerungsdichte in den Städten sind vergleichsweise
viele Menschen von einem lokalen Hochwasseroder Starkregenereignis betroffen. Die entstehenden Schadenssummen sind in der Regel deutlich
höher als in unbesiedelten oder nur schwach
besiedelten Gebieten
Umsetzung von Klimaanpassung
Zahlreiche Maßnahmen, die zu einer Reduzierung
der Aufheizung von Städten beitragen (Kap 4.9.2.1),
können sich auch positiv auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber Hochwasser- und Starkregenereignissen auswirken. So helfen ein z. B. durch kompakte
Bauweise minimierter Versiegelungsgrad und das
Verwenden versickerungsfähiger Bodenbeläge –
wo immer möglich – die Risiken gerade durch
Starkregenereignisse zu vermindern. Naturnahe
Versickerungssysteme wie Rigolen und ausreichend
Retentionsflächen sind nicht nur unverzichtbare
Elemente eines nachhaltigen Wassermanagements,
sondern tragen auch zur Abkühlung der Städte bei
und können bei richtiger Gestaltung zu einer Aufwertung der städtebaulichen Qualität der Quartiere
führen.
Bei Neuplanungen sind die Risiken von Hochwasserund Starkregenereignissen immer schon zu Beginn
des Planungsprozesses zu berücksichtigen. Keines-
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
falls sollte versucht werden, eine fertige städtebauliche Planung im Nachhinein „hochwassersicher“
zu machen. Hierfür ist eine genaue Kenntnis der
Rahmenbedingungen im Plangebiet erforderlich.
Folgendes Vorgehen bietet sich hierfür an:
• Analyse der Gefährdungslage:
u. a. Ermittlung und Bewertung der Häufigkeit und
Eintrittswahrscheinlichkeit von Hochwasser- und
Starkregenereignissen, der zu erwartenden
Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten und der
zu erwartenden Vorwarnzeiten
• Einschätzung der Gefahren für Leben und Gesundheit:
u. a. Anzahl der potentiell zu evakuierenden
Personen, Anfahrbarkeit für Einsatzkräfte, sichere
Fluchtwege
• Einschätzung der Auswirkungen einer Planung auf
die Hochwassersituation:
u. a. Analyse des Einflusses auf das Abflussverhalten oder den zu erwartenden Wasserspiegel,
Ausgleich eines möglichen Verlusts an Retentionsflächen
• Anpassung der vorgesehenen Bebauung an die
örtliche Situation:
u. a. Vermeidung von wassergefährdenden Stoffen
wie Ölheizungen, Minimierung der Auswirkungen
bei Überflutung von Keller- oder Erdgeschossen
durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan
Eine Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten sollte dabei folgende vier Grundprinzipien in dieser Reihenfolge berücksichtigen:
• Vermeiden (Baugebietsausweisungen und insbesondere die Ansiedlung bestimmter kritischer
Nutzungen sollten, wenn möglich andernorts
erfolgen)
• Ausweichen (Errichtung baulicher Anlagen in
erhöhter Lage)
• Widerstehen (Schutz baulicher Anlagen vor
eindringendem Wasser)
• Anpassen/Nachgeben (planmäßige Flutung)
Das Baugesetzbuch bietet im § 9 zahlreiche Festsetzungsmöglichkeiten, um Bauleitplanungen an die
konkrete Hochwasser- und Starkregengefahren vor
Ort anzupassen. Über die Festsetzung der Art der
baulichen Nutzung können kritische und besonders
hochwassergefährdete Nutzungen (z. B. evakuierungsintensive Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder Seniorenheime) im Plangebiet ausgeschlossen werden. Durch die Festsetzung der
überbaubaren Grundstücksfläche kann der Versiegelungsgrad begrenzt und die Stellung der Baukörper
so gesteuert werden, dass im Ernstfall der Hochwasserabfluss nicht behindert wird. Neu sind die
Regelungen des § 9 Abs. 1 Nr. 16, wonach nicht nur
Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft
sowie Flächen für Hochwasserschutzanlagen
festgesetzt, sondern auch Gebiete definiert werden
können, in denen bei der Errichtung baulicher
Anlagen bestimmte bauliche oder technische
Maßnahmen getroffen werden müssen, die der
Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen.
Eine genaue Erläuterung aller möglichen Anpassungsmaßnahmen in der Bauleitplanung enthält die
von den Staatsministerien für Wohnen, Bau und
Verkehr und für Umwelt und Verbraucherschutz
herausgegebene Arbeitshilfe „Hochwasser- und
Starkregenrisiken in der Bauleitplanung“ [119].
135
136
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Prof. Dr. Thomas Rötzer, Dr. Astrid Reischl, Dr.
Mohammad Rahman, Prof. Dr. Stephan Pauleit, Prof.
Dr. Hans Pretzsch; Stadtbäume im Klimawandel –
Wachstum, Leistungen und Perspektiven. Forschungsverbund Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK)
Die Leistungen von Stadtbäumen für das Stadtklima
Stadtbäume sind ein wesentlicher Bestandteil
städtischer Freiräume. Neben ihren ästhetischen
Funktionen für das Stadtbild und ihrer Erholungsfunktion für den Menschen können Stadtbäume
auch das Klima und den Wasserhaushalt eines
Standorts beeinflussen. So kühlen Bäume ihre
Umgebung durch Transpiration, beschatten durch ihr
Blätterdach, setzen Sauerstoff frei, speichern Kohlenstoff aus der Atmosphäre und mindern den Abfluss
von Regenwasser. Angesichts der erhöhten Lufttemperaturen in Städten und den Auswirkungen
des Klimawandels wird der Einfluss der grünen
Infrastruktur – insbesondere von langlebigen Bäumen – für das Klima einer Stadt immer wichtiger.
Jedoch gibt es kaum anwendungsfreundliches
Wissen über das Wachstum und die Umweltleistungen verschiedener Stadtbaumarten und Altersklassen an unterschiedlichen Standorten.
Abb. 72: Entwicklung von Stadtbäumen über das Alter.
Abb. 73:
Ergebnisse des Baummodells – Jährliches Wachstum
der Winterlinde Tilia cordata in Bayern über eine
Altersspanne von 0 bis 100 Jahren in Abhängigkeit
des Versiegelungsgrades (blau 0 % bis dunkelrot 90 %).
Im Rahmen des Forschungsprojekts „City Trees“
wurden das Wuchsverhalten und die Umweltleistungen von vier häufig in bayerischen Städten vorkommenden Baumarten (Winterlinde, Robinie, Kastanie
und Platane) für das heutige Klima aber auch für ein
sich wandelndes Klima in Bayern untersucht. Auf
Basis umfangreicher Messungen – wie sie zum
Beispiel im Projekt Klimaerlebnis Würzburg erhoben
werden – und mittels Simulationen konnten erstmals
die Wuchs- und Umweltleistungen von Stadtbäumen
in Bayern unter derzeitigem und zukünftigem Klima
dargestellt werden. Abb. 73 stellt exemplarisch die
Zuwachsleistung der Winterlinde (Tilia cordata) von
0 bis 100 Jahren in Bayern dar. Farbig eingezeichnet
sind die jährlichen Zuwächse in Abhängigkeit von der
Bodenversiegelung von 0 bis 90 % (blau zu rot). Ein
negativer Einfluss der Bodenversiegelung auf den
Zuwachs der Bäume ist erkennbar. So zeigt eine
80 Jahre alte Winterlinde bei einem Versiegelungsgrad von 80 % einen um 25 % verminderten Zuwachs gegenüber 20 % Bodenversiegelung. Für die
Klimawandelanpassung bayerischer Städte wird die
Optimierung der Wuchsverhältnisse von Stadtbäumen, etwa durch Bodenentsiegelung, ein entscheidender Beitrag für die Klimawandelanpassung sein.
Zusammenfassend zeigt sich, dass Stadtbäume als
Teil des städtischen Grüns ein wichtiger Bestandteil
zukünftiger, klimaangepassster Stadtplanung sind.
Bei der Auswahl der Baumarten sind neben den
Arteigenschaften auch die Eignung für den Standort
und das Stadtklima sowie die gewünschten Ökosystemleistungen zu berücksichtigen.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
M.Sc. Sandra Rojas, Dr. Leonardo Teixeira, Prof. Dr.
Johannes Kollmann; Technische Universität München
(Renaturierungsökologie); Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (bayklif); Verbundprojekt
„LANDKLIF“
Renaturierung von Artenvielfalt und Ökosystemleistungen urbaner Grünflächen zur Verbesserung
der Klimaresilienz und
Invasionsresistenz
Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der
Aufwertung degradierter urbaner Grünflächen durch
Ansäen einheimischer Arten. Dabei könnte jedoch
der Klimawandel die Ansiedlung invasiver Neophyten
fördern, die bereits in vielen bayerischen Ökosystemen häufig geworden sind. Daher sind wichtige
Anforderungen an Grünflächenmischungen ihre
Resistenz gegen invasive Arten und Resilienz
gegenüber extremer Witterung. In dem Projekt wird
daher der Einfluss von drei Faktoren auf die Etablierung invasiver Neophyten untersucht: (i) die Aussaatdichte (‚propagule pressure‘) der invasiven Arten, (ii)
die Resistenz der Pflanzengemeinschaften gegen
Invasionen sowie (iii) die direkten und indirekten
Folgen extremer Witterung.
Abb. 74: Die invasive
Riesen-Goldrute (Solidago
gigantea) stammt aus
Nordamerika.
Abb. 75: Klimakammern
in TUMmesa mit
experimentellen
Grünlandgemeinschaften.
Dazu wurde ein Experiment mit der invasiven
Riesen-Goldrute (Solidago gigantea, Abb. 74) und
zwei einheimischen Grünlandmischungen in Klimakammern von TUMmesa durchgeführt. Hier wurden
Hitzewellen und Überflutungen simuliert und der
Etablierungserfolg der einheimischen Gemeinschaften und der invasiven Art erfasst (Abb. 75). – Die
Aussaatdichte der invasiven Art war besonders
wichtig für ihre Ansiedlung: Je mehr Samen früh
in der Vegetationsentwicklung ankamen, desto
häufiger trat die Goldrute auf und wirkte sich negativ
auf die Etablierung der einheimischen Arten aus
(Abb. 76). Die Etablierung der invasiven Art nahm
mit der Konkurrenzstärke der einheimischen Pflanzgemeinschaft ab. Hitzewellen über 35 °C hatten
einen schwach positiven Effekt auf die invasive
Art und wirkten sich negativ auf die einheimischen
Pflanzengemeinschaften aus, insbesondere, wenn
sie von schwach konkurrenzfähigen Arten dominiert
waren. Die Etablierung der invasiven Art wurde von
Überflutungen nicht beeinflusst.
Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Ausbreitung
invasiver Neophyten durch den Klimawandel gefördert
wird. Mögliche Gegenmaßnahmen bei Aufwertung
urbaner Grünflächen sind die Verwendung einheimischer Arten aus regionaler Produktion, und zwar mit
funktionellen Eigenschaften, die die Konkurrenzstärke
der Gemeinschaft erhöhen. Darüber hinaus wären
Eigenschaften der Pflanzenarten und Gemeinschaften
wichtig, die die Multifunktionalität der Grünflächen
und damit ihre Ökosystemleistungen erhöhen.
Abb. 76: Relativer Beitrag ökologischer Faktoren auf die
Etablierung einer invasive Goldruten-Art (blau:
positive Effekte; rot: negative Effekte; Zahlen in
Kästchen: Effektgröße).
137
138
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.10 Bauwesen
Kurz gesagt,
• Zu Schäden an Gebäuden: Der Klimawandel
kann die Gefährdungslage von Gebäuden gegenüber zahlreichen Schadensursachen verändern.
Durch die regelmäßige Fortschreibung der technischen Baubestimmungen wird der beobachtete
Wandel von Klima und Schadensursachen berücksichtigt.
• Zum Innenraumklima: In Zukunft verschlechtert
sich gerade für jene Gebäude das Innenraumklima, welche aufgrund ihrer baukonstruktiven
Ausgangsbedingungen, unzureichenden Sanierung, nachträglichen Nutzung der Dachgeschosse
oder unzureichenden Klimatisierung der Aufenthaltsräume bereits heute hohe sommerliche
Innenraumtemperaturen aufweisen. Um nachhaltige Energieeinsparungen zu erzielen sollte bei der
Bemessung des sommerlichen Wärmeschutzes
mindestens die bereits dokumentierte Klimaänderung berücksichtigt werden.
4.10.1 Ausgangslage
Rege Bautätigkeiten haben in Bayern die Wohnraumfläche pro Einwohner stetig gesteigert: im
Mittel pro Einwohner von 41,2 m2 im Jahr 1999 auf
über 48,3 m2 im Jahr 2019 (ein Anstieg von etwa
1,6 Prozent pro Jahr). Die Kombination neuer und
historischer Bauwerke prägen dabei eine bayerische
Kulturlandschaft, welche das Lebensgefühl in
bayerischen Regionen beeinflusst und für viele
Tourismusangebote von Bedeutung ist (Kap. 4.14).
Bauen wirkt sich unmittelbar sowohl auf die Menschen als auch auf die Umwelt Bayerns aus. Bei
allen Baumaßnahmen sind daher gleichermaßen
soziokulturelle, ökonomische und ökologische Aspekte, beispielsweise durch Akteure der Raumordnung
(Kap. 4.8) und Stadtplanung (Kap. 4.9), aufeinander
abzustimmen.
Ziele des Klimaschutzes bei der Konzeption von
Gebäuden und Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen – dies ist aktuell eine drängende Herausforderung im Bauwesen. Rund 40 Prozent des
Gesamtenergieverbrauchs in Bayern entfällt auf
den Gebäudesektor. Im Zuge der bayerischen
Abb. 77: Planung und Bemessung
Klimaschutzoffensive ermöglichen staatliche Fördermaßnahmen zu energieeffizientem Bauen und
Sanieren Eigentümern einen kostengünstigen
Umstieg auf klimaschonende gebäudebezogene
Technologien (z. B. im 10.000-Häuser-Programm26).
Im Angesicht eines auf Bundesebene beschlossenen stetig steigenden Preises für CO2-Emissionen
liegt es im ökonomischen Interesse jedes Eigentümers, solche staatlichen Fördermaßnahmen zeitnah
zu nutzen.
Die Art und Weise des Bauens wird jedoch nicht nur
durch die anstehende Dekarbonisierung des Gebäudesektors beeinflusst, sondern auch direkt durch
den voranschreitenden Klimawandel. Teils häufiger
auftretende Wetterextreme, beispielsweise Hagel,
Winterstürme oder Starkregen, können unmittelbare
Schäden verursachen. Z. B. können sich ändernde
Grundwasserstände die Standfestigkeit von Gebäuden gefährden [55]. Des Weiteren werden insbesondere die steigenden Sommertemperaturen (Kap. 3.1)
das Innenraumklima von Gebäuden beeinträchtigen.
Eine vorausschauende Planung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen kann solche Faktoren berücksichtigen, mögliche künftige Schäden reduzieren und die
Wohnqualität in Gebäuden steigern.
Ein genereller Hinweis für eine vorsorgende zukünftige Planung und Anpassung ist u. a. in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für
das Handlungsfeld Bauwesen unter folgendem
Handlungsziel [55] formuliert:
• Handlungsziel ist ein nachhaltiges, umweltverträgliches, energieeffizientes und an die Auswirkungen
des Klimawandels angepasstes Planen und Bauen.
26
https://www.energieatlas.bayern.de/buerger/10000_haeuser_programm.
html
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Dieses Handlungsziel der Klimaanpassung ist dem
Vorsorgebereich zuzuordnen. Die Planung, Bemessung und Ausführung von Bauwerken richtet sich
gesetzlich nach den Vorgaben des Bauordnungsrechts.
Das Bauordnungsrecht befasst sich in erster Linie mit
der Abwehr von Gefahren, die von der Errichtung,
dem Bestand und der Nutzung von baulichen Anlagen
ausgehen. Die bautechnischen Anforderungen richten
sich grundsätzlich nach der Vorgabe:
• Das Bauordnungsrecht befasst sich nicht mit der
Vorsorge, sondern mit der konkreten Gefahrenabwehr.
Der Klimawandel und dessen Auswirkung können
sich auf die Standsicherheit von bestehenden
Gebäuden auswirken.27 Für den Gebäudebestand
gilt grundsätzlich:
• Die Standsicherheit ist während der gesamten
Lebensdauer einer baulichen Anlage zu gewährleisten; die Verantwortung hierfür liegt beim Eigentümer beziehungsweise beim Verfügungsberechtigten (siehe auch die entsprechenden Hinweise [120])
Der nachfolgende Beitrag geht aus bauordnungsrechtlicher Sicht auf die Szenarien „Schäden an
Gebäuden“ und „Innenraumklima“ aus dem Blickwinkel der Bautechnik ein.
4.10.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.10.2.1 Schäden an Gebäuden
Langfristig könnten durch veränderte Umweltbedingungen und durch die Zunahme der Intensität und
Häufigkeit verschiedener Wetterereignisse die
Standsicherheit von Gebäuden, die Dachstabilität
und die Gebäudehülle selbst beeinträchtigt werden.
Auswirkungen auf die Standsicherheit von
Gebäuden
Durch den Klimawandel könnten Gebäude im
Hinblick auf die nachfolgend genannten Schadensursachen gefährdet werden:
27
https://www.stmb.bayern.de/buw/baurechtundtechnik/bautechnik/
standsicherheit/index.php
• Durch ein Absinken der Grundwasserstände (vgl.
Kap. 4.1.2.2) könnten wasserempfindliche bzw.
setzungsempfindliche Schichten trockenfallen und
somit die Standsicherheit von Gebäuden beeinflusst werden.
• Eine Zunahme von Oberflächenwasser (vgl.
Kap. 4.1.2.4) könnte die Beschaffenheit des
Bodens beeinflussen und somit die Baugrundverhältnisse verändern.
• Rückstauendes Grundwasser könnte Schäden an
und in unterirdischen Gebäudeteilen verursachen.
• Durch erhöhte Niederschlagsmengen im Winter
(vgl. Kap. 3.2) könnten sich die Schneelasten
erhöhen.
• Durch Stürme (ggf. mit Hagel und Gewitter bzw.
veränderten Windlasten) könnten sich erhöhte
Einwirkungen auf die Gebäudehülle ergeben (vgl.
Kap. 4.15.2.1).
Langfristig könnten sich daher ohne Gegenmaßnahmen Probleme hinsichtlich der Standsicherheit und
gegebenenfalls auch der Nutzbarkeit der Gebäude
ergeben.
Umsetzung von Klimaanpassung
Für die Bemessung von Bauwerken sind die entsprechenden Bemessungsnormen (im Regelfall DINNormen) heranzuziehen, die mit den Bayerischen
Technischen Baubestimmungen (BayTB) bauaufsichtlich eingeführt werden Bayerische Technische
Baubestimmungen (BayTB). [121]. Auch klimabedingte Einwirkungen wie Schneelasten und Windlasten
werden schon immer – versehen mit einem individuellen Sicherheitsfaktor – bei der Bemessung von
Bauwerken berücksichtigt. Die Bemessungsnormen
basieren auf über einen bestimmten Zeitraum
gemachten und aufgezeichneten Erfahrungen.
Schwankungen werden durch individuelle Sicherheitsfaktoren berücksichtigt.
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) überprüft
alle DIN-Normen (also auch die Bemessungsnormen) in einem Abstand von 5 Jahren, ob die Notwendigkeit besteht, diese Normen zu überarbeiten.
Somit könnten klimabeeinflussende Faktoren auch
139
140
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
zeitnah in den Bemessungsnormen berücksichtigt
werden. Derzeit wird beispielsweise die Schneelastzonenkarte deutschlandweit überarbeitet.
Grundwasser- und Baugrund:
• Im Vorfeld einer Baumaßnahme ist der Baugrund
zu erkunden. Die Ergebnisse sind bei der weiteren
Planung des Bauwerks zu berücksichtigen. Somit
wird auf geänderte Baugrundverhältnisse zeitnah
reagiert.
Erprobung neuer Baustoffe und Bauweisen:
• Neue Baustoffe bzw. Bauweisen können bereits
jetzt schon zeitnah eingesetzt werden, da hierfür
eine Zustimmung im Einzelfall bzw. vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erteilt werden kann.
Schäden an Gebäuden könnten durch folgende
Maßnahmen auch bei voranschreitendem Klimawandel vermieden werden:
• Anpassung der Bemessungsnormen
• Berücksichtigung der veränderten Gegebenheiten
bei der Planung von Bauwerken
• ggf. Erprobung neuer Baustoffe und Bauweisen
durch Zustimmung im Einzelfall und vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen
Unbestritten kann der projizierte Klimawandel
(Kap. 3) auf vielfältige Weise Einflüsse und Auswirkungen auf die Konstruktion von Bauwerken haben.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind bei Planung
und Bau von Gebäuden jedoch die ohnehin bereits
heute im Regelwerk verankerten Sicherheitspolster
so groß, dass die mittelfristig zu erwartenden
Auswirkungen des Klimawandels, auch im Sinne
der Vorsorge, „indirekt“ mit berücksichtigt sind.
Insofern erscheint aus heutiger Sicht eine periodische Prüfung und ggf. Anpassung des bautechnischen Regelwerks als ausreichend.
4.10.2.2 Innenraumklima
Auswirkungen auf das Innenraumklima
Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin erwartete Zunahme der Anzahl der Tage mit Temperaturen
über 30 °C (sog. Hitzetage) wirkt sich potentiell
negativ auf das sommerliche Wohnraumklima in
Gebäuden aus. Ein erhöhter Wärmeeintrag durch
höhere Temperaturen im Sommer kann das Innenraumklima von Gebäuden negativ beeinflussen. Dies
könnte insbesondere für jene Gebäude gelten, die
aufgrund ihrer baukonstruktiven Ausgangsbedingungen, unzureichender Sanierung, nachträglicher Nutzung der Dachgeschosse oder unzureichender Klimatisierung der Aufenthaltsräume bereits heute hohe
sommerliche Innenraumtemperaturen aufweisen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Bereits heute stellt die Energieeinsparverordnung
(EnEV) Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz bei Wohn- und Nichtwohngebäuden.28
Hierbei wird auf die Technische Baubestimmung
DIN 4108–2 verwiesen. Diese technische Regel
wurde zuletzt 2013 fortgeschrieben. Unter anderem
sollte der Änderung der klimatischen Randbedingungen Rechnung getragen werden, die auch mit
Änderungen hinsichtlich sommerlicher Temperaturen,
Einstrahlungen und kritisch langer Hitzeperioden
einhergeht. Ferner werden moderne Methoden zur
Vermeidung von Energieaufwand zur Gebäudekühlung (Nachtlüftungskonzepte, passive Kühlung)
berücksichtigt. Es ist im Interesse einer nachhaltigen
Energieeinsparung geboten, bei der Bemessung
des sommerlichen Wärmeschutzes mindestens
der bereits dokumentierten Klimaänderung (siehe
Testreferenzjahre Ausgabe 2011) Rechnung zu
tragen; dies wird durch die Verweisung auf den
aktuellen Stand der DIN 4108–2 sichergestellt [122].
Mit dem geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG)
der Bundesregierung, das Energieeinsparverordnung
(EnEV), Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammenfasst, ist eine regelmäßige Evaluierung der Regel
ungen geplant.
Allerdings ist auch zu beachten, dass zusätzliche
winterliche Wärmedämmmaßnahmen sich tendenziell negativ auf den sommerlichen Wärmeschutz
(Nachtauskühlung) auswirken (Quelle: Zeitschrift
„Bauphysik“).
28
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Gesetze/Energie/EnEV.html
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.11 Straßenbau und Verkehr
Kurz gesagt,
4.11.1 Ausgangslage
• Zur Binnenschifffahrt: Klimabedingte Veränderungen der Transportbedingungen (Niedrigwasser,
Hochwasser, Eisgang) sind wahrscheinlich. Bis
2050 sind voraussichtlich keine ausschließlich
durch Klimaveränderungen bedingten Investitionsentscheidungen nötig. Ohnehin geplante Maßnahmen, z. B. beim Hoch- und Niedrigwassermanagement, können die Verwundbarkeit der
Binnenschifffahrt gegenüber den Auswirkungen
des Klimawandels vermindern.
• Zum Schienenverkehr: Der Schienenverkehr
ist gegenüber starken Niederschlägen (Schnee
oder Regen), extremen Temperaturen und Sturm
zunehmend gefährdet. Um das Risiko einer
witterungsbedingten Einstellung des Schienenverkehrs zu vermindern, werden u. a. das Vegetationsmanagement und streckenbezogene
Störfallkonzepte optimiert, Schienen mit Weichenheizungen ausgestattet und Klimaanlagen sowie
Waggons modernisiert.
• Zum Straßenverkehr: Höhere Temperaturen,
größere Temperaturschwankungen und stärkere
Niederschlagsereignisse erhöhen die Anforderungen an die Straßeninfrastruktur deutlich. Insbesondere das Management des Betriebsdienstes
gilt es, an die gestiegenen Anforderungen anzupassen.
• Zum Luftverkehr: Der Klimawandel könnte
insbesondere zu Kapazitätseinschränkungen und
Schäden an der Flughafeninfrastruktur infolge
extremer Wetterlagen, zu Flugannulierungen und
Verspätungen von Flügen führen. Flughäfen und
Airlines treffen hier entsprechende Vorsorge z. B.
durch erhöhten Erhaltungsaufwand, Reservekapazitäten etc.
Abb. 78: Verkehrsprognose – Entwicklung der Verkehrsleistung
von 2007 bis 2025 (Quelle: StMB).
Die Verkehrsinfrastruktur beansprucht aktuell etwa
3.300 km2 oder 4.7 Prozent der Fläche Bayerns.
Diese Flächen sind im Kontext eines ungebrochen
steigenden Verkehrsaufkommens zu sehen: dieses
hat sich seit 1955 allein auf Bayerns Straßen um den
Faktor 10 erhöht. Getrieben durch das wirtschaftliche
Wachstum wird bis 2025 weiterhin ein Zuwachs des
Verkehrsaufkommens für Luft-, Straßen-, Güterverkehr und Schifffahrt prognostiziert. Das Handlungsfeld Raumordnung (Kap. 4.8) moderiert dabei bei der
Planung von Verkehrsprojekten zwischen dem Ziel
einer leistungsfähigen Infrastruktur und den Auswirkungen dieser auf die Schutzgüter menschliche
Gesundheit, biologische Vielfalt, Boden, Wasser,
Luft, Klima und Landschaft sowie auf Kultur- und
Sachgüter.
Im Zuge des Klimawandels verändert sich die
Exposition der Verkehrsinfrastruktur gegenüber
wetter- und klimabezogenen Schäden und Beeinträchtigungen. Verändert sich Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen, Überschwemmungen, Hochwassern, Niedrigwassern, Erdrutschen,
Stürmen, Frost- und Hitzetagen (Kap. 3 und 4.1), so
entstehen neue Herausforderungen für Verkehrssicherheit und Transportleistung von Straßen- und
Schienenverkehr sowie der Binnenschifffahrt. Klimaanpassung der Verkehrsinfrastruktur heißt, bestehende und geplante Infrastrukturprojekte gemäß der
veränderten Gefährdungslage anzupassen.
141
142
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Straßenbau und Verkehr
folgendes Handlungsziel [55]:
• Aufrechterhaltung der Transportwege und der
Transportleistung, Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie Steigerung der Effizienz der
Verkehrsinfrastruktur.
• Verbesserung des ÖPNV-Verkehrsnetzes und der
Rahmenbedingungen für den Radverkehr sowie
bessere Vernetzung des ÖPNV mit anderen
Verkehrsträgern (multimodaler und intermodaler
Verkehr).
4.11.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.11.2.1 Binnenschifffahrt
Zu den Vorteilen der Binnenschifffahrt für den
Güter- und Warenverkehr (Güterschifffahrt) zählen vor
allem die sehr hohe Ladekapazität der Güterschiffe
und Schubverbände, der niedrige Energieverbrauch,
die niedrigen Transportkosten und die Umweltfreundlichkeit. Diese Vorteile kommen besonders
beim Transport von Massengütern zum Tragen. Mit
der Fertigstellung des Main-Donau Kanals (MDK) im
Jahre 1992 wurde eine durchgehende Binnenwasserstraße von der Nordsee bei Rotterdam bis zum
Schwarzen Meer bei Constanza (Rumänien) geschaffen. Ein „Nadelöhr“ stellt aus Sicht der Schifffahrt
der Abschnitt zwischen Straubing und Vilshofen dar.
Behinderungen für die Güterschifffahrt ergeben sich
aus den natürlichen Wasserstandsschwankungen
mit saisonal zu geringen Tiefen und Breiten der
Fahrrinne.
Auswirkungen auf die Binnenschifffahrt
Die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels
auf die Binnenschifffahrt sind vielfältig. Die Binnenschifffahrt ist bereits gegenwärtig durch wechselnde
Pegelstände sowohl von Niedrig- als auch von
Hochwasser betroffen. Hinzu kommen mögliche
Beeinträchtigungen durch Eisbildung im Winter. Es
ist zunächst bis 2050 jedoch nicht mit unmittelbaren,
ausschließlich durch Klimaveränderungen bedingten
Investitionsentscheidungen zu rechnen. Hierfür sind
die kurzfristigen klimabedingten Auswirkungen auf
diese Ereignisse nicht stark genug bzw. sie werden
durch andere, wirtschaftliche Faktoren überlagert.
Langfristig wären bis in das Jahr 2100 jedoch, im
Falle eines (nicht angestrebten) Treibhausgasemissionspfades „ohne Klimaschutz“ (vgl. Kap. 1 und 2.4),
deutliche Veränderungen der Transportbedingungen
in der Binnenschifffahrt wahrscheinlich. Ein erfolgreicher Verhandlungsprozess gemäß des Pariser
Übereinkommens verhindert solche Beeinträchtigungen hingegen (vgl. Kap. 2.4 Klimaschutzszenario
„2-Grad-Obergrenze“).
Abb. 79: Zu Berg fahrender Verband beim Isarschüttkegel
im Sommer 2018.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Umsetzung von Klimaanpassung
Folgende Maßnahmen verringern die Verwundbarkeit der Binnenschifffahrt gegenüber Niedrigwasserereignissen:
• Zum einen wird Niedrigwasser durch eine vorausschauende Regulierung des Wasserstandes (z. B.
Stauwehre, die die Abflussverhältnisse puffern)
insbesondere an Main und Main-Donau-Kanal
begegnet, zum anderen wird je nach Lage und
Beschaffenheit der Wasserstraße mithilfe des
Niedrigwasserinformationsdienstes durch die
Binnenschifffahrt bereits frühzeitig auf zu erwartende Pegelveränderungen reagiert (vgl. Kap. 4.1.2.1).
Deutlich geringer ist die Wirksamkeit vorausschauender Maßnahmen hingegen an den ungeregelten
Abschnitten der Donau. Außerdem wird dem
Niedrigwasser eingeschränkt auch mit schiffsseitigen Maßnahmen bzw. Innovationen im Schiffbau
begegnet, wie etwa einer Gewichtsreduzierung.
Abb. 80: Flussbauliche Maßnahmen bei Pfelling.
Folgende Maßnahmen verringern die Verwundbarkeit der Binnenschifffahrt gegenüber Hochwasserereignissen:
• Die Maßnahmen im Rahmen des Hochwasserschutzprogramms kommen teilweise auch der
Binnenschifffahrt zu Gute. Mit Vermeidungsmaßnahmen etwa in höher gelegenen Gewässerabschnitten und Rückhalteeinrichtungen werden die
schadhaften Auswirkungen eines Hochwassers
ggf. begrenzt, so dass weniger Einschränkungen
der Schifffahrt auftreten oder diese schneller
wieder aufgehoben werden können.
• Donauausbau:
Der Ausbau der Donau im Engpass StraubingVilshofen nach Variante A (in einem gemeinsamen Verfahren mit der Verbesserung des Hochwasserschutzes) dient der Verbesserung der
wirtschaftlichen Befahrbarkeit durch Angleichung
des Streckenabschnitts an die Fahrrinnentiefen
der oberhalb und unterhalb gelegenen Strecken
(Erhöhung der Fahrrinnentiefe um 20 cm auf
1,80 m Abladetiefe für eine qualitativ verbesserte
Befahrbarkeit durch flussregelnde Maßnahmen;
eine Abladetiefe von 2,50 m wird dann an ca.
185 Tagen/Jahr erreicht. Zudem wird die Sicherheit
und Leichtigkeit der Schifffahrt verbessert, indem
einige nautisch besonders schwierige Stellen
entschärft werden.).
Der Ausbau soll in zwei Teilabschnitten erfolgen
(Straubing-Deggendorf und Deggendorf-Vilshofen).
Nach fast 2-jähriger Prüfung hat die EU-Kommission den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Straubing – Deggendorf incl. Hochwasserschutz im November 2019 genehmigt. Mit dem
Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wird nun
zeitnah gerechnet. Der Baubeginn für die Maßnahmen zum verkehrlichen Ausbau der Wasserstraße
ist dementsprechend für 2020 geplant. Anschließend soll das Planfeststellungsverfahren für den
zweiten Teilabschnitt Deggendorf – Vilshofen
eingeleitet werden. Vorbereitungsarbeiten hierfür
haben bereits begonnen.
143
144
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.11.2.2 Schienenverkehr
Umsetzung von Klimaanpassung
Auswirkungen auf den Schienenverkehr
Der Schienenverkehr wird durch die Witterungsbedingungen in vielfältiger Weise tangiert. Die Deutsche Bahn hat 2015 durch ein Gutachten festgestellt,
dass sie von den Auswirkungen des Klimawandels
so stark betroffen sei, wie kein anderes großes
Unternehmen in Deutschland.
So lassen sich Beeinträchtigungen des Schienenverkehrs durch starke Niederschläge (Schnee oder
Regen), extreme Temperaturen und Sturm feststellen, die bis zur Einstellung des Schienenverkehrs
führen können. Exemplarisch seien hier die schneebedingte vollständige Einstellung des Schienenverkehrs im Oberlandnetz im Januar 2019 für zehn
Tage oder die nahezu bundesweite Einstellung des
Eisenbahnfernverkehrs aufgrund des Sturmtiefs
Friederike im Januar 2018 genannt. Bereits der
Herbststurm „Xavier“ führte vom 5. bis 12. Oktober
2017 zum völligen oder teilweisen Ausfall von 7.709
Regionalzügen und 1.260 Fernzügen. Diese beiden
Stürme haben zu Schäden an Gleisen und Anlagen
in Millionenhöhe geführt.
Anpassungsmaßnahmen gegen Sturm:
Mit dem „Aktionsplan Vegetation“ hat die Deutsche
Bahn ein Vegetationsmanagement eingeführt, das
strategisch auf einen stabileren Waldbestand an
den Gleisen ausgerichtet ist. Die Bahn hat dazu
Forstleute engagiert, die an besonders gefährdeten
Streckenabschnitten nach kranken und umsturzgefährdeten Bäumen suchen. Dabei kommt modernste
Technik zum Einsatz. In einem Pilotprojekt in Bayern
werden zur Untersuchung des bahnstreckennahen
Waldes auch Drohnen eingesetzt.
Auch extreme Hitze führt zu Beeinträchtigungen
des Eisenbahnverkehrs. So sind Störungen bei der
Elektrik und bei Klimaanlagen auf hohe Außentemperaturen zurückzuführen. Aufgrund ausgefallener
Klimaanlagen müssen insbesondere im Personenverkehr bei großer Hitze einzelne Wagen für die
Fahrgäste gesperrt werden oder es fallen ganze
Züge aus. Weichenstörungen können auch durch
extreme Temperaturen hervorgerufen werden. Nicht
nur Vereisung von Weichen, sondern auch Hitze kann
die Funktionsfähigkeit von Weichen beeinträchtigen.
Daneben ist insbesondere im Winter bei besonderen
Wetterlagen eine Vereisung der Oberleitung zu
beobachten, die zu betrieblichen Störungen führen
kann.
Vielfältige Anpassungsmaßnahmen sind darauf
ausgerichtet, das System Schiene robuster und
weniger störungsanfällig für unterschiedliche
Witterungsbedingungen zu gestalten.
Etliche dieser detektierten Risikobäume stehen
dabei auf Grundstücken von Staats-, Kommunal- und
Privatforstbetrieben. Bislang fehlte eine gesetzliche
Grundlage, um die jeweiligen Grundstückseigentümer zu verpflichten, diese den Bahnverkehr gefährdenden Bäume zu beseitigen oder im Falle der
Untätigkeit die Bäume im Wege einer Ersatzvornahme zurückzuschneiden oder zu fällen.
Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf
initiiert, der für Eisenbahninfrastrukturunternehmen
vergleichbare rechtliche Handlungsmöglichkeiten
schafft wie für Straßenbaulastträger. Ziel der Neuregelung im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) ist
es, den Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf
Grundstücken, die an eine Eisenbahnstrecke angrenzen, unabhängig von den Eigentums- und
Besitzverhältnissen der Grundstücke eine effektive
Vegetationskontrolle zu ermöglichen, sowie Schutzeinrichtungen zu errichten, wenn dies aus Gründen
der Verkehrssicherheit geboten ist. Darüber hinaus
erfolgt mit dem Gesetzentwurf eine Klarstellung der
Verpflichtung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen, vegetationsbedingte Gefahrensituationen für
den Eisenbahnbetrieb abzuwehren.
Anpassungsmaßnahmen gegen Schnee:
Schneefallbedingte Zugausfälle sollen durch eine
zielgerichtete und stabsmäßige Auswertung der
Wetterprognosen und darauf abgestimmte streckenbezogene Schneeräum- und Störfallkonzepte vermieden werden. Spezielle Arbeitsstäbe sollen die
Maßnahmen zwischen den beteiligten Eisenbahn-
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
verkehrsunternehmen und dem Betreiber der
Schienenwege und der Dienstleister (Schneeräumdienste) koordinieren. Es werden mobile Reparaturtrupps zur Reparatur der Schneeräumgeräte gebildet.
Bei der Ausschreibung der Winterdienste werden die
Kriterien Qualität und Reaktionszeit stärker gewichtet.
Dabei werden auch höhere Kosten in Kauf genommen.
Zur Verbesserung der Qualität werden die Räumdienste strenger kontrolliert und Mängeln wird nachgegangen. Umsetzung der zwischen der BEG und den
Eisenbahnverkehrsunternehmen bzw. den Eisenbahninfrastrukturunternehmen vereinbarten Maßnahmen
zur Bewältigung von Extremwetterlagen werden
Stresstests und Simulationen unterzogen, um im
Störungsfall über eingespielte Routinen zu verfügen.
Auch hier spielt die Vorsorge durch eine intensivierte
Vegetationskontrolle eine wichtige Rolle um den
Bruch von Bäumen unter Schneelast zu verhindern.
Anpassungsmaßnahmen gegen Hitze:
Alte Waggons werden kontinuierlich durch neue
Fahrzeuge ersetzt, die mit Klimaanlagen ausgestattet sind. Darüber hinaus werden weitere Fahrzeuge
beschafft, um im Störungsfall auch über Reserveeinheiten zu verfügen, die für defekte Züge eingesetzt
werden können. Moderne Klimaanlagen werden
mittlerweile für Außentemperaturen bis 45 °Celsius
ausgelegt. Regelmäßig vor Beginn des Sommers
lassen Eisenbahnverkehrsunternehmen speziell die
Klimaanlagen in den Zügen auf eine fehlerfreie
Funktionsweise überprüfen.
Anpassungsmaßnahmen gegen Kälte und Eis:
Mittlerweile ist ein Großteil der Weichen (ca. 50.000)
mit Weichenheizungen ausgestattet, die diese
Anlagen frei von Schnee und Eis halten und so einen
zuverlässigen Winterbetrieb gewährleisten sollen.
Neben Strom gibt es auch innovative Techniken, wie
Grundwasser oder Geothermie, die hier noch
vereinzelt als Energiequelle zum Einsatz kommen.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass sich
der Freistaat im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz beim Bund für eine Verbesserung des Wetterschutzes für die Fahrgäste an Bahnhöfen einsetzt.
4.11.2.3 Straßenverkehr
Die Straße ist nicht nur in Bayern Verkehrsträger
Nummer eins. Das Netz der übergeordneten Straßen in Bayern beträgt rund 42.000 km und ist mit
93,4 Milliarden Kfz-km ausserorts (Stand 2017) für
das Flächenland Bayern der zentrale Verkehrsträger
sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Da
mehr als 60 % des Güterverkehrs über die Straße
abgewickelt wird, erfordert insbesondere die in
modernen Produktionsprozessen übliche Zulieferung
„just-in-time“ zuverlässig befahrbare Straßen, damit
die Logistikkette nicht ins Stocken gerät. Aufgrund
des anhaltenden Zuzuges nach Bayern und der
robusten Wirtschaft kann weiter von einer steigenden Verkehrsbelastung ausgegangen werden.
Auswirkungen auf den Straßenverkehr
Abb. 81: Durch Hitze begünstigte Spurrinnenbildung.
Starkregenereignisse, Frost, Hitze und Stürme
können an der Straßeninfrastruktur erhebliche
Schäden verursachen. Der Klimawandel kann daher
zu erhöhten Anforderungen an den Bau und den
Betrieb der Straßeninfrastruktur führen, um Gefährdungen und Behinderungen der Verkehrsteilnehmer
möglichst zu reduzieren. Starkregenereignisse und
hohe Temperaturschwankungen erhöhen die Anforderungen an den Aufbau und die Dimensionierung
der Straßeninfrastruktur. Häufigere Frost-Tau-Wechsel im Winter und lange Hitze- und Trockenperioden
im Sommer begünstigen nicht nur Schäden an der
Fahrbahn selbst, sondern auch u. a. Hangrutschun-
145
146
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
gen, Felsstürze und Schäden an der straßenbegleitenden Vegetation. Während extrem hohe Niederschlagsmengen möglichst schnell und schadlos
abgeleitet werden müssen, setzen hohe Temperaturen oft über längere Zeiträume der Fahrbahn und
den Bauwerken zu. Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit steht hierbei an oberster Stelle.
Starke, langanhaltende Schnellfälle wie im Januar
2019 erhöhen insbesondere im Voralpenland die
Anforderungen an den Winterdienst. Straßensperrungen sind in diesen Fällen aufgrund erhöhter
Lawinengefahr häufig unumgänglich, um die Verkehrsteilnehmer keine unnötigen Risiken auszusetzen. Nach der Vulnerabilitätsstudie des Umweltbundesamtes hinsichtlich der Auswirkungen des
Klimawandels aus dem Jahr 2015 [123] ist bereits
in naher Zukunft mit einer deutlichen Zunahme von
Überschwemmungen und Unterspülungen von
Straßen zu rechnen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Im Bereich Straßeninfrastruktur werden anhand
von Forschungsprojekten Bewertungsverfahren
entwickelt, die die Sicherheit und Verfügbarkeit
von Verkehrsinfrastrukturen während extremer
Ereignisse vorhersagen. So werden beispielsweise
vom Deutschen Wetterdienst Klimamodelle und
kleinräumige Klimasimulationen insbesondere mit
Starkniederschlagsereignissen entwickelt, um die
Klima-Langzeit-Wirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur verlässlicher zu ermitteln. Aktuelle Ergebnisse
zeigen, dass die derzeit geltenden Bemessungsansätze zur Ableitung von Starkregenereignissen noch
ausreichend hohe Reserven beinhalten, wohingegen
die Vorgaben zur Bemessung von Speicheranlagen
(z. B. Regenrückhaltebecken) modifiziert werden
müssen. Die im Vergleich höheren Risiken haben
innerörtliche Straßen im Umfeld von großen versiegelten Flächenanteilen und gemeinsamen Entwässerungseinrichtungen. Im Bereich des Betriebsdienstes
werden über das Projekt KliBet die Auswirkungen
des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst
analysiert. Durch Anpassung des Winterdienstmanagements an sich häufende Extremereignisse
sollen die Transportwege aufrechterhalten und die
Verkehrssicherheit gewährleistet werden.
Abb. 82: Abblasen von Bäumen zur Verringerung der
Schneebruchgefahr.
4.11.2.4 Luftverkehr
Auswirkungen auf den Luftverkehr
Der Luftverkehr könnte insbesondere durch nachfolgend aufgelistete Phänomene durch den Klimawandel betroffen sein:
• Temperaturerhöhung
• wechselnde Niederschläge
• Intensität der Stürme
• wechselnde Vereisungsbedingungen
• Änderungen in den Windmustern
• Ökonomische Effekte
In aller Regel können die eng verzahnten Teildienstleistungen im Luftverkehr, also Flug- und Flughafenbetrieb sowie Flugsicherung gleichzeitig, wenngleich
mit unterschiedlicher Intensität, von den durch den
Klimawandel verursachten Phänomenen betroffen
sein. Für Europa sind im Luftverkehr im Besonderen
Temperaturerhöhungen und wechselnde Niederschläge von Bedeutung. Ökonomische Effekte
ergeben sich implizit aus den sich verschlechternden
Bedingungen sowie den Folgeeffekten.
Höhere Temperaturen wirken sich auf die Luftdichte
und den Auftrieb eines Flugzeugs aus. Wärmere Luft
dehnt sich aus, zudem nimmt ihre Dichte ab. Dies
hat zur Folge, dass an den Flügeln der Flugzeuge
weniger Auftrieb herrscht. Um trotzdem abheben zu
können, müssen Flugzeuge unter diesen Bedingungen schneller sein. Dafür ist wiederum eine längere
Start- und Landebahn sowie mehr Schub für den
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Start von Flugzeugen erforderlich, was zu größeren
Lärmbelastungen und CO2-Emissionen führen kann.
Zudem könnte das maximale Startgewicht von
bestehenden Flugzeugen aufgrund höherer Temperaturen eingeschränkt werden. Dies könnte im Ergebnis zu Veränderungen in der Flugzeugflotte führen.
Höhere Temperaturen können zudem die Oberflächen der Anlagen beschädigen, wenn die Temperaturen die bisherigen Baustandards überschreiten. Es
können dabei höhere Kosten für Reparaturen oder
Erneuerungen anfallen. Große Hitze und Trockenheit
kann zu einem erhöhten Brandrisiko auf Flughafenanlagen beitragen.
Steigende Temperaturen bewirken, global betrachtet,
u. a. auch eine Intensivierung des Wasserkreislaufes.
Für Bayern werden künftig häufigere und intensivere
Starkregenereignisse erwartet (vgl. Kap. 3.3). Dies
kann Auswirkungen auf den Hochwasserschutz und
auf die Entwässerungssicherheit eines Flughafens
haben. Bei häufigeren oder intensivieren Niederschlägen ist die Gefahr von Überschwemmungen
und Hochwasserschäden an Start- und Landebahnen, am Instrumentenlandesystem, oder an der
sonstigen Flughafeninfrastruktur als auch diejenige
gegeben, dass sich den Betrieb hindernde – temporäre – Wasserflächen auf Verkehrsflächen bilden.
Dies kann sich auf vielfältige Weise auf den Flughafenbetrieb auswirken: Insbesondere wenn die
Wetterbedingungen auf den Start- und Landebahnen
keinen gefahrlosen Betrieb mehr ermöglichen, d. h.
es etwa zu kurzfristigen Einstellungen des Flugbetriebs oder zeitweiliger Verringerung der Start- und
Landebahnkapazität seitens der Flugsicherung
kommt und damit zu Verspätungen und Stornierungen. Diese Entwicklungen können zudem Auswirkungen auf die Anzahl von Nachtflügen bzw. Nachtflugausnahmegenehmigungen haben. Auch die
landseitige Verkehrsanbindung kann gestört werden.
Ein Ausfall von Entwässerungssystemen kann
zudem zum Ausfall von Umweltschutzsystemen mit
der Gefahr der Kontamination des Grundwassers
führen.
Sich verstärkende Wetterphänomene wie Frühnebel
können dazu führen, dass für einige Standorte die
Abflüge vom frühen auf den späteren Morgen
verschoben werden, was zu erheblichen Verzögerungen im gesamten Tagesablauf führen kann. Änderungen der Windrichtung führen zu veränderter Verteilung der An- und Abflüge auf die Flugrouten mit der
Folge veränderter Lärmbelastung für die Anwohner.
Änderungen der Schneeverhältnisse können zu
erhöhten Anforderungen an die Schneeräum- und
Enteisungsanlagen führen. Passagiere können durch
Schnee-Ereignisse an und um Flughäfen vermehrt
von Verspätungen und Stornierungen und Nichterreichen des Fluges betroffen sein. Eine kurzfristige
Erhöhung der Häufigkeit von Frost-Tau-Zyklen kann
die Möglichkeit der Beschädigung von Start- und
Landebahnen erhöhen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Am Flughafen München haben Experten bereits den
bestehenden Hochwasserschutz im Hinblick auf
sogenannte Sturzfluten und Starkregenereignisse,
die bei entsprechenden Wetterlagen und intensiven
Niederschlägen in Gewässer südlich des Flughafens
auftreten können, untersucht. Weitere Details
werden z. B. in Bezug auf Rückstaueinflüsse in das
Kanalsystem (Überflutungsnachweis) des Münchner
Airports derzeit noch durch die FMG geklärt.
Die Annullierung oder Verspätung von Flügen
aufgrund von Unterbrechungen oder extremen
Wetterbedingungen hat finanzielle Auswirkungen
für Fluggesellschaften und Flughäfen aufgrund von
Umsatzeinbußen und gestiegenen Betriebskosten,
beeinträchtigt das System insgesamt und verursacht
nicht zuletzt Unannehmlichkeiten für die Fluggäste.
Die Luftverkehrsbranche unternimmt daher bereits
erhebliche Anstrengungen, um die durch den
Luftverkehr entstandenen Klimaauswirkungen zu
minimieren. Gleichzeitig hat die Luftverkehrsbranche
das Thema klimabedingte Kapazitätseinschränkungen sowie Zusatzherausforderungen im Betrieb,
die den Luftverkehr einschränken bzw. zu höheren
Kosten für Kompensationen führen könnten, auf
ihrer Agenda.
147
148
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Christian Holldorb, Franziska Rumpel, Hochschule Biberach Institut für Immobilienökonomie, Infrastrukturplanung und Projektmanagement (IIP), Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe, Hermann Österle, Peter Hoffmann,
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf den
Straßenbetriebsdienst (KliBet)
Das oben bezeichnete Forschungsprojekt wurde im
Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
erstellt, um die Auswirkungen des Klimawandels
auf den Straßenbetriebsdienst zu ermitteln. Im
Forschungsprojekt werden die Wechselwirkungen
zwischen Klimawandel und Straßenbetriebsdienst
abgeschätzt.
Der Schwerpunkt hierbei liegt auf der Ermittlung der
Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst, wofür in einem ersten Schritt der
generelle Einfluss der Witterung auf die Leistungen
des Straßenbetriebsdienstes analysiert wird, da eine
Vielzahl der Leistungen im Straßenbetriebsdienst
durch die Witterung beeinflusst wird. Aufbauend
auf umfangreichen Klimaprojektionen werden dann
die Änderungen infolge des Klimawandels ermittelt.
Ergänzend erfolgt eine Abschätzung, inwieweit durch
die Optimierung des Straßenbetriebsdienstes die
Emission der Treibhausgase reduziert werden kann.
Bis 2030 zeigt die Klimaprojektion nur geringe
Änderungen der Lufttemperatur. Erst in den weiteren Perioden ist mit einem deutlichen Anstieg zu
rechnen. Die Niederschläge werden im Winter zuund im Sommer abnehmen. Regionale Unterschiede
dieser Entwicklungen sind nur schwach ausgeprägt.
Für den Winterdienst führen die stagnierenden
Temperaturen bei gleichzeitigem Anstieg der Niederschläge bis 2030 zu einer Zunahme bei Einsatzstunden und Salzverbrauch um etwa 10 %. Danach ist
mit einer deutlichen Reduktion der Einsatzstunden
sowie der erforderlichen Salzmengen um durchschnittlich 16 % bis 2050 und – in einem Szenario
ohne Klimaschutz – um 40 % bis 2080 gegenüber
1991 bis 2010 zu rechnen. Die Aufwendungen
infolge von Frostschäden an Fahrbahnen werden
sich bis 2030 kaum verändern. Erst danach wird es
zu einem signifikanten Rückgang der Frostschäden
kommen. Bei der Grasmahd wird sich bis 2030 der
Aufwand für die Grasmahd ebenfalls nicht signifikant
ändern, erst in den darauffolgenden Perioden ist mit
einer Zunahme zu rechnen. Die Schadstoffemissionen, die durch den Straßenbetriebsdienst hervorgerufen werden, haben einen Anteil von unter 2 % an
den gesamten Emissionen des Kfz-Verkehrs. Maßnahmen, die zu einer Reduktion des Schadstoffausstoßes beitragen, sind jedoch trotz des geringen
Anteils vielfach zu empfehlen.
Bericht online verfügbar unter: https://bast.opus.
hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/docId/1709 zuletzt
geprüft am 17.12.2019
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.12 Energiewirtschaft
Kurz gesagt,
• zu Rohstoffimport und Stromübertragung:
Förderung und Transport fossiler Rohstoffe unterliegen je nach Herkunft unterschiedlichen Einflüssen des Klimawandels. Auswirkungen sind z. B.
Sturmschäden an Ölbohrinseln oder absinkende
Gaspipelines auf tauenden Permafrostböden. Eine
Zunahme von Extremwetterereignissen wirkt sich
auch auf die Energieinfrastruktur in Bayern aus.
Eine kontinuierliche Wartung und Weiterentwicklung der Infrastruktur erhöht die Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen.
• zu Photovoltaik-Anlagen und Windenergienutzung: Eine mögliche klimawandelbedingte Abnahme stratosphärischen Ozons würde die Energieleistung von PV Anlagen erhöhen. Gleichzeitig
sinkt ihre Leistung tendenziell bei steigenden
Temperaturen. Änderungen der Windgeschwindigkeiten wirken sich auf die Windenergieerzeugung
aus. Insgesamt machen zunehmende Schwankungen bei der Stromerzeugung intelligentes Lastmanagement von Seiten der Netzbetreiber noch
stärker notwendig.
• zu Wasserkraftwerken: Eine klimawandelbedingte Häufung von Niedrigwasserereignissen kann
zur Verringerung des Wasserdargebots und somit
zu einer sinkenden Stromproduktion in Wasserkraftanlagen führen. Auch Hochwasserereignisse
beeinträchtigen die Möglichkeit zur Stromerzeugung in Wasserkraftanlagen. Für den Ausbau oder
die Modernisierung von bestehenden Anlagen
sind deshalb zu erwartende Extremwetterereignisse in die Überlegungen mit einzubeziehen.
• zu Energie aus Biomasse: Die Produktion von
Biomasse ist schon heute von den Folgen des
Klimawandels beeinträchtigt. Um eine Anpassung
zu gewährleisten, sind neue Arten beziehungsweise Sorten sowie Anbaumethoden notwendig.
Reststoffe und Abfälle biogenen Ursprungs bieten
zudem ein großes energetisches Potenzial, das
zum Teil noch unerschlossen ist und die Energieproduktion vom Wachstum angebauter Energiepflanzen entkoppelt.
4.12.1 Ausgangslage
Mit Anbeginn der Industrialisierung vor etwa 200
Jahren fand die erste große Energiewende statt:
Der Energieträger Biomasse wurde Schritt für Schritt
durch fossile Energien ersetzt. Die neu gewonnene,
reichlich vorhandene und bezahlbare Energie war
eine Grundbedingung für anhaltendes ökonomisches
Wachstum und Wohlstand. Das durchschnittliche
reale jährliche Einkommen westeuropäischer Bürger
stieg von 2.000 € vor etwa 150 Jahren um das
zwanzigfache auf nun knapp unter 40.000 € [124]
– eine Entwicklung, welche eng an die Nutzung
fossiler Energieressourcen und den Ausstoß des
Treibhausgases CO2 gebunden war. Die Projektionen
des „Weiß-blauen Klimas“ der Zukunft sowie
plausible Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft (Kap. 3 und 4) zeigen aber: Ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen, d. h. ohne eine schnelle
Reduktion von Treibhausgasemissionen in den
kommenden Jahrzehnten, würde Bayern drastische
Veränderungen erleben. Was bedeutet diese notwendige bayernweite wie globale Abkehr von
fossilen Energieressourcen für den Wohlstand
Bayerns?
Abb. 83: Die Energiewende schreitet voran. Bis 2025 soll die
Photovoltaik in Bayern dabei mit einem Anteil von
22 bis 25 % an der gesamten Bruttostromerzeugung
weiterhin eine entscheidende Rolle spielen.
149
150
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Ein weiterhin, ähnlich wie bisher anhaltendes Wachstum von Wohlstand und ambitionierter Klimaschutz
im Zuge der 2-Grad-Obergrenze: Auf Basis der
Bewertung des Weltklimarats (IPCC) erscheinen
diese zwei Ziele sehr wohl vereinbar [31]. Ambitionierter Klimaschutz regt die Marktteilnehmer, hier
die Energiewirtschaft, zu Innovationen an, sodass
anfänglich hohe Investitionskosten mittelfristig zur
Bereitstellung preiswerter Energie führen. Dies zeigt
sich bereits heute bei den erneuerbaren Energien
Sonne und Wind. Mit ihnen kann in vielen Fällen
Energie kostengünstiger erzeugt werden als mit
Braunkohleanlagen. Prognosen gehen davon aus,
dass bis 2035 aufgrund technologischer Innovationen
die Produktionskosten von Wind- und Sonnenstrom
etwa nur halb so groß sein werden wie bei fossilen
Energieträgern [125]. Diese politisch eingeleitete
zweite Energiewende ist ein historisches Projekt, das
für Bayern sowohl Herausforderungen mit sich bringt
(Netz- und Versorgungsstabilität, Energiespeicherung,
Sektorkopplung, etc.) als auch die Chance bereithält,
technologische Innovationen zu etablieren und somit
Absatzmärkte zu erweitern.
Einerseits werden also als Folge ambitionierter
Klimaschutzmaßnahmen unsere Energiesysteme
fortlaufend transformiert. Maßgebend ist hier für
den Freistaat das Bayerische Aktionsprogramm
Energie [126]. Andererseits betrifft der Klimawandel
auch unmittelbar alle Bereiche der Energiewirtschaft.
In den nächsten Jahren werden konventionelle
Kraftwerke nach wie vor in Hitzeperioden von einem
Mangel an Kühlwasser betroffen sein. Mit der
Beendigung der Kernenergienutzung wird dieses
Problem aber immer unbedeutender. In diesem Kapitel liegt der Fokus daher auf der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energien. Des Weiteren wirkt
sich der Klimawandel auf die Energienachfrage aus,
beispielweise durch einen höheren Kühlungsbedarf
im Sommer und einen geringeren Wärmebedarf im
Winter. Die Forschung geht davon aus, dass der
Energiebedarf privater Haushalte durch die Klimaerwärmung mittelfristig keinen nennenswerten
Änderungen unterliegen wird. Einerseits wird die
Anzahl der Heiztage abnehmen, andererseits wird
im Sommer mehr Energie für Klimaanlagen aufgebracht werden müssen [127].
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Energiewirtschaft
folgendes Handlungsziel [55]:
• Eine klimafreundliche Energieproduktion sowie
das Aufrechterhalten einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung für Bevölkerung sowie
Industrie und Gewerbe haben, auch in klimabedingten Krisensituationen, oberste Priorität.
4.12.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.12.2.1 Rohstoffimport und Stromübertragung
Nahezu 60 % des Primärenergieverbrauchs in Bayern
entfielen im Jahr 2017 auf Mineralöl und Gas [128],
die fast vollständig aus anderen Ländern importiert
werden. In einigen Sektoren wie der Mobilität
werden fossile Energieträger zukünftig vermehrt
durch Strom ersetzt. Gemäß der Energiewende
sollte auch dieser Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden. Dadurch ändern sich die
Standorte der Stromerzeugung in Deutschland.
Windenergie wird schwerpunktmäßig im Norden,
Solarenergie schwerpunktmäßig im Süden ausgebaut. Um eine sichere, umweltfreundliche und
bezahlbare Stromversorgung in Bayern zu sichern,
muss das Stromnetz aus- und umgebaut werden.
Auswirkungen auf Rohstoffimport und Stromübertragung
Der Klimawandel wird Förderung und Transport
fossiler Rohstoffe wie Erdgas oder Erdöl weltweit
beeinflussen. Pipelines werden gefährdet durch
tauende Permafrostböden, Erdrutsche und Waldbrände. Raffinerien und Häfen werden durch einen
Anstieg des Meeresspiegels ebenso beeinträchtigt
wie durch eine mögliche Zunahme von Intensität
und Häufigkeit von Stürmen. Stürme treffen auch
vermehrt die Arbeiten auf Bohrinseln.
Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, in
Folge eines Rückgangs arktischen Meereises neue
Fördergebiete zu erschließen. Inwiefern die beschriebenen Änderungen Auswirkungen auf die Energieversorgung in Bayern haben werden, kann aktuell
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
nicht abgeschätzt werden. Weitere Untersuchungen
sind hierzu notwendig. Es wird davon ausgegangen,
dass insbesondere Energieimporte aus Russland
beeinträchtigt werden könnten [129].
einen mehr Akzeptanz beim Netzausbau und zum
anderen eine höhere Resilienz gegenüber Witterungsschäden.
4.12.2.2 Photovoltaik- und Windenergieanlagen
Mit einer zunehmenden Erderwärmung werden
auch für Bayern extreme Wetterereignisse vermehrt
auftreten. Stürme, Starkniederschläge, Schneelast
oder Blitzschlag können Leitungen beschädigen.
Allerdings gehen Experten davon aus, dass die
Beeinträchtigung durch den Klimawandel nur gering
sein wird [127].
Umsetzung von Klimaanpassung
Mit einem Ausbau erneuerbarer Energien und einer
Effizienzsteigerung im Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich sinkt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Hiermit sinkt auch die Vulnerabilität gegenüber Klimaveränderungen durch den Import der
Rohstoffe aus betroffenen Ländern.
Das Stromnetz kann auf verschiedene Weise an eine
Zunahme an Extremwetterereignissen angepasst
werden. Generell ist der Wartungszustand der
verwendeten technischen Komponenten von großer
Bedeutung. Viele Knotenpunkte im Netz bieten
Redundanz beim Ausfall einzelner Leitungen und
sorgen somit dafür, dass Beschädigungen keinen
Einfluss auf die Endverbraucher haben. Im Zuge der
Energiewende werden bei Gleichstromleitungen
Erdverkabelungen favorisiert. Diese schaffen zum
Aus Sonne und Wind stammten im Jahr 2018 rund
45 % des in Bayern regenerativ erzeugten Stroms.
Um die Potenziale aus Sonne und Wind weiter zu
erschließen soll in Bayern im Zeitraum von 2019 bis
einschließlich 2022 ein Zubau von 3.200 MWp
Photovoltaikleistung erreicht werden sowie 300
Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung
von insgesamt 1 GW initiieren werden.
Der Ausbau der Photovoltaik verlief ab dem Jahrhundertwechsel äußerst dynamisch. Die installierte
Leistung hat sich von rund 100 MWP im Jahr 2002
bis auf rund 11 GWP Ende 2015 mehr als verhundertfacht. Über die Hälfte der heute installierten Leistung
stammt dabei von Dachanlagen.
Lange hieß es, Windenergie in Bayern lohne sich
nicht. Doch die Weiterentwicklungen in der Technik
ermöglichen auch hierzulande immer mehr Windparks, die rentabel verbrauchsnahen Strom liefern.
Windenergie ist eine gute Ergänzung zur Solarenergie, da der Wind meist dann stärker weht, wenn
kaum Sonne scheint, insbesondere in den Wintermonaten.
Abb. 84: Entwicklung der installierten Leistung von Photovoltaik und Windenergie in Bayern [130]
151
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Sa a
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Kronach
Fluss-/Staukraftwerk
Pumpspeicherkraftwerk
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Windenergieanlagen gilt es vor Stürmen zu schützen. Die hierfür notwendigen Technologien sind
bereits flächendeckend im Einsatz. Durch eine
Deggendorf
Isar
MÜNCHEN
Iller
Umsetzung von Klimaanpassung
Eine Erwärmung stellt neue Anforderungen an die
Montage von Photovoltaikmodulen. Werden diese
gut belüftet, so heizen sie sich weniger stark auf und
erzielen höhere Wirkungsgrade. Besondere Beachtung sollte auch den Wechselrichtern geschenkt
werden. Diese regeln bei Überhitzung ab und
begrenzen somit die Leistung, um einer Überlastung
vorzubeugen. Bei der Planung und Installation sollte
deshalb eine möglichst kühle und gut belüftete
Stelle gewählt werden [131].
Regensburg
Ingolstadt
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Donau
Regierungsbezirksgrenze
Regen
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Nürnberg
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TSCH ECHI SCHE
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Ansbach
Windenergieanlagen sind optimiert für mittlere
Windgeschwindigkeiten. Zunahmen oder Abnahmen
beeinträchtigen die Nennleistung der Anlagen. Bei zu
kräftigen Stürmen müssen Windenergieanlagen aus
Sicherheitsgründen abgeschaltet werden. Quantitative Abschätzungen zur Beeinflussung der Stromproduktion aus Wind in Bayern durch den Klimawandel
liegen nach aktuellem Stand noch nicht vor. Es wird
für die Zukunft eine höhere Volatilität erwartet.
Tendenziell wird von einer Zunahme des Windenergiepotentials ausgegangen, wodurch mehr Strom
produziert werden kann [127].
Ausleitungskraftwerk
Eger
Ma
in
Aschaffenburg
Auswirkungen auf Photovoltaik- und Windenergieanlagen
Der Klimawandel in Bayern wird die Stromerzeugung
durch Photovoltaikanlagen beeinflussen. Einerseits
wird voraussichtlich die Globalstrahlung zunehmen,
was zu einer Steigerung des Ertrags führen würde.
Grund ist eine erwartete Abkühlung der Stratosphäre und eine hiermit einhergehende Beschleunigung
des Ozonabbaus. Dieser Effekt wird allerdings durch
den allgemeinen Temperaturanstieg der Troposphäre
abgeschwächt. Photovoltaikmodule erzielen bei
hohen Temperaturen einen schlechteren Wirkungsgrad [55]. Die Frage, ob in Summe eine Steigerung
oder eine Minderung des Stromertrags die Folge ist,
und die Quantifizierung der Auswirkungen für Bayern
bedürfen weiterer Forschung. Zusätzlich drohen
durch möglicherweise häufiger auftretende Gewitter
mit Hagel Beschädigungen an den Anlagen.
Wasserkraftanlagen [> 1 MW]
Stand Juli 2015
Hof
Bad
Kissingen
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152
0
Inn
25
50 km
Salzach
Abb. 85: Wasserkraftanlagen mit einer Ausbaugröße über 1 MW (Stand
Juli 2015) [57]
Zunahme von Schwankungen der Windgeschwindigkeiten werden vor allem höhere Anforderungen an
die Netzbetreiber gestellt. Intelligentes Lastmanagement auch unter Zuhilfenahme von Speichern ist hier
gefordert.
4.12.2.3 Wasserkraftwerke
In Bayern vereinen ca. 4.200 Wasserkraftanlagen
(ohne Pumpspeicherwerke) eine Ausbauleistung
von etwa 2.400 MW (Megawatt). Die bayerischen
Wasserkraftanlagen erzeugen im langjährigen
Jahresmittel rund 12 TWh (Terawattstunden = Mrd.
kWh) Strom, mit dem bilanziell etwa 3,5 Mio.
bayerische Haushalte versorgt werden können.
Aufgrund der Topographie, den hydromorphologischen Gegebenheiten und dem Wasserdargebot
konnte Bayern im Jahr 2018 knapp 15 Prozent der
Bruttostromerzeugung aus Wasserkraft generieren
– ein Höchstwert unter allen Bundesländern. Dabei
erzeugen rund 200 große Anlagen mit über 1 MW
Leistung etwa 90 Prozent des Stroms aus Wasserkraft. Sie liegen überwiegend an den alpinen Donauzuflüssen in Südbayern (Abb. 86) [57]. Bei der
Wasserkraftnutzung fließen energiewirtschaftliche
und gewässerökologische Belange in den Abwägungsprozess für die Bewilligung einer Anlage ein.
Auswirkungen auf Wasserkraftwerke
Die Leistung eines Wasserkraftwerks hängt ab von
der Menge des durchfließenden Wassers, der Fallhöhe, der Ausbauleistung und vom Wirkungsgrad
der Anlage. Sind die Turbinen einmal für eine bestimmte Durchflussmenge ausgelegt, so reduziert
sich die Stromerzeugung teils deutlich, falls weniger
Wasser durch die Turbinen geleitet werden kann als
in Normalsituationen [57]. Je stärker also der Durchfluss im Jahresverlauf schwankt, desto weniger
effizient ist in der Regel die Erzeugung von Strom
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
aus Wasserkraft. Verringern sich in der nahen Zukunft
(2021–2050) die Niedrigwasserabflüsse regional um
bis zu 15 Prozent (Kap. 4.1), so ergeben sich Leistungseinbußen bei der Wasserkraftnutzung. Die
Niedrigwassersituation im Juli 2015 führte beispielsweise zu einer Reduktion der Stromerzeugung
durch Wasserkraft in diesem Monat gegenüber
dem langjährigen Mittelwert um 39 % am Main,
36 % an der Donau, 32 % an der Isar und 54 % am
Lech [55]. Im Jahresmittel war der Stromertrag des
Jahres 2018 wegen der monatelangen Dürre um
zehn Prozent geringer als im Jahr zuvor.
Auch Hochwasserereignisse beeinträchtigen die
Stromproduktion aus Wasserkraft. Überall in Bayern
muss zukünftig mit häufigeren und intensiveren
Starkniederschlägen gerechnet werden, die Hochwasser an Fließgewässern und Überflutungen durch
Oberflächenabfluss nach sich ziehen können (Kap. 4.1).
Umsetzung von Klimaanpassung
Um Beschädigungen an Stau- beziehungsweise
Kraftwerksanlagen zu verhindern, ist eine möglichst
gute Prognose des Wasserpegels sowie die vorausschauende Regulierung des Abflusses notwendig.
Eine für die Anlage optimierte Steuerung aller
wichtigen Komponenten, die eingesetzte Turbinentechnologie, aber auch die Regulierung des Zuflusses sind entscheidend, um auch bei Hoch- oder
Niedrigwasser möglichst effektiv Strom produzieren
zu können. Das für die Zukunft erwartete Abflussverhalten sollte nicht nur bei Neubauten, sondern auch
bei Modernisierungsvorhaben bei bestehenden
Anlagen berücksichtigt werden.
4.12.2.4 Energie aus Biomasse
Energie aus Biomasse besitzt eine lange Tradition.
Schon vor 12.000 Jahren wurde Biomasse in Form
von Holz oder Dung von Tieren für Wärme-, Kochund Beleuchtungszwecke verwendet. Energie aus
Biomasse (Bioenergie) erlebt heute eine bemerkenswerte Renaissance. Der Erfolg der Bioenergie ist
auch darin begründet, dass sie speicherbar ist und in
Form von Strom, Wärme und Kraftstoff genutzt
werden kann. Biomasse kommt als fester, flüssiger
oder gasförmiger Energieträger zum Einsatz. Die
höchste Effizienz wird mit Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen erreicht. Sie können systembedingt einen
sehr hohen Anteil der Brennstoffenergie in Nutzenergie überführen.
Im Jahr 2018 war Biomasse in Bayern für rund 12 %
der Bruttostromerzeugung verantwortlich, bis 2025
soll der Anteil auf 14 – 16 % steigen.
Auswirkungen auf Energie aus Biomasse
Die Auswirkungen des Klimawandels auf energetisch
genutzte Biomasse in Bayern sind vielfältig. C3-Pflanzen wie Raps profitieren von einem höheren CO2
Gehalt in der Atmosphäre. C4-Pflanzen wie Mais
profitieren zusätzlich auch von einer Erwärmung.
Hitze und Trockenheit wirken sich jedoch negativ auf
die meisten Pflanzen aus, wenn auch unterschiedlich
stark (Kap. 4.2 und 4.3). Holz spielt ebenfalls eine
wichtige Rolle bei der Energieerzeugung, meist in
Form von Hackschnitzeln oder Pellets. Schon jetzt
haben die Wälder in Bayern mit Klimaveränderungen
zu kämpfen. Auf Grund der langen Reproduktionszeiten ist eine frühe, vorausschauende Anpassung des
Waldbestands zwingend notwendig (Kap. 4.3).
Sowohl für Ackerbau als auch für die Forstwirtschaft
stellt eine oftmals zunehmende Anzahl und Intensität
von Extremwetterereignissen eine Bedrohung dar.
Umsetzung von Klimaanpassung
Um die Biomasseproduktion an die veränderten
Rahmenbedingungen in Zeiten des Klimawandels
anzupassen, sind neue Arten beziehungsweise
Sorten sowie Anbaumethoden notwendig (Kap. 4.2
und 4.3).
Anstatt nachwachsende Rohstoffe für die Energieproduktion zu verwenden, ist die Verwendung von
Biomasse aus anderen Quellen möglich. Reststoffe
und Abfälle biogenen Ursprungs bieten ein energetisches Potenzial, das zum Teil noch unerschlossen
ist. Je nach Eignung werden sie zur Erzeugung von
Strom, Wärme oder Kraftstoff eingesetzt. Die
energetische Nutzung von biogenen Rest- und
Abfallstoffen trägt dazu bei, Flächenkonkurrenzen
für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln,
Rohstoffen, Energiepflanzen sowie für Naturschutzmaßnahmen zu vermindern.
153
154
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.13 Industrie und Gewerbe
Kurz gesagt,
• Zur Wärmeeinleitung in Gewässer: Um die
Belastung der Gewässerökologie bei gleichbleibenden gesetzlichen Mindeststandards zu begrenzen,
werden in der nahen Zukunft (2021–2050) die
maximal erlaubten Wärmeeinleitmengen von
Industrie und Energiewirtschaft in Gewässer
insbesondere bei Niedrigwassersituationen regional
abnehmen. Wärmelastrechnungen ermöglichen für
Industrie und Energiewirtschaft, der klimawandelbedingten veränderten Risikosituation bei Investitionen in Kühlsysteme Rechnung zu tragen.
4.13.1 Ausgangslage
Allein die Industrie, d. h. das Verarbeitende Gewerbe,
erwirtschaftet 27,3 Prozent der bayerischen Bruttowertschöpfung. Der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe und IKT (Informations- und Kommunikationstechnik) trägt mit 20,6 Prozent ebenfalls stark zur
Bruttowertschöpfung in Bayern bei. Daher sind
Industrie und Gewerbe Eckpfeiler der Innovations- und
Wirtschaftskraft Bayerns. Für die bayerische Industrie
bietet die weltweit zunehmende Bedeutung von
Umweltschutz und „Grüner Technologien“ eine große
Chance um mit neuen Produkten und Industrien
Wertschöpfung im Freistaat zu schaffen. Eine marktbasierte und zugleich ökologisch motivierte Umweltpolitik setzt hier ordnende Leitplanken, im Rahmen derer
die bayerische Industrie selbständig nach den besten
Lösungen für die ökologischen Herausforderungen
unserer Zeit sucht (Kap. 4.13.2.1 und 5).
Drei Ebenen des Themenkomplexes Klimawandel
und Transformationsgestaltung lassen sich unterscheiden. Erstens setzen die Klimaschutzziele neue
Anreize für Industrie und Gewerbe zur Stärkung ihrer
Stellung als innovativer Anbieter und Markt für
klimafreundliche Technologien: Wertschöpfung und
Treibhausgasemissionen müssen gemäß der bayerischen Klimaschutzoffensive in spätestens 30 Jahren
vollständig entkoppelt werden (Kap. 1). Zweitens
wirkt sich der Klimawandel direkt auf Produktionsprozesse aus, beispielsweise über oftmals intensivere und häufiger auftretende Extremereignisse
(Kap. 3.3), welche die direkten Schäden an gewerblicher und industrieller Infrastruktur erhöhen und
Produktionsabläufe sowie Logistikprozesse empfindlich stören können [55]. Der Klima-Report Bayern
2021 widmet dem handlungsfeldübergreifenden
Ausgleich verschiedener Wassernutzungsformen
besondere Aufmerksamkeit, woran sich, drittens,
der Einfluss des Klimawandels auf Industrie und
Gewerbe im Rahmen neuer bzw. bestehender
gesetzlicher Umweltstandards widerspiegelt
(Kap. 4.13.2.1).
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Industrie und Gewerbe
unter anderem folgende Handlungsziele [55]:
• Aufrechterhalten des leistungsfähigen Wirtschaftsstandortes Bayern im Verbund mit einer Ausrichtung der Produktionsweise gemäß fortschrittlicher
Nachhaltigkeitsstandards.
• Steigerung der Energieeffizienz/-produktivität.
4.13.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.13.2.1 Wärmeeinleitung in Gewässer
Bei Produktionsprozessen in der Chemie-, Papierund Lebensmittelindustrie wird oftmals Oberflächenwasser als Kühlmittel verwendet, welches nach
Verwendung erwärmt in die Gewässer rückgeführt
wird. Gleiches gilt für konventionelle Wärmekraftwerke in der Energiewirtschaft wie Gas-, Kohle-, Öl-,
Biomasse-, Abfall- oder Kernkraftwerke [57]. Insgesamt gibt es in Bayern aktuell etwa 40 Kraftwerke
und Industriebetriebe mit bedeutenden Kühlwassereinleitungen (Abb. 86). Grundsätzlich bedarf eine
solche Wärmeeinleitung einer wasserrechtlichen
Erlaubnis, in der Aufwärmspannen und Maximaltemperaturen eines Gewässers gemäß der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) festgelegt werden
[57]. So soll verhindert werden, dass bei ungünstigen Abfluss- und Temperaturverhältnissen die
Gewässerökologie übermäßig beeinträchtigt wird
(Kap. 4.1.2.3). Insbesondere bei komplexen Industriestandorten ist jedoch eine flexible Steuerung der
eingeleiteten Wärmemengen in Abhängigkeit von
den Abfluss- und Temperaturverhältnissen durch
Eingriffe in die Produktionsprozesse oftmals nur
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Sa a
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Wärmeeinleiter (> 10 MJ/s)
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Sitz Bezirksregierung
Sitz Kreisverwaltung
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Inn
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Augsburg
Donau
MÜNCHEN
• In der Vergangenheit sind aufgrund einer adäquaten Beschaffenheit der Kühlsysteme industrieller
Wärmeeinleiter keine unmittelbaren Produktionsausfälle durch wasserrechtliche Einschränkungen
zu verzeichnen.
• In der nahen Zukunft (2021–2050) werden insbesondere bei Niedrigwassersituationen regional die
erlaubten maximalen Wärmeeinleitmengen sinken,
was ohne eine Anpassung der Kühlsysteme zu
unmittelbaren wirtschaftlichen Einbußen führen
könnte.
Umsetzung von Klimaanpassung
In der Regel sind jene Kühlsysteme, welche eine
hohe Kühlleistung mit einer geringen Wärmebelastung von Gewässern verbinden, besonders kostenbzw. energieintensiv. Daher stehen im Kontext der
Wärmebelastung die Ziele Klimaschutz und Klimaanpassung in keiner win-win-Beziehung. Klimaanpassung heißt beim Management der Wärmebelastung
durch Industrie und Gewerbe sowie Energiewirt-
0
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Der Klimawandel beeinflusst den seit langer Zeit reglementierten Zielkonflikt zwischen Wärmeeinleitung
und Gewässerökologie:
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Rosenheim
Auswirkungen auf Wärmeeinleitung
In der Vergangenheit waren bei Niedrigwassersituationen (Kap. 4.1.2.1) lediglich einige Wärmekraftwerke
mit Durchlaufkühlung zu leistungsmindernden
Maßnahmen gezwungen. Bei Industriestandorten
reichte die Wärmeeffizienz der Kühlsysteme bislang
aus, um Betriebseinschränkungen als Folge wasserrechtlicher Vorgaben zu vermeiden. Für die Zukunft
lässt sich derzeit noch nicht verlässlich abschätzen,
ob die klimawandelbedingten Änderungen der
Wassertemperatur- und Niedrigwassersituation, mit
im Median regional bis zu 15 Prozent geringeren
Abflüssen in der nahen Zukunft (2021–2050) gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000, die Möglichkeiten der Wärmeeinleitung signifikant beeinträchtigen [57]. Sicher ist jedoch, dass die
erwarteten höheren Wassertemperaturen und die
regionale Verschärfung von Niedrigwasserereignissen die erlaubte maximale Wärmeeinleitmenge
verringern werden.
Passau
Don au
Landshut
Iller
bedingt möglich. Insofern können wirtschaftliche
Einbußen von Industriebetrieben (und Wärmekraftwerken) bei ungünstigen Abfluss- und Temperaturverhältnissen nur verhindert werden, wenn die
vorhandenen Kühlsysteme für solche Verhältnisse
ausgelegt wurden [57].
155
ch
Le
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Fachdaten:
Informationssystem Wasserwirtschaft
Stand 2015
Salzach
Abb. 86: Kraftwerke und Industriebetriebe mit Wärmeeinleitungen (> 10
MJ/s) in Bayern. Nahe beieinander liegende Standorte
erscheinen als ein Punkt in der Karte.
schaft, auf Basis aktueller Informationen, unter
Berücksichtigung der klimawandelbedingten, veränderten Belastungssituation der Gewässerökologie,
optimale Kühlsysteme zu verwenden.
Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU)
werden derzeit sog. Wärmelastrechnungen aktualisiert (Projektende: voraussichtlich 2020). Diese
zeigen für Donau, Main, Isar und Mittlerer Isarkanal
auf, welchen Einfluss Wärmeeinleiter, insbesondere
bei gewässerökologisch relevanten Extremsituationen wie z. B. bei Niedrigwasser, auf die Wassertemperatur haben. So können die Betreiber frühzeitig
über Betriebsrisiken informiert werden, welche
wiederum bei Investitionen in optimierte Kühlsysteme berücksichtigt werden können.
Die Industrie sowie der Freistaat Bayern berücksichtigen also die Belange der Klimaanpassung:
• Das Landesamt für Umwelt (LfU) stellt sog.
Wärmelastpläne zur Verfügung, welche unter
Berücksichtigung gesetzlicher gewässerökologischer Mindeststandards als Entscheidungsgrundlage dienen können, um für betriebliche Wärmeeinleitungen in Industrie und Energiewirtschaft
den optimalen Einsatz von Kühlsystemen zu
ermöglichen.
• Industrie und Energiewirtschaft sind gesetzlich
verpflichtet, im Rahmen der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Oberflächengewässerverordnung
ökologische Mindeststandards bei der Wärmeeinleitung zu berücksichtigen. Verschärft sich durch
den Klimawandel die ökologische Gefährdung, so
passen sich Industrie und Energiewirtschaft bei
gegeben ökologischen Mindeststandards aufgrund
des betriebswirtschaftlichen Effizienzprinzips an
diese neue Gefährdungslage an.
156
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.14 Tourismus
Kurz gesagt,
• zum schneebasierten Wintertourismus: Insbesondere tiefer liegende Wintersportgebiete, etwa
in den bayerischen Voralpen oder Mittelgebirgsregionen, spüren bereits heute die Auswirkungen
des Klimawandels durch eine verminderte Schneesicherheit. In ausreichend hoch gelegenen Skigebieten kann eine künstliche Beschneiung der
Pisten als Anpassung dienen. Der Ausbau
schneeunabhängiger Tourismusangebote, z. B. in
den Bereichen Gesundheit, Wellness und Kulinarik, kann ebenfalls den Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken.
• zum Sommertourismus: Durch die höheren
Sommertemperaturen und dem erwarteten
Gästezuwachs wird die Tourismusbranche vom
Klimawandel profitieren. Gleichzeitig steigt jedoch
die Gefahr gegenüber Extremwetterereignissen.
Eine an den Klimawandel angepasste Angebots
-und Marketinggestaltung sowie bauliche Maßnahmen an touristisch genutzten Gebäuden können
Chancen befördern und Risiken vermindern.
4.14.1 Ausgangslage
Etwa 600.000 Menschen (4.6 Prozent der Bevölkerung Bayerns) erzielen ihr Einkommen vollständig im
Tourismus. Gerade in strukturschwachen Regionen
Bayerns kann ein Ausbau des Wirtschaftsfaktors
Tourismus dazu beitragen, dass bestehende Strukturdefizite abgemildert werden. Im Zuge der regionalen Wirtschaftsförderung stärkt das Bayerische
Wirtschaftsministerium daher mit über 80 Prozent
der bewilligten Fördermittel insbesondere kleine und
mittlere Unternehmen in strukturschwachen Regionen bei Investitionen. Einerseits kann die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung der bayerischen
Tourismuswirtschaft durch Investitionen, beispielsweise in digitale Tourismusangebote und -marketing,
in Erholungs-, Gesundheits-, Kulinarik- und Wellnessangebote ausgebaut werden. Andererseits hängt
die Profitabilität von Investitionen gerade im Outdoor
Bereich vom Klima und dem Erhalt prägender
kultureller wie natürlicher Landschaftsbilder ab.
Im Zuge des Klimawandels gilt es, die Veränderungen des Klimas in Bayern zu beobachten sowie zu
antizipieren (Kap. 3), und nachfolgend Tourismusangebote graduell anzupassen. Im Sommertourismus
führen steigende Temperaturen eher zu Chancen:
Outdoor Angebote wie Mountainbiken, Klettern,
Freizeitbäder, Badeseen oder Biergärten profitieren
von einer verlängerten Saison und einer steigenden
Attraktivität des gemäßigten Klimas in Bayern
gegenüber dem Mittelmeerraum [55]. Im Wintersporttourismus ist gerade in den tiefer liegenden
Voralpen- und Mittelgebirgsregionen der Rückgang
der Schneesicherheit bereits jetzt spürbar. Die
Möglichkeiten der technischen Beschneiung können
dem nur teilweise entgegenwirken [8]. Soll die
touristische Attraktivität betroffener Regionen
erhalten oder gar ausgebaut werden, so müssen
vorausschauende Tourismusangebote und -konzepte
die Schneeabhängigkeit des Wintertourismus verringern. Letztendlich hängen Ausmaß und Tempo dieses
klimawandelbedingten Strukturwandels im Handlungsfeld Tourismus davon ab, wie schnell in Bayern
und der Welt eine tiefgreifende Transformation des
Wirtschaftens gelingt (Kap. 5). Wenn die Erzeugung
von Wohlstand zügig von der Emission von Treibhausgasen entkoppelt wird, so wird die jährliche Mitteltemperatur Bayerns bis Ende des Jahrhunderts nur
um etwa 1,1 °C gegenüber dem Zeitraum 1971–2000
steigen (Szenario 2-Grad-Obergrenze bzw. Szenario
Vorsorgeprinzip), wohingegen ohne Klimaschutz
3,8 °C wahrscheinlich wären – mit entsprechend
dramatischeren Folgen für den zu bewältigenden
Strukturwandel der Tourismuswirtschaft.
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Tourismus folgende
Handlungsziele [55]:
• Entwicklung und Vermarktung eines an die Folgen
des Klimawandels und die zu erwartende Verschiebung der räumlichen Präferenz und Reisezeit von
Touristenströmen angepassten touristischen
Angebots.
• Anpassung der touristischen Infrastruktur, z. B.
durch Dämmung beziehungsweise Einbau
möglichst energieeffizienter Kühlsysteme.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.14.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.14.2.1 Schneebasierter Wintertourismus
Auswirkungen auf den schneebasierten Wintertourismus
Die Auswirkungen des Klimawandels auf den
Wintertourismus fallen regional unterschiedlich aus.
Während sehr hoch gelegene Winterurlaubsorte
weitestgehend Schneesicherheit bieten, sind in
tiefer liegenden Wintersportgebieten, etwa in den
bayerischen Voralpen oder Mittelgebirgsregionen,
die Auswirkungen des Klimawandels bereits spürbar.
Diese Skigebiete und vom Wintersport abhängige
Regionen müssen auf Grund ihrer Höhenlage mit
einem Rückgang des Skitourismus rechnen. Um
einen pünktlichen Saisonstart terminlich sicherzustellen, ist der Einsatz künstlicher Beschneiung gerade
in niedrigeren Lagen vielerorts unverzichtbar geworden. Etablierte Markenbegriffe wie „Schneebayern“,
aber auch die großen Wintersportevents, die oftmals
einen entscheidenden Imagefaktor darstellen und
hohe ökonomische Bedeutung für Tourismusregionen aufweisen, sind durch die klimatischen Entwicklungen bedroht. So werden Umsatzeinbußen und
steigende Energie- und Versicherungskosten als
größte Risiken gesehen.
Auf der anderen Seite bringt der Klimawandel
allerdings nicht nur negative Veränderungen mit sich.
Hohes Entwicklungspotenzial bieten vor allem der
Erholungs-, Gesundheits- und Wellness-Sektor, der
verstärkt von sich verändernden Kundenwünschen
profitiert. So wird eine weiter steigende Nachfrage
nach umweltfreundlichen Angeboten erwartet, die
dem Trend hin zu einem bewussteren und nachhaltigen Lebensstil gerecht werden. Für den Tourismus
eröffnet sich dadurch eine neue Kundengruppe und
somit Entwicklungschancen. Es wird zudem mit
geringeren Kosten für Raumwärme und Winterdienst sowie insgesamt sichereren Straßenbedingungen gerechnet.
Umsetzung von Klimaanpassung
Mögliche Anpassungsmaßnahmen beziehen sich auf
die Bereiche technische Ausstattung und bauliche
Maßnahmen, Ausbau von Angeboten, Marketing
und Forschung. So kann in ausreichend hoch gelegenen Skigebieten eine künstliche Beschneiung der
Pisten erfolgen. Der Strombedarf für die Beschneiungsanlagen stammt optimalerweise aus lokal
erzeugten erneuerbaren Energien. Das Angebot für
Nicht-Wintersportler wird weiter ausgebaut, um die
Schneeabhängigkeit zu reduzieren. Insbesondere die
Bereiche Gesundheit, Wellness und Kulinarik bieten
sich hierfür an. Eine wichtige Rolle kann dabei auch
das Thema Erlebnisinszenierung am Berg spielen.
Denkbar wären Projekte wie spezielle Themenhütten, Aussichtsplattformen, Erlebnispfade und ein
umfassend ausgebautes Wanderwegenetz, das
ganzjährig genutzt werden kann. Die Bayerische
Staatsregierung unterstützt dabei die Modernisierung der noch bestehenden 122 bayerischen Seilbahnanlagen (Stand 2018). Förderfähig sind nur
Investitionsvorhaben, die mit den Belangen des
Umweltschutzes sowie der Raumordnung, insbesondere dem Alpenplan und dem Regionalplan in
Einklang stehen. Als Ergänzung könnten außerdem
wetterunabhängige Indoor-Angebote wie Schwimmbäder oder Kletterhallen weiter ausgebaut werden,
um potentiellen Gästen weitere Alternativen zur
Urlaubsgestaltung zu bieten.
4.14.2.2 Sommertourismus
Auswirkungen auf den Sommertourismus
Auch in den Sommermonaten bietet der Klimawandel sowohl Chancen als auch Risiken für den Tourismus. Wärmere Temperaturen insbesondere in den
Sommermonaten machen das Urlaubsland Bayern
für Gäste noch attraktiver und sollten zu einem
Gästezuwachs führen. Ein zusätzliches Besucherplus
erwartet man durch die Umlenkung von Reiseströmen aus dem Mittelmeerraum, der zu trocken und
zu heiß für einen Urlaub werden könnte. Insgesamt
ist von einer Verlängerung der Sommersaison ins
Frühjahr und bis weit in den Herbst auszugehen
(Vor- bzw. Nachsaison). Profitieren wird davon
besonders der Wander-, Fahrrad- und Wellnesstourismus. Höhere Wassertemperaturen führen zu einer
157
158
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
steigenden Bedeutung von Badetourismus und
Wassersport an den bayerischen Seen. Vor allem
Bergseen, die jetzt noch zu kalt zum Baden sind,
könnten in Zukunft warm genug dafür sein und
eröffnen so ein zusätzliches Potenzial für den
Sommertourismus im Alpen- und Mittelgebirgsraum.
Die Risiken des Klimawandels für den Sommertourismus in Bayern liegen in erster Linie in Extremwetterereignissen. Überschwemmungen können die
touristische Nutzbarkeit beeinträchtigen und zu
erheblichen Ersatzinvestitionen sowie Einkommenseinbußen führen. Aber auch die deutliche Erhöhung
der Anzahl von Hitzetagen, stellt eine erhebliche
gesundheitliche Gefährdung für Kleinkinder und
ältere Personen dar. Ein möglicher künftiger Rückgang der Niederschlagsmengen (Kap. 3.2), verbunden mit den steigenden Temperaturen, könnte zum
Absinken des Grundwasserspiegels und einer
Verschärfung der Niedrigwassersituation an Flüssen
und Seen führen, was eine Verschlechterung der
Wasserqualität sowie Algenwachstum zur Folge
haben kann (Kap. 4.1). Weitere Folgen können
Nutzungskonflikte um die Ressource Wasser sein,
die besonders in landwirtschaftlich und touristisch
intensiv genutzten Regionen entstehen könnten.
Auch der steigende Bedarf nach Klimatisierung stellt
ein Risiko für die Tourismusbranche dar. Neben
hohen Kosten für Einbau und Wartung sind damit
vor allem höhere Energiekosten verbunden, die zu
Preissteigerungen für die touristischen Gesamtprodukte führen können. Als weitere Risiken sind eine
erhöhte Waldbrandgefahr und vermehrter Schädlingsbefall zu nennen, die infolge steigender Temperaturen und zunehmender Trockenphasen auftreten
und neben einem regionalen Imageverlust zu hohen
finanzielle Schäden führen können.
Umsetzung von Klimaanpassung
Mögliche Anpassungsstrategien liegen bei Bau
und Sanierung touristisch genutzter Gebäude nach
einschlägigen Niedrigenergiestandards sowie im
Einsatz energieeffizienter Technik bei Betrieb und
Nutzung. Weitere Anpassungsmöglichkeiten liegen
beispielsweise in einem eigenen Energiemanagement sowie dem Einbau von Regenwassertanks.
Auch im Bereich der Angebotsgestaltung sind
Anpassungsmaßnahmen möglich. So ist – wie im
Wintertourismus – darauf zu achten, dass ganzheitliche Angebote entstehen und ausreichend Angebotsalternativen für Tage mit hohen Temperaturen
zur Verfügung stehen. Auch im Tourismusmarketing
kann Anpassung erfolgen. Hier liegt der Schwerpunkt auf einem integrierten Destinationsmanagement, das durch Vernetzung und Kooperationen
Synergien erzeugt. Auch die Konzentration auf
regionale Waren und Erzeugnisse stellt eine sinnvolle Anpassungsmaßnahme dar. So wird einerseits
die regionale Produktion gestärkt und andererseits
das Klima durch den Wegfall langer Lieferwege
geschont. Darüber hinaus sind die Entwicklung und
Stärkung regionaler Marken durch eine einheitliche
„Corporate Identity“, einem gemeinsamen Wertesystem in Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit,
Klimafreundlichkeit und Gesundheit sowie Qualität
weitere Beispiele für gelungene Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Prof. Dr. Jürgen Schmude, Ludwig-Maximilians-Universität München, Department für Geographie; Dr.
Michael Bischof, Institut für Ecomedicine, Paracelsus
Medizinische Privatuniversität Salzburg
Klimawandel und Gesundheitstourismus: Destinationen und ihre Anpassung
Wetter und Klima sind Komponenten des ursprünglichen Angebots im Tourismus. Die Veränderung des
Klimas hat veränderte Rahmenbedingungen zur
Folge, die sich für die einzelnen touristischen Marktsegmente (z. B. Wintersport- oder Gesundheitstourismus) unterschiedlich auswirken. Der Klimawandel
und seine vielfältigen Folgen sind hinsichtlich der
zukünftigen Entwicklung des Tourismus sowohl für
die touristischen Leistungsträger als auch für die
touristischen Zielgebiete und die Touristen selbst
von großer Bedeutung. Entsprechend stehen auch
gesundheitstouristische Zielgebiete vor der Herausforderung, sich an die ändernden klimatischen
Rahmenbedingungen anzupassen. Prädikatisierte
Heilbäder und Kurorte (z. B. Moorbäder oder Luftkurorte) sind in diesem Zusammenhang besonders
gefordert, da sie als besonders vulnerabel gelten,
denn ihre natürlichen, ortsgebundenen Heilmittel
(z. B. Moore oder Luftqualität), die Voraussetzung
für ihre Prädikatisierung sind, werden durch den
Klimawandel beeinflusst. Die gravierendste mögliche
Folge ist die Gefahr des Prädikatsverlusts, wenn
die Destinationen die Richtlinien für das jeweilige
Prädikat nicht mehr erfüllen können. Andererseits
ergeben sich durch den Klimawandel durchaus auch
Chancen (z. B. Möglichkeiten zur Saisonverlängerung). Als Handlungsfelder für Heilbäder und Kurorte
unter dem Eindruck des Klimawandels gelten
insbesondere:
• Gäste (z. B. Beobachtung und Analyse Reiseverhaltensänderungen der Gesundheitstouristen),
• Kurmittel (z. B. frühzeitiges Erkennen der Veränderung/Verfügbarkeit der natürlichen Heilmittel),
• Landschaftsbild und Vegetation (z. B. klimaresistente Pflanzen und natürliche Verschattung),
• (touristische) Aktivitäten (z. B. Angebotsdiversifizierung im In- und Outdoorbereich),
• Infrastrukturen und Dienste (Klimatisierung und neue
Dienstleistungen wie z. B. Gesundheitsmanager).
Ziel für Kurorte und Heilbäder muss es sein, für
jedes Handlungsfeld die individuellen Chancen und
Risiken des Klimawandels frühzeitig zu analysieren,
um jeweils passende Anpassungsstrategien zu
entwickeln und umzusetzen. Auf Grund der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Problem des
Klimawandels und der Analyse der bisher vorgenommenen und/oder zukünftig geplanten Anpassungsmaßnahmen lassen sich für Heilbäder und Kurorte
aktuell vier Anpassungstypen differenzieren: Skeptiker (Diskussion um den Klimawandel muss noch
angestoßen werden, um ein Bewusstsein für die
Betroffenheit zu schaffen), Planer (Chancen und
Risiken des Klimawandels werden analysiert und die
Zukunftsbedürfnisse der Bevölkerung und der Gäste
diskutiert), Pragmatiker (Umsetzbarkeit und Nutzen
von Anpassungsmaßnahmen stehen im Mittelpunkt)
und Macher (bereits begonnene Klimaanpassung
und die Bewusstseinsarbeit werden auf breiter
Ebene fortgeführt).
Abb. 87: Anpassungstypen der Heilbäder und Kurorte: Skeptiker, Planer, Pragmatiker und Macher.
159
160
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Prof. Dr. Jürgen Schmude, Dipl. Geogr. Maximilian
Witting; Ludwig-Maximilians-Universität München,
Department für Geographie
Klimawandel und Skitourismus: Ökonomische
Auswirkungen und
Reaktion der Skitouristen
Der Klimawandel hat für den Skitourismus gravierende Folgen. Insbesondere für niedrig gelegene
Skigebiete verringert sich die Schneesicherheit und
es kommt zu einer zeitlichen Verschiebung der sog.
optimalen Skitage von Weihnachten ins Frühjahr
Richtung Fasching bzw. Ostern (Christmas-EasterShift), die zudem in geringerer Frequenz auftreten.
Bereits in der Vergangenheit haben sich die durch
den Skitourismus generierten Umsätze zwischen
„guten“ und „schlechten“ Wintern deutlich unterschieden. Wie das Beispiel des Skigebiets Sudelfeld
zeigt (vgl. Abb. 88), kann die Variabilität zwischen
„guten“ und „schlechten“ Wintern auch durch den
Ausbau der künstlichen Beschneiung nur abgefedert,
nicht aber vollständig ausgeglichen werden: So
belief sich die Umsatzdifferenz vor dem Ausbau der
Beschneiungsanlagen zwischen dem „guten“ Winter
2005/06 (Durchschnittstemperatur – 1,58 Grad
Celsius) und dem darauffolgenden „schlechten“
Winter 2006/07 (+2,51 Grad Celsius) auf nahezu
12 Mio. €, während nach dem Ausbau der Beschneiungsinfrastruktur die Differenz zwischen dem
„guten“ Winter 2017/18 (+ 1,49 Grad Celsius) und
dem „schlechten“ Winter 2015/16 (+ 2,37 Grad
Celsius) lediglich 4,5 Mio. € betrug.
Die Wintersporttouristen reagieren sehr unterschiedlich auf die klimatischen Veränderungen und die
daraus resultierenden Bedingungen für das Skifahren. Grundsätzlich lassen sich folgende fünf Reaktionstypen auf der Nachfrageseite unterscheiden:
• Business-as-usual: Dieser Typus behält sein
Verhalten bei und bleibt der Destination treu,
solange das Skifahren dort noch möglich ist.
• Activity-Switcher: Selbst bei deutlich schlechteren
Bedingungen zum Skifahren bleibt auch dieser
Typus der Destination treu, ändert allerdings seine
Aktivitätsmuster und weicht auf andere (Outdoor-)
Aktivitäten aus (z. B. Mountainbiken, Wandern,
Schneeschuhwandern).
• Time-Switcher: Dieser Typus handelt zeitlich
flexibel und fährt entsprechend dann Ski, wenn es
die Bedingungen zulassen. Dabei kann es unter
Umständen zum Wechsel in andere Destinationen
kommen.
• Destination-Switcher: Wenn sich die Skibedingungen in „seiner“ Destination deutlich verschlechtern, wechselt dieser Typus zum Skifahren in eine
Destination, die ihm höhere Schneesicherheit
bietet.
• Stop-it: Dieser Typus wendet sich komplett vom
Wintersporttourismus ab.
Die Anteile der verschiedenen Typen differieren
zwischen den skitouristischen Destinationen sowie
zwischen Tages- und Übernachtungsgästen. Für die
skitouristischen Destinationen bedeutet dies, dass
sie sich je nach Veränderung der klimatischen
Rahmenbedingungen und die für sie daraus resultierenden zukünftigen Möglichkeiten zum Skifahren
darauf einrichten müssen, dass sie einen Teil ihrer
Klientel verlieren (insbesondere Destination-Switcher
und Stop-it). Vor diesem Hintergrund stehen diese
Destinationen vor der Aufgabe, sich neue Marktsegmente im Tourismus (z. B. Wander- oder Fahrradtourismus) zu erschließen oder – falls bereits vorhanden
– weiter auszubauen, um die Umsatzrückgänge im
Skitourismus zu kompensieren. In der Regel ist es
notwendig, die hierfür benötigte Infrastruktur aufoder auszubauen. Dieser Umsteuerungsprozess ist
langwierig und erfordert eine frühzeitige Planung
und zielgerichtete Umsetzung.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 88: Umsatzunterschiede zwischen “guten” und “schlechten” Wintern (vor und nach der Modernisierung) am Beispiel Sudelfeld/
Obb.
161
162
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.15 Finanzwirtschaft
Kurz gesagt,
• zu Schäden an privaten Wohngebäuden:
Insbesondere bei Sturm- und Sturzflutereignissen
ist für private Wohngebäude in Zukunft mit einer
erhöhten Verwundbarkeit gegenüber Schäden zu
rechnen. Eine weiterhin steigende Versicherungsquote von Wohngebäuden, insbesondere für
Elementarschäden, trägt zu einer höheren Katastrophenresilienz Bayerns bei.
• zu Globalen Klimarisikoversicherungen: Die
klimapolitische Landschaft setzt einen zunehmenden Fokus darauf, die Verwundbarkeit von Entwicklungsländern gegenüber den negativen
Auswirkungen von klima- und wetterbedingten
Risiken durch Klimarisikoversicherungen zu
verringern. Die Münchner Initiative für Klimaversicherungen (MCII) unterstützt diese Entwicklungen,
und erarbeitet dadurch Chancen für die bayerische
Finanzwirtschaft.
4.15.1 Ausgangslage
Die Banken- und Versicherungswirtschaft trägt dazu
bei, dass bayerische Bürger und Unternehmen klimaund wetterbedingte Risiken bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen und die natürlichen Schwankungen des Wetters nicht zu gleichermaßen stark
schwankenden Einkommen und Vermögenswerten
führen. Unternehmen und Eigenheimbesitzer
können ihren Besitz gegen Schäden aus Hochwasser-, Sturm- und Hagelereignissen absichern. In
jedem Einzelfall ist von Banken je nach Art und Lage
eines finanzierten Objekts die Erheblichkeit der
Risiken zu prüfen, sodass ggf. zur finanziellen
Absicherung des Sicherungsguts unter Berücksichtigung bereits ergriffener Vorsorgemaßnahmen
risikomindernde Instrumente wie Versicherungen
vom Kreditnehmer gefordert werden. Im Rahmen
einer Vereinbarung der Bayerischen Staatsregierung
mit Partnern der Wirtschaft sowie den kommunalen
Spitzenverbänden (siehe ausführlicher 4.15.2) haben
die Verbände der bayerischen Kreditwirtschaft zudem
zugesagt, ihre Mitgliedsinstitute darin zu bestärken,
zukünftig ihre Kunden bei der Vergabe von Immobilienkrediten auf die Risiken von Naturereignissen
sowie auf die Vorteile von Versicherungen gegen
Elementarschäden im Rahmen der Absicherung von
Immobiliensicherheiten hinzuweisen.
Mit dem Klimawandel verändert sich das Wetter
Bayerns und somit das Risiko, welches Bayerns
Bürger und Unternehmen bei ihren ökonomischen
Entscheidungen berücksichtigen müssen. Die
Finanzindustrie ist auf zwei Skalenebenen betroffen:
sowohl in Bayern, aber auch global, ergeben sich
Risiken und Chancen für neue und alte Geschäftsfelder. Generell können drei Arten von Auswirkungen
des Themenkomplexes Klimawandel und Transformationsgestaltung auf die Finanzwirtschaft unterschieden werden. Erstens werden durch Klimaschutzmaßnahmen zahlreiche Produktionsprozesse
tiefgreifend transformiert. Insofern könnten sich
erhöhte Ausfallrisiken für Investitionen in traditionellen, mit Treibhausgasemissionen verbundenen
Geschäftsfeldern ergeben. Dies sind keine unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels selbst.
Zweitens beeinflusst der Klimawandel direkt das
Risiko, welchem zahlreiche Vermögenswerte ausgesetzt sind (Kap. 4.15.2.1). Drittens ergeben sich
neue Geschäftsfelder durch das weltweite Bestreben, Klimaanpassung zu betreiben, um widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels
zu werden (Kap. 4.15.2.2).
Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der
Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS
2016) für das Handlungsfeld Finanzwirtschaft folgendes Handlungsziel:
• Die Finanzwirtschaft ist gefordert, ihre Produkte an
klimatische Veränderungen und an die Reaktionen
aus Politik und Gesellschaft anzupassen.
4.15.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.15.2.1 Schäden an privaten Wohngebäuden
Starkregen, Hochwasser, Sturm und Hagel können
erhebliche Schäden an Gebäuden verursachen. Im
Zeitraum 2010 bis 2018 verursachten in Deutschland
die fünf schadenintensivsten Winterstürme zusammen 5 Milliarden Euro und die fünf teuersten
Hochwasserereignisse 13,5 Milliarden Euro an
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 89: In Simbach am Inn hinterließen die Wassermassen des
Simbachs am 1. Juni 2016 ein Bild der Verwüstung.
Schäden. Von den Gesamtschäden der bundesweiten Wintersturm- und Winterschäden des Zeitraums
2010 bis 2018 waren in etwa 66 Prozent versichert.
Für Hochwasserschäden waren es nur 29 Prozent
(laut NatCatService der Münchner Rückversicherung). Exemplarisch für Hochwasserschäden, welche
durch ein Starkregenereignis entstanden, steht die
Sturzflut des Jahres 2016 in Simbach am Inn
(Abb. 89). Allein für den am stärksten betroffenen
Regierungsbezirk Niederbayern (Schwerpunkt
Landkreis Rottal-Inn) werden die resultierenden
Gesamtschäden auf Sachwerte mit über 1 Milliarde
Euro beziffert.
Auswirkungen auf Schäden an privaten
Wohngebäuden
Typischerweise wird bei Gebäuden zwischen
Schäden aus Hagel- und Sturmschäden und sogenannten Elementarschäden unterschieden. Elementarschäden umfassen grob alle weiteren Schäden
aus Naturkatastrophen wie Überschwemmungs-,
Erdrutsch- oder Lawinenschäden. Eine Möglichkeit,
Schäden an privaten Wohngebäuden zu messen, ist
der sogenannte Schadensatz. Er beschreibt das
Verhältnis der vom Versicherer getätigten Aufwendungen für Versicherungsfälle und dem Wert der
versicherten Gebäude [74]. Steigt der Schadensatz,
so kann man auf eine gestiegene Verwundbarkeit
der versicherten Gebäude gegenüber der Schadensursache schließen.
Für Bayern ist seit 1997 kein eindeutiger Trend der
Verwundbarkeit gegenüber Sturm-, Hagel- (Abb. 90)
und weiteren Elementarereignissen erkennbar [74].
Generell erwartet die Wissenschaft laut dem letzten
Sachstandsbericht des Weltklimarates, dass der
Klimawandel zu mehr wetterbedingten Naturkatastrophen führt. Jedoch sind je nach Region und Art der
Extremereignisse unterschiedliche Entwicklungen zu
erwarten [10]. Für Winterstürme wird in Deutschland
im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 ein 20 bis
30 Prozent höherer Schadensatz um die Mitte des
Jahrhunderts (2041–2070) projiziert [132]. Generell
werden in Bayern für die Zukunft häufigere und
intensivere Starkregenereignisse erwartet (Kap. 3.3).
Einer möglichen Zunahme der mehrtägigen, großräumigeren Starkregenereignisse und daraus
resultierender höherer Flusshochwasser wird
grundsätzlich durch präventive Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern Rechnung getragen: ein sog.
Klimaänderungszuschlag wird seit 2004 bei Hochwasserschutzanlagen berücksichtigt [8]. Hochwasserschutzwände werden beispielsweise gemäß
eines um 15 Prozent erhöhten Bemessungshochwassers ausgelegt (Klimazuschlag), weshalb Klimaveränderungen hier zumindest nicht automatisch zu
einer höheren Verwundbarkeit von Gebäuden
gegenüber Hochwasserereignissen führen. Jedoch
tragen in Zukunft häufiger auftretende lokale, extrem
intensive Starkregenereignisse wie zum Beispiel das
oben erwähnte Ereignis von Simbach am Inn zu
einer steigenden Verwundbarkeit von Gebäuden
gegenüber Sturzflut- und lokalen Hochwasserereignissen überall in Bayern bei, da diesen durch präventive Maßnahmen nur beschränkt beizukommen ist
(Kap. 4.1).
Zusammenfassend für die Auswirkungen des
Klimawandels auf Schäden an Gebäuden gilt:
• Die Verwundbarkeit von privaten Wohngebäuden
Bayerns gegenüber klima- und wetterbedingten
Ereignissen folgt seit 1997 keinem eindeutigen
Trend.
• Für die Zukunft kann insbesondere für Starkregenereignisse und Stürme von einer deutlich erhöhten Verwundbarkeit von privaten Wohngebäuden
ausgegangen werden.
163
164
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 90: Schadenhäufigkeit und Schadensatz für Sturm- und Hagelschäden in Bayern seit 1997. Die Schadenhäufigkeit lässt Aufschlüsse
über die Anzahl der versicherten Schäden zu, der Schadensatz hingegen über Aufwendungen, welche Versicherer durch
Schadensereignisse tätigen müssen.
Umsetzung von Klimaanpassung
Klimaanpassung heißt, die Katastrophenresilienz zu
erhöhen, also die Verwundbarkeit von Gebäuden
gegenüber wetterbedingten Extremen durch präventive Maßnahmen zu verringern sowie die Folgen
des Extremereignisses für das alltägliche Leben
des Eigentümers, Mieters oder Pächters gering zu
halten. Beides wird durch höhere Versicherungsquoten befördert, denn für jedes versicherte Gebäude
muss zunächst das Risiko eines Schadensfalls
erhoben werden – eine Grundvoraussetzung, um
über präventive Maßnahmen nachzudenken – und
durch die Auszahlung der Versicherungssumme im
Schadensfall kann der Eigentümer Reparaturmaßnahmen finanzieren, ohne dabei Einkommen oder
Vermögen aufzuzehren. Daher setzt die Bayerische
Staatsregierung in der Klimaanpassungsstrategie
(BayKLAS 2016) auf den Maßnahmenmix aus einer
Sensibilisierung der Bevölkerung, beispielsweise
durch die Bayerische Elementarschadenskampagne
„Voraus denken – elementar handeln“29, und dem
Schaffen von Anreizmechanismen für Präventionsmaßnahmen [55]. Der Anteil der gegen Elementarschäden versicherten Gebäude in Bayern betrug
im Jahr 2019 34 Prozent. Ausgehend von unter 5
Prozent im Jahr 2002 ist ein stark positiver Trend der
29
https://www.elementar-versichern.de/
Versicherungsquote zu verzeichnen (Abb. 91). Diese
Entwicklung ist mutmaßlich auch auf zahlreiche
Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung
zurückzuführen. So verpflichteten sich zahlreiche
große Versicherungsunternehmen, kommunale
Spitzenverbände sowie Verbände der gewerblichen
Wirtschaft, gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung die Bürgerinnen und Bürger über die
Gefahren durch Elementarereignisse umfassend
zu informieren. Ausgehend von dieser Vereinbarung
informierten führende Versicherungsunternehmen
ihre Kunden großflächig mittels eines Informationsschreibens der Bayerischen Staatsregierung über
die Notwendigkeit, Vorsorge gegen Elementargefahren zu betreiben. Auch hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, bei Elementarereignissen ab
dem Stichtag 1. Juli 2019 keine staatlichen finanziellen Unterstützungen in Form von Soforthilfen mehr
zu gewähren, wenn keine Versicherung abgeschlossen wurde, obwohl diese möglich gewesen wäre.
Unbeschadet davon bleiben Härtefallregelungen im
Einzelfall.
Für Sturm- und Hagel beträgt die Versicherungsquote
deutschlandweit etwa 93 %. In Bayern lag die
Versicherungsdichte 2017 dagegen lediglich bei 77 %
(nach Zahlen des GDV).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Land- und Forstwirtschaft ab. Jedes Jahr rutschen
26 Millionen Menschen durch die Auswirkungen von
Klima- und Wetterextremen, beispielsweise durch
Mangelernten oder Viehsterben, in die extreme
Armut ab (und somit in ein Einkommensniveau unter
1.90€ pro Tag). Die Folge sind oftmals Krankheiten,
Mangelernährung und erzwungene Migration.
Klimarisikoversicherungen können diese negativen
Folgen durch rechtzeitige Auszahlungen im Schadensfall verhindern und dazu beitragen, dass verwundbare Nationen widerstandsfähiger gegen klimaund wetterbedingte Risiken werden.
Abb. 91: Entwicklung der Versicherungsdichte der in Bayern
gegen Elementargefahren versicherten privaten
Wohngebäude seit 2002 (Quelle: Daten des
Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft)
Zusammenfassend gilt zur Umsetzung von Klimaanpassung:
• Informationskampagnen wie „Voraus denken –
elementar versichern“ und zahlreiche Anreizmechanismen tragen dazu bei, die Versicherungsquote von privaten Wohngebäuden gegen
Elementarschäden und somit die Katastrophenresilienz Bayerns weiter zu erhöhen. Eigentümer,
Mieter und Pächter sind gefordert, präventive
Maßnahmen umzusetzen und ausreichenden
Versicherungsschutz zu erwerben.
4.15.2.2 Globale Klimarisikoversicherungen
Im Jahr 2018 forderten Stürme, Hochwasser, Georisiken, Trockenperioden und Waldfeuer weltweit ca.
6.900 Todesopfer und verursachten Schäden von ca.
133 Milliarden Euro, wovon etwa die Hälfte versichert war. Mit dem Klimawandel wird erwartet, dass
die Frequenz und Intensität vieler Extremwetterereignisse weiter zunimmt. Entwicklungsländer sind
besonders verwundbar gegenüber obigen Naturgefahren: 95 Prozent der klima- und wetterbedingten
Schäden in Entwicklungsländern sind nicht versichert. Dabei hängen oft mehr als die Hälfte der
Beschäftigten eines Entwicklungslandes von
Auswirkungen auf Klimarisikoversicherungen
Obgleich der Klimawandel als Bedrohungsmultiplikator angesehen werden kann, der inner- und
zwischenstaatliche Trends, Spannung und Instabilitäten weiter verschärft [133], bieten sich genau
dadurch Chancen für die bayerische Finanzindustrie.
Diese kann ihre Expertise im Risikomanagement
und für Risikotransferlösungen, beispielsweise im
Rahmen von Klimarisikoversicherungen, zum Wohle
der internationalen Gemeinschaft anbieten.
Für die bayerische Versicherungswirtschaft war
hierzu das Jahr 2015 ein Meilenstein, da entscheidende politische Weichen gestellt wurden. Auf
Initiative des Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde
im Rahmen des G7-Gipfels in Elmau (Deutschland)
die G7-Initiative „InsuResilience“ angenommen,
welche zum Ziel hatte, bis zum Jahr 2020 zusätzlich
400 Millionen arme und verwundbare Menschen
gegen Klima- und Wetterrisiken zu versichern.30 Dazu
wurden bis 2018 etwa 630 Millionen Euro bereitgestellt. Im Jahr 2017 wurde die Initiative zu einer
„Globalen Partnerschaft für Risikofinanzierung und
Versicherungen für Klima- und Katastrophenrisiken“
(InsuResilience Global Partnership) im Zuge des
G20-Gipfels in Hamburg und der Klimakonferenz
(COP23) in Bonn, unter Einbezug von nahezu 50
besonders verwundbaren Entwicklungsländern,
ausgeweitet. Diese Entwicklungen zeigen ein
weltweit steigendes Interesse für Klimarisikoversicherungen.
30
https://www.insuresilience.org/
165
166
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Abb. 92: Teilnehmer der 21. Weltklimakonferenz in Paris (COP21).
Als zweiter politischer Meilenstein des Jahres 2015
wurde in den Pariser Klimaverhandlungen (COP21)
vereinbart, dass die Industrienationen aufgrund ihrer
besonderen Verantwortung ihre finanziellen Hilfen
für Entwicklungsländer auf jährlich 90 Milliarden Euro
bis zum Jahr 2020 erhöhen, wovon eine Hälfte für
Anpassungs- und eine für Klimaschutzzwecke
genutzt werden soll. Dabei wurde für Anpassungshilfen ein Fokus auf jene Staaten vereinbart, welche
besonders verwundbar gegenüber den negativen
Auswirkungen des Klimawandels sind. Hier können
Klimarisikoversicherungen grundsätzlich einen
Beitrag leisten.
Für die bayerische Versicherungswirtschaft ergeben
sich also folgende Auswirkungen aus den klimapolitischen Bestrebungen, die globale Widerstandskraft
der Nationen gegen Klima- und Wetterereignisse zu
erhöhen:
Umsetzung von Klimaanpassung
Im April 2005 wurde, unter der aktiven Mitwirkung
von Akteuren der bayerischen Versicherungsindustrie, die Münchner Initiative für Klimaversicherungen
(„Munich Climate Insurance Initative“) als ein
gemeinnütziger Verein gegründet. In ihm haben sich
Versicherer, wissenschaftliche Institute und Nichtregierungsorganisationen zum Ziel gesetzt, die Rolle
von Klimarisikoversicherungen im Rahmen der
internationalen Klimapolitik als ein Mittel zur Umsetzung von globaler Klimaanpassung zu betonen. Der
Fokus liegt dabei auf einer Reduktion von Schäden
durch präventives Risikomanagement sowie darauf,
unvermeidbare Schäden durch Klimarisikoversicherungen abzusichern. Die Hauptaufmerksamkeit
widmet die Initiative dabei einem erhöhten Versicherungsschutz jener Staaten, welche gegenüber
klima- und wetterbedingten Risiken besonders
verwundbar sind.31
• Die „InsuResilience Global Partnership“ Initiative
für Klimarisikoversicherungen sowie die im
Rahmen der Klimaverhandlungen vereinbarten
Finanzhilfen für Entwicklungsländer bieten die
Chance, die Versicherungsdichte für klima- und
wetterbedingte Schäden in Entwicklungsländern
deutlich zu erhöhen.
• Durch die „Munich Climate Insurance Initiative“
werden Klimarisikoversicherungen für besonders
verwundbare Entwicklungsländer im Rahmen der
internationalen Entwicklungszusammenarbeit und
der Klimaverhandlungen als ein Mittel beworben,
welches die globale Widerstandskraft gegenüber
dem Klimawandel erhöhen kann.
31
http://www.climate-insurance.org
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
167
4.16 Klimawandel im Alpenraum
Kurz gesagt,
• Die Alpen zeichnen sich durch ein charakteristisches Klima aus, welches durch die Topographie
und die damit einhergehenden meteorologischen
Bedingungen geprägt wird. Der Klimawandel führt
im Alpenraum zu stärkeren Auswirkungen als im
restlichen Bayern, weshalb intensive Anpassungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden müssen.
• Der Klimawandel äußert sich im Alpenraum in
veränderten Niederschlagsintensitäten und einer
verkürzten Schneebedeckungsdauer in tieferen
Lagen. Die bayerischen Gletscher werden weiter
an Größe verlieren.
• Der ganzjährig gefrorene Untergrund (Permafrost)
im Fels des Gipfelkamms der Zugspitze hat seit
dem Jahr 1900 von ursprünglich 34 m Tiefe bereits
10 m eingebüßt. Bis Ende des Jahrhunderts
könnte der Permafrost an der Zugspitze gänzlich
verschwunden sein.
4.16.1 Ausgangslage
Das Klima der Alpen kennzeichnet sich durch komplexe, lokale Variationen auf kleinem Raum und stellt
damit eine Besonderheit innerhalb der gemäßigten
Klimate dar. Prägend für die klimatischen Gegebenheiten im alpinen Raum sind weniger der geographische Breitengrad, als die Höhe und die Exposition
des entsprechenden Berghanges oder Tals. Die
jeweilige Höhenstufe hat für die Ausprägung des
Klimas eine hohe Bedeutung. Innerhalb weniger
hundert Höhenmeter ändert sich das Klima aufgrund des Temperaturgradienten so stark, dass
eine vertikale Zonierung vorliegt. Bedingt durch die
komplexe Topographie und verstärkt durch lokale
Windsystemlagen können Niederschläge begünstigt
werden oder geringer ausfallen. Die mitunter sehr
mächtige Schneedecke über die Wintermonate hat
eine besondere Bedeutung als Wasserspeicher für
die Vegetation, Quellen und Fließgewässer bis in die
Sommermonate hinein.
Studien zeigen, dass sich die bayerischen Alpenregionen in der Zukunft womöglich schneller erwärmen
als das globale Mittel, tendenziell aber auch schneller
als das bayerische Mittel. Diese höhenabhängige
Erwärmung begründet sich in der kontinentalen
Lage des Alpenraums, der Nähe zu den sich erwärmenden Polregionen und auch in womöglich
regionalen Rückkopplungseffekten v. a. infolge der
Schneebedeckung [134]. Der generelle Trend der
Erwärmung steigt mit der Höhe, wobei es hier
regionale und saisonale Unterschiede gibt und sich
auf kleiner Skala die treibenden Kräfte auch ausbalancieren können [135].
Der Alpenraum ist eine klimasensitive Region und
kann damit als Frühwarnsystem für Bayern dienen.
4.16.2 Auswirkungen des Klimawandels
und Anpassung
4.16.2.1 Auswirkungen auf die Schneedecke und
Eisflächen
Global zeigt sich eine generelle Abnahme der
Schneebedeckungsdauer, der Mächtigkeit und
Ausdehnung der Schneedecke in niedrigen Lagen
sowie ein Rückgang von Gletschern und Permafrost
aufgrund des Klimawandels in den letzten Jahrzehnten [137].
Abb. 93: Abb. 93: Veränderungen der Fläche der Bayerischen Gletscher
seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (linke Achse). Die schwarze
Linie zeigt die Gesamtfläche (rechte Achse). NSF: Nördlicher
Schneeferner; HTF: Höllentalferner; SSF: Südlicher Schneeferner;
BEI: Blaueis; WMG: Watzmanngletscher. [136]
168
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Studien für den bayerischen Alpenraum prognostizieren diese Entwicklung ebenso. Die steigenden
Temperaturen führen zu einem stärkeren Abschmelzen der vorhandenen Schneedecke in tiefen Lagen
und bewirken, dass mehr Niederschlag als Regen
fällt und nicht als Schnee [134].
Die fünf bayerischen Gletscher (Nördlicher und
Südliche Schneeferner, der Höllentalferner, das
Blaueis und der Watzmanngletscher) sind sensible
Klimaindikatoren, weil sie stark und schnell auf
Schwankungen des Klimas reagieren. Es gibt zahlreiche Untersuchungen und lange Messreihen über
diese Gletscher. Die Zeitreihen zeigen einen Gletscherschwund ([138]; Abb. 93). Beispielhaft zeigt
Abb. 94 die Abnahme des Eises am Blaueis-Gletscher im Nationalpark Berchtesgaden. Die ursprüngliche zusammenhängende Eisfläche besteht nun aus
mehreren Teilen. Damit folgen die bayerischen
Gletscher dem globalen Trend der Massenabnahme.
Hock et al. (2019) zeigen in ihrer Analyse die negativen Massenbilanzen der letzten Jahrzehnte aller
Gletscher von 11 alpinen Regionen der Erde [137].
Wenn durch einen voranschreitenden Klimawandel
beobachtete Schmelzraten weiterhin bestehen
bleiben, so werden die bayerischen Gletscher in den
nächsten Jahren bis Jahrzehnten verschwinden [138].
Abb. 94: Blaueis-Gletscher im Nationalpark Berchtesgaden
im Jahr 2019
Aber nicht nur die Gletscher zeigen eine Abnahme
des Eises, sondern auch die Eiskapelle in Berchtesgaden, das niedrigste ganzjährige Eisfeld der Alpen.
Mott et al (2019) zeigen in ihrer Studie die Verkleinerung der Eisfläche über die letzten Jahrzehnte [139].
Seit 1974 hat sich die Länge des Eisfeldes in OstWest Richtung um 200 m verkürzt. Die größte
Abnahme des Eises fand in ihrer Höhe zwischen
1973 und 1994 statt, mit einer Abnahme der Eisdicke
um 30 Meter (Abb. 95).
Abb. 95: Oberflächenprofil der Eiskapelle gemessen am Ende der Ablationsphase der Jahre 1973, 1994, 2007 und 2014 (Urheber: Rebecca
Mott in [139]).
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
Zusammenfassung:
• Sowohl die Schneedecke als auch die bayerischen
Gletscher sind vom Klimawandel betroffen. Die
Schneebedeckungsdauer wird sich in tiefen Lagen
verringern und die Gletscherflächen und Gletschervolumen werden weiter abnehmen. Es ist zu
erwarten, dass dies weitreichende ökologische
und sozioökonomische Folgen hat.
Umsetzung von Klimaanpassung
Exemplarisch seien hier die möglichen Auswirkungen
der verringerten Schneebedeckungsdauer in tieferen
Lagen auf den Wintertourismus genannt. Dem muss
durch eine Intensivierung wintersportbezogener
Forschung und angepasste technologische Innovationen entgegengesteuert werden [140]. Dies gilt
ebenso für die Betreiber von alpinen Wasserkraftanlagen, die gleichermaßen von dieser Entwicklung
durch veränderte Abflussmengen betroffen sein
werden. Darüber hinaus sind weitere Auswirkungen
zu erwarten, wie zum Beispiel eine mögliche Wasserknappheit für Weidebetrieb, alpine Hütten und lokale
Bevölkerung sowie Extremereignisse wie Muren
oder Überschwemmungen und die damit zusammenhängende Gefährdung von Infrastrukturen.
4.16.2.2 Entwicklung von Permafrost
Permafrost, also ganzjährig gefrorener Untergrund,
ist in Deutschland auf wenige hochalpine Felsbereiche beschränkt. Vorkommen gibt es an der
Zugspitze, am Allgäuer Hauptkamm und im Watzmanngebiet. Außeralpin kommt kein Permafrost im
eigentlichen Sinne vor. Einzelne kleine außeralpine
Vorkommen von Eis im Untergrund gehen auf
lokalspezifische physikalische Effekte zurück. „Böden“ im Sinne von Lockermaterial sind in Deutschland allenfalls als geringmächtige Überdeckungen
des Felses mit Hangschutt oder Moräne betroffen.
Die Entwicklung von Permafrost im Fels wird im
Gipfelkamm der Zugspitze konkret beobachtet. Dort
wurden im Jahr 2007 in Gipfelnähe zwei Bohrungen
quer durch den Kamm vorgetrieben und mit Temperatursensoren ausgestattet. Die stündlich gemessenen Werte werden vom Bayerischen Landesamt für
Umwelt (LfU) per Datenfernübertragung abgerufen,
Abb. 96: Zeitliche Entwicklung der gemessenen Temperaturen
entlang der Bohrlochachse (Quelle: LfU).
ausgewertet und der Öffentlichkeit über das Internet
zur Verfügung gestellt.32
Nach inzwischen über 10 Jahren Messdauer zeichnen sich erste Trends ab. Aufgrund der sehr geringen
Wärmeleitfähigkeit des Kalksteins sind äußere
Temperatureinflüsse nur zeitlich verzögert zu beobachten. So kommt das sommerliche Maximum der
Außentemperatur erst etwa im Dezember im
Berginneren an.
Die langfristigen Messreihen zeigen mit ihren
Jahresschwankungen eine leichte Tendenz der
Erwärmung. Im Kamm der Zugspitze hat sich der
dauergefrorene „Kern“ im Inneren des Felsmassivs
in den letzten 10 Jahren leicht verkleinert. So ist die
Eindringtiefe der südseitigen Auftauzone von ca.
12 m im Jahr 2010 auf ca. 15 m in 2019 gestiegen.
Modellrechnungen haben ergeben, dass der ganzjährig gefrorene Untergrund (Permafrost) im Fels des
Gipfelkamms der Zugspitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen an der Zugspitze im Jahr 1900 um
etwa ein Drittel zurückgegangen ist. Bis Ende des
Jahrhunderts lassen die Modelle – bei Annahme
eines Szenarios weitgehend ohne Klimaschutz
(SRES A1B) – ein gänzliches Verschwinden des
Permafrosts an der Zugspitze erwarten.
32
https://www.lfu.bayern.de/geologie/permafrost/zugspitze/index.htm
169
170
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
4.16.2.3 Umweltforschung an der Zugspitze
Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus
(UFS) ist auf 2.650 m ü NN Deutschlands höchst
gelegene Forschungsstation, knapp 300 m unterhalb
des Zugspitzgipfels. Sie entstand durch weitgehenden Umbau eines 1931 errichteten Hotels Schneefernerhaus als gemeinsame Initiative des Freistaats
und des Bundes als Antwort auf die Ergebnisse der
Konferenz von Rio 1992 (Globalisierung der Klimadiskussion, „Nachhaltige Entwicklung“). Die UFS wird
unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz als „Virtuelles Institut“ geführt, dem neben nachgeordneten
Einrichtungen des Freistaates Bayern (z. B. Bayerisches Landesamt für Umwelt) weitere Partner
angehören. Damit haben sich insgesamt zehn
führende deutsche Forschungsinstitutionen und
-gesellschaften auf der Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus zusammengefunden, um als
feste Partner im Rahmen eines Konsortialvertrages
Forschung auf höchstem Niveau zu betreiben.
Die Konsortialpartner der Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus haben ihre Forschungsaktivitäten
untereinander interdisziplinär vernetzt und in acht
Forschungsschwerpunkte gegliedert, denen jeweils
mehrere Institute angehören.
Abb. 97: Umweltforschungsstation Schneefernerhaus – UFS
1. Regionales Klima und Atmosphäre
2. Satellitenbeobachtung und Früherkennung
3. Kosmische Strahlung und Radioaktivität
4. Hydrologie
5. Umwelt- und Höhenmedizin
6. Global Atmosphere Watch
7. Biosphäre und Geosphäre
8. Wolkendynamik
Der operative Betrieb der Station wird von der
Betriebsgesellschaft Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus GmbH (UFS GmbH) wahrgenommen.
Die UFS wurde am 12.05.1999 als Forschungsstation offiziell eingeweiht und feierte im November
2019 ihr 20-jähriges Bestehen. Die UFS bildet eine
weltweit einzigartige Plattform für die kontinuierliche
Beobachtung physikalischer und chemischer Eigenschaften der Atmosphäre sowie die Analyse wetterund klimawirksamer Prozesse – Grundlagen für die
Beschreibung von Zustand und künftiger Entwicklung des weltweiten Klimas.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
171
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Alice Claßen, Janika Kerner, Fabienne Maihoff;
Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie,
Universität Würzburg; Juniorforschergruppe im
Bayerischen Netzwerk für Klimaforschung (bayklif)
„Anpassungsstrategien von alpinen Bestäubern an
den Klimawandel“ (ADAPT)
Anpassungsstrategien
von Bestäubern an den
Klimawandel
Die Biomasse und Artenvielfalt der Insekten hat sich
deutschlandweit in den letzten Jahrzehnten drastisch
reduziert. Gleichzeitig war das letzte Jahrzehnt global
die heißeste Dekade seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Studien entlang von räumlichen Temperaturgradienten (z. B. entlang von Berghängen) deuten
darauf hin, dass die Temperatur nicht nur die Diversität von Insekten, sondern auch die Ausprägung
funktioneller Merkmale (z. B. Körpergröße, Färbung),
biotische Wechselbeziehungen und wichtige Ökosystemfunktionen maßgeblich beeinflusst. Da es
von den meisten Insektengruppen keine oder nur
unzureichend standardisierte Langzeitdaten gibt und
die Auswirkungen landwirtschaftlicher Intensivierungen potenzielle Klimaeffekte entscheidend maskieren können, ist bislang unklar ob Temperaturveränderungen über die Zeit ebenfalls zu Veränderungen von
Insektengemeinschaften führen werden. Auch die
Frage ob und wie sich Insekten an den Klimawandel
anpassen können ist noch weitestgehend ungeklärt.
Die Nachwuchsgruppe ADAPT sucht im Nationalpark
Berchtesgaden Antworten auf diese Fragen. Hier
wurden im Jahr 2009 wichtige Bestäubergruppen
(Wildbienen, Schwebfliegen, Schmetterlinge) und
die Pflanzengemeinschaften auf 33 Graslandflächen
entlang eines Höhengradienten (630 m–2030 m ü.
NN) standardisiert erfasst. ADAPT hat diese Graslandflächen 10 Jahre später unter Anwendung der
gleichen Methoden erneut beprobt. Bei den Pflanzen
zeigen vorläufige Analysen, dass der Anstieg der
Artenvielfalt im Schnitt mit der Höhe zunimmt, d. h.
insbesondere die Bergspitzen scheinen diverser zu
Abb. 98: Malaisefalle oberhalb des Watzmannhauses.
Mit diesem Fallentyp können Insekten standardisiert
erfasst werden.
werden. Jetzt analysieren wir, ob sich auch das
Artenreichtum und die Häufigkeiten von Insekten
in den verschiedenen Höhenlagen verändert haben
und versuchen die dahinterstehenden Mechanismen
zu identifizieren. Dazu analysieren wir zum Beispiel
auch ob sich die Häufigkeit von Merkmalen in
Artengemeinschaften, aber auch innerhalb einzelner
Arten entlang des Höhengradienten verschoben hat.
Neben morphologischen Merkmalen (z. B. Körpergröße), betrachten wir dabei auch besondere Merkmale
wie die chemische Komposition der Kutikula (Oberfläche) von Insekten oder die thermalen Toleranzen
der Arten.
Erste Analysen zeigen, dass verschiedene Bestäubergruppen unterschiedliche Toleranzen gegenüber
heißen (und kalten) Temperaturen aufzeigen. So
waren in unserem Experiment Temperaturen von im
Schnitt 42.4 °C tödlich für Schwebfliegen, während
die Wildbienen im Schnitt Temperaturen bis 44.7 °C
tolerierten (Abb. 99).
Schwebfliegen, die als
Bestäuber und Prädatoren wichtige Ökosystemfunktionen übernehmen, könnten damit in
Zukunft unter extremen
Hitzebedingungen eher
an ihre physiologischen
Limits geraten als
Wildbienen. Ob dies in
der Folge auch zu einer
stärkeren Verschiebung
von Schwebfliegen in
Richtung Höhenlagen
Abb. 99: Hitzetoleranzen von
führt, bleibt zu testen.
Schwebfliegen (blau) und
Wildbienen (gelb).
172
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
EXKURS FORSCHUNG
Dr. Gabi Leonhardt, Kurt Lichtenwöhrer, Annette
Lotz, Dr. Sebastian Seibold, Prof. Dr. Rupert Seidl
– Sachgebiet Forschung und Monitoring, Nationalpark Berchtesgaden.
Quellen in den bayerischen Nationalparken als
Zeiger des Klimawandels
Quellen sind punktuelle Grundwasseraustritte und
damit besondere ökologische Übergangszonen
zwischen dem Grundwasser und dem Oberflächengewässer, in denen viele angepasste Pflanzen- und
Tierarten leben. Zugleich sind Quellen ein wichtiger
Bestandteil des Wasserhaushalts, und bilden das
Klima ihres Einzugsgebietes ab. Sie gelten grundsätzlich als sehr stabile Habitate mit speziellen
Lebensbedingungen. In Nationalparken sind Quellen
weitgehend unberührt von anthropogenen oder
anderen Einflüssen. Aufgrund des Klimawandels
ist jedoch von einer Trendentwicklung bestimmter
Wasserparameter und folglich biologischer Gegebenheiten in Quellhabitaten auszugehen. Um Aussagen
treffen zu können, wie sich Quellhabitate durch die
Einflüsse des Klimawandels verändern ist eine
standardisierte Methode und eine langfristige
Beobachtung abiotischer und biotischer Parameter
notwendig. Das hier beschriebene Forschungsprojekt beantwortet die Frage, wie natürliche Quelllebensräume langfristig beobachtet werden müssen,
um den Einfluss des Klimawandels feststellen zu
können. Dabei wurde von den Projektpartnern
Nationalpark Berchtesgaden, Nationalpark Bayerischer Wald und Landesbund für Vogelschutz in
Bayern e. V. ein Leitfaden zum klimabezogenen
Quellmonitoring erarbeitet.
Basis für die Entwicklung der Methode waren
langjährige Datenreihen von Quellparametern im
Nationalpark Berchtesgaden, die im Zuge des
Projektes ausgewertet wurden, die Analyse bestehender Quellliteratur und eine kontinuierliche Rücksprache mit Quellexperten. Die beiden bayerischen
Nationalparke dienten dabei als Referenzgebiete.
Die letztendlich erarbeitete Methode beinhaltet eine
Kriterienliste für die adäquate Auswahl von Referenzquellen und -arten, die aufzunehmenden abiotischen
und biotischen Parameter, sowie die einzuhaltenden
Monitoringintervalle. Diese reichen dabei von
stündlichen Datenaufnahmen der Wassertemperatur
bis zu fünfjährigen Aufnahmen der Flora und Fauna.
Ferner bestätigten Auswertungen der langjährigen
Datenreihen im Nationalpark Berchtesgaden, dass
Quelllebensräume sehr stabil sind und eine langjährige Klimafolgenforschung notwendig ist, um
Veränderungen festzustellen. Für die Anwendung
an Standorten außerhalb der Schutzgebiete wurde
die Methode in einem Leitfaden dokumentiert. Mit
diesem Leitfaden wurde ein bayernweites Monitoringkonzept zur Abschätzung der Folgen des Klimawandels an natürlichen bayerischen Quellen erstellt.
Zukünftig sollen mit Hilfe dessen klimawandelbedingte Veränderungen natürlicher Quellen – wie
beispielsweise Veränderungen der Schüttungsmenge
oder der Wassertemperatur – festgestellt werden.
Basierend darauf können Erkenntnisse über ökosystemare Zusammenhänge gewonnen, ökologische
und sozioökonomische Folgewirkungen abgeleitet
und Anpassungsmaßnahmen ausgearbeitet werden.
Abb. 100: Stark-schüttende Rheokrene (Fließquelle) im
Nationalpark Berchtesgaden.
Klimawandel – Auswirkung und Anpassung
173
5 Wandel, Anpassung
und Transformationsgestaltung
5
Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung
Bayern steht zum Übereinkommen von Paris.
Nur das in Artikel 2 des Pariser Übereinkommens
vereinbarte Ziel einer Begrenzung der globalen
Erwärmung deutlich unter 2 °C kann Bayern vor
einem möglicherweise drastischen Wandel bewahren. Zugleich bieten die zur Durchsetzung dieses
Ziels notwendigen Klimaschutzmaßnahmen auch
die Chance, mit technologischer Innovationskraft
eine wirtschaftliche Wachstumsdynamik zu entwickeln.
Vorsorgeprinzip als Maßgabe Staatlichen
Gestaltens
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die
künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung […] (Art. 20a GG).“ Wandelt sich das
Klima, so wandeln sich in Bayern sowie in anderen
Regionen der Erde die Ökosysteme und mit ihnen
unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Im Jahre
1992 einigte man sich in der Klimarahmenkonvention
(UNFCCC) auf eine Begrenzung dieses Wandels im
Rahmen des Vorsorgeprinzips. Einem „gefährlichen
menschlichen Eingriff“ in das Klimasystem soll
vorgebeugt werden. Atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen sollen dabei in einem Zeitfenster
stabilisiert werden, welches „den Ökosystemen
erlaubt, sich natürlicherweise an den Klimawandel
anzupassen, sicherstellt, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht gefährdet ist sowie ökonomisches
Wachstum weiterhin voranschreiten lässt, und zwar
in nachhaltiger Art und Weise (Artikel 2 UNFCCC)“.
Diese in Artikel 2 der Klimarahmenkonvention
verankerte Zielsetzung wurde vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung (WBGU) bereits
1995 in eine für die Gesellschaft verständliche und
für politische Entscheider handhabbare ökologische
Obergrenze übersetzt: Die 2-Grad-Obergrenze. In
den vergangenen 0,5 – 1 Million Jahren war die
globale Mitteltemperatur nie höher als 1,5 °C (bis
maximal 2 °C) im Vergleich zum Zustand zu Beginn
der Industrialisierung. Es ist daher anzunehmen,
dass die Ökosysteme der Erde bis zu einem gewis-
sen Grad an solche Temperaturschwankungen
angepasst sind [141]. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden viele mögliche irreversible Kipppunkte
unterhalb der 2-Grad-Obergrenze wahrscheinlich
nicht überschritten: Beispielsweise würden, trotz
des derzeit zu beobachtenden regionalen Auftauens
arktischer Permafrostböden, etwa die Hälfte bis
knapp drei Viertel dieser Böden auch langfristig (über
Jahrhunderte und darüber hinaus) in einem stabilen
Zustand erhalten bleiben [17]. Die 2-Grad-Obergrenze markiert aber keine scharfe Systemgrenze, bei
welcher „diesseits kaum ein Risiko besteht und
jenseits unmittelbar schwere Schäden oder gar
Katastrophen zu erwarten sind (WBGU [14])“.
Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung
Mit der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie
(BayKLAS) von 2016 forciert Bayern das Ziel, die
Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher
und wirtschaftlicher Systeme zu stärken und damit
negativen Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken [55]. Der Klima-Report Bayern 2021
zeigt in Kapitel 4 auf, dass zahlreiche staatliche und
private Akteure bereits heute die Folgen des Klimawandels berücksichtigen müssen. Zusätzlich zeichnen sich oberhalb der 2-Grad-Obergrenze in einzelnen Feldern Grenzen der Anpassungsfähigkeit ab.
Beispielsweise ist ein Waldumbau zu klimaresilienten Wäldern nur sinnvoll realisierbar, wenn gleichzeitig die Treibhausgasemissionen wirksam gesenkt
werden (Kap. 4.3). Die in Kapitel 4 beschriebenen
Auswirkungen des Klimawandels auf die 15 Handlungsfelder der BayKLAS bieten einen spezifischen
Eindruck des gegenwärtigen und möglichen künftigen gesellschaftlichen Lebens, des Wirtschaftens in
Bayern sowie des Zustandes der Umwelt. Bayern ist
jedoch als Region wirtschaftlich, sozial und ökologisch mit allen Teilen dieser Erde verflochten. Eine
systematische Bewertung der durch den Klimawandel hervorgerufenen Risiken für Bayern kann daher
letztlich nur unter Einbezug der globalen Auswirkungen des Klimawandels erfolgen.
175
176
Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung
Abb. 101: Einschätzung der globalen Risiken für die vom
Weltklimarat (IPCC) identifizierten fünf Risikofelder
(nach Assessment Box SPM.1 in [142]).
Der Weltklimarat (IPCC) identifiziert fünf Risikofelder,
welche im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels auch für Bayern in Betracht gezogen werden
müssen (Abb. 101) [142]; [19]. Bereits heute zeigen
sich die Auswirkungen auf einzigartige und bedrohte
Ökosysteme der Erde. In Zukunft werden z. B.
CO2-Emissionen durch die Versauerung der Ozeane
sowie durch die globale Erwärmung ein weiter
voranschreitendes Absterben von Korallenriffen
hervorrufen, und zwar um etwa 70–90 Prozent bei
1,5 °C Erwärmung und beinahe vollständig (mehr als
99 Prozent) bei 2 °C Erwärmung [19]. Die von diesen
Systemen bisher bereitgestellten Ökosystemdienstleistungen u. a. für die Fischerei und den Tourismus
werden in den betroffenen Regionen entsprechend
verloren gehen. Bewertungen der global aggregierten Auswirkungen des Klimawandels versuchen,
sowohl solche Ökosystemdienstleistungen als auch
unmittelbare ökonomische Schäden einzubeziehen.
Die global aggregierten Auswirkungen werden bei
einer Risikobewältigung im Rahmen des Vorsorgeprinzips (2-Grad-Obergrenze) als moderat (Abb. 101),
bei einer globalen Erwärmung von mehr als 2,5 °C
als hoch angesehen [19]. Großmaßstäbliche singuläre Ereignisse besitzen oberhalb von 3 °C globaler
Erwärmung ein hohes Risikopotential [142]. So ist
beispielsweise die Gefahr eines vollständigen
Abschmelzens des Grönlandgletschers oberhalb
von 3 °C Erwärmung als hoch einzuschätzen [142]
(neuere Erkenntnisse mahnen hierbei zu zunehmender Vorsicht [17]). Als Folge könnte der Meeresspie-
gel allein aufgrund des schmelzenden Grönlandeises
um bis zu 7 m pro 1000 Jahre (oder etwa 0,7 m pro
100 Jahre) ansteigen. In manchen Inselstaaten
sowie in zahlreichen Regionen und küstennahen
Großstädten käme es zu einer graduellen erzwungenen Migration von Menschen in höhergelegene
Gebiete [142]. Des Weiteren ändern sich die regionalen Risiken bei Extremwetterereignissen wie Dürre,
Starkregen oder Sturmfluten, was insbesondere für
Menschen in Entwicklungsländern u. a. den Zugang
zu Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser in
gefährlichem Maße einschränken kann. Generell
sind die Risiken für gering entwickelte Staaten höher
als für Industrienationen, da begrenzte ökonomische
Möglichkeiten den Spielraum für Maßnahmen zur
Anpassung an die Folgen des Klimawandels beschneiden. Die fünf Risikofelder von Abb. 101
bedingen sich bei vielen Frage- und Problemstellungen wechselseitig. Jeder Versuch einer im Detail
genauen und gleichzeitig allumfassenden quantitativen Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels
ist aufgrund der Wechselwirkungen und Komplexität
der einzelnen Risikofelder nur eingeschränkt möglich.
Der Klimawandel ist als ein Bedrohungsmultiplikator
anzusehen, der bestehende Trends, Spannungen
und Instabilitäten weiter verschärft. Laut eines
Berichts der Europäischen Kommission droht der
Klimawandel insbesondere jene Staaten und Regionen zu überfordern, welche ohnehin bereits instabil
und konfliktträchtig sind [133]. Daher stellen Risiken
des Klimawandels gleichsam politische und Sicherheitsrisiken dar, welche direkt und indirekt europäische und bayerische Interessen tangieren. Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen gemäß des
Vorsorgeprinzips (2-Grad-Obergrenze) sind deshalb
auch Bestandteil einer vorbeugenden Sicherheitspolitik [133].
Transformationsgestaltung zur Durchsetzung des
Vorsorgeprinzips
Bayern steht zum Vorsorgeprinzip. Sollen die Risiken
des Klimaproblems im Sinne des Vorsorgeprinzips
(2-Grad-Obergrenze) bewältigt werden, so müssen
die globalen, vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf (netto) null gesenkt werden (Artikel 4,
Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung
Pariser Übereinkommen). Für Bayern, das spätestens bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein soll (siehe
Bayerische Klimaschutzoffensive), stellt sich folgende Frage: Wie kann sich das Leben und Wirtschaften
im Rahmen einer weiterhin anhaltenden Wachstumsdynamik so transformieren, dass in den kommenden
drei Jahrzehnten tatsächlich eine historisch beispiellose Entkopplung von Wohlstand und Treibhausgasemissionen gelingt?
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung
(WBGU) greift diese Herausforderung in seinem
Gutachten „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag
für eine große Transformation“ auf [14]. Der WBGU
betont die besondere Rolle des Staates bei der
Nachhaltigkeitstransformation. Der Staat kann die
bevorstehende Transformation zwar nicht in ihrer
exakten Ausgestaltung vorhersehen oder gar zentral
planen, er kann jedoch den ordnungspolitischen
Rahmen des Lebens und Wirtschaftens so setzen,
dass eine Veränderungsdynamik auf das Ziel Nachhaltigkeit hin initiiert und verstetigt wird [2].
Die weltweit voranschreitende Transformation der
Energiewirtschaft ist hierbei ein besonders ermutigendes Beispiel. Um die Jahrtausendwende waren
Windkraft- und insbesondere Photovoltaikanlagen
Nischentechnologien, welche sich ohne ordnungspolitische Anreize kaum am Markt behaupten konnten.
Deutsche und globale klimapolitische Maßnahmen
lenkten jedoch Investitionen in eben solche Nischentechnologien. Die (in erster Linie privaten) Investitionen setzten damals wie heute im Rahmen des
Marktgeschehens einen Wettlauf um Systeminnovationen in Gang, welche ihrerseits zu dramatischen
Kostenreduktionen bei der Erzeugung erneuerbarer
Energien führten und führen [125]. Diese Investitionen haben heute bereits zu Regimeveränderungen
im globalen Strommarkt geführt: Windkraft und
Photovoltaik (PV) sind vielerorts weltweit die profitabelste und kostengünstigste Art der Stromerzeugung. Unter anderem darum wird von der Internationalen Energieagentur (IEA) für den Zeitraum 2017 bis
2023 erwartet, dass etwa 70 Prozent des Zuwachses der globalen Stromerzeugungskapazitäten auf
Basis erneuerbarer Energien (PV, Wind, Wasserkraft,
Bioenergie) geschieht.
Die energiebedingten CO2-Emissionen machen etwa
82 % der deutschen und 62 % der globalen Treibhausgasemissionen aus. Eine Dekarbonisierung der
Energieerzeugung ist somit eine Grundvoraussetzung für die Vermeidung eines Großteils der anthropogenen Treibhausgasemissionen. Insofern wurde
durch politische Steuerung faktisch bereits heute
eine weitreichende globale Transformation eingeleitet. Andererseits besteht jedoch auch ein Konsens,
dass zusätzliche strukturpolitische Maßnahmen
notwendig sind, um die Emissionen in Übereinstimmung mit einer kosten-effektiven Reduktion gemäß
der 2-Grad-Obergrenze zu senken [4]; [143].“
Die 2-Grad-Obergrenze wird bereits 1995 vom
WBGU im Sinne des Vorsorgeprinzips als eine
Abwägung zweier normativer Grundsätze motiviert:
a) die Bewahrung der Schöpfung und b) die Verhältnismäßigkeit der Kosten [141]. Grundsätzlich zeigt
sich, dass bei Einhaltung einer 1,5-Grad-Obergrenze
das durch den Klimawandel hervorgerufene Artensterben gegenüber der 2-Grad-Obergrenze weiter
abgeschwächt würde [19]. In Bezug auf die Kosten
der anstehenden Transformation beziffert der Weltklimarat (IPCC) die im Zuge der 2-Grad-Obergrenze
weltweit zu erwartende Reduktion des Wirtschaftswachstums auf etwa 0,06 Prozent pro Jahr gegenüber einer hypothetischen Welt ohne Klimaproblem
[31]. Dies bedeutet: Ökonomisches Wachstum ist
bei Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze in gleichen
Größenordnungen wie bisher möglich.
Die Transformation hin zu dekarbonisierten Volkswirtschaften ist ein aktuell weltweit stattfindender
Prozess. Die Bayerische Klimaschutzoffensive und ihr
ehrgeiziges Ziel der vollständigen Klimaneutralität bis
spätestens 2050 zeigen den Anspruch Bayerns auf,
Treiber dieses Wandels zu sein. Eine ambitionierte
Klimaschutzpolitik schafft u. a. Innovationen und
neue Wertschöpfungsketten für klimafreundliche
Technologien. Dies fördert die Durchdringung der
bayerischen Volkswirtschaft mit Zukunftstechnologien, eine nachhaltige Wachstumsdynamik und sichert
den künftigen Wohlstand Bayerns.
177
6 Literaturverzeichnis
6
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185
Anhang
Anhang
20
0
−20
−40
Niederschlagssumme im Jahr
% Änderung zu 1971−2000
40
Bayern
1950
2000
um 1985 (Referenzzeitraum)
Messungen
2050
um 2035
um 2085
Projektionen
RCP2.6
30−jähriges Mittel
einzelne Jahreswerte
Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel
2100
RCP8.5
Median 30−jähriges Mittel
Bandbreite 30−jähriges Mittel
Abb. 102: Prozentuale Abweichung des Jahresniederschlags.
60
40
20
0
−60 −40 −20
Niederschlagssumme im Winter (DJF)
% Änderung zu 1971−2000
Bayern
1950
2000
um 1985 (Referenzzeitraum)
Messungen
30−jähriges Mittel
einzelne Jahreswerte
Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel
2050
2100
um 2035
Projektionen
RCP2.6
um 2085
RCP8.5
Median 30−jähriges Mittel
Bandbreite 30−jähriges Mittel
Abb. 103: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssumme im Winterquartal Dez.–Feb.
187
Anhang
80
60
40
20
0
−20
−40
Niederschlagssumme im Frühling (MAM)
% Änderung zu 1971−2000
Bayern
1950
2000
um 1985 (Referenzzeitraum)
Messungen
2050
2100
um 2035
um 2085
Projektionen
RCP2.6
30−jähriges Mittel
einzelne Jahreswerte
Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel
RCP8.5
Median 30−jähriges Mittel
Bandbreite 30−jähriges Mittel
Abb. 104: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssumme im Frühjahrsquartal März–Mai.
−50
0
50
100
Bayern
Niederschlagssumme im Herbst (SON)
% Änderung zu 1971−2000
188
1950
2000
um 1985 (Referenzzeitraum)
Messungen
30−jähriges Mittel
einzelne Jahreswerte
Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel
2050
2100
um 2035
Projektionen
RCP2.6
um 2085
RCP8.5
Median 30−jähriges Mittel
Bandbreite 30−jähriges Mittel
Abb. 105: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssummen im Herbstquartal Sept.–Nov.
Anhang
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Abb. 106: Relativer Trend der Niederschlagssummen in den sieben Klimaregionen Bayerns zwischen 1951–2019.
0
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Sachsen
Saale
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ön
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r+
5
Saale
Hessen
Herbstquarrttal
50 km
Fachdaten:
LfU, basierend auf Daten des
Deutschen Wetterdienstes
189
Glossar
Glossar
2-Grad-Obergrenze
Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur wird bei
Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze unter 2 °C begrenzt. Die 2-Grad-Obergrenze unterstreicht, im
Gegensatz zur Bezeichnung des 2 Grad Ziels, das im
Pariser Übereinkommen in Art. 2 genannte Ziel, den
Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur
deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten
zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den
Temperaturanstieg unter 1.5 °C zu begrenzen.
B
Bayerische Klimaschutzoffensive
Die Bayerische Klimaschutzoffensive umfasst den
Dreiklang eines Bayerischen Maßnahmenpakets
zum Klimaschutz (➝ Zehn-Punkte-Plan), einem
eigenen Bayerischen Klimaschutzgesetz und Investitionen für nachhaltigen Klimaschutz.
Biotopverbund
Ein Biotopverbund besteht, wenn Populationen (z. B.
von Tierarten) und Organismen zwischen einzelnen
Biotopen (Lebensräumen) miteinander vernetzt sind
und keine unüberwindbaren Barrieren zwischen den
Biotopen bestehen. In Bayern wird seit dem Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“
im Bayerischen Naturschutzgesetz in Artikel 19 ein
konkret zu erreichender Flächenanteil für Biotopverbunde festgeschrieben.
C
Cyanobakterien
Gehören im taxonomischen Sinn nicht zu den Algen
(keine Zellkerne), sondern zu den Bakterien. Massenentwicklungen können in hohem Maß die
Wasserqualität und damit die Gewässernutzung
beeinträchtigen.
E
Emissionsszenario
Emissionsszenarien für Treibhausgase sind das erste
Glied der Modellkette zur Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Klimawandels. Sie zeigen die
Mengen an Treibhausgasen auf, welche die Menschheit zukünftig möglicherweise emittiert (➝ Repräsentative Konzentrationspfade – RCPs).
Eutrophierung
Das Überangebot an Pflanzennährstoffen (insbesondere Stickstoff und Phosphor) in Gewässern oder im
Boden. Dies hat in der Regel eine Förderung des
pflanzlichen Wachstums mit entsprechender Verschlechterung des ökologischen Zustands zur Folge.
Meist werden dabei empfindliche Arten durch das
üppige Wachstum nährstoff-liebender Arten verdrängt.
G
Gasaustausch
Der Ozean tauscht mit der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aus. Der CO2-Gehalt von
Atmosphäre und Ozean steht durch den Gasaustausch bei stabilen Randbedingungen in einem
spezifischen Gleichgewicht, das durch anthropogene
CO2-Emissionen grundlegend beeinflusst wird. Die
CO2-Emissionen führen über den Gasaustausch zu
einer Versauerung der Ozeane.
Grundwasserleiter
Wasserführende Gesteinsschicht mit einheitlichen
Eigenschaften.
Grundwasserkörper
Ein an die Europäische Wasserrahmenrichtlinie
angelehnter Begriff (dort: bodies of water, groundwater body) der ein zusammenhängendes, einheitlich reagierendes System aus einem oder mehreren
Grundwasserleitern beschreibt. Aufgrund der
Unzugänglichkeit des Untergrundes und seinem
komplexen Aufbau sind Grundwasserkörper praktisch nie eindeutig festlegbar.
H
Habitat
Lebensraum einer bestimmten Tier- oder Pflanzenart.
Habitate bilden Teillebensräume in Biotopen (➝ Biotopverbund).
Hitzewelle
Eine Hitzewelle ist eine mehrtägige Periode mit
ungewöhnlich hoher thermischer Belastung. Eine
Hitzewelle ist ein Extremereignis, welches die
menschliche Gesundheit, die Ökosysteme und die
Infrastruktur schädigen kann (Quelle: DWD Lexikon).
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Glossar
Humus
Organischer Anteil des Bodens, bestehend aus
zersetzten Bestandteilen von Tieren und Pflanzen.
I
IPCC
Der Intergovernmental Panel on Climate Change
(IPCC) ist ein wissenschaftliches Gremium und
gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss unter
dem Dach der Vereinten Nationen (UN), welcher alle
sechs bis sieben Jahre in Sachstandsberichten den
Stand der Wissenschaft zu den Themen Klimawandel, Auswirkung des Klimawandels und Minderung
des Klimawandels (Mitigation) zusammenträgt und
wissenschaftlich bewertet. Die IPCC Berichte bilden
wichtige fachliche Grundlagen für die globalen
politischen Verhandlungen zur Milderung und Bewältigung des Klimawandels.
K
Klimaneutralität
Unter Klimaneutralität werden gemeinhin Handlungen und Prozesse verstanden, die keine Treibhausgasemissionen verursachen oder deren Emissionen
vollständig kompensiert werden.
Klimaanpassung
Der IPCC versteht Klimaanpassung als Prozess, in
dem man sich auf das aktuelle und zukünftige Klima
mit seinen positiven wie negativen Folgen einstellt
Klimaregion
Um die heterogene Natur des bayerischen Klimas
angemessen abzubilden, wurde Bayern vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in sieben zusammenhängende Klimaregionen unterteilt, die in sich
möglichst ähnlich bezüglich Temperatur und Niederschlag sind.
Klimaschutzmaßnahmen
Klimaschutzmaßnahmen umfassen sowohl die
Vermeidung anthropogener THG Emissionen als
auch die Nutzung anthropogener Kohlenstoffsenken
Klimaproblem
Das Klimaproblem ist in seinem Wesenskern in
Artikel 2 und 3 der Klimarahmenkonvention der
Vereinten Nationen definiert. Dort wurde bereits im
Jahre 1992 das Ziel vereinbart, die Risikobewältigung
des Klimaproblems im Rahmen des ➝ Vorsorgeprinzips einzuleiten. Artikel 2 des Pariser Übereinkommens konkretisiert die ökologische Dimension des
Vorsorgeprinzips: Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur soll deutlich unter 2 °C gegenübergegenüber vorindustriellen Werten gehalten werden und
Anstrengungen sollen unternommen werden, den
Temperaturanstieg unter 1.5 °C zu begrenzen
(➝ 2-Grad-Obergrenze).
Klimarahmenkonvention
Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen
über Klimaänderungen wurde 1992 als internationales Umweltabkommen verabschiedet. Ziel ist, eine
gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems
zu verhindern, die globale Erwärmung zu verlangsamen und ihre Folgen zu mildern.
Klimamodell
Klimamodelle werden dazu verwendet, das Klimasystem in seinen physikalischen, biologischen und
chemischen Vorgängen abzubilden. Damit sind
sowohl Simulationen des vergangenen als auch
Abschätzungen des zukünftigen Klimas der Erde
möglich.
KLIWA
Kooperationsvorhaben „Klimaveränderung und
Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ der
Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst.
Klimaprojektionen
Eine Klimaprojektion stellt jeweils eine mögliche
zukünftige Entwicklung des Klimas dar. Dabei
unterliegt es dem Handlungsspielraum politischer
Entscheider, das zugrundeliegende ➝ Emissionsszenario durch Klimaschutzmaßnahmen herbeizuführen.
Kohlenstoffbudget
Summe der Emissionen, die im Rahmen einer
Begrenzung der globalen Erwärmung ausgestoßen
werden darf. Der IPCC gab 2018 ein Budget von
1.170 Milliarden Tonnen CO2 für eine Begrenzung der
Erwärmung unter 2 °C an und 420 Milliarden Tonnen
CO2 für 1,5 °C.
Glossar
N
R
Nationale Klimaschutzpläne
(Nationally Determined Contributions – NDCs)
Unter dem Pariser Übereinkommen muss jede
Vertragspartei die Ambitionen der Klimaschutzmaßnahmen offenlegen und kommunizieren. Hierzu
werden die NDCs herangezogen.
Repräsentative Konzentrationspfade
(Representative Concentration Pathways – RCPs)
In der Zeit vor dem Pariser Übereinkommen wurden
von weltweit anerkannten Wissenschaftlern, in
Vorbereitung für den 5. Sachstandsbericht des IPCC,
sogenannte Repräsentative [THG-] Konzentrationspfade entwickelt, welche u. a. zum Ziel hatten, eine
für die gesamte wissenschaftliche Literatur repräsentative und plausible Beschreibung möglicher
künftiger Entwicklungen der atmosphärischen
Treibhausgaskonzentrationen bereitzustellen. Die
vier RCPs sind repräsentativ für ein Klimaschutzszenario (RCP 2.6) gemäß ➝ 2-Grad-Obergrenze, ein
Szenario mit mäßigem Klimaschutz (RCP 4.5),
weitgehend ohne Klimaschutz (RCP 6.0) und ein
Szenario ohne Klimaschutz (RCP 8.5). Die RCPs
lösten die älteren ➝ SRES Szenarien ab.
Natürliche Kohlenstoffsenke:
Zahlreiche Prozesse im Kohlenstoffkreislauf führen
dazu, dass ein bedeutender Teil der anthropogenen
CO2-Emissionen natürlicherweise der Atmosphäre
entzogen wird. Diese ‚natürliche‘ CO2-Aufnahme, die
aus sich heraus in Antwort auf die anthropogenen
CO2-Emissionen abläuft, definiert die Wirkung
natürlicher Kohlenstoffsenken. Besonders relevant
ist hier die Änderung der Kohlenstoffbestände in
Ozean und Biomasse.
Negative Emissionen
Negative Emissionen entziehen der Atmosphäre
CO2, und zwar durch bewusste anthropogene
Eingriffe zusätzlich zu den natürlichen Kohlenstoffsenken. Negative Emissionen können einerseits im
engeren Sinne durch technologische Ansätze erzielt
werden, z. B. durch geologische Speicherung (CCS)
von atmosphärischem CO2. Sie können aber auch die
natürlichen Senken verstärken, z. B. durch Aufforstung.
P
Pariser Übereinkommen
Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz (COP21) im
Dezember 2015 haben sich 195 Länder erstmals auf
ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites
Klimaschutzübereinkommen geeinigt: das Pariser
Übereinkommen.
Photosynthese
Prozess, in dem Pflanzen mithilfe von Licht aus dem
Kohlenstoffdioxid (CO2) der Luft und Wasser Zucker
und darauf aufbauende Stoffe bildet.
Primärenergieverbrauch
Der Primärenergieverbrauch bezeichnet den Energiegehalt aller im Inland eingesetzten Energieträger
(Quelle: UBA).
S
Schichtung (von Seen)
Gewöhnlicherweise sind die tiefen Seen in Bayern
geschichtet. Das heißt, im Sommer liegt eine
sauerstoffreiche, warme Wasserschicht über einer
kalten, verhältnismäßig sauerstoffarmen Wasserschicht. Im Winter befindet sich das kältere Wasser
über dem verhältnismäßig wärmeren Tiefenwasser.
Im Frühjahr und Herbst findet eine Umkehr der
Schichtung und damit eine Durchmischung statt.
SRES Szenarien
(Special Report on Emissions Szenarios – SRES)
Die bis zum 4. Sachstandbericht vom IPCC verwendeten SRES ➝ Emissionsszenarien umfassen soziale
und wirtschaftliche Annahmen, z. B. über die künftige
globale Bevölkerungsentwicklung und die Knappheit
fossiler Ressourcen. Die maßgebliche politische
Steuerungsgröße – das Ambitionsniveau von Klimaschutzmaßnahmen bzw. deren Umsetzung – ist in
den SRES Szenarien, im Gegensatz zu den ➝ RCPs,
jedoch nicht transparent abgebildet. Die Emissionen
des in älteren Publikationen häufig verwendeten
Szenarios SRES A1B verlaufen bis zum Jahr 2100
meist unterhalb der Emissionen von RCP 8.5 und
oberhalb von RCP 6.0. Die Emissionen des Szenarios SRES B1 verlaufen ähnlich zu RCP 4.5.
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Glossar
T
W
Treibhauseffekt
Durch partielle Rückstrahlung durch Treibhausgase
verursachte Erwärmung der Erde zusätzlich zur
direkten Einstrahlung der Sonnenenergie. Der
natürliche Treibhauseffekt beruht zum größten Teil
auf den Treibhausgasen Kohlendioxid (CO2) und
Wasser (H2O) und macht die Erde für die hier
existierenden Lebewesen bewohnbar. Ohne den
natürlichen Treibhauseffekt wäre die durchschnittliche
Oberflächentemperatur um ca. 33 °C geringer als
heute (–18 °C statt derzeit etwa 15 °C). Der zusätzliche, durch den Menschen verursachte (anthropogene) Treibhauseffekt resultiert aus der Emission durch
den Menschen auf Grund seiner Aktivitäten erzeugter natürlicher (z. B. CO2, CH4, N2O) und nicht natürlicher (z. B. PFC, HFC, SF6) Treibhausgase.
Weltklimarat
➝ IPCC
V
Vorsorgeprinzip
Das in Artikel 34 Absatz 1 des Einigungsvertrags und
Artikel 20a des Grundgesetzes verankerte Vorsorgeprinzip beauftragt den Staat, auch in Verantwortung
für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, was neben Gefahrenabwehr auch Vorsorge gebieten kann. In Situationen
der Ungewissheit können die Folgen eines Tuns für
die Umwelt wegen unsicherer oder unvollständiger
wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht endgültig
eingeschätzt werden, die vorliegenden Erkenntnisse
geben aber Anlass zur Besorgnis. In diesen Fällen
muss der Staat nicht abwarten, bis Gewissheit
besteht, sondern er kann unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Besorgnisanlass reagieren (Quelle: UBA).
Z
Zehn-Punkte-Plan
Der Zehn-Punkte-Plan der Bayerischen Klimaschutzoffensive enthält rd. 100 konkrete Maßnahmen und basiert auf den drei Säulen der bayerischen
Klimapolitik: Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes
in Bayern, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und verstärkte Forschung zu Umwelt- und
Klimaschutz. Dabei werden alle Bereiche mit einbezogen – von Wäldern, Mooren und Wasser über
Innovationen, Energie und Mobilität bis hin zur
Vorbildfunktion des Staates sowie der Förderung des
kommunalen Klimaschutzes.
Beteiligte Institutionen
Beteiligte Institutionen
Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)
Konzeption, Entwürfe, Koordination und Redaktion Gesamtbericht:
• Klima-Zentrum, Manuel Wifling
Nationalpark Berchtesgaden
• Kap. 4.16
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV)
• Vorwort, Kap. 1, 2, 4.1, 4.4, 4.5 und 5
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
• Kap. 4.2 und 4.3
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG)
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
• Kap. 4.6
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
• Kap. 4.9, 4.10 und 4.11
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
• Kap. 4.8, 4.12, 4.13, 4.14, 4.15
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Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für
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Bayerisches Netzwerk für Klimaforschung; S. 65: Berndt Thomas;
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Lebensmittelsicherheit (LGL); S. 70: LfU; S. 71: M. Müller / ALB
Bayern e.V.; S. 74: Dr. Daniel Heßdörfer / Bayerische Landes
anstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG); S. 76 und S. 77:
Dr. Beate Wende / LWG; S. 92: Hannes Lemme / Bayerische
Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Freising;
Nicole Burgdorf (LWF); S. 94 und S. 105: Sina Heppner / LfU;
S. 96: Wolfgang Völkl / LfU; S. 97: Rudolf Leitl / LfU; S. 98:
Markus Ducheck / Freistaat Bayern; S. 99: Ulrich M. Sorg; S. 100:
Ute Fricke, Cristina Ganuza, Sarah Redlich; S. 101: F. Schmidt /
LfU; S. 107: Mayer / LfU; S. 110: M. Drösler; S. 118: LGL; S. 120:
Franziska Bauer / LSI, Iffeldorf; S. 121: LGL; S. 122 und S. 123:
Archiv LSI; S. 137: Sandra Rojas / LfU; S. 138: Andreas Hechtl /
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S. 173: Martin Frede; S. 171: Lukas Bofinger; S. 172: Gabi Leonhardt
April 2021, geringfügig korrigierte Auflage (Abb. 12)
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