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Full text: Klima-Report Bayern ... (Rights reserved) Ausgabe 2021 (Rights reserved)

Klima-Report Bayern 2021 Klimawandel, Auswirkungen, Anpassungs- und Forschungsaktivitäten www.klima.bayern.de Klima-Report Bayern 2021 Vorwort 3 Zusammenfassung 4 Summary 6 1 Klimapolitik 8 2 Der Mensch und das Klimasystem 2.1 Grundlagen 2.2 Anthropogener Klimawandel: Kohlenstoffkreislauf 2.3 Nachhaltiges Kohlenstoff-Management 2.4 Der Weg vom globalen Klimaproblem zum Bayern-Ensemble 14 15 17 20 27 3 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3.1 Temperatur 3.2 Niederschlag 3.3 Extremwetterereignisse 32 35 41 45 4 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.1 Wasserwirtschaft 4.2 Landwirtschaft 4.3 Wald und Forstwirtschaft  4.4 Naturschutz 4.5 Bodenschutz und Georisiken 4.6 Menschliche Gesundheit  4.7 Katastrophenschutz 4.8 Raumordnung 4.9 Städtebau/Bauleitplanung  4.10 Bauwesen 4.11 Straßenbau und Verkehr 4.12 Energiewirtschaft 4.13 Industrie und Gewerbe  4.14 Tourismus 4.15 Finanzwirtschaft 4.16 Klimawandel im Alpenraum 48 53 68 78 94 101 113 126 127 130 138 141 149 154 156 162 167 5 Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung 174 6 Literaturverzeichnis 178 Anhang 186 Glossar 190 Vorwort Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser! Wie verläuft der Klimawandel in Bayern? Wo sind seine Auswirkungen spürbar und wie kann sich Bayern anpassen? Der Klima-Report Bayern 2021 gibt Antworten auf diese Fragen. Er liefert einerseits einen spezifischen Überblick darüber, wie sich Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Forschung in Bayern konkret im Angesicht des Klimawandels verändern. Andererseits informiert er über ausgewählte Aktivitäten und Maßnahmen, wie Bayern dem Klimawandel aktuell begegnet. Der Klima-Report enthält gute Nachrichten: mit dem Pariser Übereinkommen von 2015 wurde auf Ebene der internationalen Klimaverhandlungen eine vertragliche Struktur geschaffen, um die gemeinsamen europäischen und bayerischen Wertevorstellungen durch entschlossenes politisches Handeln proaktiv durchzusetzen: der Anstieg der globalen Mitteltemperatur muss deutlich unter 2 °C begrenzt werden. Dies ist ein Gebot des Vorsorgeprinzips. Bayern bekennt sich in der Bayerischen Klimaschutzoffensive zum Handeln: spätestens in 30 Jahren – also 2050 – soll Bayern klimaneutral sein. Im Netto sollen die Treibhausgasemissionen also auf null gesenkt werden. Die bayerische Staatsverwaltung soll dieses Ziel bereits im Jahr 2030 erreichen. Klimaschutz ist eine Gesellschaftsaufgabe. Eine nachhaltige Entwicklung bringt die drei Komponenten – Umwelt, Wirtschaft und Soziales – systematisch in Einklang. Es gilt dabei, die technologische und wirtschaftliche Stärke Bayerns für Zwecke des Umweltschutzes zu nutzen. Eine ambitionierte Klimapolitik bietet einen verlässlichen Rahmen für Umweltinnovationen. Sie sichert Bayern ökonomische Wertschöpfung aus Zukunftstechnologien. Gleichzeitig erlaubt sie den Menschen und Unternehmen Planungssicherheit auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Klimaschutz steht ganz oben auf der politischen Agenda. Die Chancen ambitionierter klimapolitischer Gesetzgebung und des europäischen „Green Deal“ sind immens. Der Green Deal kann Kern einer europäischen Wachstumsstrategie sein, die den Weg zu einer klimaneutralen, modernen, ressourcen­ effizienten, wettbewerbsfähigen, fairen und wohlhabenden Union weist. Ein herzliches Dankeschön geht an das Bayerische Landesamt für Umwelt für die Erstellung des Klima-Reports Bayern 2021 sowie an alle Autorinnen und Autoren und Institutionen für ihre wertvollen Beiträge. Ihr Thorsten Glauber, MdL Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz 3 4 Zusammenfassung Zusammenfassung Der Klima-Report Bayern 2021 ist in fünf Kapitel gegliedert. Er berichtet über bayernweite Entwicklungen des Klimawandels. Er veranschaulicht die Dimension der menschlichen Eingriffe in das Klimasystem sowie die Möglichkeiten, die sich für Europa und Bayern auf Basis der bestehenden politischen Beschlusslage zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ergeben. Der Report beschreibt ausführlich die Auswirkungen des Klimawandels in Bayern, Möglichkeiten, negative Auswirkungen durch Anpassung zu begrenzen, und Ergebnisse aktueller Forschung. Die Klimapolitik (Kap. 1) eröffnete mit dem Pariser Übereinkommen vom Dezember 2015 eine dynamische Phase verstärkten politischen Handelns – auf internationaler, europäischer, nationaler und bayerischer Ebene. Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur soll deutlich unter 2 °C begrenzt werden und Anstrengungen sollen unternommen werden, den Temperaturanstieg unter 1,5 °C zu begrenzen (2-Grad-Obergrenze). Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die zugesagten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) aller Vertragsparteien zum Pariser Übereinkommen sukzessive gesteigert werden. Bayern unterstützt mit der Bayerischen Klimaschutzoffensive und einem zielgerichteten Maßnahmenpaket (Zehn-Punkte-Plan) im Rahmen seiner gesetzgeberischen Kompetenzen eine am Pariser Übereinkommen orientierte Klimapolitik. Der Mensch und das Klimasystem (Kap. 2) stellen spätestens seit der Industrialisierung eine wechselseitige Veränderungsgemeinschaft dar. Als Konsequenz der Industrialisierung ist der seit etwa 10.000 Jahren vorherrschende stabile Zustand des Klimasystems heute gefährdet. Es besteht für uns aber auch die Chance, unsere technologischen Möglichkeiten gezielt zu nutzen, um durch ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management im Sinne des Vorsorgeprinzips die heutigen natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu schützen. Ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management zielt vorrangig darauf ab, CO2-Emissionen zu vermeiden. Negative Emissionen können ergänzend dazu beitragen, das Klimasystem zu stabilisieren und dabei die Lebensund Konsumrealität der Menschen berücksichtigen. Das Klima in Bayern (Kap. 3) verändert sich – Bayern befindet sich mitten im Klimawandel. Die Temperaturen zwischen 1951 und 2019 weisen einen Erwärmungstrend von 1,9 °C auf. Dieser Trend würde sich ohne Klimaschutz bis Ende des Jahrhunderts sogar weiter beschleunigen. Ohne Klimaschutz würde die bayerische Mitteltemperatur wahrscheinlich um etwa 3,8 °C gegenüber dem Zeitraum 1971–2000 ansteigen. Im Falle einer erfolgreichen weltweiten Umsetzung des Pariser Übereinkommens würde der in Bayern beobachtete Erwärmungstrend hingegen innerhalb weniger Jahrzehnte deutlich abgeschwächt werden. Spätestens ab 2050 würde die mittlere Jahrestemperatur Bayerns nicht mehr nennenswert ansteigen, mit einem stabilen künftigen Erwärmungsniveau von etwa 1,1 °C gegenüber dem Zeitraum 1971–2000. Bei den Niederschlagsmengen wurde in der Vergangenheit eine leichte Umverteilung der innerjährlichen Niederschläge beobachtet, mit etwas geringeren Niederschlagsmengen im Sommerquartal (Juni–Aug.) und, ausgleichend hierzu, etwas höheren Niederschlagsmengen in Herbst-, Winter- und Frühjahrsquartal. Bayern muss sich insgesamt auf zunehmende Herausforderungen aus Extremwetterereignissen wie Starkregen und Dürre einstellen. Die Änderungen des Klimas führen zu konkreten Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der bayerischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Auswirkung und Anpassung (Kap. 4) an die Folgen des Klimawandels werden auszugsweise anhand der Handlungsfelder der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie von 2016 diskutiert. Inhaltliche Zusammenfassungen finden sich in den „Kurz gesagt“-Rubriken am Textanfang der Kapitel 4.1–4.16. Folgende Themenschwerpunkte werden dort aufgeführt: Wasserwirtschaft: Niedrigwassermanagement, Trinkwasserversorgung, gewässerökologischer Zustand, Schutz vor Hochwasser und Starkregen, Landwirtschaft: Pflanzenverfügbares Wasser und Bewässerung, Wald- und Forstwirtschaft: Baumarten und Waldschutzrisiken, Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen, „Faktor Mensch“, Zusammenfassung Naturschutz: Artenvielfalt und Artenzusammensetzung, Bodenschutz und Georisiken: Bodenabtrag von Ackerflächen, Moorböden, Georisiken, Menschliche Gesundheit: Nichtinfektiöse Krankheiten, Infektionskrankheiten, Allergene und Toxine, Raumordnung: Schutzgut Klima und Luft, Städtebau/Bauleitplanung: Hitzebelastung in Städten, Hochwasser- und Starkregengefahr in Städten, Bauwesen: Schäden an Gebäuden, Innenraumklima, Straßenbau und Verkehr: Binnenschifffahrt, Schienenverkehr, Straßenverkehr, Luftverkehr, Energiewirtschaft: Rohstoffimport und Stromübertragung, Photovoltaik-Anlagen und Windenergienutzung, Wasserkraftwerke, Energie aus Biomasse, Industrie und Gewerbe: Wärmeeinleitung in Gewässer, Tourismus: Schneebasierter Wintertourismus, Sommertourismus, Finanzwirtschaft: Schäden an privaten Wohngebäuden, globale Klimarisikoversicherungen, Klimawandel im Alpenraum: Entwicklung von Schneedecke und Eisflächen, Entwicklung von Permafrost, Umweltforschung an der Zugspitze. Beiträge im sogenannten „Exkurs Forschung“ geben darüber hinaus einen Einblick in aktuelle bayerische Forschungsarbeiten. Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung (Kap. 5) bilden als Begriffe im Kontext des Klimaproblems folgende Ausgangslage: laut internationaler Vertragslage und dem Bayerischen Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 soll der Wandel des Klimas im Rahmen des Vorsorgeprinzips begrenzt werden (2-Grad-Obergrenze). Das Vorsorgeprinzip muss als Maßstab staatlichen Gestaltens herangezogen werden, da die Risiken des Klimawandels andernfalls zunehmend unüberschaubar und unbeherrschbar wären. Der Staat kann durch ambitionierte steuerungspolitische Maßnahmen eine Transformation einleiten, um im Rahmen einer nachhaltigen Wachstumsdynamik ein klima­neutrales Leben und Wirtschaften in Wohlstand zu ermöglichen. 5 6 Summary Summary The „Bavarian Report 2021 on the Climate“ is organized in five chapters. It reports about the course of climate change in Bavaria. It illustrates the scale of human interference with the climate system and opportunities that arise from the existing policy framework for sustaining natural resources and for improving the human environment. The report describes impacts of climate change in Bavaria, chances and limits to adaptation and results of current research activities. Climate policy (Chap. 1) initiated, with the adoption of the Paris Agreement in 2015, a dynamic phase of progressive political action – on the international, European, national and Bavarian level. Holding the increase in the global average temperature to well below 2 °C above pre-industrial levels and to pursue efforts to limit the temperature increase to 1.5 °C has become the common goal of the international community. In order to achieve this goal, the Parties committed to progressive negotiations of the Nationally Determined Contributions (NDCs). Bavaria adopted targeted measures to support precautionary climate policies that are aligned with the Paris Agreement. People and the climate system (Chap. 2) have become one single interwoven system of cause and effect. As a result of the industrial revolution, stability of the climatic conditions prevailing for more than 10,000 years is endangered. However, when harnessing technological opportunities for sustainable carbon management strategies we can sustain the natural environment in a precautionary attitude and improve the human environment for present and future generations. Sustainable carbon management aims dominantly to reduce anthropogenic greenhouse gas emissions at its sources. Negative emissions can enable precautionary climate protection in a complementary manner under special consideration of the current lifestyle and consumption patterns of the people. The Climate in Bavaria (Chap. 3) changes – Bavaria experiences climate change. The historic temperature changes show a warming trend of 1.9 °C between 1951 and 2019. This trend would even accelerate without mitigation policies until the end of this century. Without mitigation policies, the Bavarian average temperature is projected to increase by 3.8 °C above 1971–2000 mean levels. In case of a successful and full implementation of the Paris Agreement, however, the warming trend would be significantly alleviated. After 2050 at latest, the Bavarian average temperature would not rise notably anymore, stabilizing at a warming level of around 1.1 °C above 1971–2000 levels. For precipitation, past changes exhibit a slight (but significant) trend with decreasing precipitation levels in summer. This seasonal trend was counterbalanced by slight (and non-significant) increases of precipitation levels in autumn, winter and spring. For the future, Bavaria will have to cope with increasing challenges from extreme weather events like heavy rainfall and drought. Climate change leads to specific impacts on diverse aspects of the Bavarian environment, society and economy. Impacts and adaptation (Chap. 4) are addressed in the main part of the report. The topics discussed are organised in accordance with the fields of action of the Bavarian strategy 2016 on climate adaptation (BayKLAS 2016). They comprise: Water management: low-water management, drinking water supply, water ecology, flood and heavy rainfall protection, Agriculture: water availability and irrigation, Forests and forestry: tree species and forest protection, ecosystem services, “people factor”, Nature conservation: biodiversity and species composition, Soil protection and geo-risks: soil erosion of arable lands, peatlands, geo-risks, Human health: non-infectious diseases, infectious diseases, allergens and toxins, Summary Spatial planning: protective goods climate and air, Urban development: heat stress in cities, flood and heavy rain risks in cities, Construction: damages to buildings, indoor climate, Transportation infrastructure: inland navigation, rail transport, road transport, air transport, Energy supply: Resource import and power transmission, photovoltaics and wind energy, hydropower, energy from biomass, Industry and trade: Heat discharge into water bodies, Tourism: Snow-based winter tourism, summer tourism, Financial sector: damages to buildings, climate risk insurance, Climate change in the Alps: Changes in snow and ice cover, changes of permafrost conditions, environmental research at the Zugspitze. Furthermore, current Bavarian impact and adaptation research activities are presented in dedicated sections (“Exkurs Forschung”). Change, adaptation and transition management (Chap. 5) are decisive terms in the formulation of the climate problem: according to international treaties and the Bavarian climate law of 23.11.2020 the change of the climate should be limited by applying the precautionary principle in policy making. The precautionary principle is to be applied because otherwise the risks of climate change would be increasingly unmanageable. The state can initiate and guide the necessary transition by ambitious mitigation policies, which in turn foster sustainable growth, a low emissions economy on its way towards net-zero emissions and a prosperous society that respects planetary guard rails. 7 1 Klimapolitik 1 Klimapolitik Abb. 1: Teilnehmer der 21. Weltklimakonferenz in Paris (COP21). Die internationalen Klimaverhandlungen sind als ein über viele Jahrzehnte währender Prozess zu verstehen, der laut Pariser Übereinkommen sukzessiv verstärkte weltweite Klimaschutzanstrengungen weiter vorantreiben soll. Klimapolitik ist ein einzelner Baustein staatlichen Gestaltens auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung Bayerns. Im Jahre 1972 wurde in Stockholm erstmals auf Ebene der Vereinten Nationen (UN) eine Konferenz über die Umwelt des Menschen abgehalten. 113 Nationen bekannten sich in einer wegweisenden gemeinsamen Erklärung auf eine gemeinsame Perspektive und gemeinsame Prinzipen, welche den Erhalt und die Verbesserung der menschlichen Umwelt anleiten sollen [1]. Dabei umfasste der Begriff menschliche Umwelt sowohl die natürliche als auch die vom Menschen selbst geschaffene Umwelt. Zudem wurden wesentliche Eckpfeiler nachhaltiger Entwicklung benannt. Die natürlichen Lebensgrundlagen sollen für heutige und künftige Generationen durch sorgfältige Planung und Steuerung geschützt werden (Prinzip 2, UN, 1972). Gleichzeitig ist eine voranschreitende ökonomische und soziale Entwicklung eine wesentliche Grundbedingung, um die Lebensqualität des Menschen zu verbessern (Prinzip 8, UN, 1972). Man stellte ferner fest, dass eine wachsende Anzahl an Umweltproblemen von globalem oder zumindest internationalem Ausmaß ist. Daher wurde für die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen einerseits die lokale Akzeptanz der jeweiligen Verantwortung von Bürgern, Unternehmen und Institutionen als entscheidend angesehen, andererseits aber auch eine umfassende, am Gemeinwohl orientierte internationale Zusammenarbeit. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung fand in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge eines gemeinsamen Such- und Lernprozesses zunehmende Verbreitung in Wissenschaft, Zivilgesellschaft, bei Unternehmen und in der Politik [2]. Ein nun weitgehend etablierter inner- und zwischenstaatlicher Konsens über konkrete Ziele einer nachhaltigen Entwicklung ermöglicht dabei einen verstärkten Fokus auf Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele. Hierzu nahm Bayern 2017 in der Fortschreibung der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie konkrete Impulse der 2015 verabschiedeten Internationalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) auf [3]. Der anthropogen verursachte Klimawandel wirkt sich ursächlich auf zahlreiche Nachhaltigkeitsziele Bayerns aus. Er ist eine der gewaltigsten Herausforderungen für die Menschheit des 21. Jahrhunderts [3]. Internationale Klimapolitik Im Dezember 2015 einigten sich auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) 195 Staaten erstmals auf ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites Übereinkommen. Das Pariser Übereinkommen umfasst in Artikel 2 unter anderem: 9 10 Klimapolitik • Das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg unter 1,5 °C zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts im Netto global keine Treibhausgasemissionen mehr vom Menschen ausgestoßen werden, d. h. eventuelle Emissionen müssen durch negative Emissionen vollständig ausgeglichen werden (z. B. durch aufgeforstete Wälder, vgl. Kap. 2.3). Eine Kompensation von Treibhausgasemissionen durch negative Emissionen erhöht grundsätzlich die im Rahmen der 2-GradObergrenze erlaubte Gesamtmenge an Emissionen (Kap. 2.2). Im Zuge des Pariser Übereinkommens haben die jeweiligen Nationen sowie die Europäische Union (EU) nationale Klimaschutzpläne (sog. Nationally Determined Contributions – NDC) vorgelegt. In Summe reichen diese noch nicht aus, um den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf unter 2 °C zu begrenzen [4]. Daher einigte man sich in der Pariser Übereinkunft darauf, im Jahr 2020 sowie alle darauffolgenden fünf Jahre neue nationale Klimaschutzpläne einzureichen, welche tendenziell eine Steigerung der Zusagen der jeweils vorherigen Klimaschutzpläne enthalten sollen (Artikel 3 und 4). Im Zuge der aktuellen Corona-Pandemie wurde die progressive Nachverhandlung der NDCs auf November 2021 verschoben (COP26 in Glasgow). Im Hinblick darauf, eine nachhaltige Entwicklung insgesamt zu befördern, wurde im Pariser Übereinkommen (Artikel 7) unter anderem das Ziel festgeschrieben, • Die globale Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu erhöhen und die Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel zu vermindern. Entwicklungsländer werden hierzu weiterhin und in gesteigertem Umfang internationale Unterstützung erfahren. Europäische und Nationale Klimapolitik Deutschland und Bayern werden in den internationalen Klimaverhandlungen durch die Europäische Union vertreten. • Im Klimaschutzbeitrag (NDC) zum Pariser Übereinkommen verpflichtet sich die EU als Gemeinschaft dazu, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Gemeinsam mit sieben Staaten außerhalb der EU hat die Europäischen Union somit die weltweit ambitionierteste Reduktionsquote als Klimaschutzbeitrag eingereicht.  ie klimapolitischen Ambitionen von Deutschland und Bayern D werden wegweisend durch europäische Instrumente und Rechtsvorschriften gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bestimmt. Im Jahr 2009 setzte sich die EU das Langfristziel, bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 80 – 95 Prozent zu senken. Ende 2018 legte die Europäische Kommission ein Impulspapier vor: „Ein sauberer Planet für alle – Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ [5]. Diese Strategie zeichnet Wege, bei welchen im Rahmen eines sozial gerechten Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft bereits zum Jahr 2050 im Netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Im Klimapolitik Dezember 2019 folgte der Fahrplan eines „European Green Deal“ [6]. Darauf basierend hat die EU-Kommission im März 2020 einen Vorschlag vorgelegt, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in einem Europäischen „Climate Law“ zu verankern. Im September 2020 zeigte die Europäische Kommission in einem Bericht die Folgen und Chancen auf, die sich ergeben, wenn die EU als Gemeinschaft ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 verringert. Mit einer so verschärften Reduktionsquote wäre die EU künftig auf einem Entwicklungspfad, wie er im Durchschnitt über alle Nationen der Erde notwendig wäre, um den Anstieg der globalen Erwärmung (kosten-effektiv) auf etwa 1,7 °C zu begrenzen (basierend auf Zahlen des UN Emissions Gap Report 2019 [4]). Die Europäische Union zeigt sich also entschlossen, eine europäische vorsorgeorientierte politische Rationalität im Sinne der europäischen Werte und Interessen zu gewährleisten. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt und die von der Kommission noch zu beantworten sein wird, ist die nach dem Zusammenspiel von Europäischem Emissionshandel und dem Nicht-ETS-Bereich und der Verteilung der Emissionsminderungsverpflichtungen auf die einzelnen Mitgliedstaaten sowie nach konkreten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele. Bayern begrüßt grundsätzlich die ambitionierten Impulse der Europäischen Kommission auf dem Weg zu einer wohlhabenden, modernen, wettbewerbsfähigen, gerechten und klimaneutralen Europäischen Union. Die von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam initiierten europäischen Klimaschutzziele, die darauf basierenden europäischen Klimaschutzinstrumente (z. B. das europäische Emissionshandelssystem) sowie die für die Mitgliedsstaaten verbindlichen Rechtsvorschriften zur Reduktion von Treibhausgasemissionen (gemäß der sog. „Lastenteilungsentscheidung“) sind kausal maßgeblich, um den europäischen Anteil an der Störung des Klimasystems zu verringern. Bayern setzt sich weiterhin dafür ein, dass die nationale Gesetzgebung geeignete Instrumente zur Umsetzung der rechtsverbindlichen nationalen Klimaschutzverpflichtungen Deutschlands erwirkt. Bayerische Klimapolitik Im Bayerischen Klimaschutzgesetzes vom 23.11.2020 • setzt sich Bayern zum Ziel, die Treibhausgasemissionen je Einwohner bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken, bezogen auf den Durchschnitt des Jahres 1990. Spätestens bis zum Jahr 2050 soll Bayern klimaneutral sein. • Die Bayerische Staatsverwaltung soll spätestens ab dem Jahr 2030 klimaneutral sein. Verbliebene Treibhausgasemissionen sollen mit geeigneten Maßnahmen zugunsten des Klimaschutzes ausgeglichen werden (Kompensationsmaßnahmen). • Die Staatsregierung stellt ein Bayerisches Klimaschutzprogramm mit Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzgesetzes auf. Dieses sowie eine Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels werden regelmäßig fortgeschrieben.  as Bayerische Klimaziel der Klimaneutralität bis spätestens D 2050 steht im Einklang mit dem „European Green Deal“. Bayern unterstützt im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten (Zehn-Punkte-Plan) eine am Pariser Übereinkommen orientierte Klimapolitik. 11 12 Klimapolitik Die im November 2019 vom Bayerischen Kabinett beschlossene Klimaschutzoffensive (Zehn-PunktePlan mit rd. 100 Maßnahmen) ergänzt und unterstützt die nationale und europäische Gesetzgebung zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen insbesondere in jenen Bereichen, in welchen regionale Fragestellungen und Perspektiven besonders zur Geltung kommen sollen. Der Zehn-Punkte-Plan basiert auf den drei bewährten Säulen der Bayerischen Klimapolitik: der Minderung von Treibhausgasen, der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie der Forschung und Entwicklung. Der ZehnPunkte-Plan umfasst folgende zehn Handlungsschwerpunkte, die im Rahmen der jeweils verfügbaren Stellen und Mittel umgesetzt werden: • Umbau des Waldes: Die bayerischen Wälder sollen auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse über die jeweiligen Klimarisiken verschiedener Baumarten an die künftigen klimatischen Bedingungen angepasst werden. Somit wird ihre Funktion als Kohlenstoff-Speicher, Rohstoff-Quelle, Lebensraum für diverse Ökosysteme und als Erholungsraum für die Bürger erhalten. • Renaturierung der Moore: Durch die Renaturierung und die angepasste Nutzung von Mooren (und Auenlandschaften) sollen deren vielfältige Funktionen beispielsweise als Kohlenstoff-Speicher, als Puffer bei Hoch- und Niedrigwasser und als Hort der Artenvielfalt erhalten bleiben. • Schutz des Wassers: Die Ressource Wasser soll auch unter Berücksichtigung der erwarteten Folgen des Klimawandels angemessen genutzt werden. Eine sichere Trinkwasserversorgung, nachhaltige und umweltgerechte Bewässerungskonzepte, Wasserkraftnutzung sowie intakte Ökosysteme sollen gewährleistet werden. Ebenso wird das Risikomanagement bei Hochwasser und Starkregen weiterhin vorausschauend angepasst. • Klimaschonende Landwirtschaft, Ökolandbau und Ernährung: Neue Impulse für eine klimaangepasste und klimaschonende Landwirtschaft werden gesetzt durch eine verstärkte Förderung und den Ausbau des Ökolandbaus, eine Intensivierung der Forschung und Beratung, ein Förderprogramm zum Humuserhalt und -aufbau sowie durch ein Moorbauernprogramm. • Innovationen: Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise wird eine bayerische Bioökonomiestrategie entwickelt und umgesetzt. Innovationen werden u. a. durch den Ausbau des Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern zum „Clean Tech-Hub für Kreislaufwirtschaft der Zukunft“ angeregt. Behörden und Universitäten werden verstärkt unterstützt, um durch Klimaforschung die Folgen des Klimawandels abzuschätzen und Anpassungsoptionen noch besser ableiten zu können (z. B. Einrichtung eines Klimazentrums am Bayerischen Landesamt für Umwelt). • Energie: Eine neue Landesagentur für Energie und Klimaschutz soll als Kompetenz- und Beratungsstelle die Umsetzung der Energiewende sowie der bayerischen Klimaschutzoffensive unterstützen. In den Bayerischen Staatswäldern sollen etwa 100 neue Windkraftanlagen entstehen. Für die Nutzung von Bioenergie, Photovoltaik in Verbund mit Energiespeichern, Wasserkraft und Geothermie werden Förderprogramme initiiert oder weitergeführt. Ein Energieeffizienzfonds und die Ausweitung des 10.000 Häuser-Programms sollen den Energiebedarf von Unternehmen und Privathaushalten senken. • Umweltbewusste Mobilität: Der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird u. a. durch eine Erhöhung der ÖPNV-Zuweisungen sowie durch die Förderung bedarfsorientierter Angebote (z. B. Rufbus, etc.) vorangetrieben. Ein 365-Euro-Jugendticket soll für Schüler und Jugendliche die Attraktivität des ÖPNV stärken. In einer Modellregion zur „Zukunft der Mobilität“ sollen ganzheitliche und verkehrsträgerübergreifende Mobilitätslösungen erprobt werden. Innovative Pilotprojekte z. B. zur Brennstoffzelle als Antriebsform von Lkw und Eisenbahn werden gefördert. Klimapolitik • Verstärkte Klimaarchitektur: Die neue Umweltinitiative Stadt.Klima.Natur soll zusätzliche Impulse schaffen, um Belange von Klimaschutz und Klimaanpassung im Städtebau zu berücksichtigen. Das „Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung“ soll dabei Steuerungsansätze für grüne, an die Folgen des Klimawandels angepasste Städte entwickeln und deren Umsetzung unterstützen. Städtebauliche Modellprojekte für einen energieeffizienten Städtebau werden gefördert. • Mehr Holzbau: Leuchtturmprojekte und Forschung für eine innovative Holzbauweise sollen für die Ressource Holz Möglichkeiten einer vermehrten Nutzung aufzeigen. Bei Bauvorhaben im staatlichen Hochbau soll Holz als Baustoff verstärkt Verwendung finden. • Klimaneutralität von Staat und Kommunen: Auf allen staatlichen Gebäuden sollen Photovoltaikanlagen installiert werden, insbesondere zur Deckung des Eigenbedarfs an elektrischer Energie. Durch das Sonderprogramm „Energetische Sanierung staatlicher Gebäude“ soll der Energiebedarf des staatlichen Gebäudebestands verringert werden. Die staatliche Verwaltung geht bei der Mobilitätswende voran. Zwei Drittel aller neu zu beschaffenden Dienst-Kfz in geeigneten Bereichen sollen mit Elektroantrieb oder anderen innovativen Antrieben ausgestattet sein. Die bayerischen Kommunen werden bei Klimaschutz und Klimaanpassung unterstützt. 13 2 Der Mensch und das Klimasystem 2 Der Mensch und das Klimasystem 2.1 Grundlagen Bereits 1896 beschrieb Svante Arrhenius einen Effekt von Kohlenstoffdioxid (CO2) auf die Erdoberflächentemperatur [7]. Kohlenstoffdioxid absorbiert ein gewisses Spektrum der Wärmestrahlung der Erde und emittiert Teile davon zurück auf die Erdoberfläche. Durch diesen Mechanismus trägt CO2, wie die weiteren Treibhausgase Wasserdampf, Methan, fluorierte Kohlenwasserstoffe sowie Distickstoffoxid, zum sogenannten Treibhauseffekt bei. Die vom Menschen ausgestoßenen Treibhausgase verstärken den natürlichen Treibhauseffekt und erwärmen dadurch die Erdoberfläche zusätzlich. Eine Zusammenstellung der physikalischen Grundlagen des natürlichen sowie des vom Menschen verursachten Treibhauseffekts finden sich im Klima-Report Bayern 2015 [8], maßgeblich jedoch auch in den Sachstandsberichten des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC). Der IPCC stellt nach Sichtung der wissenschaftlichen Literatur fest, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem extrem wahrscheinlich die dominante Ursache des seit 1950 bereits beobachteten Erwärmungstrends ist [9]. Diese Tatsache wurde von allen 195 Mitgliedstaaten erneut offiziell anerkannt, indem die Regierungen die Zusammenfassungen der jüngsten Sachstandsberichte verabschiedeten. Somit erkennen sogar Staaten wie Russland, Saudi-Arabien, Australien oder Kanada die eindeutigen wissenschaftlichen Belege an, obwohl der Export fossiler Ressourcen ein gegenwärtiger Pfeiler ihres wirtschaftlichen Wohlstands ist. Der IPCC ist ein wissenschaftliches Gremium und gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN), welcher alle sechs bis sieben Jahre in Sachstandsberichten den Stand der Wissenschaft zu den Themen Klimawandel [10], Auswirkung des Klimawandels [11]; [12] und Minderung des Klimawandels (Mitigation) [13] zusammenträgt und wissenschaftlich bewertet. Die Organisationsstruktur des IPCC und detaillierte Verfahrensregeln zielen darauf ab, dass die Informationen des IPCC verlässlich, ausgewogen und umfassend sind.1 195 Regierungen von Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen oder der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sind sowie Beobachter aus mehr als 100 akkreditierten internationalen Organisationen und aus der Zivilgesellschaft gehören dem IPCC an. Die 195 Regierungen wählen den Vorstand des IPCC – ein Gremium, bestehend aus rund 40 Experten. Der Vorstand des IPCC ernennt wiederum die von den Regierungen und Beobachtern nominierten Wissenschaftler, welche als Autoren sowie als Gutachter die Berichte des IPCC verfassen. Für jeden Bericht wird eine Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger erstellt und von den Regierungen verabschiedet („Summary for Policymakers“). Mit der Verabschiedung dieser Zusammenfassungen erkennen die 195 Regierungen die Quintessenz des aktuellen Wissensstands zum Klimawandel an. Die IPCC Berichte bilden somit wichtige fachliche Grundlagen für die globalen politischen Verhandlungen zur Milderung und Bewältigung des Klimawandels. Der IPCC stellt nach Sichtung der wissenschaftlichen Literatur fest, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem die dominante Ursache des seit 1950 bereits beobachteten Erwärmungstrends war (Konfidenzniveau > 95 %) [9]. Die CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger und der Ausstoß anderer Treibhausgase befördern eine tiefgreifende Veränderung des Klimasystems, welche noch in sehr langen Zeiträumen im Kohlenstoffkreislauf und somit im Klimasystem eine deutlich wahrnehmbare Wirkung entfalten wird (Kap. 2.2). Der Mensch ist eine offenbar wesentliche Kraft innerhalb des Erdsystems geworden [14]. Generell übt menschliche Aktivität „einen derartigen Druck auf die natürlichen Funktionen der Erde aus, dass die Fähigkeit der Ökosysteme unseres Planeten, künftige Generationen zu versorgen, nicht länger als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann [15]“. Wie bereits 1972 in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen 1 https://www.de-ipcc.de/ 15 16 Der Mensch und das Klimasystem bekundet, wurde ein Punkt in der Geschichte erreicht, ab dem sich unser Handeln weltweit auf Basis einer klügeren Sorgfalt gegenüber dessen Konsequenzen für unsere Umwelt entwickeln muss: „Durch Unwissenheit oder Gleichgültigkeit können wir der irdischen Umwelt, von der unser Leben und unser Wohlergehen abhängen, schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen. Andererseits können wir durch vertieftes Wissen und klügeres Handeln uns selbst und unseren Nachkommen ein besseres Leben in einer Umwelt sichern, die den menschlichen Bedürfnissen und Hoffnungen mehr entspricht. Vor uns liegen große Möglichkeiten, die Qualität der Umwelt zu verbessern und ein gutes Leben zu schaffen. Bei aller Begeisterung brauchen wir einen kühlen Kopf und intensive, methodische Arbeit [1].“ Die unentwirrbare Vernetzung des Erdsystems mit dem menschlichen Handeln ist eine wesentliche Grundbedingung dafür, dass Wissenschaftler heute zunehmend von einer neuen erdgeschichtlichen Epoche sprechen: der Epoche des Anthropozän (z. B. [14] S. 33 ff). Die nachfolgenden Kapitel zeigen auf, warum das Konzept dieser neuen Epoche für eine Beschreibung des Klimasystems sinnig ist (Kap. 2.2), welche Möglichkeiten und Chancen zur Lösung des Klimaproblems sich durch ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management ergeben (Kap. 2.3), welcher globale Handlungsspielraum zur Risikobewältigung des Klimaproblems zur Verfügung steht und wie man aus diesem Handlungsspielraum Konsequenzen für die Klima-Zukunft Bayerns ableiten kann (Kap. 2.4). Im Zeitalter des Anthropozän können unsere natürlichen Lebensgrundlagen nur durch ein multilaterales, vernunftbasiertes, wissenschaftliche Fakten berücksichtigendes menschliches Handeln geschützt werden. Der Mensch und das Klimasystem 2.2 Anthropogener Klimawandel: Kohlenstoffkreislauf In stark vereinfachter Weise stellt Abb. 2 den natürlichen Kohlenstoffkreislauf (schwarz) und dessen vom Menschen angestoßene Veränderung (rot) dar. Durch die Verbrennung fossiler Ressourcen, Landnutzungsänderungen und durch die Herstellung von Zement wurden von 2000 bis 2009 weltweit jährlich 8,9 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (33 Milliarden Tonnen CO2) in die Atmosphäre emittiert. Dadurch erhöhte sich der Kohlenstoffbestand bzw. die CO2Konzentration der Atmosphäre. Ursprünglich war die Atmosphäre (um das Jahr 1750) in etwa in einem Gleichgewicht mit Kohlenstoffbeständen des Ozeans sowie mit Vegetation und Böden. Anthropogene CO2-Emissionen stören nun dieses Gleichgewicht. Die Vegetation kann durch eine erhöhte atmosphärische CO2-Konzentration mehr Biomasse durch Photosynthese aufbauen (CO2-Düngeeffekt): die Vegetation nahm jährlich etwa 14 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (51 Milliarden Tonnen CO2) mehr auf, als dies vor Anbeginn der Industrialisierung der Fall war. 1 2 Ein großer Teil der zusätzlich entstandenen Biomasse wird jedoch sehr schnell, einerseits durch Feuer, vor allem aber durch Mikroorganismen und Pflanzen durch Zellatmung in die molekularen Einzelbausteine zersetzt. Das dabei entstandene CO2 wird zurück in die Atmosphäre ausgestoßen. Wesentlicher Grund, warum Vegetation und Böden von 2000 bis 2009 im netto 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (9,5 Milliarden Tonnen CO2) pro Jahr aufgenommen haben, ist der zeitliche Versatz von Photosynthese und Atmung: die Photosyntheseaktivität nimmt bei steigenden atmosphärischen CO2-Konzentrationen unmittelbar zu, während die daraus produzierte Biomasse erst im Zeitraum von Tagen bis Jahrtausenden zersetzt wird (je nach Zusammensetzung und Umgebung der abgestorbenen Biomasse). Trotz des CO2-Düngeeffekts hat die Vegetation zwischen 1750 und 2011 im Netto aber sogar 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff an die Atmosphäre abgegeben, da die in diesem Zeitraum stattfindenden Landnutzungsänderungen erhebliche anthropogene Emissionen verursachten (Abb. 2). Abb. 2: Ausschnitt aus dem Kohlenstoffkreislauf. Die Zahlen in schwarz beschreiben den natürlichen Kohlenstoffbestand in Atmosphäre, Vegetation, Böden und Ozean (Kästen) sowie den natürlichen jährlichen Kohlenstoffaustausch vor Anbeginn der Industrialisierung (Pfeile). Die Zahlen in Rot beschreiben die menschliche Störung der Kohlenstoffbestände über den Zeitraum 1750 bis 2011 (Kästen) sowie die vom Menschen (unbeabsichtigt) verursachte Veränderung des jährlichen Kohlenstoffaustausches im Zeitraum 2000 bis 2009 (Pfeile). 1 Gigatonne Kohlenstoff (1 GtC) entspricht einer Milliarde Tonnen Kohlenstoff oder 3,67 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid (Quelle: Abbildung in Anlehnung an IPCC [4] Kapitel 6).2 Mit Ausnahme der Nettoflüsse stellen alle Zahlen gerundete Werte dar. 17 18 Der Mensch und das Klimasystem Neben der landbasierten Biomasse sind die Ozeane eine bedeutende Kohlenstoffsenke. Ist ein Wasserkörper in direktem Kontakt zur Atmosphäre, so stellt sich ein gewisses Gleichgewicht zwischen der Konzentration des im Wasser gelösten CO2 und der atmosphärischen CO2 Konzentration ein – CO2 wird im Wasser gelöst. Dieser Gasaustausch findet im Erdsystem in Antwort auf die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen sehr schnell zwischen der Atmosphäre und dem oberflächennahen Ozeanwasser statt. Hier führt das gelöste CO2 zu einer Versauerung des Ozeanwassers, was die Bildung von Kalkschalen und -skeletten durch z. B. Korallen, Muscheln, Schnecken und Seeigeln beeinträchtigt. Zu einem gewissen Grade wird CO2 des oberflächennahen Ozeanwassers nachfolgend in tiefere Ozeanschichten befördert, einerseits durch Ozeanströmungen und andererseits indem abgestorbene marine Biomasse Richtung Ozeangrund absinkt und durch Mikroorganismen in tieferen Ozeanschichten wieder in seine molekularen Einzelbausteine zerlegt wird. Es dauert jedoch viele Jahrhunderte, bis sich das oberflächennahe Ozeanwasser mit den tieferliegenden Ozeanschichten vermischt, weshalb die Ozeane langfristig noch große natürliche Speicherpotentiale entfalten können. Grundsätzlich sind die gegenwärtigen anthropogenen CO2-Emissionen aber so hoch, dass dieses langfristige Speicherpotential zur Lösung des aktuellen Klimaproblems wenig beiträgt: der Transport des anthropogenen CO2 in tiefere Ozeanschichten ist schlicht zu langsam, um die hohen anthropogenen CO2-Emissionen ausreichend zu kompensieren, weshalb der beobachtete Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentrationen (und die Versauerung der Weltmeere) ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen weiterhin anhalten wird. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der Mensch seit Anbeginn der Industrialisierung ein dominierender Faktor hinter den bereits beobachteten Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufes war und ist (Abb. 2). Die Tragweite des „Klima-Faktors Mensch“ für den Kohlenstoffkreislauf reicht jedoch noch weit in die Zukunft. Werden beispielsweise heute 1.000 Tonnen CO2 ausgestoßen, so werden in den ersten 20 Jahren etwa 40 % der Emissionen von Biomasse an Land und dem oberflächennahen Ozeanwasser aufgenommen (Abb. 3). Innerhalb von 1000 Jahren werden weitere 36 % insbesondere durch die tieferen Ozeanschichten aufgenommen. Dann sind also in etwa 76 % der Emissionen nicht mehr klimawirksam, sie sind der Atmosphäre entzogen (Abb. 3). Die übrigen 24 % der ursprünglichen Emissionen werden danach nur sehr langsam, zunächst durch Verwitterung von Kalkgestein und nachfolgend über mehrere Jahrhunderttausende durch Verwitterung von Silikatgestein der Atmosphäre entzogen. Wichtig bei diesen Zahlen ist, dass sie nur dann weitgehend (im Mittel der Modelle) gültig sind, wenn eine Begrenzung der Störung des Klimasystems gemäß des Pariser Übereinkommens gelingt (Szenario RCP2.6: „2-Grad-Obergrenze“). Für ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) würden hingegen um die 40 % des emittierten CO2 mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre verweilen, da sich bei höheren Temperaturen und höheren CO2 Konzentrationen weniger CO2 im Ozeanwasser löst [3]. Die RCP-Szenarien werden in Kapitel 2.4 näher erläutert. Der Verlauf des internationalen Verhandlungsprozesses unter dem Pariser Übereinkommen entscheidet daher über das Klimasystem der kommenden zehntausend Jahre und der Fußabdruck des Menschen wird sich noch sehr lange im Kohlenstoffkreislauf wiederfinden. Wir leben somit im geologischen Zeitalter oder ggf. der geologischen Epoche des Anthropozän. Trotz der oben beschriebenen komplexen Wirkzusammenhänge im Kohlenstoffkreislauf lässt sich das aktuelle Klimaproblem an einer Zahl verdeutlichen: Soll der Anstieg der globalen Mitteltemperatur mit einer Wahrscheinlichkeit größer als 66 % auf unter 2 °C (2-Grad-Obergrenze) begrenzt werden, müssen die globalen CO2 Nettoemissionen zwischen 2018 und 2100 weniger als 1.170 Milliarden Tonnen CO2 betragen. Für eine Begrenzung unter 1,5 °C beträgt das erlaubte Kohlenstoffbudget lediglich 420 Milliarden Tonnen CO2. Gegenwärtig wird zudem davon Der Mensch und das Klimasystem ausgegangen, dass tauende Permafrostböden und Rückkopplungseffekte mit Mooren diese Kohlenstoffbudgets um etwa 100 Milliarden Tonnen CO2 verringern [17]. 2018 wurden weltweit ca. 42 Milliar- den Tonnen CO2 durch Verbrennung fossiler Rohstoffe, (Landnutzung und) Landnutzungswandel und Zementherstellung emittiert, d. h. das TreibhausgasRestbudget schwindet sehr rasch. Abb. 3: Anteil des in den kommenden 1000 Jahren in der Atmosphäre verweilenden CO2 für eine gegebene CO2-Emission, z. B. für die Emission von 30 kg CO2 (Autofahrt München-Nürnberg) bei einer Hintergrundkonzentration von 389 ppm CO2. Graphik erstellt nach [16]. 19 20 Der Mensch und das Klimasystem 2.3 Nachhaltiges Kohlenstoff-Management Drei Begrifflichkeiten müssen in der Diskussion um ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management unterschieden werden: • Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen: Technologische Innovationen können insbesondere bei Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäuden die Treibhausgas-Emissionen weitgehend reduzieren. Alle landnutzungsbezogenen anthropogenen Treibhausgas-Emissionen (u. a. Landwirtschaft, Moore) können zum Teil durch Innovationen, zum Teil aber nur durch Änderungen der Landnutzung auf (brutto-)null gesenkt werden. • Natürliche Kohlenstoffsenken: Zahlreiche natürliche Prozesse im Kohlenstoffkreislauf führen dazu, dass ein Teil der anthropogenen CO2-Emissionen natürlicherweise der Atmosphäre entzogen wird (Abb. 2). Diese ‚natürliche‘ CO2-Aufnahme, die aus sich heraus in Antwort auf die anthropogenen CO2-Emissionen abläuft, definiert die Wirkung natürlicher Kohlenstoffsenken. Besonders relevant ist hier die Änderung der Kohlenstoffvorräte in Ozeanen und Biomasse (Abb. 2). • Negative Emissionen: Unter negativen Emissionen wird hier der langfristige Entzug von CO2 aus der Atmosphäre durch bewusste anthropogene Eingriffe oder Bewirtschaftungsänderungen verstanden. Dies kann zum einen durch technologische Ansätze erzielt werden, z. B. durch geologische Speicherung (CCS) von atmosphärischem CO2 oder durch die Errichtung von Gebäuden aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen. Zum anderen kann aber auch eine dauerhafte Erstaufforstung von Waldflächen und die Erhöhung von Humusgehalten in Böden zur Kategorie der negativen Emissionen gezählt werden. Die Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen und die Nutzung negativer Emissionen (Abb. 4) sind zwei separate Maßnahmen zum Zwecke des Klimaschutzes. Im Kontext der Nutzung von Naturgütern (Wälder, Böden, Moore) ist dabei zu beachten, dass deren Funktion als Kohlenstoffspeicher und als natürliche Kohlenstoffsenke erhalten werden muss. Ein Erhalt der Speicherfunktion führt dazu, dass die Ökosysteme weder Senke noch Quelle von Treib­ hausgas-Emissionen sind. Dies bedeutet: ein Erhalt der Speicherfunktion zielt auf die Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen ab. Die Auswirkungen des Klimawandels (vor allem Trockenheit, Hitze, Schadorganismen) können dazu führen, dass vorhandene Kohlenstoff reiche Ökosysteme (Wälder, Böden, Moore) ihre heutige sehr große Speicherfunktion verlieren. Im Bereich der Energiewende und der Emissionen z. B. im Wärme und Verkehrssektor ist ein Umbau der Volkswirtschaft durch technologische Innovationen ebenso zentral, um Treibhausgas-Emissionen zu vermeiden. Im Wärmesektor liegen aktuell relevante Themen zur Vermeidung von CO2-Emissionen z. B. beim Einsatz von Wärmepumpen, der Erdwärmenutzung (für Heizung und Kühlung), der kontrollierten Gebäudelüftung und der Geothermienutzung. Auf Basis des aktuellen Stands des Wissens [17]; [18] wird deutlich: die Treibhausgas-Emissionen müssen primär durch Vermeidung reduziert werden. Trotz dieser vorrangigen und unangefochtenen Stellung der Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen widmet dieses Kapitel dem Bereich der negativen Emissionen große Aufmerksamkeit, da diese bedeutende politische Freiheitsgrade im Kontext der Bayerischen Klimaschutzoffensive und des Pariser Übereinkommens ermöglichen. Der Mensch und das Klimasystem Abb. 4: Veränderung des atmosphärischen Kohlenstoffgehalts bei der Nutzung negativer Emissionen (rechts) und bei Technologien zur CO2 Vermeidung (links). Im Beispiel werden 50 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr (MtC/a) von einem Pflanzenbestand der Vegetation durch Photosynthese aufgenommen. Wird die Biomasse nachfolgend vom Menschen verbrannt (links), so wird der in der Biomasse gebundene Kohlenstoff bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird. In der Summe werden also jegliche CO2-Emissionen vermieden. Im Gegensatz zur CO2-Vermeidung (links) entziehen negative Emissionen (rechts) der Atmosphäre im Netto CO2. In der rechten Abbildung werden exemplarisch 10 Millionen Tonnen Kohlenstoff durch Aufforstung gespeichert und 20 Millionen Tonnen durch Kohlenstoffspeicherung in Böden. 20 Millionen Tonnen des atmosphärischen Kohlenstoffs werden in geologische Lagerstätten verschoben. Der Atmosphäre wurden dann 50 Millionen Tonnen Kohlenstoff entzogen (rechts). Das Pariser Übereinkommen schließt die Nutzung negativer Emissionen explizit mit ein. Artikel 4, Absatz 1 des Pariser Übereinkommens formuliert das Ziel, ein „Gleichgewicht“ anthropogener Treib­ hausgasemissionen herzustellen, und zwar in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Etwaige Bruttoemissionen müssen dann zur Wahrung dieses Gleichgewichts durch negative Emissionen kompensiert werden. Auch das Bayerische Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 beinhaltet diesen Ansatz der Klimaneutralität.3 Mit dem Pariser Übereinkommen wurde ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Methodik der internationalen Klimaverhandlungen eingeleitet. Es besteht nun nicht mehr der Versuch, einzelnen Nationen rechtlich bindende Klimaschutzzusagen am Verhandlungstisch vorzuschreiben. Dieser alte Ansatz hat sich, wohl u. a. aufgrund der heterogenen und ständig in Veränderung begriffenen Werte- und Interessenlage der globalen Gemeinschaft als wenig 3 BAYKlimaG, Artikel 2, Absatz 2: „Spätestens bis zum Jahr 2050 soll Bayern klimaneutral sein“; Artikel 3, Absatz 1: […] es besteht das „Ziel, bis zum Jahr 2030 eine klimaneutrale Verwaltung zu erreichen“. zielführend herausgestellt. Stattdessen bestimmt jede Nation ihre jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne (NDC) eigenständig, unter Berücksichtigung u. a. der Ziele des Pariser Übereinkommens. Klimapolitische Vorreiterstaaten können nun proaktiv eine progressive Klimaschutzdynamik vorantreiben. Im Sinne ihrer Werte und Interessen wird die Europäische Kommission, im Falle weltweit signifikanter Unterschiede klimapolitischer Ambitionen, einen sogenannten Grenzausgleichsmechanismus vorschlagen („carbon border adjustment mechanism“ [6]), um das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen zu mindern. Dadurch würde zudem sichergestellt, dass der Preis von Einfuhren bzw. Importen deren CO2-Gehalt besser widerspiegelt. Diese Maßnahme soll so konzipiert werden, dass sie mit den Regeln der Welthandelsorganisation und anderen internationalen Verpflichtungen der EU in Einklang steht. Sie wäre eine Alternative zu den Maßnahmen, mit denen das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems derzeit gemindert wird. Entscheidend für die Durchsetzung einer vorsorgeorientierten internationalen Klimapolitik ist, dass wirtschaftlich bedeu- 21 22 Der Mensch und das Klimasystem tende Staaten oder Gemeinschaften wie die Europäische Union konsequent ihre Klimapolitik am Pariser Übereinkommen ausrichten und dadurch eine weltweite Dynamik zu einer ökologischen Modernisierung der globalen Volkswirtschaften in Gang setzen. Die Durchsetzung dieser Ansätze geschieht also einerseits durch die internationalen Klimaverhandlungen, andererseits aber auch durch die weltweite Zugkraft des europäischen Binnen- und Absatzmarktes. Bayern steht zu dieser Klimapolitik, die technologische Chancen und negative Emissionen nutzt, Verbote möglichst vermeidet, eine nachhaltige Wachstumsdynamik befördert und mit einem vorsorgeorientierten Erhalt des Klimasystems und der natürlichen Lebensbedingungen des Menschen vereint. Es gibt gegenwärtig einzelne Produktionsprozesse, in welchen noch keine technischen Innovationsmöglichkeiten identifiziert wurden, um den jeweiligen Produktionsprozess vollständig von der Emission von Treibhausgasen bei angemessenen Kosten zu entkoppeln [19]. Daher ist eine rasche und erfolgreiche Fortsetzung des internationalen Klimaverhandlungsprozesses für Bayern von großer Bedeutung. Nur, falls eine schnelle Konvergenz zu einer im globalen Mittel notwendigen Emissionsreduktionsquote von 25 % im Jahr 2030 gegenüber 2020 weitgehend erreicht wird [4], können negative Emissionen tatsächlich als eine Chance genutzt werden, mögliche Verbote bzw. unverhältnismäßige Vermeidungskosten durch Kompensationsmaßnahmen zu verhindern. Falls es nicht gelingt, die globalen bzw. die Abb. 5: Darstellung der möglichen globalen Potentiale für negative Emission im Jahr 2050 in Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr (GtCO2/a) und die jeweiligen Kosten, die beim Nutzen dieser Potentiale anfallen könnten (als Bereich dargestellt). Zum Vergleich: der (mittelfristig weiterhin steigende) Marktpreis von CO2 Zertifikaten unter dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS) schwankte im Jahr 2019 um ein Preisniveau von ca. 25 EUR/tCO2. Die vier dargestellten Optionen zur Nutzung negativer Emissionen beeinflussen sich wechselseitig in Potentialen, Kosten und Risiken. Die Potentiale sollten somit nicht zu einer Gesamtsumme aufaddiert werden. Hinweis: beim Vergleich mit Abb. 2 ist ein Umrechnungsfaktor zu beachten, 1 GtC entspricht 3,67 GtCO2 (Quellhinweis zur Abbildung: Die Daten stellen konservative Werte dar in Anlehnung nach IPCC figure 4.2 [17] bzw. Fuss et al. [18]). Der Mensch und das Klimasystem jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne (NDC) für 2030 ausreichend durch den internationalen Verhandlungsprozess zu verschärfen, würde die Notwendigkeit bestehen negative Emissionen einzusetzen, um die 2-Grad-Obergrenze überhaupt einhalten zu können [20]. Negative Emissionen müssten dann genutzt werden, um übermäßige Emissionen zwischen 2020 und 2030 im Nachhinein zu kompensieren. Die ökonomische und gesellschaftliche Chance einer vorsorgeorientierten Klimapolitik des 21. Jahrhunderts, die gleichzeitig die aktuelle Lebens- und Konsumrealität der Menschen berücksichtigt, wäre somit gefährdet. Fazit: Negative Emissionen können der Politik wichtige Freiheitsgrade bereitstellen, sie sind aber kein Allheilmittel und ersetzen nicht die Vermeidung von TreibhausgasEmissionen. Ein nachhaltiges Kohlenstoff-Management hat sowohl die Potentiale (Abb. 5) als auch die Risiken der Nutzung negativer Emissionen im Blick [18]; [17]. Dabei gibt es zahlreiche Barrieren, die berücksichtigt werden müssen, um mögliche globale Potentiale nutzbar zu machen. Die in Abb. 5 aufgeführten und nachfolgend erläuterten Potentiale repräsentieren globale Durchschnittswerte gem. IPCC-Sonderbericht zur globalen Erwärmung um 1,5 Grad. Aufforstung Aufforstung bedeutet, auf jenen Flächen Bäume zu pflanzen, welche seit längerem nicht mehr bewaldet waren (im Kontext des Kyoto-Protokolls seit mind. 50 Jahren). Die Nettoaufnahme von Kohlenstoff in Vegetation und Böden könnte dadurch je nach aufgeforsteter Fläche bis zum Jahr 2050 um 0,5 bis 3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gesteigert werden (Abb. 5). Neben der zusätzlichen Kohlenstoffspeicherung wird der tatsächliche Nutzen für den Klimaschutz durch eine Reihe von Nebeneffekten abgeschwächt (z. B. Albedo-Effekt der dunklen Waldoberfläche) oder verstärkt (z. B. Klimaschutz durch zusätzliche Holzprodukte, Energieeinsparung durch Kühlwirkung für Siedlungsgebiete). Die Flächenpotentiale sind aufgrund dieser Nebeneffekte global sehr unterschiedlich verteilt. Das in Abb. 5 dargestellte Potential von Aufforstung bezieht sich ausschließlich auf Tropenregionen, in welchen die größten Potentiale liegen [18]; [17]. Wenn also Aufforstung als anthropogene Senkenoption in Betracht gezogen werden soll, so müssen diese Potentiale außerhalb Bayerns und Deutschlands in Zusammenarbeit mit Nationen des globalen Südens mobilisiert werden. Nachfolgend müsste die Nutzungszuordnung „Wald“ auf Flächen des globalen Südens auch (institutionell) mindestens über viele Jahrhunderte garantiert werden. Zusätzliche Waldflächen sind in Bayern am ehesten in besonderen multifunktionalen Situationen denkbar, z. B. aufgrund spezieller Schutzwirkungen oder auf wiedervernässten Niedermooren. Zusätzliche Bäume oder Gehölze könnten dagegen auch außerhalb der Wälder gepflanzt werden, z. B. in Siedlungsbereichen. Die bayerischen Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zu einem nachhaltigen Kohlenstoff-Management, das auch die Vermeidung von CO2 an den Quellen im Blick behält: Holz kann Baustoffe mit vergleichsweise großem „CO2-Rucksack“ (z. B. Zement oder Ziegel) und fossile Brennstoffe ersetzen und dadurch anthropogene CO2Emissionen vermeiden. Dieser Substitutionseffekt wirkt sofort und kann bei fachgerechter Ausführung auch nicht wieder verloren gehen. Daneben speichert stofflich genutztes Holz (z. B. Bauholz) aber während der Dauer seiner Nutzung (z. B. während der Lebenszeit eines Gebäudes) weiterhin Kohlenstoff. Wenn der Bestand an Holzbauten oder anderen Holzprodukten steigt, entsteht also eine Senkenwirkung [21]. Der wachsende Verbrauch von Holzprodukten weist insgesamt für die Vergangenheit auf eine Nettovergrößerung des Kohlenstoffspeichers in Holzprodukten von bis zu 0,8 Millionen Tonnen Kohlenstoff (3 Millionen Tonnen CO2) pro Jahr in Deutschland hin [22]. Hochgerechnet auf die ganze Welt entspräche dies, unter der Annahme der gleichen Relation zwischen der Zunahme des Holzproduktespeichers und den Gesamt-CO2-Emissionen, 0,12 Milliarden Tonnen CO2 als jährliches Senkenpotential. Das kumulative Speicherpotential des Holzproduktespeichers ist begrenzt, denn irgendwann werden sich Abgang und Zugang von Biomasse die Waage halten. Ungeachtet dessen kann am Ende der stofflichen Holzverwendung – soweit möglich unter Nutzung von Recyclingmöglich- 23 24 Der Mensch und das Klimasystem keiten – die Biomasse bzw. das Holz anschließend als Produktionsmittel für negative Emissionen und damit auch energetisch verwendet werden (Abb. 5: Geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS) von atmosphärischem CO2). Die staatliche Abfall- bzw. Kreislaufwirtschaft sollte sicherstellen, dass am endgültigen Ende des Lebenszyklus die Biomasse dauerhaft dem Kohlenstoffkreislauf entzogen wird. Negative Emissionen und Böden Zwei der in Abb. 5 aufgeführten Optionen für negative Emissionen sind u. a. mit Methoden der Bewirtschaftung von Böden verbunden: Kohlenstoffspeicherung in Böden und beschleunigtes Verwittern von Gesteinen. Der Kohlenstoffspeicher von Böden kann durch einen Humusaufbau vergrößert werden. Hierzu müssten bekannte und wohl erprobte Methoden klimaschonender Bodenbewirtschaftung konsequent global angewendet werden (vgl. [18] für eine globale und Kap. 4.5.2.1 für eine auf Bayern bezogene Analyse). Ein Humusaufbau findet statt, sobald der Eintrag organischen Kohlenstoffs, z. B. durch Pflanzenreste oder organischen Dünger, größer ist als die durch mikrobielle Atmung verursachten Kohlenstoff„verluste“ (Abb. 2). Eine Umstellung auf eine global klimaschonendere Bodenbewirtschaftung könnte im Jahr 2050 global etwa 2 bis 5 Milliarden Tonnen CO2 an jährlichen negativen Emissionen mobilisieren [18]; [17]. Jedoch stellt sich in Böden langfristig (in Jahrzehnten bis Jahrhunderten) ein Saturierungseffekt ein: es entsteht dann ein neues Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffeintrag und „-verlusten“. Das Senkenpotential von Böden ist folglich begrenzt, regional unterschiedlich und kann nur im Rahmen einer dauerhaften Umstellung der Bewirtschaftungspraxis ausgeschöpft werden. Im Zuge der Folgen des Klimawandels ist z.T. mit einem stärkeren Humusabbau zu rechnen, dem auch durch entsprechende Bewirtschaftungsanpassungen nur bedingt entgegengewirkt werden kann [23]. Als weitere Möglichkeit der Kohlenstoffspeicherung wird die Einbringung von Biokohlen in landwirtschaftliche Böden diskutiert. Biokohlen können durch thermische Zersetzung von Biomasse (sog. Pyrolyse) grundsätzlich aus jeglicher Biomasse hergestellt werden, beispielsweise auf Basis von organischem „Abfall“. Die vom IPCC angegebenen globalen Potentiale für negative Emissionen durch Biokohlen betragen um das Jahr 2050 0,5 bis 2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr [18]. Unter bayerischen Verhältnissen konnten die den Biokohlen zugeschriebenen positiven Eigenschaften bisher nicht ausreichend belegt werden. Für landwirtschaftlich genutzte Böden in Bayern wurde von Wiesmeier et al. (2017) ein kumulatives Senkenpotential von 108 Millionen Tonnen Kohlenstoff (395 Millionen Tonnen CO2) durch Humusaufbau ermittelt [24].4 Im Rahmen der bestehenden Bewirtschaftungspraktiken ist das tatsächlich erreichbare Senkenpotential weitaus geringer. Entscheidend für Veränderungen des aktuellen organischen Kohlenstoffbestands in landwirtschaftlich genutzten Böden sind die Art der Landnutzung und die Bewirtschaftungsmaßnahmen sowie die standortspezifischen Kohlenstoffgehalte der Böden [23]. Entsprechend unterschiedlich fallen die Kosten pro zusätzlich gespeicherter Tonne CO2 aus. Einen Hinweis auf die große Spanne gibt Abb. 5. Im Rahmen des mehrjährigen europäischen Finanzrahmen 2021–2027 ist vorgesehen, Klimaschutzaspekte verstärkt zu berücksichtigen. Durch eine gezielte Programmgestaltung soll eine vorsorgeorientierte, humuserhaltende bzw. humusmehrende Bodenbewirtschaftung unterstützt werden. Die dafür notwendigen regionalen Informationen werden derzeit in einem Forschungsprojekt erarbeitet. Eine weitere Möglichkeit anthropogener Kohlenstoffspeicherung liegt in der beschleunigten Verwitterung von Gesteinen. Die Verwitterung von Gesteinen ist ein natürlicher Prozess, welcher der Atmosphäre CO2 weitgehend dauerhaft entzieht. Die in Abb. 5 dargestellte Technologie „beschleunigte Verwitterung“ basiert auf der Möglichkeit, Kalk- oder Silikatgesteine zu zermahlen und das Granulat großflächig auf Böden der natürlichen Verwitterung auszusetzen. Der sehr 4 Zum Vergleich: die energiebedingten CO2-Emissionen in Bayern betrugen im Jahr 2018 etwa 75,4 Millionen Tonnen CO2. Die möglichen kumulativen Senkenpotentiale landwirtschaftlich genutzter Böden in Bayern sind also relevant, aber begrenzt. Der Mensch und das Klimasystem langsame natürliche Verwitterungsprozess würde dadurch deutlich beschleunigt: 2 bis 4 Milliarden Tonnen CO2 könnten jährlich um das Jahr 2050 der Atmosphäre entzogen werden (Abb. 5). Diese technologische Lösung geht mit positiven und negativen Nebeneffekte einher, die derzeitig noch großen wissenschaftlichen Unsicherheiten obliegen [18]. Die genannten Optionen zur Nutzung negativer Emissionen könnten grundsätzlich neue Geschäftsfelder für die Landwirtschaft eröffnen. Dabei ist zu beachten, dass die Frage der Dauerhaftigkeit der Speicherung bei der ökonomischen Vergütung und der konkreten regulatorischen Umsetzung berücksichtigt werden muss (z. B. in Form geeigneter Monitoringkonzepte). Geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS) In der Europäischen Union gilt seit 2009 eine Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid [25], welche eine kohärente nationale Gesetzgebung der EU Mitgliedsstaaten zur sogenannten „Carbon Capture and Storage“ (CCS) Technologie ermöglicht. Diese bzw. das am 17. August 2012 in Deutschland erlassene „Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid“ regeln den verantwortbaren und vorsorgebasierten Betrieb geologischer Kohlenstoffspeicher. Geologische Kohlenstoffspeicherung kann durch zwei Mechanismen negative Emissionen erzeugen. Einerseits kann nach der Verbrennung von Biomasse biogenes CO2 abgefangen und anschließend in geologischen Lagerstädten gespeichert werden (Bio-Energie mit CCS – BECCS). Zum zweiten kann das gespeicherte CO2 direkt durch chemische Verfahren aus der Luft gewonnen werden (Direct Air Capture mit CCS – DACCS). Beide Verfahren könnten um das Jahr 2050 jeweils zwischen 0,5 und 5 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre in geologische Lagerstädten verschieben (Abb. 5). Negative Emissionen durch geologische Kohlenstoffspeicherung zu erzielen birgt mehrere Risiken [18]. Aufgrund der Heterogenität der geologischen Lagerstätten ist eine gewisse Ungewissheit bzgl. der lokalen Risiken dieser Technologie unvermeidlich. Der Weltklimarat (IPCC) schätzte in einem 2005 erschienenen Bericht aber ab, dass bei „angemessen ausgewählten und betriebenen“ Kohlenstofflagerstädten sehr wahrscheinlich weniger als 1 % des gelagerten CO2 über 100 Jahre zurück in die Atmosphäre entweicht, und wahrscheinlich auch weniger als 1 % über 1000 Jahre [26]. Hier deutet sich ein stabiler wissenschaftlicher Konsens an: diese Einschätzung ist nach wie vor aktuell [27] und zeigt auf, dass für institutionell starke Staaten oder -verbünde wie der Europäischen Union, in welchen eine strikte vorsorgeorientierte Gesetzgebung mögliche Risiken minimiert, solche technologische Lösungen Teil einer vorsorgebasierten Risikobewältigung des Klimaproblems darstellen könnten. [27a] Zusammenfassung Die Bewältigung der Herausforderungen des Klima­ problems hängt zu aller erst davon ab, die weltweiten Volkswirtschaften zügig durch einen umfassenden Umbau nachhaltig zu transformieren. Dies bedeutet vor allem: durch steuerungspolitische Maßnahmen (z. B. dem nationalen bzw. europäischen CO2-Preis) müssen die CO2-Emissionen aus Produktionsprozessen und damit auch aus allen Konsumgütern – Schritt für Schritt – vermieden werden. Die Erzeugung von (steigendem) Wohlstand muss von der Emission von Treibhausgasen entkoppelt werden. Bayern steht zu den Bemühungen der Europäischen Union als Ganzes (vgl. [28]), im Rahmen einer ambitionierten klimapolitischen Gesetzgebung einen Umbau zu einer klimaneutralen, modernen, ressourceneffizienten, wettbewerbsfähigen, fairen und wohlhabenden Gesellschaft zu realisieren. Ein nachhaltiges Kohlenstoffmanagement kann im Sinne des Pariser Übereinkommens und der Ziele der Bayerischen Klimaschutzoffensive zu einer Klimapolitik beitragen, die technologische Chancen und negative Emissionen nutzt, natürliche Kohlenstoffspeicher und -senken erhält, Verbote möglichst vermeidet, eine nachhaltige Wachstumsdynamik befördert und mit einem vorsorgeorientierten Erhalt des Klimasystems und der natürlichen Lebensbedingungen des Menschen vereint. 25 26 Der Mensch und das Klimasystem Drei unterschiedliche Wirkzusammenhänge eröffnen Möglichkeiten zur Nutzung negativer Emissionen und Kompensationsmaßnahmen: • Bestehende natürliche Prozesse, die im Zeitraum von Jahrzehnten bis Jahrhunderten stattfinden, können im Kohlenstoffkreislauf einer bewussten anthropogenen Steuerung unterstellt werden. Die so erzeugte Kohlenstofffixierung muss dabei zusätzlich zu der ohnehin ablaufenden natürlichen Kohlenstofffixierung erfolgen (Abb. 5: Aufforstung, Kohlenstoffspeicherung in Böden). • Soweit technisch machbar, ökologisch vertretbar und gesellschaftlich erwünscht, kann CO2 dauerhaft aus dem Kohlenstoffkreislauf entfernt werden (Abb. 5: Geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS) von atmosphärischem CO2, beschleunigte Verwitterung). • An einen Klimaschutznutzen gebundene Vereinbarungen mit Entwicklungsländern können dazu beitragen, Treibhausgase zu vermeiden und die globalen Volkswirtschaften im Sinne einer nachhaltigen, ökologischen Modernisierung zu transformieren (z. B. „Clean Development Mechanism (CDM)“ unter dem Kyoto-Protokoll). Darüber hinaus könnten Treibhausgase im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit durch negative Emissionen aus der Atmosphäre zurückgeholt werden. Die Nutzung der globalen Potentiale negativer Emissionen (Abb. 5) würde mit großräumigen Veränderungen einhergehen. Etwa 1.000 Injektionsbrunnen wären nötig, um 1 Milliarde Tonnen CO2 pro Jahr durch geologische Kohlenstoffspeicherung (CCS) zu speichern. Eine jährliche Speicherung von 3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr durch Aufforstung im Jahr 2050 basiert auf der Annahme, dass 500 Millionen Hektar marginales Land in den Tropen entsprechend umgewidmet würden [18] – also in etwa 71-mal die Fläche Bayerns. Von den vier in Abb. 5 dargestellten Optionen für negative Emissionen könnte möglicherweise die Kohlenstoffspeicherung in Böden regional und großräumlich in Bayern angewendet werden. Entsprechende Anreizmechanismen müssten dabei gewährleisten, dass eine klimaschonende Bewirtschaftung bzw. ein Humusaufbau für den jeweils einzelnen Landwirt eine profitable Bewirtschaftungsoption darstellen. Die Herausforderungen und Chancen eines nachhaltigen Kohlenstoffmanagements sind umfangreich und komplex. Es ist entscheidend, die Begrenztheit der Potentiale und die jeweiligen Risiken und Limitationen der vielzähligen Optionen möglicher Kompensationsmaßnahmen gleichermaßen zu beachten. Klimapolitische Entscheidungen müssen dabei über mehrere Jahrzehnte gedacht werden, und flexibel anhand laufender (global-)politischer und wissenschaftlicher Entwicklungen angepasst werden. Die in Abb. 5 aufgeführten möglichen globalen Potentiale zur Nutzung negativer Emissionen können in den kommenden Jahrzehnten nur dann maßvoll und vorsorgeorientiert genutzt werden, wenn der Staat – je nach Zuständigkeit auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene – durch Forschungsförderung und Anreizsetzung die entsprechenden Weichen stellt (vgl. [29]). Ein frühzeitiger, breit angelegter Diskurs und die Einbindung von Zivilgesellschaft, Verbänden, wirtschaftlichen Akteuren (Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Energiewirtschaft) sowie eine internationale Zusammenarbeit sind dafür zentrale Grundvoraussetzungen. Der Mensch und das Klimasystem 2.4 Der Weg vom globalen Klimaproblem zum Bayern-Ensemble Das Klimaproblem ist in seinem Wesenskern in Artikel 2 der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen definiert und im Pariser Übereinkommen konkretisiert (Kap. 5). Diese bestehende politische Beschlusslage ist maßgeblich für die Ausgestaltung der bayerischen und europäischen Klimapolitik (Kap. 1 und [28]). In der Zeit vor dem Pariser Übereinkommen wurden von weltweit anerkannten Wissenschaftlern in enger Abstimmung zueinander sogenannte Repräsentative [Treibhausgas-]Konzentrationspfade („Representative Concentration Pathways“ – RCPs) entwickelt, welche u. a. zum Ziel hatten, eine für die gesamte wissenschaftliche Literatur repräsentative und plausible Beschreibung möglicher künftiger Entwicklungen der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen bereitzustellen [30]. Der zum Szenario RCP2.6 gehörige Emissionspfad (Abb. 6) beschreibt einen von vielen möglichen Treibhausgas-Emissionspfaden, welcher mit einer Wahrscheinlichkeit größer als 66 % den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf 2 °C begrenzt [31]. Dieser Pfad repräsentiert ein Klimaschutzszenario (2-Grad-Obergrenze), das dem ökonomischen Prinzip der Kosteneffektivität genügt. Stark vereinfacht gesprochen maximiert dieser kosteneffektive Emissionspfad das Wirtschaftswachstum aller Nationen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der 2-Grad-Obergrenze. Eine Abkehr von diesem Pfad führt also zu globalen Wohlstandsverlusten und kann daher als ökonomisch irrational bezeichnet werden. Die aktuellen globalen (bzw. die Summe der jeweiligen nationalen) Klimaschutzpläne (NDC) sind mit jährlich etwa 55 Milliarden Tonnen CO2-Äq-Emissionen im Jahr 2030 [4] deutlich oberhalb der ökonomisch rationalen 40 Milliarden Tonnen CO2-Äq-Emissionen von RCP2.6. Als Konsequenz müssten bei einem gegebenen Kohlenstoffbudget von 1170 Milliarden Tonnen CO2 (2-Grad-Obergrenze) die Emissionen nach 2030 entsprechend schneller reduziert werden als bei RCP2.6, um die 2-Grad-Obergrenze weiterhin einhalten zu können. Die anstehende Transformation ist jedoch ein stetiger Such- und Lernprozess, sowohl bei den einzelnen Individuen, Abb. 6: Das CO2-Äquivalent der jährlichen Treibhausgasemissionen in Milliarden Tonnen CO2 (Gt CO2-Äq/Jahr) zu den vier Repräsentativen [Treibhausgas-] Konzentrationspfaden (RCP), jeweils als schwarze Linie dargestellt. Die RCPs sind repräsentativ für ein Klimaschutzszenario (RCP 2.6), ein Szenario mit mäßigem Klimaschutz (RCP 4.5), weitgehend ohne Klimaschutz (RCP 6.0) und ein Szenario ohne Klimaschutz (RCP 8.5). Die farbig markierten Bereiche stellen die Spannbreite der Emissionspfade der im 5. Sachstandsbericht (AR5) des IPCC gesichteten Modellergebnisse dar, für Szenarien mit maximalen atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen vergleichbar mit RCP 8.5 (mehr als 1000 ppm CO2-Äq, schwarz), RCP 6.0 (720–1000 ppm CO2-Äq, lila), RCP 4.5 (580–720 ppm CO2-Äq, orange) und RCP 2.6 (430–480 ppm CO2-Äq, hellblau). Die gestrichelte Linie „vollständiger AR5-Datenbereich“ stellt das Maximum und Minimum der vom IPCC gesichteten Modellergebnisse dar. 27 28 Der Mensch und das Klimasystem die sich ggf. weiterbilden müssen, als auch in den Volkswirtschaften als Ganzes. Dieser Such- und Innovationsprozess geschieht nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten. Daher wäre es sowohl für die globalen Volkswirtschaften als auch für die Gesellschaften wichtig, dass politisch gesetzte Klimaschutzziele konsequent am Pariser Übereinkommen und dem Vorsorgeprinzip (2-Grad-Obergrenze) orientiert sind. Nur so kann für Investitionen und Individuen Planungssicherheit geschaffen werden, können individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen angemessen zeitlich entzerrt werden und Härtefalle optimal abgefedert werden. Das am Pariser Übereinkommen orientierte Bayerische Klimaschutzgesetz vom 23.11.2020 und insbesondere auch der Vorschlag der Europäischen Kommission zum Europäischen Klimagesetz (Kap. 1, [28]) könnten dies für Bayern in ihren Grundzügen gewährleisten. Das im Pariser Übereinkommen genannte anzustrebende Ziel einer 1,5 °C-Begrenzung ist, sofern dieses Ziel als strikte 1,5-Grad-Obergrenze interpretiert würde, mit einem verbleibenden Kohlenstoffbudget von 420 Milliarden Tonnen CO2 verknüpft. Dieses strikte Ziel steht im Widerspruch zu den gegenwärtigen nationalen Klimaschutzplänen (NDCs), die in der Summe lediglich eine Stabilisierung der CO2-Äq-(und der CO2)-Emissionen erwarten lassen würden. Bei konstanten jährlichen CO2-Emissionen von derzeit 42 Milliarden Tonnen CO2 (Stand 2018 [32]) wäre das Kohlenstoffbudget somit bereits im Jahr 2028 aufgebraucht. In Artikel 2 der Klimarahmenkonvention ist aber die Bedingung enthalten, dass nachhaltiges ökonomisches Wachstum weiterhin voranschreiten soll, und somit die Transformation nicht durch eine wirtschaftliche Rezession, sondern maßgeblich durch Innovation, also durch einen Umbau der wirtschaftlichen Produktionsprozesse gestaltet werden muss. Dieser Umbau ist ein Jahrzehntewährender Prozess. Folglich müsste bei einer strikten 1,5 °C-Begrenzung eine „progressive“ Anpassung der Klimaschutzpläne (NDCs) der Vertragsparteien zum Pariser Übereinkommen gemäß der Empfehlungen der Vereinten Nationen (UN Emissions Gap Report 2019 [4]) praktisch unverzüglich erfolgen – unter den globalen realpolitischen Rahmenbedingungen eine wenig plausible Bedingung. Eine realpolitisch rationale europäische Handlungsoption wäre hingegen, in einem ersten Schritt entschlossen im internationalen Verhandlungsprozess für die 2-Grad-Obergrenze einzutreten (max. globale CO2-Emissionen von 1170 Milliarden Tonnen CO2). Bei erfolgreichem Verhandlungsverlauf müsste dann in einem zweiten Schritt durch eine großangelegte Nutzung negativer Emissionen die langfristige Begrenzung unter 1,5 °C angestrebt werden. Diese sogenannte „Overshoot“ Lösung würde die z.T. in Kapitel 5 beschriebenen Risiken des Klimawandels deutlich reduzieren. Die Szenarien RCP 4.5, RCP 6.0 und RCP 8.5 (Abb. 6) stehen im Widerspruch zu Vorsorgeprinzip und Pariser Übereinkommen (Kap. 5). Sie sind repräsentativ für globalpolitisch gewählte Klimasysteme mit „mäßigem Klimaschutz“ (RCP4.5), ein Klimasystem „weitgehend ohne Klimaschutz“ (RCP6.0) und „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5)5 [30]. Es ist entscheidend wahrzunehmen, dass die RCPs keinesfalls als Vorhersagen gewertet werden dürfen ([30] S. 26). Die RCP Szenarien wurden durch sogenannte „Integrated Assessment Modelle“ erzeugt. Diese Modelle zeigen auf, dass klimapolitische Maßnahmen, insbesondere ein stetig steigender Preis von Treibhausgasemissionen, eine politische Steuerungsgröße darstellen. Weitgehend unabhängig von gegebenen Unsicherheitsspannen z. B. bei der Bevölkerungsdynamik oder der Kostendynamik technologischer Innovationsprozesse können klimapolitische Maßnahmen eine ökologische Modernisierung der Volkswirtschaften einleiten, und dadurch ein in ähnlichen Größenordnungen wie bisher anhaltendes Wirtschaftswachstum mit der Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze versöhnen (die vom IPCC aufgeführte mögliche Verringerung der globalen Wachstumsrate um etwa 0,06 %/a ist so niedrig, dass sie im Verhältnis zu anderen Wachstumsfaktoren und im Kontext der dadurch vorgebeugten Klimarisiken, Verluste und Schäden als vernachlässigbar gelten kann [31]). Das Fenster dieser Möglichkeit muss konsequent genutzt werden. 5 Diese Terminologie nimmt Bezug auf die Statistik der Ergebnisse eines Ensembles sogenannter Integrated Assessment Modelle. Der Mensch und das Klimasystem Was bedeuten diese globalen Rahmenbedingungen für die Klimazukunft Bayerns? Die Amplitude der in Bayern zu erwartenden klimatischen Veränderungen hängt maßgeblich von der Entwicklung der globalen Treibhausgasemissionen ab. Dennoch stellt der globale Durchschnitt des Klimawandels nur unzureichend die in Bayern zu erwartenden Klimaänderungen dar. Die Änderungen des Klimas verlaufen auf den Kontinenten – also auch in Bayern – ausgeprägter als im globalen Mittel. Selbst innerhalb Bayerns sind die Klimaveränderungen räumlich heterogen – in den Alpen anders als in der Donauregion. Die Auswirkungen des Klimawandels und Möglichkeiten der Anpassung in Bayern können durch eine räumlich hochaufgelöste, einheitliche Datenbasis zu den vergangenen und künftigen Klimaänderungen systematisch abgeschätzt werden. Eine solche Datenbasis wird vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erzeugt und öffentlich zur Verfügung gestellt. Auf dem Weg zu dieser Datenba- sis (Abb. 7) werden zunächst eine Vielzahl an Klimamodellen, welche jeweils von renommierten Forschungsinstituten herausgegeben werden, herangezogen. Jedes einzelne Klimamodell hat spezifische Stärken und Schwächen. Um eine für Bayern besonders aussagekräftige Datenbasis zu erzeugen, unterläuft jedes Klimamodell einen systematischen Prüfprozess (Audit) (Abb. 7) [33]. Nur wenn sich das jeweils einzelne Klimamodell im Vergleich zu Beobachtungsdaten der Vergangenheit als räumlich und zeitlich (saisonal) wiedergabekräftig erweist, wird es in das sogenannte „Bayerische Klimaprojektionsensemble“ (Bayern-Ensemble) aufgenommen. Aus 21 dynamischen Klimamodellen haben 10 Modelle diesen Prüfprozess bestanden. Zusätzlich wurden zwei statistische Klimamodelle aufgenommen, welche im Gegensatz zu dynamischen Klimamodellen die relevanten regionalen physikalischen Prozesse nicht dynamisch berechnen, sondern anhand von Beobachtungsdaten und statistischer Zusammenhänge aus großräumigen Abb. 7: Arbeitsschritte bis zur Bereitstellung einer für Bayern aussagekräftigen, einheitlichen Datenbasis klimatischer Änderungen [33]. 29 30 Der Mensch und das Klimasystem atmosphärischen Strukturen das lokale Wettergeschehens ableiten [34]. Die Klimamodelldaten dieser 12 Klimamodelle konstituieren das Bayerische Klimaprojektionsensemble (Bayern-Ensemble) für RCP8.5. Für RCP2.6 stehen Ergebnisse von acht, für RCP4.5 von sechs dieser Klimamodelle zur Verfügung. Um die Modelldaten der verschiedenen Klimamodelle mit den Messdaten der Vergangenheit in Bezug setzen zu können, müssen diese zunächst noch aufbereitet werden (Abb. 7: Downscaling, Bias-Korrektur). Anschließend stehen im Ergebnis aussagekräftige Daten (sog. Klimakennwerte) zur Klimazukunft Bayerns zur Verfügung. Voraussichtlich ab Mitte 2021 können die Klimakennwerte von externen Nutzern selbständig über das Bayerische Klimainformationssystem (BayKIS) der bayerischen Staatsregierung abgerufen werden. In weiteren Ausbaustufen (2021 bis 2023) soll das BayKIS zu einer sogenannten „One-Stop-Agency“ ausgebaut werden, sodass staatliche Informationen zu den Themengebieten Klimawandel, Auswirkungen des Klimawandels, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und Klimaschutz über das BayKIS aufgerufen werden können. Die Ergebnisse des Bayern-Ensembles werden im nachfolgenden Kapitel 3 dargestellt. Es zeigt sich dort sehr deutlich: die Klimazukunft Bayerns hängt maßgeblich von der Wahl des Treibhausgasemissionsszenarios (RCP) ab. Sie ist also letztlich das Resultat einer bewussten Entscheidung, die ihrerseits durch einen jahrzehntewährenden globalpolitischen Entscheidungsprozess unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen geformt wird. In diesem internationalen Entscheidungs- bzw. Verhandlungsprozess muss zügig und entschlossen eine vorsorgeorientierte Klimapolitik (2-Grad-Obergrenze) im Sinne des Pariser Übereinkommens faktisch durchgesetzt werden. Bayern begrüßt die aktuellen, ambitionierten europäischen Klimaschutzimpulse der europäischen Kommission [6]; [28], welche für alle Mitgliedsstaaten der Europäische Union – also auch für Deutschland und die Bundesländer – internationale Maßstäbe für eine verantwortungsbewusste, verhältnismäßige und gleichzeitig vorsorgeorientierte Klimapolitik setzen. Der Mensch und das Klimasystem 31 3 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Abb. 8: Die sieben Klimaregionen Bayerns: Alpen, Alpenvorland, Südbayerisches Hügelland, Donauregion, Ostbayerisches Hügel- und Bergland, Mainregion und Spessart-Rhön. 33 34 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Die Begriffe „Wetter“ und „Klima“ sollten grundsätzlich voneinander unterschieden werden. Der Unterschied zwischen „Wetter“ und „Klima“ kann in Analogie zu einem gewöhnlichen Würfel illustriert werden. Es lässt sich zu Beginn des Wurfs eines Würfels nicht sagen, welche Zahl am Ende fallen wird. Erst ganz kurz bevor der Würfel in seine finale Position gefallen ist, vor der letzten Drehung des Würfels, könnte man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abschätzen, welches Ergebnis zu erwarten ist. Der Würfel könnte z. B. auf der Zahl 1 liegen bleiben – die Temperatur Bayerns könnte zu einem gegebenen Zeitpunkt z. B. auf –8 °C „liegen bleiben“. Wetterprognosen sagen voraus, wo der Würfel liegen bleibt. Belastbare Wetterprognosen blicken in der Regel nur wenige Tage in die Zukunft. Auswertungen des Klimas haben nichts mit Wettervorhersagen zu tun. Man wertet bei Analysen des Klimas in gewisser Weise lediglich die Eigenschaften des Würfels aus. Man kann dann sagen, dass jeder sechste Wurf eines Würfels im Durchschnitt eine 1 ist – man kann sagen, dass die 30-jährige Mitteltemperatur von Bayern über den Zeitraum 1971–2000 7,9 °C betrug. Findet mit den Jahren eine relevante Änderung des Klimas statt, so stellen die im Referenzzeitraum 1971–2000 von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft erlebten klimatischen Bedingungen oftmals keine ausreichende Informationsbasis mehr dar, um optimale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entscheidungen für die Zukunft zu treffen (Kap. 4). Um Entscheidungsträger bestmöglich zu informieren und um gleichzeitig aufzuzeigen, welchen Einfluss klimapolitische Entscheidungen auf den Verlauf des Klimawandels haben, werden nachfolgend in Kap. 3.1 und 3.2 für verschiedene Klimaregionen Bayerns auszugsweise vergangene und plausible künftige Änderungen des Klimas dargestellt.6 Es ist für die Bewältigung des Klimaproblems nicht mehr ausreichend, allein durch Beobachtungsdaten ein „Labor der Vergangenheit [14]“ um Rat zu fragen. 6 Eine vollständigere Auflistung der Klimaänderungen kann voraussichtlich ab 2021 über das Bayerische Klimainformationssystem (BayKIS) online abgerufen werden. Zusätzlich können und sollten Simulationen plausibler Entwicklungen des künftigen Klimas herangezogen werden, um aus einem „Labor der Zukunft“ zu lernen. Die nachfolgend dargestellten Daten in Kap 3.1 und 3.2 stützen sich für die Vergangenheit auf Beobachtungsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und auf den Datensatz E-OBS v.20.0e [35]–[37]. Für die Zukunft dienen als Basis die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) speziell für den Raum Bayern aufbereiteten Daten des sogenannten „Bayern-Ensemble“ (Kap. 2.4; [38]). Das Klima innerhalb Bayerns ist sehr unterschiedlich. Um die heterogene Natur des bayerischen Klimas angemessen abzubilden, wurde Bayern in sieben zusammenhängende Klimaregionen unterteilt, die in sich möglichst ähnlich bezüglich Temperatur und Niederschlag sind (Abb. 8). Die Alpenregion am südlichen Rand Bayerns ist durch die größten Erhebungen gekennzeichnet. Die Region Voralpenland ist durch Ausläufer der Alpen und durch deren unmittelbare Nähe geprägt. Innerhalb dieser Region nimmt die aufgrund ihrer geringen Größe nicht extra ausgewiesene Bodenseeregion mit ihrem milden Klima eine Sonderstellung ein. Das Südbayerische Hügelland umfasst die Zentren Augsburg und München und ist klimatisch noch von der Nähe der Alpen beeinflusst. Die Donauregion wird durch die große Flussniederung von Ulm bis Passau und Ausläufern nach Norden bis Weiden und Nürnberg aufgespannt. Die Grenze zur anderen großen Flachlandregion um den Main von Bayreuth bis Aschaffenburg wurde nicht entlang der Wasserscheide, sondern aufgrund klimatischer Kriterien gezogen. Die Spessart-Rhön-Region grenzt sich durch die Mittelgebirge im Nordwesten Bayerns deutlich ab. Auch das Ostbayerische Hügel- und Bergland, welches von der Frankenalb übers Fichtelgebirge bis ins Vogtland und den Bayerischen Wald reicht, ist von den Höhenlagen der Mittelgebirge geprägt. Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3.1 Temperatur 3.1.1 Klima der Jahre 1971–2000 Der Zeitraum 1971–2000 dient für die nachfolgenden Analysen als Referenzzeitraum. In diesem Zeitraum betrug die mittlere Temperatur in Bayern 7,9 °C. Die saisonalen Schwankungen sind sehr ausgeprägt. Die mittlere Temperatur betrug im Sommer 16,3 °C (Juni–Aug.), im Herbst 7,8 °C (Sept.–Nov.), im Winter –0,5 °C (Dez.–Feb.) und im Frühjahr 7,7 °C (März–Mai). Neben der saisonalen Variabilität treten im bayerischen Klima große regionale Unterschiede auf, mit dem kleinsten Wert von 5,7 °C in der Alpenregion und dem größten Wert von 8,5 °C in der Mainregion (Abb. 9). ale Bayreutth üg Naa b Nürrnberg TS C H E C H I S C H E R E P U BL I K el 8,5 H 70 7, Ans sbach un Regen üh Do n au reg l Ingolstadt a Do n u 8,2 Be rg d Regen nsburg m Alt Ba d e n Wü rt te m b e r g es i on Main Wü ürzburg ch Asch haffen nburg ri s Main Sa sa es Eger ye eg nr Sp Sa c h s e n ba ai . Frän k M 7,6 76 7, Th ü r i n g en n t Os rt- ö Rh Saale He s s e n ion la nd Do Landshut Lec h Iller nd orla Al p e nv 5,,7 Al p en in Rh e 6 8,2 ÖST E R R E I C H Inn Mittlere Lufttemperatur 1971–2000 in °C 5 elland h ee S C H WE I Z u c lza ns na Sa Kempte en de MÜNCHEN N Südbayerisches Hüg 73 7, Bo 8,2 Isar Augsburg au Don Inn 7 8 Mittelwert je Klimaregion 0 9 50 km Fachdaten: LfU, basierend auf Daten des Deutschen Wetterdienstes und E-OBS Daten Abb. 9: Die mittlere Lufttemperatur im Zeitraum 1971–2000 in den sieben Klimaregionen Bayerns. Besonders wichtig für die Interpretation von Klimaänderungen ist die Frage, wie stark die Temperatur bei gleichbleibendem Klima natürlicherweise ohnehin schwanken würde. Auf Basis statistischer Analysen wurde ermittelt, dass bei einem gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 unveränderten Klima die 30-jährige Jahresmitteltemperatur in Bayern nur um etwa ±0,3 °C schwanken würde. Die Werte einzelner Jahresmitteltemperaturen schwanken im Gegensatz zum 30-jährigen Mittel deutlich stärker. Der Minimalwert der Referenzperiode betrug 6,8 °C im Jahr 1996 und der Maximalwert 9,4 °C im Jahr 1994 – ein Wertebereich von ±1,3 °C. Gesellschaft und Wirtschaft Bayerns treffen stetig Entscheidungen, die vom bayerischen Klima abhängen. Für viele dieser Entscheidungen ist der in Abb. 9 dargestellte Mittelwert der Jahrestemperatur wenig informativ. Wichtiger ist für Nutzer von Klimadaten, besonders markante saisonale oder tägliche Änderungen des Wettergeschehens und des entsprechenden Klimas zu berücksichtigen. Tab. 1 zeigt unmittelbar interpretierbare Kennwerte des bayerischen Klimas im Zeitraum 1971–2000. An etwa 4 Tagen pro Jahr traten im bayernweiten Mittel sogenannte Hitzetage auf, mit Temperaturen von mindestens 30 °C (Tmax ≥ 30 °C). An 31 Tagen traten Sommertage auf, mit über 25 °C (Tmax > 25 °C). Die für den nächtlichen Schlaf für uns sehr ungewohnten und zumeist störenden Tropennächte, in denen die nächtliche Lufttemperatur nicht unter 20 °C absinkt (Tmin > 20 °C), wurden in Bayern zwischen 1971– 2000 nur sehr vereinzelt und stets lokal äußerst begrenzt gemessen (Tab. 1). An 110 Tagen pro Jahr fielen im bayernweiten Mittel die Temperaturen unter den Gefrierpunkt (Tmin < 0 °C) und an 30 Tagen blieben die Temperaturen ganztägig unter dem Gefrierpunkt (Tmax < 0 °C). 35 36 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Tab. 1: Klima-Kennwerte: Mittlere Anzahl der Kenntage pro Jahr im Zeitraum 1971–2000. Die Werte wurden als Flächenmittel bestimmt. Raumbezug Hitzetage (Tmax ≥ 30 °C) Sommertage (Tmax > 25 °C) Tropennächte (Tmin > 20 °C) Frosttage (Tmin < 0 °C) Eistage (Tmax < 0 °C) Bayern 4,1 31 0,02 110 30 Alpen 0,5 10 0,00 154 41 Alpenvorland 1,5 22 0,04 121 30 Südbayerisches Hügelland 3,9 33 0,03 107 29 Donauregion 5,1 36 0,02 106 30 Ostbayerisches Hügel- und Bergland 2,5 24 0,01 123 37 Mainregion 6,2 37 0,03 96 23 Spessart-Rhön 2,5 24 0,04 103 30 3.1.2 Klimawandel von 1951 bis 2100 Der Klimawandel ist einerseits bereits heute in Bayern angekommen und er wird uns andererseits in Zukunft weiterhin beschäftigen (Abb. 10). Das Klima in Bayern ändert sich – Bayern und die globale Gemeinschaft haben Wahlmöglichkeiten, Risiken des Klimawandels durch Klimaschutz (Kap. 2.3) vorzubeugen und negative Auswirkungen durch Anpassung (Kap. 4) zu begrenzen. Beobachteter Klimawandel Abb. 10 zeigt für Messdaten der Vergangenheit die Werte der einzelnen Jahresmitteltemperaturen von 1951 bis 2019 (graue Punkte), jeweils als Abweichung gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Augenscheinlich waren nach 1985 die meisten Jahre wärmer als vor 1985 (Abb. 10). Eine statistische Analyse der Jahresmitteltemperaturen liefert einen hoch signifikanten Erwärmungstrend von +1,9 °C über den Zeitraum 1951–2019 (Konfidenzniveau ≥ 99 %). Dieser hoch signifikante Erwärmungstrend verlief im Herbst (Sept.–Nov.) mit +1,2 °C deutlich moderater als in Winter (+2,1 °C; Dez.–Feb.), Frühjahr (+2,1 °C; März-Mai) und Sommer (+2,4 °C, Juni–Aug.). 7 8 Das 30-jährige Mittel der Jahrestemperatur stieg zwischen 19657 und 2004 deutlich an (Abb. 10: schwarze Linie). Bereits um das Jahr 1994 liegt es außerhalb des Schwankungsbereichs8 des Referenzzeitraums (Abb. 10: schwarze Kurve verlässt den grauen Bereich). Dies bedeutet, dass nach etwa einer Dekade bereits eine nennenswerte Klimaänderung stattgefunden hat. Aufgrund dieser hohen Geschwindigkeit der Klimaänderung ist es keine Überraschung, dass bereits heute weitreichende Auswirkungen des Klimawandels beobachtet werden (vgl. Kap. 4). Statistische Analysen erlauben grundsätzlich keine Aussagen zur Ursache der beobachteten Veränderungen. Um die Ursache dieser Veränderungen wissenschaftlich zu bestimmen, müssen naturgesetzliche Zusammenhänge explizit in Modellen und Hypothesen repräsentiert werden. Auf Basis eines belastbaren naturgesetzlichen Prozessverständnisses wurde bereits seit längerem folgender wissenschaftlicher Konsens hergestellt: der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist extrem wahrscheinlich die dominante Ursache des seit 1950 beobachteten globalen Erwärmungstrends [9]. Um den Wert der 30-jährigen Mitteltemperatur zu berechnen, müssen 30 einzelne Werte der Jahrestemperatur vorliegen. Das 30-jährige Mittel des Zeitraums 1951–1980 liefert also das 30-jährige Mittel zum Jahr 1965. Der Schwankungsbereich des Referenzzeitraums 1971–2000 zeigt auf, innerhalb welches Bereiches 95 % der Werte des 30-jährigen Mittels liegen würden (95 % Konfidenzintervall), wenn das beobachtete Klima der Jahre 1971–2000 auch für Vergangenheit oder Zukunft aussagekräftig wäre. Verlässt das 30-jährige Mittel diesen Bereich, so hat sich das Klima spürbar verändert. Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3 2 1 0 −1 −2 Lufttemperatur [°C] Änderung zu 1971−2000 4 5 Bayern 1950 2000 um 1985 (Referenzzeitraum) Messungen 30−jähriges Mittel einzelne Jahreswerte Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel Abb. 10: 2050 2100 um 2035 Projektionen RCP2.6 um 2085 RCP8.5 Median 30−jähriges Mittel Bandbreite 30−jähriges Mittel Abweichung der beobachteten jährlichen Mitteltemperatur (graue Punkte) und des 30-jährigen Mittels (schwarze Linie) der Messwerte zwischen 1951 und 2019 gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Die simulierte Änderung der 30-jährigen Mittel zeigt einen Temperaturverlauf „ohne Klimaschutz“ (orange, Szenario RCP8.5) und ein Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (grün, RCP2.6). Wahlmöglichkeiten künftiger Klimaänderungen Der Mensch und die anthropogenen Treibhausgasemissionen sind also der entscheidende Faktor bei der Frage, wie sich das Klima verändert. Daher haben wir Menschen auch Wahlmöglichkeiten bei der Frage, wie sich das Klima in Zukunft verändern wird. Simulationen solch wählbarer Klima-„Zukünfte“ sind in Abb. 10 als grüner und oranger Bereich dargestellt. Die grüne Linie in Abb. 10 stellt die im 30-jährigen Mittel laut 50 % der Klimamodelle (Median) erwartete Erwärmung dar, wenn die im Pariser Übereinkommen genannte 2-Grad-Obergrenze eingehalten wird (Szenario RCP2.6). Der grüne Bereich spiegelt die Bandbreite der Ergebnisse aller Klimamodelle wider, also den möglichen Bereich zwischen der „kühlsten“ und der „wärmsten“ Klimaentwicklung in Bayern. Um das Jahr 2004 (d. h. im Zeitraum 1990–2019) lag die gemessene Abweichung der 30-jährigen Jahresmitteltemperatur mit +0,7 °C nur knapp unter der für 2035 simulierten Median Erwärmung von +1 °C (Abb. 10) und ebenso nur knapp unter der langfristig simulierten Median Erwärmung von bis zu +1,2 °C. Somit deuten die Modellergebnisse an, dass die vergangenen 30 Jahre zwischen 1990 und 2019 mit dem künftigen Klima Bayerns zumindest auf Seiten der jährlichen Mitteltemperaturen weitgehend vergleichbar wären. Es würden künftig laut der Mehrzahl der Klimamodelle also nur noch moderate Klimaänderungen stattfinden. Die obere Grenze der Bandbreite des grünen Bereiches von Abb. 11 macht aber auch deutlich, dass um das Jahr 2035 im Rahmen der Modellunsicherheiten durchaus eine zusätzliche Erwärmung von +1,5 °C gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 möglich wäre. 37 38 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Ganz anders verhält sich das simulierte Klima in einem Szenario ohne Klimaschutz (Abb. 10 in orange). Um das Jahr 2035 simulieren die Hälfte der Klimamodelle einen größeren Anstieg der 30-jährigen Mitteltemperatur als dies im Maximum bei einer erfolgreichen Umsetzung des Pariser Übereinkommens der Fall wäre (Abb. 10: grüner Bereich vs. orange Linie). Gegen Ende des Jahrhunderts (2071– 2100) wäre für das 30-jährige Mittel eine Erwärmung von +3,8 °C wahrscheinlich und bis zu +4,8 °C möglich. Plausibilität und Einordnung der Ergebnisse Wie plausibel sind die in Abb. 10 dargestellten Modellergebnisse? Generell ist auffällig, dass die 30-jährige gemittelte Veränderung der beobachteten Jahrestemperatur (Abb. 10: schwarze Linie) zunehmend deutlich oberhalb des Szenarios RCP2.6 (grüne Linie) liegt. So liegt das beobachtete Mittel um 2004 bzw. des Zeitraums 1990–2019 mit +0,7 °C deutlich über der Medianerwärmung von RCP2.6 (+0,3 °C). Der Unterschied von +0,4 °C ist nennenswert, da diese zusätzliche Erwärmung außerhalb des Schwankungsbereiches des Referenzzeitraums (+-0,3 °C) liegt. Dieses Ergebnis ist grundsätzlich sehr plausibel: Beide Szenarien RCP2.6 und 8.5 basieren bis zum Jahr 2005 auf Messwerten der globalen THG-Emissionen. Ab dem Jahr 2005 unterscheiden sich die Annahmen zu den THGEmissionen bei RCP8.5 („ohne Klimaschutz“ [39]; [4]) und RCP2.6 („2-Grad-Obergrenze“). Da die realen vergangenen Treibhausgasemissionen zwischen 2005 und 2018 deutlich höher waren als im Szenario RCP2.6 angenommen (Kap. 2.4), ist eine entsprechend höhere beobachtete Erwärmung keine Überraschung. Grundsätzlich gilt für die globale Mitteltemperatur bei der 2-Grad-Obergrenze (RCP2.6) der sogenannte Budgetansatz: global dürfen insgesamt noch maximal 1170 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden, um den Anstieg der globalen Mitteltemperatur unter 2 °C zu begrenzen (Kap. 2.2). Dieses Budget steht für den Zeitraum 2018–2100 zur Verfügung. Wenn das Pariser Übereinkommen erfolgreich umgesetzt wird, wäre daher die künftige Erwärmung in Bayern langfristig wohl in etwa innerhalb des in Abb. 10 aufgezeigten Ergebnisbereiches des Szenarios RCP2.6. Die langfristig simulierte Median Erwärmung von bis zu +1,2 °C (Abb. 10, grüne Linie im Zeitraum 2041– 2070) liegt um +0,5 °C über der gemessenen Abweichung der 30-jährigen Jahresmitteltemperatur des Zeitraums 1990–2019 (+0,7 °C). Es wäre künftig (im Median) also eine nennenswerte, aber nur moderate zusätzliche bayernweite Erwärmung zu erwarten. Dieses Ergebnis ist eine Überraschung. Schließlich liegt der Anstieg der globalen Mitteltemperatur mit aktuell etwa 1,1 °C (Stand 2017 [17]) gegenüber vorindustriellen Werten noch um ganze 0,9 °C unter der 2-Grad-Obergrenze. Regionale Rückkopplungseffekte könnten in Verbund mit der regionalen Variabilität bzw. dem Schwankungsbereich des 30-jährigen Mittels ein Grund für ein solches Verhalten des bayerischen Klimas sein. Zuletzt könnte die Mehrzahl der regionalen Klimamodelle die künftige bayerische Jahresmitteltemperatur aber auch deutlich unterschätzen. In diesem Fall wäre der Maximalwert von 1,6 °C Erwärmung gegenüber 1971–2000 ein „richtiger“ Wert. Zahlen zu Klimawandel und Klima-Kennwerten Auswirkungen des Klimawandels hängen oftmals explizit von den in Tab. 2 und Tab. 3 aufgeführten Klima-Kennwerten ab. Ausgehend von etwa 4 Hitzetagen im Zeitraum 1971–2000 (Tab. 1) sind für den Zeitraum 2021–2050 mindestens drei zusätzliche Hitzetage wahrscheinlich (Tab. 2: nahe Zukunft „2-Grad-Obergrenze“ RCP2.6) und bis zu 11 zusätzliche Hitzetage möglich (Tab. 3: nahe Zukunft „ohne Klimaschutz“ RCP8.5). Die Zahl der Hitzetage wird bayernweit demnach um 60–220 % steigen. Diese große Bandbreite künftiger Klimaänderungen resultiert für die nahe Zukunft (2021–2050) neben der Wahl des Szenarios vor allem aus den Klimamodellen selbst: es könnten die Simulationsergebnisse der Mehrheit der Klimamodelle eintreten, es könnten sich aber auch besonders „warme“ Klimamodelle als aussagekräftig erweisen (Tab. 2 vs. Tab. 3). Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Die in den vergangenen 50 Jahren bereits erlebten Klimaänderungen sind tendenziell schneller als jene, welche für die Zukunft unter der Pariser 2-GradObergrenze (Szenario RCP2.6) zu erwarten wären. Der ermittelte Trend der Vergangenheit weist beispielsweise darauf hin, dass in den vergangenen 50 Jahren die Anzahl der Eistage um 11 abgenommen hat. Demgegenüber erscheint eine etwas geringere Abnahme von 8 Eistagen zwischen 2021–2050 gegenüber 1971–2000 in RCP2.6 wahrscheinlich. Eine erfolgreiche weltweite Umsetzung des Pariser Übereinkommens würde den Klimawandel auch in Bayern wahrscheinlich bereits in den kommenden Jahrzehnten merklich verlangsamen (Tab. 2: Trend pro 50 Jahre vs. RCP2.6 der nahen Zukunft) und spätestens ab 2050 vollständig zum Stillstand kommen lassen (Tab. 2: RCP2.6 nahe Zukunft vs. ferne Zukunft). Im Gegensatz zum Klimaschutzszenario RCP2.6 führt ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) dazu, dass sich die Klimaänderungen im Verlauf dieses Jahrhunderts sogar weiter beschleunigen würden. Ein ungebremster Klimawandel würde nämlich „ohne Klimaschutz“ zwischen der nahen und der fernen Zukunft eine künftige, mittlere Klimaänderung von +2,4 °C über 50 Jahre aufweisen und somit nochmals deutlich oberhalb des Trends der Vergangenheit von 1,4 °C liegen (Tab. 2). Zunehmend würden die voranschreitenden Klimaänderungen zu Auswirkungen und Ereignissen führen, die in der Vergangenheit noch undenkbar schienen. Gegen Ende des Jahrhunderts wären 22 zusätzliche Hitzetage im bayernweiten Mittel zu erwarten (Tab. 2: RCP8.5 ferne Zukunft) und bis zu 36 zusätzliche Hitzetage im Maximum möglich (Tab. 3: RCP8.5 ferne Zukunft). Phänomene wie Tropennächte, in denen die nächtlichen Tagestemperaturen nicht unter 20 °C absinken, wären ein Phänomen, das im bayernweiten Mittel wahrscheinlich an etwa +6 Tagen im Jahr auftreten würde (Tab. 2). Tab. 2: Bayernweite Änderung von Klima-Kennwerten. Der Trend der Vergangenheit wurde aus einer Zeitreihe von Messwerten zwischen 1951 und 2019 ermittelt. Die Klimaänderung der nahen Zukunft (2021–2050) und fernen Zukunft (2071–2100) stellt die im Median simulierte Änderung des 30-jährigen Mittels gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 dar, jeweils für ein Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (RCP2.6) und ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5). Klima-Kennwert Trend der Vergangenheit (1951 – 2019) Nahe Zukunft (2021–2050) (Erwartete Änderung pro 50 a) Ferne Zukunft (2071–2100) (Erwartete Änderung pro 100 a) Seit 1951 Pro 50 a RCP2.6 RCP8.5 RCP2.6 RCP8.5 Temperatur [°C] +1,9 +1,4 +1,0 +1,4 +1,1 +3,8 Hitzetage (Tmax > 30 °C) +8,5 +6,2 +3 +5 +4 +22 Sommertage (Tmax > 25 °C) +25 +18 +10 +12 +11 +40 Tropennächte (Tmin > 20 °C) +0,03 +0,02 +0,2 +0,3 +0,3 +6,2 Frosttage (Tmin < 0 °C) –26 –19 –18 –28 –19 –65 Eistage (Tmax < 0 °C) –15 –11 –8 –12 –10 –23 39 40 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Tab. 3: Maximale Änderung von Jahresmitteltemperatur [°C] und von weiteren Klima-Kennwerten [Tage]. Der Maximalwert (Max.) ist von den Simulationen mit dem größten Änderungssignal abgeleitet. Die Klimaänderung der nahen Zukunft (2021–2050) und fernen Zukunft (2071–2100) stellt die simulierte Änderung des 30-jährigen Mittels gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000 dar, jeweils für ein Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (RCP2.6) und ein Szenario „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5). Klima-Kennwert Nahe Zukunft (2021–2050) (Max. Änderung pro 50 a) Ferne Zukunft (2071–2100) (Max. Änderung pro 100 a) RCP2.6 RPC8.5 RCP2.6 RPC8.5 Temperatur [°C] +1,5 +2,1 +1,6 +4,8 Hitzetage (Tmax > 30 °C) +11 +11 +11 +36 Sommertage (Tmax > 25 °C) +24 +33 +23 +73 Tropennächte (Tmin > 20 °C) +1,2 +1,4 +1,6 +18 Frosttage (Tmin < 0 °C) –26 –46 –31 –81 Eistage (Tmax < 0 °C) –12 –18 –12 –26 Konkrete Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur Bayerns sind im Falle eines drastischen Klimawandels „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) sehr weitreichend. „Ohne Klimaschutz“ wären nicht nur die maximalen (worst-case) Temperaturänderungen sehr ausgeprägt (Tab. 3), sondern sogar die in Tab. 2 dargestellten erwarteten Klimaänderungen. Dies bestätigt im Wesentlichen eines: würde die internationale Gemeinschaft eine Zukunft „ohne Klimaschutz“ (RCP8.5) wählen, so würden Zug um Zug Phänomene und Ereignisse auftreten, die so auch in Bayern in der Vergangenheit weder denkbar waren noch mit der aktuellen Lebensrealität der Menschen vereinbar sind. „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung […] (Art. 20a, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland).“ Um die Umsetzung dieses Staatsziels zu gewährleisten und um den Klimawandel selbst sowie seine Folgen für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu minimieren, ist die konsequente politische Umsetzung des Pariser Übereinkommens eine zentrale Voraussetzung (Kap. 5). Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3.2 Niederschlag 3.2.1 Klima der Jahre 1971–2000 Im Referenzzeitraum 1971–2000 betrug der mittlere Jahresniederschlag 941 mm. Diese 941 mm Niederschlag fielen, charakteristisch für das mitteleuropäische Klima, vermehrt im Sommerquartal (Juni–Aug.: 313 mm), und ansonsten relativ homogen verteilt über Herbst (Sept.–Nov.: 218 mm), Winter (Dez.– Feb.: 199 mm)9 und Frühjahr (März–Mai: 212 mm). Auch saisonal unterscheiden sich die Niederschlagsmuster in Bayern merklich. Im Winter dominieren periodisch wiederkehrende großräumige Regenereignisse, welche als Regenfront oftmals über ganz Bayern hinwegziehen. Im Sommer treten meist eher lokale, sogenannte konvektive Niederschlagsereignisse (Schauer) auf. Wie bei der Temperatur (Kap. 3.1) weist das bayerische Klima auch für den Niederschlag sehr große regionale Unterschiede auf. Im Alpenland sind die jährlichen Niederschlagssummen mit 1966 mm mehr als doppelt so hoch als die Werte der Donau- und Mainregion (Abb. 11). Die Niederschlagssummen schwanken natürlicherweise relativ stark: der Schwankungsbereich des 30-jährigen Mittels beträgt ± 24 mm bzw. ± 8 % im Sommerquartal und ± 23 mm bzw. ± 12 % im Winterquartal. Eger ale Main Bayreutth es üg TS C H E C H I S C H E R E P U BL I K Naa b el Nürrnberg Ans sbach H 935 710 un Regen üh Do n au reg l Ingolstadt D u on a 776 Be rg d Regen nsburg m Alt Ba d e n Wü rt te m b e r g ch i on Main Wü ürzburg ri s eg nr Asch haffen nburg ye ai Sa sa Sa c h s e n ba M es 937 . Frän k Sp Th ü r i n g en n t Os rt- ö Rh Saale He s s e n ion Iller nd orla Al p e nv 19 9 66 Al p en Rh e in Inn Mittlerer Jahresniederschlag 1971–2000 in mm 650 750 850 950 1100 935 9 1300 1500 Mittelwert je Klimaregion Abb. 11: ÖST E R R E I C H h ee elland c lza ns S C H WE I Z u Sa Kempte en de MÜNCHEN N Südbayerisches Hüg 1479 Bo 999 na Inn Isar u Lec h a Don nd Do Landshut Augsburg la 0 50 km Fachdaten: LfU, basierend 2000 auf Daten des Deutschen Wetterdienstes Der mittlere Jahresniederschlag in den sieben Klimaregionen Bayerns für den Zeitraum 1971–2000. Abweichend vom Referenzzeitraum (1971–2000) erstreckt sich dieser für Angaben zum Winterquartal von Dezember 1970 bis Februar 2000. Dies sowie Rundungsvorschriften können dazu führen, dass die Summe einzelner Quartalsangaben (z. B. Niederschläge) von den Jahresangaben abweicht. 41 42 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3.2.2 Klimawandel von 1951–2100 Im starken Gegensatz zur Temperatur, die im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels deutlich ansteigt (Abb. 10), sind mögliche Änderungen in den Niederschlagssummen unsicher und im Verhältnis zum Schwankungsbereich des Referenzzeitraums eher gering ausgeprägt (Abb. 12 als Beispiel für das Sommerquartal). Beobachteter Klimawandel Zwischen 1951 und 2019 konnte für die jährlichen Niederschlagssummen kein signifikanter Trend ermittelt werden. In der jüngsten Vergangenheit gab es vergleichsweise wenige niederschlagsreiche Jahre: es fielen in den vergangenen 20, 15, 10 bzw. 5 Jahren etwa 2 %, 4 %, 7 % bzw. 10 % weniger Niederschläge als im Referenzzeitraum 1971–2000. Diese Zahlen können ganz konkret mit den jüngst beobachteten Auswirkungen von Trockenheit in Bayern in Zusammenhang gebracht werden. Sie sind jedoch kein Indiz für eine Veränderung des Jahresniederschlags im Zuge des voranschreitenden Klimawandels, denn die 30-jährigen Mittel der Jahresniederschläge zeigen keine Auffälligkeiten: sie verlaufen stets sehr deutlich innerhalb des für den Referenzzeitraum ermittelten Schwankungsbereichs (Abb. 102 im Anhang). Für Herbst-, Winter- und Frühjahrsquartal liegen ebenso keine statistisch signifikanten Trends der Niederschlagssummen vor. Lediglich im Sommerquartal (Juni–Aug.) lässt sich aus Messdaten der Vergangenheit ein statistisch signifikanter Trend ableiten, mit einer bayernweiten Abnahme der Niederschlagssummen um 13 % über den Zeitraum 1951–2019 (Konfidenzniveau ≥ 90 %). Abb. 12: Prozentuale Abweichung der beobachteten Niederschlagssummen im Sommerquartal Juni–Aug. (graue Punkte) und des 30-jährigen Mittels (schwarze Linie) der Messwerte zwischen 1951–2019 gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Die simulierte Änderung der 30-jährigen Mittel zeigt einen Temperaturverlauf „ohne Klimaschutz“ (orange, Szenario RCP8.5) und ein Klimaschutzszenario gemäß „2-Grad-Obergrenze“ (grün, RCP2.6). Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel +15 ale Main Naa b a Sa Augsburg ÖST ERRE ICH Kempte en de ns ee SCHWEIZ +10 Trendwert Signifikanzniveau Klimaregionsgrenze +19 nicht signifikant +19 signifikant +5 MÜNCHEN N Südbayerisches Hüg ella +3 Bo +25 an d Do na u Inn Isar Naa b Isar au Don Lec h Lec h +12 ion Landshut Rhe in Main Sp es s ale Sa a Sp es s Rhe in +5 au Do n Be rg l nd orla Al p e nv ±0 0 A l p en Inn 0 ÖST ERRE ICH nd ch lza Sa -5 d un -15 Do nau reg u Sommerquartal - na Niederschlag Trend 1951-2019 in % -25 el üg H SCHWEIZ Inn es ee ch ns nd orla Al p e nv -9 A l p en is er ay de MÜNCHEN N tb Do Ingolstadt ch lza Sa Kempte en d Iller Iller -9 Bo -13 BadenWürttemberg Inn Südbayerisches Hüg elland Regen l ion an TSCHE CHISCHE REPUB LIK Regen nsburg üh Augsburg Nürrnberg m Alt Be rg l Landshut au Don Eger d un l üh -14 Sachsen +14 +10 l- m Alt Don aur eg Bayreutth Ans sbach Regen nsburg au Do n Wü ürzburg n e üg H TSCHE CHISCHE REPUB LIK Regen Ingolstadt Main es Nürrnberg io eg nr Asch haffen nburg ch -16 Ans sbach BadenWürttemberg ris ye n -14 . Frän k ai M ba io eg nr ai Main Wü ürzburg Bayreutth Thüringen n hö tr -R +10 Os Eger t Os M . Frä n k Asch haffen nburg Hessen Saale Thüringen n hö tr -R -2 23 Sachsen Saale Hessen Winterquartal 50 km Fachdaten: LfU, basierend auf Daten des Deutschen Wetterdienstes Abb. 13: Relativer Trend der Niederschlagssummen in den sieben Klimaregionen Bayerns über die vergangenen 69 Jahre zwischen 1951–2019, jeweils für das Sommerquartal Juni–Aug. (links) und für das Winterquartal Dez.–Feb. (rechts). Fett gedruckte Werte symbolisieren einen statistisch signifikanten Trend (Konfidenzniveau > 90 %). Die beobachteten Änderungen zwischen 1951 und 2019 sind insgesamt von geringem Ausmaß und regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Sommerquartal (Juni–Aug.) sind statistisch signifikante Niederschlagstrends nur in der Donauregion, dem Südbayerischen Hügelland und der Klimaregion Spessart-Rhön zu verzeichnen (Abb. 13, links). In Frühjahrs-, Winter- und Herbstquartal sind die ermittelten Trends in keiner Klimaregion statistisch signifikant (Abb. 106 im Anhang und Abb. 13, rechts). Wahlmöglichkeiten künftiger Klimaänderungen Die in Abb. 12 dargestellten Ergebnisse der Klimamodelle eines Szenarios gemäß der Pariser „2-GradObergrenze“ (RCP2.6, grün) lassen keine klaren Schlüsse zur künftigen Entwicklung der Niederschlagsmengen des Sommerquartals zu: die simulierte Median-Änderung liegt innerhalb des ermittelten Schwankungsbereichs eines Klimas des Referenzzeitraums. Gleiches gilt für Winter, Herbst und Frühjahr (Abb. 103–Abb. 105 im Anhang). Einzelne Klimamodelle simulieren jedoch teilweise relevante Zu- bzw. Abnahmen der Niederschlagsmengen. Lediglich eine THG Entwicklung „ohne Klimaschutz“ lässt für die ferne Zukunft (2071–2100) eher Abnahmen der Sommerniederschlagsmengen um 11 % erwarten (Abb. 12: Median, RCP8.5) sowie Zunahmen um etwa 14 % bzw. 13 % in Winter- und Frühjahrsquartal (Abb. 103 und Abb. 104 im Anhang). Einzelne Klimamodelle deuten auch hier zum Teil an, dass eine jeweils entgegengesetzte Änderung möglich ist. Die Bandbreite möglicher Änderungen ist für eine Zukunft „ohne Klimaschutz“ generell größer als unter der „2-Grad-Obergrenze“ (für das Sommerquartal in Abb. 12: oranger Bereich ist breiter als grüner Bereich). Ohne Klimaschutz wird die künftige Entwicklung der Niederschlagssummen also in erster Linie deutlich ungewisser. 43 44 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Plausibilität und Einordnung der Ergebnisse In starkem Gegensatz zur Temperatur, welche für die Vergangenheit eine statistisch hoch signifikante Veränderung aufweist und für welche die Klimamodelle belastbare Aussagen zu wählbaren Klima„Zukünften“ erlauben (Kap. 3.1), überwiegt bei den Niederschlagssummen die Tatsache der Unsicherheit der Klimaänderungen. Die Jahresniederschlagssummen bleiben insgesamt wahrscheinlich auch in Zukunft in Bayern konstant. In der Vergangenheit fand eine leichte Umverteilung der Niederschläge vom Sommerquartal in die Quartale Herbst, Winter und Frühjahr statt. Was bedeuten konstante Niederschlagssummen unter dem Einfluss des Klimawandels für Bayern? Für Fragen zum Thema Trockenheit bedeutet dies aufgrund der steigenden Temperaturen und somit einer steigenden Verdunstung trotzdem eine Zunahme von Trockenheit. Gleichzeitig muss in Bayern davon ausgegangen werden, dass durch den Klimawandel die Häufigkeit und Intensität von (lokalen) Starkregenereignissen zunimmt (Kap. 3.3, s. Abb. 14). Bei gleichbleibenden Niederschlagssummen dürfte dies zu längeren Trockenperioden führen. Ebenso wurde bereits für die Vergangenheit eine deutliche Änderung der Auftrittshäufigkeit bestimmter, für Trockenperioden relevanter Großwetterlagen, festgestellt [40]. Dies könnte bei Fortführung dieser Entwicklung das Auftreten und die Auswirkungen von Trockenheit in Zukunft weiter verschärfen. Abb. 14: Überflutete Innstraße in Simbach am 1. Juni 2016. Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel 3.3 Extremwetterereignisse Extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Hagel, Dürre oder Stürme verursachen oftmals hohe Schäden in Bayern. Bisweilen stellen sie sogar eine Gefahr für Leib und Leben dar. Exemplarisch verursachte ein Starkregenereignis am 1. Juni 2016 mit bis zu 111 mm Niederschlag in 6 Stunden sturzflutartige Überschwemmungen an einzelnen Orten im Landkreis Rottal-Inn (Niederbayern). Im besonders betroffenen Markt Simbach am Inn waren die Böden durch intensive Regenfälle an den Vortagen bereits gesättigt [41], sodass sich in der Fläche zahllose zusätzliche kleine Gewässerläufe bilden konnten. Gleichzeitig verweilte eine lokal begrenzte Niederschlagszelle sehr lange über dem Einzugsgebiet des Simbach, weshalb sich trotz des bestehenden Hochwasserrisikomanagements eine Sturzflut entwickeln konnte (Abb. 14). Neben immensen Sachschäden waren auch mehrere Tote zu beklagen [41]. In den vergangenen Jahren war Bayern aber auch ungewöhnlich häufig sehr trockenen Bedingungen ausgesetzt. Die Jahre 2015, 2018 und 2019 waren laut Messungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) drei der vier wärmsten Jahre seit dem Jahr 1881. Eine Häufung heißer Jahre ist im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels keine grundsätzliche Überraschung. In diesen besonders heißen Jahren fielen aber gleichzeitig deutlich weniger Niederschläge als üblich. Im Vergleich zum langjährigen Mittel der Periode 1971–2000 betrug die bayernweite jährliche Abweichung des Niederschlags –21 %, –20 % und –9 % in den Jahren 2015, 2018 und 2019. In einzelnen Monaten und Regionen waren Abweichungen teils deutlich größer. Als Folge wurden beispielsweise im Jahr 2018 an vielen Flüssen und Pegeln Bayerns die niedrigsten je gemessenen Tagesabflusswerte und die höchsten Wassertemperaturwertwerte verzeichnet. Grundwasserstände fielen bayernweit zum Teil beträchtlich, wie auch der Bodenwassergehalt. Solch ein Dürreereignis hat bedeutende Auswirkungen auf Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft, Gewässerökologie und Naturschutz, die menschliche Gesundheit, die Binnenschifffahrt sowie auf industrielle Wärmeeinleiter (Kap. 4). 3.3.1 Blickpunkt Starkregen Definition „Starkregen“ Wie definiert sich der Begriff „Starkregen“ bzw. „Starkniederschlag“? Die wissenschaftliche Literatur gibt auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort. Der Klima-Report Bayern 2021 nutzt die Definition der Kooperation „Klimaveränderung und Wasserwirtschaft (KLIWA)“10 auf Grundlage der Warnstufen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Die DWD Warnstufen für „Markantes Wetter“ (Stufe 2) und „Unwetter“ (Stufe 3) markieren dabei folgende Schwellwerte für die Intensität von Niederschlägen [42]: • Markantes Wetter – > 15 bis 25 mm in 1 Stunde11 – > 20 bis 35 mm in 6 Stunden • Unwetter – > 25 mm in 1 Stunde – > 35 mm in 6 Stunden Werden obige Niederschlagsmengen für die jeweilige Dauerstufe (d. h. für eine Dauer von 1 h oder 6 h) der Warnstufen Markantes Wetter oder Unwetter übertroffen, so findet ein Starkregenereignis statt. Vereinfacht gesprochen fällt also sehr viel mehr Niederschlag als innerhalb einer bestimmten Zeitspanne normal ist. Die oben genannten Ereignisse im Juni des Jahres 2016 im Landkreis Rottal-Inn fallen mit über 180 l/m² innerhalb von 48 Stunden und zeitlichen Spitzenniederschlägen von etwa 75 mm Niederschlag in 3 h unter diese Definition. Sie übertreffen damit deutlich die Kriterien für die höchste DWD Warnstufe (Stufe 4, „extremes Unwetter“ 60 mm in 6 Stunden). Ein Starkregenereignis kann seine Ursache in heftigen, örtlich begrenzten Schauern von kurzer Dauer haben („Konvektive Niederschläge“) aber auch in weniger intensiven, dafür aber langanhaltenden und großflächigen Niederschlägen („Stratiforme Niederschläge“). 10 11 www.kliwa.de Eine Höhe von 1 mm Niederschlag entspricht einer Niederschlagsmenge von 1 l/m². 45 46 Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Abb. 15: Gesamtanzahl der Niederschlagsereignisse im Zeitraum 2001–2018 mit Überschreitung der Warnschwellen des DWD für Starkregen. Beobachtete Starkniederschläge Starkniederschläge durch Messstationen zu beobachten ist schwierig. Die Messstationen Bayerns erheben zum Teil nur Tageswerte, nicht aber Niederschlagsmengen für die Dauerstufen 1 h oder 6 h. Außerdem reicht die Messnetzdichte oftmals nicht aus, um statistisch belastbare Aussagen zu den lokal auftretenden Starkregenereignissen zu treffen. Seit 2001 werden in Deutschland mittels Radar Niederschläge flächendeckend und in hoher zeitlicher wie räumlicher Auflösung erfasst (Abb. 15). Eine Trendanalyse dieser Daten ist aufgrund der kurzen Zeitreihe für Fragen des Klimawandels noch nicht zielführend. Dennoch zeigt sich (Abb. 15), dass Starkregenereignisse überall in Bayern auftreten. Die Anzahl der Ereignisse ist zu gewissem Grade an die Orographie gebunden, mit häufigeren Stark­ regenereignissen insbesondere im Alpenraum. Kurzlebige lokale (konvektive) Niederschläge fallen ab Warnstufe 3 im Verhältnis zum großflächigen Dauerregen stärker ins Gewicht, sind aber kaum an die Orographie gebunden [43]. Daher wird ab Warnstufe 3 der räumliche Zusammenhang zwischen Starkregenereignissen und Orographie schwächer. Trenduntersuchungen des DWD zeigen, dass die Intensität von täglichen Niederschlagssummen im Winter zwischen 1951 und 2006 um 25 % zugenommen hat (für die Dauerstufe 1 h und 6 h liegt für ähnliche Aussagen keine ausreichende Datenbasis vor). Für den Sommer sind die natürlichen Jahr-zuJahr-Schwankungen zu groß, um statistisch belastbare Trends zu bestimmen. Für das europäische Festland wurde aber anhand von Klimamodellsimulationen und Beobachtungen nachgewiesen [44], dass es im Vergleich der Zeiträume 1981–2013 und 1951–1980 allgemein zu einer Zunahme von Starkniederschlagshäufigkeiten und -intensitäten gekommen ist. Je intensiver und seltener die beobachteten Ereignisse sind, desto größer ist die jeweilige Zunahme. Eine ähnliche Schlussfolgerung wie für das europäische Festland ist auch für Bayern zu vermuten. Das Klima in Bayern – Bayern im Klimawandel Globale Änderungen in der Zukunft Durch den allein bis 2050 erwarteten globalen wie bayernweiten Temperaturanstieg (Kap. 3.1) steigt die Verdunstung, und der globale Wasserkreislauf intensiviert sich. Die globale Niederschlagsmenge steigt um etwa 1–3 % pro 1 °C Erwärmung [10]. Auf Grundlage physikalischer Gesetzmäßigkeiten (Clausius-Clapeyron-Gleichung) nimmt die Niederschlagsintensität um bis zu 7 % pro 1 °C Erwärmung für stratiforme Niederschlagstypen (Regenfront) zu [45]; [46]. Für die lokal auftretenden, konvektiven Starkregenereignisse sind sogar um bis zu 14 % intensivere Niederschläge pro 1 °C Erwärmung möglich [47]; [48]. Da die Intensität der Niederschlagsereignisse stärker steigt als die Niederschlagsmenge, wird die globale Anzahl der Niederschlagsereignisse abnehmen. Bayernweite Änderungen in der Zukunft Für das europäische Festland wurde für die Vergangenheit bereits ein Anstieg von Starkregenhäufigkeit und -intensität nachgewiesen. Grundsätzlich ist daher auch für Bayern ein ähnlicher Zusammenhang zu erwarten. Dennoch ist eine gewisse Vorsicht geboten. Effekte atmosphärischer Zirkulation (Wetterlagen) können in einigen Regionen der Erde den Starkregenanstieg dämpfen, oder sogar ins Gegenteil umkehren [49]. Insbesondere für den Donauraum und das Alpenvorland gilt in Bayern der Zugbahntyp der sogenannten Vb-Wetterlage als ein Auslöser mehrerer extremer historischer Niederschlagsereignisse (z. B. für das Hochwasser in Mitteleuropa im August 2002 [50]). Dies sowie eine Intensivierung der Niederschlagsmengen bei Vb-Wetterlagen wurde im Projekt WETRAX12 (Weather Patterns, Cyclone Tracks and related precipitation Extremes) festgestellt. Künftige Änderungen der Anzahl der Vb-Wetterlagen pro Jahr wurden im Rahmen des Projekts ClimEx13 (Klimawandel und Extremereignisse – Risiken und Perspektiven für die bayerische Wasserwirtschaft) auf Basis eines Single Modellensembles untersucht. Für Herbst und insbesondere für Sommer wurde 12 13 https://www.zamg.ac.at/cms/de/forschung/klima/zeitliche-klimaanalyse/ wetrax www.climex-project.org Abb. 16: Das Logo des Projektes WETRAX vereint stark vereinfacht zwei Eigenschaften von Vb-Tiefdruckgebieten: Sie drehen sich gegen den Uhrzeigersinn und transportieren auf ihrer Zugbahn vom Atlantik über den Mittelmeerraum feuchtwarme Luftmassen nach Mitteleuropa. Daraus folgen zum Teil äußerst ergiebige Niederschläge. eine Abnahme der Anzahl der Vb-Zugbahnen ermittelt, für Winter und Frühling eine Zunahme. Beide Entwicklungen verstärken sich im Laufe des Jahrhunderts im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels. Starkregenereignisse treten vor allem gegen Ende des Frühjahrs sowie im Sommer auf. Je nach betrachteter Jahreszeit verstärkt bzw. dämpft deshalb die künftige Veränderung der Anzahl der Vb-Zugbahnen in Bayern den globalen Trend hin zu mehr und intensiveren Starkregenereignissen. Gleichzeitig können die Vb-Zugbahnen jedoch durch die Temperaturerhöhung intensivere Niederschläge auslösen. Die bisherigen Erkenntnisse für Deutschland und Bayern lassen eine Zunahme von Anzahl und Intensität der Starkniederschlagsereignisse erwarten, bei gleichzeitiger Abnahme der schwachen und mittleren Niederschläge [51]–[54]. Um genauere, auf Bayern zugeschnittene Aussagen zu den klein­ skaligen (lokalen) und zumeist kürzeren (Minuten bis mehrere Stunden) Starkregenereignissen zu treffen, werden im Rahmen der Kooperation KLIWA aktuell zeitlich sowie räumlich hochauflösende Klimamodelle ausgewertet. Auch das Projekt WETRAX wird in WETRAX+ fortgesetzt und vertieft die Untersuchungen zu Starkregenereignissen. 47 4 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Der Klimawandel äußerst sich zunächst in einem Wandel verschiedener klimatischer Kennwerte wie z. B. in einem Anstieg von Temperatur und Hitzetagen. Der Wandel des Klimas hat Auswirkungen. Ausgewählte Auswirkungen werden in Kap. 4 des Klima-Reports anhand der 15 Handlungsfelder der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016 [55]) beschrieben. Handlungsfelder (z. B. Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Wald und Forstwirtschaft) können durch Aktivitäten und Maßnahmen der Anpassung negative Auswirkungen des Klimawandels begrenzen und Chancen nutzen. Anpassungsaktivitäten müssen teils vorausschauend erfolgen (Kap. 4.3 Waldumbau), teils ist aber auch eine reaktive Anpassung an vergangene Klimaänderungen ausreichend (Kap. 4.10 bautechnisches Regelwerk). Durch das Zusammenspiel reaktiver und vorausschauender Klimaanpassung mit beobachteten und möglichen künftigen Klimaauswirkungen ergibt sich ein Kreislauf von Auswirkungen und Anpassungsreaktionen (Abb. 17). Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sollten dabei folgende Prinzipien beachten (nach BayKLAS 2016 [55]): • Wirksamkeit: Die Maßnahmen tragen zur Nutzung von Chancen bei und mindern dauerhaft die Risiken des Klimawandels. • Nachhaltigkeit: Die Maßnahmen tragen zum Ausgleich aller Interessen bei und ermöglichen eine dauerhaft umwelt- und sozialgerechte Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft. • Umweltverträglichkeit: Die Maßnahmen sollten nicht zu signifikant negativen Auswirkungen auf die Umwelt führen. • Wechselwirkung zwischen Klimaschutz und Anpassung: Synergien zwischen Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen sollten genutzt und Zielkonflikte möglichst vermieden werden. • Integrative Ansätze: Effektive Managementansätze mit Synergieeffekten für mehrere Handlungsfelder sollen vorrangig unterstützt werden. • Kooperation und Akzeptanz: Die Umsetzung von Maßnahmen bedarf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz und einer hohen Bereitschaft zur Kooperation aller betroffener Akteure. • Umsetzbarkeit: Die Umsetzung von Maßnahmen ist von finanziellen und personellen Ressourcen abhängig. Staatliche und kommunale Akteure, aber auch Unternehmen, gesellschaftliche Gruppierungen und Bürger können für die Umsetzung von Maßnahmen verantwortlich sein. • Unsicherheiten und Robustheit: Simulierte Klimasignale sind unterschiedlich robust. Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Klimaentwicklungen und der Auswirkungen des Klimawandels soll Rechnung getragen werden (z. B. im Rahmen von Vorsorgeprinzip und einer „No-Regret-Policy“). Abb. 17: Vom Klimawandel hervorgerufener Kreislauf von Auswirkung und Anpassung in den Handlungsfeldern der BayKLAS 2016. • Flexibilität: Die Maßnahmen sollten so flexibel sein, dass sie mit vergleichsweise geringem (Kosten-)Aufwand an veränderte Auswirkungen des Klimawandels angepasst werden können. • Sonderrolle Wasser: Von besonderer Bedeutung für Anpassungsmaßnahmen ist die künftige Verfügbarkeit der Lebensgrundlage Wasser. 49 50 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Ulrike Kaltenhauser, Ludwig-MaximiliansUniversität München, Leitung der Geschäftsstelle bayklif Durch regionale Forschung Klimaprozesse besser verstehen Das Bayerische Klimaforschungsnetzwerk (bayklif) wurde 2018 vom Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ins Leben gerufen, als politische Maßnahme des Freistaats und um in der bayerischen Forschung einen besonderen Fokus auf das Thema Klimawandel zu legen. Die komplexen Zusammenhänge werfen viele Fragen auf: Die interdisziplinären Forscherteams des Programms setzen sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz Bayern zusammen und fokussieren sich mit Ihren Forschungsarbeiten auf genau diese Fragestellungen. So soll das Netzwerk dazu beitragen, die im Freistaat vorhandenen Aktivitäten in diesem Forschungsfeld zu bündeln. Deshalb stehen die Mitglieder der einzelnen geförderten Forschungsteams untereinander im direkten Informationsaustausch, um alle neuen Erkenntnisse schnell weiterzugeben und umsetzen zu können. Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst stellt für das neue Programm rund 18 Millionen Euro, über einen Zeitraum von 5 Jahren zur Verfügung. • Was kann von der wissenschaftlichen Seite dazu beigetragen werden, um das Wissen über die Klimaprozesse zu vertiefen und den Kenntnisstand insbesondere zu den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels zu verbessern? • Wie können Voraussagen zu den Klimaszenarien datenbasiert untermauert werden, bzw. welche Messpunkte werden benötigt um die Vorhersagen besser zu untermauern? • Inwiefern können wir aktiv dazu beitragen, den Dialog mit der Gesellschaft auf einer fachlich basierten Ebene zu führen, um nicht nur die Neugierde für das Thema zu wecken, sondern auch alle für die Mitarbeit zu motivieren? • In welcher Form müssen die vorhandenen und neu gewonnenen Erkenntnisse verständlich übersetzt und transportiert werden, um das Design von regionalen und überregionalen Strategien als Instrument der Politik für Klimaschutz und Klimaanpassung zu ergänzen und zu optimieren? Abb. 18: Am 10. Dezember 2018, Staatsminister Sibler stellt bayklif der breiten Öffentlichkeit vor. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Vor dem Hintergrund des Klimaschutzprogrammes 2050 sollen so Handlungsoptionen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erarbeitet werden, die folgende Forschungsschwerpunkte beinhalten: • Vertiefung des Wissens, insbesondere zu den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen, die durch die weitreichenden Veränderungen des Weltklimas für die Menschen im Freistaat zu erwarten sind. • Ausarbeiten und bewerten von regionalen und überregionalen Strategien und Instrumenten für Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassungen als Empfehlung an die Politik. • Die Entwicklung und Anwendung von Verfahren, Strategien und Modellen, die dabei helfen, die regionale CO2-Produktion zu verringern, die zur Minderung der Auswirkungen der veränderten Klimabedingungen beitragen und es ermöglichen, regionale Anpassungen zu etablieren, um so die Folgen des Klimawandels zu reduzieren. Für die im Rahmen des Netzwerks geförderten Projekte gilt das Motto: „Durch Zusammenarbeit mehr erreichen“. Die interdisziplinäre Vernetzung der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erlaubt es Verfahren, Strategien und Modelle zu entwickeln, um die Grundlagen für eine schonende Landnutzung und einen verbesserten Schutz der natürlichen Ressourcen effektiver und schneller zu erarbeiten. Die Vermittlung von wissenschaftsbasierten Inhalten und Handlungsoptionen an politische Entscheidungsträger sowie auch für die Wirtschaft und die gesellschaftliche Öffentlichkeit auf allen Ebenen nationaler und internationaler Klimapolitik bildet einen zentralen Aspekt der angestrebten Ziele. Strukturell werden dabei zwei Forschungsformate miteinander vernetzt. An den Universitäten Erlangen, Eichstätt, München (TUM und LMU), Freising, Augsburg, Regensburg, Bayreuth und Würzburg arbeiten fünf interdisziplinär ausgerichtete Verbund- projekte zusammen. Diese werden von etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Bayern geleitet und bearbeitet. Neben den Verbundprojekten werden unabhängige Juniorforschergruppen gefördert, die herausragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Bayern die Möglichkeit eröffnen, Akzente zu setzen und eigenständige Forschungsgruppen zu etablieren. Die Verbundprojekte setzen sich aus drei bis zehn Teilprojekten zusammen, in denen jeweils an einer zentralen Thematik zur Klima- und Klimafolgenforschung gearbeitet wird: • Im Verbundprojekt BayTreeNet verbinden die Wissenschaftler der drei Teilprojekte Aspekte der Klimamodellierung, Dendroökologie und Bildungsforschung indem sie einerseits die Reaktionen von Wald – Ökosystemen auf die aktuelle und mögliche zukünftige Klimadynamiken über ganz Bayern hinweg untersuchen. Gleichzeitig werden Bäume in allen Untersuchungsgebieten mit internetfähigen Übertragungseinheiten ausgestattet, so dass ein Netzwerk von Partnerschulen diese „talking trees“ betreuen kann. So werden Schülerinnen und Schüler für die Vorgänge im Wald sensibilisiert und tragen gleichzeitig einen wichtigen Teil zur Forschung selbst bei. • In den zehn Teilprojekten des Verbundprojekts BAYSICS (Bayerisches Synthese-InformationsCitizen Science Portal für Klimaforschung und Wissenschaftskommunikation) wird die breite Bevölkerung angesprochen: BAYSICS ermöglicht verschiedenen Personengruppen (z. B. Erholungssuchenden, Pollen-Allergikern, Schülern und Studierenden), an verschiedenen aktuellen Projekten mitzuwirken. Auf diese Weise wird der Klimawandel nicht nur durch eigene Beobachtungen im konkreten Umfeld erlebbar gemacht. Die Bevölkerung generiert ganz nebenbei relevantes Wissen zu Klimafolgen, -anpassung und -schutz mit modernen Medien des Crowdsourcing. 51 52 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 19: 10.–11. Februar 2020 Informationsaustausch der bayklif-Mitarbeiter an der Evangelischen Akademie in Tutzing. • Im Rahmen des Verbundprojekts BLIZ werfen die Wissenschaftler aus sechs Teilprojekten einen Blick in die Zukunft und entwickeln neue Szenarien für ein nachhaltiges Management von Ökosystemen in Bayern. Dabei untersucht es die Auswirkungen des Klimawandels auf ökologische Systeme (Ökosystemleistungen und Biodiversität) und sozioökonomische Systeme (Landnutzungsentwicklung) und deren Wechselwirkungen. Mit Hilfe von computergestützten Simulationsmodellen wird erforscht, welche Anpassungsstrategien zu einer Stabilisierung dieser Systeme führen, und unter welchen Umständen drastische ökologische Veränderungen (sogenannte Kipppunkte) auftreten können, die dann weitreichende soziökonomische Folgen hätten. • Da Fließgewässer in Bayern zu den für die Biodiversität besonders wichtigen Ökosystemen gehören, gleichzeitig aber vom Klimawandel besonders betroffen sind, konzentrieren sich die Wissenschaftler der sieben Teilprojekte des Verbundprojekts AQUAKLIF auf die Auswirkung klimatischer Einflussfaktoren wie Temperatur, niederschlagsbedingter Feinsedimenteintrag und schwankende Abflussmengen auf Gewässerökologie und Wasserqualität. • Im Projekt LandKlif untersuchen die Wissenschaftler in 10 Teilprojekten die Auswirkungen des Klimawandels auf Artenvielfalt und Ökosystemleistungen in naturnahen, agrarischen und urbanen Landschaften und Strategien zum Management des Klimawandels. Weitere Informationen zu den fünf Verbundprojekten sind über die offizielle Homepage des bayklif abrufbar (www.bayklif.de). Vier Teilprojekte aus BAYSICS, AQUAKLIF und LandKlif werden im Klima-Report Bayern 2021 nachfolgend im Rahmen der Rubrik „Exkurs Forschung“ ausführlich beschrieben. In den unabhängigen Junior-Forschergruppen beschäftigen sich herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Themen: • Anpassungsfähigkeit von Bestäubern im alpinen Raum (ADAPT) • Mit energieaktiven Gebäudehüllen als Baustein klimaorientierter Stadtentwicklung (Cleanvelope) • Mit Biodiversitätsprognosen durch multidimensionale Integration (MINTBIO) • In HyBBEx werden die Hysterese-Effekte in Bayerischen Buchenwald-Ökosystemen durch Klimaextreme erforscht • In BayForDemo werden die Anpassungsstrategien an den Klimawandel für bayerische Wälder basierend auf der Simulation demografischer Prozesse untersucht. Durch die enge Zusammenarbeit mit den etablierten Kollegen der Verbundprojekte erhalten die jungen Wissenschaftler die ideale Infrastruktur, um sich zu entwickeln und internationale Sichtbarkeit zu erreichen. Als Gemeinschaft haben wir uns das Ziel gesetzt, wichtige Entwicklungen auf dem Sektor des Klimaschutzes voranzutreiben. Damit leistet die bayerische Wissenschaft einen wichtigen Beitrag für die Zukunft des Freistaats. Die Mitglieder des Netzwerks sind sich aber auch bewusst, dass die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt ein nachhaltiges Engagement verlangt. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.1 Wasserwirtschaft Kurz gesagt, • zum Niedrigwassermanagement: Der Klimawandel wird in der nahen Zukunft (2021–2050) die Abflüsse regional um bis zu 15 Prozent, im worstcase bayernweit bis zu 30 Prozent verringern. Der Niedrigwasser-Informationsdienst (NID) und die „Alarmpläne Gewässerökologie“ an Main und Donau bieten Informationen, welche für ein effektives Niedrigwassermanagement, z. B. durch den Einsatz staatlicher Wasserspeicher, genutzt werden können. • zur Trinkwasserversorgung: Insgesamt kann die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern auch zukünftig als versorgungssicher angesehen werden. Jedoch sind bei einzelnen Wasserversorgungsanlagen insbesondere in Gebieten mit gering ergiebigen Grundwasserleitern, die sich z. B. ausschließlich auf Quellwasservorkommen stützen, bei längerer Trockenheit Versorgungsengpässe möglich. Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit wird die Schaffung eines „Zweiten Standbeins“ unterstützt, beispielsweise durch die Förderung einer interkommunalen Verbundleitung. • zum gewässerökologischen Zustand: Niedrigwasserereignisse und steigende Wassertemperaturen beeinflussen die Ökologie von Flüssen und Seen auf vielfältige Weise. Die Revitalisierung von naturfernen Gewässern kann dazu beitragen, die Gewässerökosysteme widerstandsfähiger gegenüber künftig zunehmenden Extremsituationen zu machen und die Gewässerbewohner vor nachhaltigen Beeinträchtigungen zu bewahren. Eine angepasste, ressourcenschonende Gewässernutzung trägt zudem zum Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit bei. • zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen: Überall in Bayern muss zukünftig mit häufigeren und intensiveren Starkniederschlägen gerechnet werden, die Hochwasser an Fließgewässern und Überflutungen durch Oberflächenabfluss nach sich ziehen können. Für großräumige, mehrtägige Niederschlagsereignisse gilt: der klimawandelbedingt erhöhten Gefährdungslage durch Flusshochwasser muss auch weiterhin durch zielgerichtetes Hochwasserrisikomanagement und präventiven Hochwasserschutz begegnet werden. Die im Aktionsprogramm 2020plus begonnenen Maßnahmen müssen im Bayerischen Gewässeraktionsprogramm (BAP) 2030 fortgeführt und erweitert werden. 53 54 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.1.1 Ausgangslage Wasser ist elementarer Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge, die einerseits direkt über die Trinkwasserversorgung, andererseits aber auch über weitere Handlungsfelder die Grundversorgung der Bevölkerung mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen gewährleistet. Die nutzbare Ressource Wasser verzahnt in besonderer Weise Zielstellungen bezüglich menschlicher Gesundheit, Naturschutz, Landwirtschaft, Tourismus, Industrie und Gewerbe, Energiewirtschaft und Verkehr. All diese Handlungsfelder leisten wertvolle Beiträge zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Jedoch ist insbesondere im Kontext des Klimawandels und längerer wie intensiverer Trockenperioden (Kap. 3.2 und 3.3) besonders wichtig, dass in Bayern durch ordnungspolitische Maßnahmen weiterhin ein Ausgleich zwischen widerstrebenden Zielstellungen der einzelnen Handlungsfelder hergestellt wird. Der Klima-Report Bayern 2021 widmet diesem handlungsfeldübergreifenden Ausgleich verschiedener Wassernutzungsformen besondere Aufmerksamkeit. Bereits seit 1999 bearbeiten die Länder BadenWürttemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sowie der Deutsche Wetterdienst gemeinsam in der Kooperation „Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ (KLIWA)14 die Frage, wie der Klimawandel den Wasserhaushalt im Süden Deutschlands beeinflusst. Besonderer Fokus liegt dabei einerseits auf den Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasser, Niedrigwasser, Grundwasser, Starkregen, Bodenerosion und Gewässer­ ökologie. Andererseits widmet sich KLIWA der Aufgabenstellung, wie sich die Wasserwirtschaft an die erwarteten Veränderungen in diesen Bereichen anpassen kann. Auch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) widmet diesen Themen hohe Aufmerksamkeit [56]. 14 www.kliwa.de Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Wasserwirtschaft unter anderem folgende Handlungsziele [55]: • Die Strukturen der öffentlichen Trinkwasserbereitstellung müssen, bei zunehmend auftretenden klimabedingten Extremereignissen, eine ausreichende Resilienz aufweisen, um die Verfügbarkeit der Ressource Wasser in Qualität und Quantität zu gewährleisten. • Der Erhalt möglichst naturnaher ökologischer Verhältnisse und der natürlichen Lebensraumfunktion der aquatischen Ökosysteme ist zur Aufrechterhaltung der vielfältigen Ökosystemdienstleistungen erforderlich. Dabei ist eine abgestimmte Koordination der Nutzeransprüche zu gewährleisten. • Unter Berücksichtigung zunehmender Extremereignisse gilt es, die negativen Folgen von Hochwasser durch ein konsequentes Hochwasserrisikomanagement aller Beteiligten zu verringern. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 20: Einfluss des Klimawandels auf wasserabhängige Nutzungen in der Wasserwirtschaft und weiteren Handlungsfeldern. 4.1.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.1.2.1 Niedrigwassermanagement Als Niedrigwasser wird ein Wasserstand bzw. ein Abfluss in Gewässern bezeichnet, der deutlich unter einem als durchschnittlich definierten Zustand liegt. Niedrigwasser entsteht ursächlich durch ein Niederschlagsdefizit, welches sowohl durch einen Mangel an Niederschlägen (Trockenheit) als auch durch hohe Verdunstung ausgelöst werden kann. Die Intensität der Niedrigwasserereignisse hängt allerdings, neben diesen klimatologischen Ursachen, von weiteren Faktoren ab. Einerseits von den natürlichen Geländeund Gebietseigenschaften: beispielsweise speichern Böden, Grundwasserkörper und die Vegetation Wasser, und können somit die Intensität von Niedrigwasserereignissen abfedern. Andererseits beeinflusst menschliches Verhalten die Abflüsse. Beispielsweise können Oberflächenwasserentnahmen, wie für die landwirtschaftliche Bewässerung oder für Trink- und Brauchwasser, eine Niedrigwassersituation verschärfen. Staatliche Wasserspeicher erfüllen hingegen eine Pufferfunktion und vermögen die Abflussmengen bei Niedrigwasserereignissen zu stützen. Dieser menschliche Einfluss kann im Sinne vorsorgender oder akuter Maßnahmen im Zuge des Niedrigwassermanagements genutzt werden, um Auswirkungen von Niedrigwasserereignissen abzumildern [57]. Die Auswirkungen von Niedrigwasser auf die Wasserwirtschaft und weitere Handlungsfelder (Abb. 20) sowie ausgewählte Maßnahmen zum Niedrigwassermanagement werden im Klima-Report Bayern 2021 weitreichend beschrieben. Niedrigwasser beeinflusst den gewässerökologischen Zustand und die Trinkwasserversorgung (Kap. 4.1), die Nutzung von Oberflächengewässern als Vorfluter für gereinigtes Abwasser, zur Kühlwasserentnahme und Wiedereinleitung (Kap. 4.13), die Leistung von Wasserkraftanlagen (Kap. 4.12), die landwirtschaftliche Bewässerung (Kap. 4.2), die Fischerei und Teichwirtschaft, die Schiffbarkeit der Wasserstraßen (Kap. 4.11), den wassergebundenen Tourismus sowie die Gefährdungslage durch Blaualgen in Badegewässern (Kap. 4.6) [57]. 55 56 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 21: Veränderung des durchschnittlichen sommerlichen Niedrigwasserabflusses MNQ [%] (Apr–Sept) in der nahen Zukunft (2021–2050) gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Auswirkungen auf Niedrigwasserabflüsse Die Kooperation KLIWA untersuchte den Trend der Niedrigwasserabflüsse an 71 Pegeln in Bayern. Wertet man den Trend ab Messbeginn bis zum Jahr 2015 aus, scheinen die Niedrigwasserabflussmengen in Bayern entweder zu stagnieren oder zu steigen, aber kaum zu fallen. Dies betrifft sowohl das Sommer- als auch das Winterhalbjahr. Allerdings sind seit 1980, also über die vergangenen 40 Jahre betrachtet, an deutlich mehr Pegeln abnehmende Tendenzen der Niedrigwasserabflüsse erkennbar (und somit eine Verschärfung der Niedrigwassersituation). Generell ist hierbei der Einfluss des Klimawandels in der Vergangenheit nur bedingt durch Beobachtungen bestimmbar, da im Rahmen des bereits bestehenden Niedrigwassermanagements und der wasserwirtschaftlichen Überprägung der bayerischen Fließgewässer bereits seit langem Gegenmaßnahmen getroffen werden, die einen möglichen klimabedingten Trend überlagern [57]. Die Klimaprojektionen sind sich einig: Es wird in Zukunft wärmer. Damit steigt auch die Verdunstung, vor allem im Sommerhalbjahr. Wenn gleichzeitig die Niederschlagsmengen gleich bleiben oder gar abnehmen, steht weniger Wasser für den Oberflächenabfluss zur Verfügung. Die Abflussmengen bei Niedrigwasser werden also sinken und kleinere Gewässer häufiger und länger trocken fallen. Abb. 22: „Worst-case“ Veränderung des durchschnittlichen sommerlichen Niedrigwasserabflusses MNQ [%] (Apr–Sept) in der nahen Zukunft (2021–2050) gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000. Die Abflussänderungen auf Grundlage der Klimaprojektionen des 5. IPCC-Berichtes werden derzeit erarbeitet. Daher greift man auf die vorliegenden Abflussprojektionen auf Grundlage des 4. IPCCBerichtes zurück. Für die nahe Zukunft zeigt der Median des Abflussprojektionsensembles im Sommerhalbjahr (Abb. 21) tendenziell eine Zunahme des mittleren sommerlichen Niedrigwasserabflusses (MNQ) nördlich der Donau. Insofern beruhigt sich dort die Niedrigwassersituation in diesem Zeitraum. Südlich der Donau nehmen die Abflüsse dagegen um bis zu 15 Prozent ab. Nimmt man ein besonders trockenes, worst-case Klimamodell als Referenz, so ergibt sich in Gesamtbayern eine starke Abnahme des mittleren sommerlichen Niedrigwasserabflusses, mit regionalen Abnahmen von bis zu 30 Prozent (Abb. 22). Wenn also Klimaanpassung auf Basis eines strikten Vorsorgegedankens angewandt werden soll, so müssen in Gesamtbayern vorbeugende Niedrigwassermaßnahmen ergriffen werden. Die Niedrigwasserprojektionen der fernen Zukunft (2071–2100) zeigen – für das SRES Szenario A1B, einem Szenario weitgehend ohne Klimaschutz – an der Mehrzahl der Pegel nicht nur im worst-case, sondern auch im Median einen bayernweiten Rückgang sommerlicher Niedrigwasserabflüsse, also eine Verschärfung der Niedrigwassersituation (meist um mehr als 10 Prozent). Bei Einhaltung des Klimawandel – Auswirkung und Anpassung globalen politischen Zielbeschlusses einer 2-GradObergrenze (Kap. 1) lässt die ferne Zukunft hingegen ähnliche Ergebnisse wie die nahe Zukunft erwarten. Insofern gilt für die Auswirkungen des Klimawandels: • In den vergangenen, etwa 100 Jahren, waren nutzungsbedingte Eingriffe in der Wasserwirtschaft für das Auftreten von Niedrigwasserereignissen wesentlicher als direkte Auswirkungen des Klimawandels. • In der nahen Zukunft (2021–2050) muss im worst-case in Gesamtbayern von einer verschärften Niedrigwasserproblematik mit bis zu 30 Prozent niedrigeren Abflusswerten ausgegangen werden. Wahrscheinlich sind allerdings eher Veränderungen in der Größenordnung einer regionalen 10-prozentigen Ab- oder Zunahme. Umsetzung von Klimaanpassung Trockene Witterungsereignisse, die zu Niedrigwasser führen, lassen sich nicht verhindern. Jedoch kann ein ganzheitliches Niedrigwassermanagement bewirken, dass extreme hydrologische Situationen in Grundund Oberflächengewässern vermieden werden oder zumindest weniger intensiv ausfallen. Ein solches Management setzt sich zusammen aus vielen verschiedenen, aufeinander abgestimmten Vorsorgeund Akutmaßnahmen. Die Planung und Umsetzung solcher Maßnahmen ist ein steter Abwägungsprozess, bei dem finanzielle, administrative und politische Hemmnisse zu berücksichtigen sind [58]. Ebenso erfordert es den engen Dialog zwischen den Behörden und allen betroffenen Wassernutzern. Eine erste Abschätzung zu Wirksamkeit, Akteuren sowie Vor- und Nachteilen von ausgewählten Niedrigwassermanagement-Maßnahmen findet sich in den Publikationen „Pilotstudie Niedrigwasser Naab und Sächsische Saale“ [58] und „KLIWA-Heft 23“ [59]. In diesem Kapitel wird vor allem auf übergreifende Maßnahmen eingegangen, welche der öffentlichen Zuständigkeit obliegen. Für einen umfassenden Überblick sei auf „Niedrigwasser in Bayern“ und andere Veröffentlichungen verwiesen. Ein wesentlicher Punkt im Sinne der Niedrigwasserund Trockenheitsvorsorge sind der Rückhalt und die Speicherung von Wasser. Dazu zählt, die Verweildauer des Wassers in der Landschaft zu erhöhen, beispielsweise durch die Renaturierung von Gewässern und Auen, Ausweisung von Wasservorranggebieten, Entsiegelung, dezentrale Versickerung oder die Analyse der Wasserspeicherkapazität durch die Renaturierung von Mooren. Die zweite Möglichkeit zur Wasserspeicherung besteht in Form technischer Bauwerke, wie Rückhaltebecken. Diese können etwa zur Speicherung von Bewässerungs- oder Brauchwasser genutzt werden und vermeiden somit einen Zugriff auf Grund- oder Oberflächenwasserressourcen. Weiterhin erfüllen 15 der 25 staatlichen Wasserspeicher in Bayern in ihrer Haupt- oder Nebenfunktion den Zweck der Niedrigwasseraufhöhung an unterliegenden Fließgewässern. Die Donau-Main-Überleitung ist das größte System dieser Art und stützt den Abfluss im Main in Niedrigwasserzeiten. Eine umfangreiche Beschreibung findet sich in der Publikation „Wasser für Franken“ [60]. Mit vermehrten oder längeren Trockenphasen kommt auf die Speicherbewirtschaftung die Herausforderung zu, einen bedarfsangepasst ausreichenden Füllstand zu erhalten. Das zeigten exemplarische Auswertungen im Rahmen von KLIWA [58]. Mögliche bautechnische Anpassungsmaßnahmen, wie die Erweiterung des Stauraums oder gar der Neubau von Speichern, lassen einen sehr hohen finanziellen, administrativen und politischen Umsetzungsaufwand erwarten. Deutlich einfacher umsetzbar ist eine Anpassung von Betriebsplänen auf Grundlage von aktueller Forschung zur Gebietshydrologie. Neben der Wasserspeicherung bedarf es vor allem eines sparsamen Umgangs mit der Ressource Wasser. Die Bewusstseinsbildung – sowohl bei der Bevölkerung als auch bei gewerblichen Wassernutzern sowie in der Landwirtschaft – erleichtert zudem die Akzeptanz für andere Maßnahmen. Darüber berücksichtigt ein gesamtheitliches Niedrigwassermanagement die Belange aller betroffenen Wassernutzer. Erste Schritte in diese Richtung geht die Regierung von Unterfranken in ihrem Projekt 57 58 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung „Entwicklung eines Niedrigwassermanagements“ mit dem Fokus vor allem auf landwirtschaftliche Bewässerung. Eine vorausschauende, verantwortungsvolle Verteilung der Ressource Wasser vermeidet deren Übernutzung bereits im Vorfeld. Die Umsetzung des Wasserrechts gewährleistet dies bereits. Bei zunehmender Trockenheit ändern sich jedoch die Bescheidsgrundlagen, weshalb den zuständigen Behörden ausreichendes Wissen zu lokalen klimabedingten Änderungen des Wasserhaushalts zur Verfügung stehen sollte. Auch Entscheidungshilfen, beispielsweise für eine einheitliche Bewertung von Entnahmeanträgen, wirken unterstützend. Die Forschung ist damit eine weitere Aufgabe. Das LfU setzt dies in verschiedenen Projekten um (z. B. Projekt „Bewässerung“ KLIWA). Im Projekt „Nutzwasser – Gewinnung und Einsatzmöglichkeiten am Beispiel der Schweinfurter Trockenplatte“ der Regierung von Unterfranken soll die Möglichkeit untersucht werden, z. B. gereinigtes Abwasser aus Kläranlagenabläufen, gesammeltes Niederschlagswasser von befestigten Flächen oder industrielle Produktionsabwässer so aufzubereiten, dass es als „Nutzwasser“ für Bewässerungszwecke wiederverwendet werden kann um damit die natürlichen Wasserressourcen zu schonen. Im tatsächlichen Niedrigwasserfall ermöglichen fortwährende Messungen der meteorologischen, hydrologischen und hydrogeologischen Situation eine fundierte Beurteilung der Lage. Darauf aufbauende Niedrigwasser-Informationsdienste geben diese Informationen an die Wassernutzer weiter und erlauben diesen damit ihr Nutzungsverhalten anzupassen. Zu nennen sind hier der bayernweite Niedrigwasser-Informationsdienst NID15 sowie die beiden „Alarmpläne Gewässerökologie“ an Main16 und Donau17 (siehe Kap. 4.1.2.3). Perspektivisch könnte eine Niedrigwasser-Vorhersage, vergleichbar mit dem Hochwasserwarndienst, die Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Niedrigwassersituationen weiter verbessern. 15 16 17 www.nid.de https://www.regierung.unterfranken.bayern.de/aufgaben/6/3/00756/ index.html https://www.nid.bayern.de/ado Um die Auswirkungen von Niedrigwasserereignissen auf vielzählige Handlungsfelder zu reduzieren, bestehen also unter anderem folgende vorsorgende Anpassungsmaßnahmen: • Der Niedrigwasser-Informationsdienst (NID) sowie die beiden „Alarmpläne Gewässerökologie“ an Main und Donau informieren frühzeitig über trockenheitsbedingte Niedrigwassersituationen, • Staatliche Wasserspeicher zur Niedrigwasseraufhöhung fungieren als Puffer, welche dem Auftreten extremer Niedrigwasserereignisse entgegenwirken, • Maßnahmen zum Wasserrückhalt und zur -speicherung. 4.1.2.2 Trinkwasserversorgung In Bayern werden derzeit etwa 8.400 Wasserfassungen für die öffentliche Trinkwassergewinnung genutzt. Dabei handelt es sich um rund 4.300 Brunnen und etwa 4.100 Quellen sowie auch drei Oberflächenwasserentnahmen (zwei Talsperren und Bodensee). Eine Flusswasserentnahme auf bayerischem Gebiet, die der Zweckverband Landeswasserversorgung (LWV), Stuttgart, betreibt, dient der Trinkwasserversorgung baden-württembergischer Gemeinden. Der überwiegende Teil des gewonnenen Wassers stammt aus dem Grundwasser (Abb. 23). Einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Grundwasserressourcen kommt daher – unter dem Aspekt einer sich ändernden Grundwasserneubildung – eine besondere Bedeutung zu. Abb. 23: Aufteilung der Wassergewinnung in Bayern (inkl. Gewinnung außerbayerischer WVU auf bayerischem Gebiet, wie z. B. LWV Stuttgart, Quelle: Umweltstatistik Bayern 2016). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung Abb. 24: Entwicklung der Grundwasserneubildung aus Niederschlag (mm) im Zeitraum 1951 bis 2018. Als Wasserbilanzgröße ist die Grundwasserneubildung aus Niederschlag ein wichtiges Maß zur „natürlichen Regenerationsfähigkeit“ des Grundwassers. Klimatisch bedingte Änderungen der Niederschlagshöhe und -intensität sowie ein Anstieg der Lufttemperatur haben Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung. In der Vergangenheit wechselten sich mehrjährige Nass- und Trockenphasen ab, wobei die Grundwasserressourcen überwiegend während der neubildungsreichen Nassjahre aufgefüllt wurden. Bedingt durch steigende Temperaturen und eher gering ausfallende Winterniederschläge zeigt sich seit dem Jahr 2003 eine verminderte Grundwasserneubildung (Abb. 24). Inwieweit dieser Trend anhält, ist derzeit nicht absehbar. Die zukünftig zu erwartenden Änderungen bei Niederschlag und Temperatur (v. a. Regen statt Schnee, Starkregen und damit schneller Abfluss, Zunahme der Verdunstung) gehen in Summe zu Lasten der Grundwasserneubildung und haben damit voraussichtlich auch Auswirkungen auf Grundwasserstände und Quellschüttungen. Im Projekt „KLIWA Grundwasser“ werden Fallstudien zur Quantifizierung des regionalen Änderungssignals von Quellschüttungen in Bereichen mit gering ergiebigen Grundwasserleitern durchgeführt, um die regional unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasserdargebot abzuschätzen (www.kliwa.de). Statistische Untersuchungen an ausgewählten Messstellen mit langen Datenreihen lassen bei Betrachtung des jeweiligen Messzeitraums an rund 75 % der Messstellen eine langfristig abnehmende Tendenz erkennen (Abb. 25 und Abb. 26). 59 60 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 25: Entwicklung der Grundwasserstände der oberflächennahen Messstelle Thierhaupten-S.D36 (Quartär). Abb. 26: Entwicklung der Grundwasserstände der Tiefengrundwasser-Messstelle Hammersbach T3T (Tertiär). Das sinkende Grundwasserdargebot steht einem vor allem in sommerlichen Trockenphasen erhöhten Bedarf an Trink- und Brauchwasser gegenüber. Dies kann zu Nutzungskonflikten führen, insbesondere bei länger anhaltenden Trockenperioden und erschwert so eine nachhaltige Bewirtschaftung der Grundwasserressourcen. • Auf Grund von Austrocknung der Böden und anschließendem (Stark-)Regen treten vermehrt Trübstoffeinbrüche und mikrobiologische Belastungen bei Gewinnungsanlagen ohne ausreichend filtrierende Bodenschichten auf. Auch in einigen Tiefengrundwasservorkommen zeigen sich seit Jahren fallende Grundwasserstände (Abb. 26) und Anzeichen von Übernutzung. Aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf das oberflächennahe Grundwasser und des möglichen zusätzlichen Wasserbedarfs werden Begehrlichkeiten an das sich nur langsam erneuerbare, im unbeanspruchten Zustand qualitativ hochwertige Tiefengrundwasser stärker. Auf dieses soll nur bei unabdingbarer Notwendigkeit zurückgegriffen werden, wenn keine anderen Alternativen vorhanden sind und weder eine Speicherentleerung noch eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit stattfinden. Mit einer Verringerung des Trinkwasserdargebots können auch qualitative Aspekte einhergehen, wie beispielsweise verstärkte Spurenstoffbelastungen bei Trinkwassergewinnungen mit Uferfiltrateinfluss. Für die Niederschlagsentwicklung zeigen die Szenarienrechnungen neben länger anhaltenden Trockenphasen mit einhergehender Temperaturerhöhung auch ein verstärktes Auftreten von Starkregen- bzw. Hochwasserereignissen. Auch hieraus können folgende Gefahren für eine sichere Trinkwasserversorgung entstehen: • Erhöhtes Gefährdungspotential bei Gewinnungsanlagen in Überschwemmungsgebieten mit möglichen einhergehenden Qualitätsproblemen und Versorgungsausfällen. • Bei Niedrigwasser bzw. zurückgehender Grundwasserneubildung mögliche Verschlechterung der Rohwasserqualität. • Erwärmung des Trinkwassers in wenig durchspülten und nicht ausreichend tief liegenden Rohrleitungen, gegebenenfalls mit einhergehenden mikrobiologischen Gefährdungen. • Erhöhter Bedarf an Trinkwasseraufbereitungsanlagen. Umsetzung von Klimaanpassung Für die Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung stellen sich insbesondere vor den zu erwartenden Veränderungen durch den Klimawandel neue Herausforderungen. Auch in künftig auftretenden Trockenzeiten müssen ausreichende Trinkwasserressourcen in guter Qualität zur Verfügung stehen, trotz möglicherweise anhaltend rückläufiger Grundwasserneubildung, fallenden Grundwasserständen und niedrigerer oder sogar ausbleibender Quellschüttung. Dies kann – wo regional möglich – durch die Erschließung zusätzlicher Gewinnungsgebiete erreicht werden. Wichtig ist insbesondere auch eine weitere „Vernetzung“ der Wasserversorgungsunternehmen untereinander durch Schaffung leistungsfähiger Verbünde und der sorgsame Umgang mit Trinkwasser. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Im Projekt „Erhebung und Bewertung der öffentlichen Wasserversorgung in Bayern“ erfolgt die Bewertung der Versorgungssicherheit aller bayerischen öffentlichen Wasserversorgungsanlagen. Nach Abschluss der ersten Erhebungsrunde im Jahr 2016 mit Veröffentlichung der „Wasserversorgungsbilanzen 2025“, steht deren Fortschreibung für den Prognosehorizont 2035 an. Dabei ist für jede Wasserversorgungsanlage der künftige Wasserbedarf abzuschätzen und dem langfristig gesicherten und schützbaren Dargebot gegenüberzustellen (Wasserbilanz), insbesondere auch vor den zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels und dem Szenario einer weiter anhaltenden defizitären Grundneubildung. Das zweite Kriterium zur Beurteilung der Versorgungssicherheit ist die Frage nach Versorgungsalternativen („Zweites Standbein“). Das Projekt „Klimaanpassung und Wasserversorgung – Risikobewältigung bei Hochwasser, Starkniederschlägen und Uferfiltrateinfluss“ beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserversorgungsanlagen, die Trinkwasser aus uferfiltratbeeinflussten Anlagen gewinnen. Durch das Projekt sollen bayernweit Wassergewinnungsanlagen erhoben und bewertet werden, welche bedingt durch den Klimawandel zunehmenden Risiken durch Überschwemmungen, Uferfiltrateinfluss oder beschleunigter Niederschlagsversickerung bei Starkregenereignissen ausgesetzt sind. Für einen vorsorgenden Trinkwasserschutz erweitern sich die Kriterien gegenüber dem unterirdischen Einzugsgebiet um Risiken der angekoppelten Oberflächengewässer. Ziel ist die Entwicklung entsprechender Handlungsanleitungen für eine sichere Wasserversorgung auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse fließen auch in die bayerische Strategie im Umgang mit Spurenstoffen auf Kläranlagen ein. Seit den 1970er Jahren wurden in Bayern im Rahmen der Grundwassererkundung noch nicht genutzte, überörtliche bedeutende Grundwasservorkommen im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Trinkwasserversorgung untersucht und gesichert. In mehreren Veröffentlichungen, wie z. B. „Bayerische Klima-Anpassungsstrategie 2016 [55], „Niedrigwasser in Bayern“ [57], aber auch im Maßnahmenpaket der „Klimaschutzoffensive Bayern“ [61], werden verschiedene Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung in einer klimawandelgeprägten Zukunft aufgeführt. Diese umfassen unter anderem: • Forschungsprojekte zu Klimawandelfolgen einschließlich geeigneter Maßnahmen wie KLIWA (Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft, https://www.kliwa.de/) und ClimEx (Climate change and hydrological extreme events – Risks and perspectives for water management in Bavaria and Québec, http://www.climex-project.org/). • Erhöhung der Versorgungssicherheit mittels Vernetzung von Wasserversorgungsunternehmen durch Ausbau örtlicher und regionaler Verbünde oder Errichtung zusätzlicher Wassergewinnungsanlagen („Zweites Standbein“) und Ausbau des Fernwasserversorgungssystems als Ergänzung. • Ausbau der quantitativen und qualitativen Grundwassermessnetze (einschließlich Tiefen-grundwasser) zur Überwachung und Dokumentation der langfristigen Entwicklung der Grundwasserressourcen sowie als Datenbasis für Grundwasserund Landschaftswasserhaushaltsmodelle. • Sicherung der erkundeten Grundwasservorkommen für die öffentliche Wasserversorgung durch Vorrang- und Vorbehaltsgebiete in den Regionalplänen mit regelmäßiger Überprüfung der Aktualität. • Verstärkte Schonung von Tiefengrundwasser (langsam regenerierende Grundwassersysteme). • Sicherung der Grundwasserqualität durch konsequenten qualitativen Schutz des Grundwassers (z. B. Nitratsanierungsprojekte). • Schutz von Wasserversorgungsanlagen und abwassertechnischen Anlagen vor Hochwasser. • Berücksichtigung der klimatischen Entwicklung in wasserrechtlichen Bescheiden. 61 62 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung • Ersatz nicht schützbarer Wasserfassungen. • Reduzierung von Wasserverlusten bei der Wasserverteilung. • Sensibilisierung der Öffentlichkeit, Intensivierung des Dialogs, Kooperation und Beteiligung aller betroffenen Akteure bei der Festlegung von Anpassungsmaßnahmen. • Sensibilisierung der verschiedenen Nutzergruppen hinsichtlich ihres Wasserverbrauchsverhaltens, Förderung der Reduzierung der Wasserentnahme. 4.1.2.3 Gewässerökologischer Zustand Der gewässerökologische Zustand wird im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorrangig anhand der Gewässerbiologie, also den Algen, Wasserpflanzen, Fischen und den wirbellosen Organismen des Gewässergrundes bestimmt. Unterstützend werden chemisch-physikalische Parameter wie z. B. Phosphor-, Ammoniak- und andere Nährstoffkonzentrationen sowie hydromorphologische Komponenten für die Bewertung herangezogen [57]. Die Wasserrahmenrichtlinie gibt als Ziel vor, dass alle Flüsse und Seen sowie das Grundwasser nach Möglichkeit bis 2015 – spätestens bis 2027 – in einem „guten“ oder einem „sehr guten ökologischen Zustand“ sind, also in einem naturnahen, vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Zustand. Im Jahr 2015 wurde dieses Ziel in Bayern für etwa 15 Prozent aller WRRL-relevanten Fließgewässer und für etwa die Hälfte (56 Prozent) der Seen erreicht [57]. Die Gründe für eine Zielverfehlung sind vielfältig. Es ist jedoch anzunehmen, dass auch die Folgen von Klimaveränderungen, beispielsweise veränderte Niedrigwasserabflüsse oder steigende Wassertemperaturen, Einfluss auf den ökologischen Zustand haben. Auswirkungen auf den gewässerökologischen Zustand Das Vorkommen aquatischer Tier- und Pflanzenarten wird durch die abiotischen Gewässereigenschaften maßgeblich beeinflusst. Jede Art besitzt einen spezifischen Optimums- und Toleranzbereich bezüglich Faktoren wie Wassertemperatur und Nährstoff- gehalt. Bei Niedrigwasser und damit sehr geringen Wassermengen weichen die genannten Parameter besonders stark von „normalen“ Wertebereichen ab. Diese Veränderungen in Wasserdargebot und -qualität können sich vor allem in Verbindung mit bereits bestehenden anthropogenen Beeinträchtigungen negativ auf die Gewässerlebensgemeinschaften auswirken. Fließgewässer Besonders an kleinen Fließgewässern besteht in langanhaltenden Niedrigwasserperioden Austrocknungsgefahr. Die sinkenden Wasserstände bedingen zudem eine schnellere Erwärmung insbesondere langsam fließender Gewässer. Dieser Effekt kann lokal durch menschliche Nutzung, beispielsweise Kühlwassereinleitungen oder Stauhaltungen, verstärkt werden. Warmes Wasser löst weniger Sauerstoff, der Sauerstoffbedarf der Organismen hingegen nimmt mit steigenden Temperaturen zu. Dies bedeutet einen zunehmenden physiologischen Stress für die Gewässerfauna. Sinkt der Sauerstoffgehalt unter einen kritischen Wert, so kann dies negative Auswirkungen insbesondere auf kälteangepasste, sauerstoffbedürftige Organismen (z. B. Salmoniden, heimische Muschelarten) haben. Im ungünstigsten Fall führt der Sauerstoffmangel zu einem Verenden einzelner Tiere oder sogar lokaler Bestände. Auch kommt bei Niedrigwasser der Verdünnungseffekt weniger zum Tragen: Werden durch menschliche Aktivitäten Nähr- oder Schadstoffe eingeleitet, finden sich diese konzentrierter im Wasser wieder. In bereits belasteten Gewässern kann es so zu einer Überschreitung von Toleranzwerten kommen, die eine Schädigung sensibler Organismen zur Folge hat. Niedrigwasserperioden begünstigen auch die Massenentwicklung von bestimmten Algen- und Wasserpflanzenarten, zum Nachteil für konkurrenzschwache Arten. Abbauprozesse der absterbenden Biomasse verstärken zusätzlich die Sauerstoffzehrung im Wasser. Ausführlichere Auswirkungen von Niedrigwasser auf die Gewässerökologie werden in der LfU-Publikation „Niedrigwasser in Bayern – Grundlagen, Veränderung und Auswirkungen“ beschrieben [57]. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Seen Kritische Wasserstände bei Seen infolge von Niedrigwasser beeinflussen die Gewässerökologie insbesondere im Uferbereich, wenn in der Regel überstaute Flächen der Uferbänke über längere Zeit trockenfallen. Größere Teile des Lebensraums für makroskopische und mikroskopische Wasserpflanzen sowie für an das Leben im Wasser angepasste Tierarten verschwinden, bereits abgelegter Laich vertrocknet. An das Freiwasser angebundene Bereiche wie Röhrichtbestände werden abgeschnitten und verlieren dadurch ihre Funktion als Lebensraum, Laichhabitat, Unterstand, Futterhabitat und Schutzzone für Wasserorganismen. Es ist anzunehmen, dass zukünftig trockenheitsresistentere Arten gegenüber sensibleren Arten Vorteile haben. In größeren Seen können insbesondere klimabedingt steigende Wassertemperaturen weitreichende direkte oder indirekte Folgen für die Gewässerökologie haben. Fehlende oder sehr geringe Eisbedeckung verbunden mit vermehrter Sonneneinstrahlung macht das Auftreten von Planktonblüten und damit auch deren Absterben früher im Jahresverlauf möglich. Dies hat Auswirkungen unter anderem auf die Nahrungskette. Alle Konsumenten, deren Auftreten und Wachstum zeitlich auf das zur Verfügung stehende Futterangebot abgestimmt sind, müssen auf diese Verschiebung reagieren. Gelingt dies nicht, entstehen Situationen, in denen sich Organismengruppen nicht entwickeln können oder auch absterben. Generell werden wärmeliebende Organismen gefördert. Dazu gehören auch toxische Arten. Im Uferbereich können überdurchschnittlich hohe Wassertemperaturen für weniger mobile Organismen wie z. B. Pflanzen oder Muscheln existenziellen Stress bedeuten, da sie nicht in kühlere Gewässerbereiche ausweichen können. Die Temperatur hat zudem entscheidenden Einfluss auf das Schichtungsverhalten eines Sees. Eine klimabedingte Verlängerung der sommerlichen Schichtung könnte zukünftig die bereits existierenden anthropogen bedingten Eutrophierungsprozesse, die bei den Seen die Hauptursache für die Zielverfehlung nach WRRL darstellen, verstärken. Während der sommerlichen Schichtungsphase findet auf Grund des Dichtegradienten kein Sauerstoffaustausch zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser statt. Je stärker sich der Wasserkörper im Sommer aufheizt, desto später im Jahr wird eine Durchmischung stattfinden. In einigen Fällen und Jahren findet diese auch gar nicht statt. Der in der Tiefe aufgebrauchte Sauerstoff wird dann nicht ersetzt. Je länger dieser Zustand anhält, desto größer ist die Gefahr, dass es am Seegrund zu einer absoluten Sauerstofffreiheit kommt. Dies kann eine Rücklösung von Phosphor aus dem Sediment in das Freiwasser zur Folge haben, wodurch während der nächsten Durchmischung des Sees der Nährstoffgehalt im gesamten Wasserkörper steigt. Der Klimawandel beeinflusst den ökologischen Zustand der Gewässer über Änderungen im Wasserstand und Temperaturregime also wie folgt: • Langanhaltende, sommerliche Niedrigwasserereignisse beeinflussen die Gewässerlebensräume durch Minderung in Wasserdargebot und -qualität. Trockenfallende Uferbänke gehen als Lebensraum für Wasserbewohner verloren. • Klimabedingte Veränderungen der abiotischen Gewässereigenschaften wie Temperatur oder Nährstoffgehalt bedingen Verschiebungen in Artenvorkommen und -zusammensetzung. • Eine zukünftige regionale Verschärfung von Niedrigwasserereignissen und langanhaltenden Hitzewellen können sich so, zusätzlich zu bestehenden Stressfaktoren, negativ auf den ökologischen Zustand der bayerischen Gewässer auswirken. Umsetzung von Klimaanpassung Um Beeinträchtigungen der Gewässerökologie infolge von Klimaveränderungen gering zu halten, bedarf es in erster Linie eines zukunftsorientierten und gebietsspezifischen Gewässermanagements, das sowohl vorsorgende als auch operative Maßnahmen beinhaltet. Zukünftig könnten vermehrt lokale Maßnahmen, beispielsweise die Umsiedlung einzelner Muschelpopulationen aus trockenfallenden Gewässern, notwendig werden, um ohnehin bereits gefährdete Arten in ihrem Bestand zu schützen. Ein Ziel sowohl der EG-WRRL als auch des Bayerischen 63 64 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Gewässer-Aktionsprogramms 2030 ist es, die ökologische Funktionsfähigkeit von Gewässerökosystemen durch Revitalisierungsmaßnahmen, insbesondere an stark beeinträchtigten Gewässern, zu stärken. Je naturnäher ein Gewässer, desto widerstandsfähiger ist es gegenüber Extremereignissen. Fließgewässer Naturnahe Fließgewässer besitzen meist eine große Habitatdiversität und können durch Strukturen wie tiefe Kolke einen Rückzugsraum im Niedrigwasserfall bieten. Die ökologische Durchgängigkeit von Fließgewässern trägt dazu bei, dass Fische und Wirbellose in wasserreichere Gebiete ausweichen können. Gewässerbeschattung durch natürlichen Uferbewuchs bewirkt insbesondere an kleinen Gewässern eine deutliche Senkung der Wassertemperatur und mindert somit den physiologischen Stress für die Bewohner. Ein naturnah gestaltetes Ufer trägt außerdem dazu bei, Schad- und Nährstoffeinträge aus dem Umland, zu vermindern. Neben der Stärkung der Gewässerresilienz spielt auch eine an die ökologischen Erfordernisse angepasste, ressourcenschonende Nutzung eine wichtige Rolle im Niedrigwassermanagement. Zunehmende Niedrigwasserereignisse insbesondere in den Sommermonaten verringern die Wasserverfügbarkeit, während der Wasserbedarf z. B. für landwirtschaftliche Bewässerungsmaßnahmen mit zunehmender Trockenheit steigt. Wasserqualitäts- und Umweltziele dürfen durch Entnahme größerer Wassermengen nicht beeinträchtigt werden. In Fließgewässern ist es daher wichtig auch im Niedrigwasserfall einen ökologischen Mindestwasserabfluss z. B. an Ausleitungskraftwerken oder in Zuläufen von Teichanlagen zu erhalten. Entsprechende Mindestwasserregelungen sind in den Wasserrechtsbescheiden festzuhalten oder unter dem Aspekt zukünftiger Klimaveränderungen zu aktualisieren. Eine Überwachung der Wasserqualität und ein gebietsspezifisches Management tragen dazu bei, irreparable Beeinträchtigungen der Gewässer­ ökologie in Niedrigwassersituationen zu verhindern. Sowohl am bayerischen stauregulierten Main als auch an der bayerischen Donau wurde dazu ein „Alarmplan Ökologie“ etabliert. Erreichen Wasserqualitätsparameter wie Temperatur oder Sauerstoffgehalt einen für die Gewässerökologie kritischen Wert, wird der Alarmplan ausgelöst. Je nach Meldestufe werden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, die auch zu Einschränkungen in der Gewässernutzung führen können. Derartige Maßnahmen beinhalten beispielsweise Turbinenbelüftung und Wehrüberfall an Kraftwerken, um den Sauerstoffgehalt zu erhöhen, aber auch Möglichkeiten zur Einschränkung gewerblicher Wärme- und Nährstoffeinleitungen oder Wasserentnahmen. Seen Bei Seeökosystemen muss ein vorsorgendes, zukunftsorientiertes Management insbesondere Maßnahmen enthalten, die einen Nähr- und Schadstoffeintrag in die Gewässer weitgehend verhindern, um einer klimabedingten Verstärkung von Eutrophierungsprozessen entgegenzuwirken. Dabei ist eine angepasste Nutzung sowohl des Einzugsgebietes der Zuflüsse als auch des direkten Gewässerumfelds entscheidend, beispielsweise auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch ausreichend breite Gewässerrandstreifen mit einer standortgerechten Ufervegetation können Nährstoffeinträge minimieren. Möglichst naturnahe Ufer können das Trockenfallen und Abschneiden von z. B. Röhrichtbeständen zwar nicht verhindern, bieten aber zumindest mobileren Organismen bessere Möglichkeiten den passenden Lebensraum zu erreichen. Nicht mobile Organismen, wie z. B. Pflanzen, können unverbaute Ufer besser wiederbesiedeln. Die Bewirtschaftung von Seen und Talsperren muss unter Berücksichtigung der Anforderungen der Gewässerökologie erfolgen und bei längerfristig wirkenden Maßnahmen auch für einen entsprechenden Zeitraum geplant werden. Beispielsweise muss im Fall von Niedrigwasseraufhöhung eine Abwägung von ökologischen und nutzungsbedingten Anforderungen beachtet werden. Thermische Nutzung ist wie bei Fließgewässern nur unter Berücksichtigung des Gesamttemperaturregimes des Gewässers zu genehmigen und durchzuführen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.1.2.4 Schutz vor Hochwasser und Starkregen Im Juni 2013 verursachten Hochwasserereignisse entlang der großen Flüsse alleine in Bayern einen monetären Schaden in Höhe von ca. 1,3 Milliarden Euro [62]. Aber auch Hochwasser infolge von Starkregenereignissen dürfen nicht unterschätzt werden. Die extremen Ereignisse von 2016 verursachten alleine im Regierungsbezirk Niederbayern Schäden in Höhe von ca. 1,25 Milliarden Euro [41]. Im Rahmen des Zehn-Punkte-Plans zur Bayerischen Klimaschutzinitiative und dem neuen Bayerischen Gewässeraktionsprogramm 2030 (BAP 2030) liegt darum auch in Zukunft eine hohe Priorität auf Hochwasserrisikomanagement und Hochwasserschutz [61]. In Bezug auf Flusshochwasser wurden 60 bayerische Pegel im Zeitraum 1932 bis 2015 ausgewertet [63]. Hier zeigten in etwa 20 Prozent der Pegel belastbare zunehmende Trends der jährlichen Höchstabflüsse, vor allem südlich der Donau. Modellergebnisse der zukünftigen mittleren Hochwasserabflüsse (Flusshochwasser) im hydrologischen Winterhalbjahr tendieren zu einer Zunahme, allerdings regional unterschiedlich stark. Für das Sommerhalbjahr weisen die Modellergebnisse keine eindeutige Entwicklung auf. Für die Zukunft zeigen die Ergebnisse von KLIWA und dem Projekt ClimEx, dass sich Intensität und Frequenz, besonders von seltenen Hochwasserereignissen voraussichtlich erhöhen werden. Aufgrund des Klimawandels gilt für Hochwasser: Auswirkungen auf Hochwasser Durch den Klimawandel werden in Bayern für die Zukunft häufigere und intensivere lokale Starkniederschläge sowie großräumige und flusshochwasserverursachende Regenereignisse erwartet (Kap. 3.3). Besonders stark prägt sich diese Zunahme bei seltenen Ereignissen mit kurzer Dauer (wenige Stunden) aus [42]. Es muss also davon ausgegangen werden, dass Extremereignisse in Bayern in Zukunft häufiger auftreten werden. Abb. 27: Durch Starkregen bildet sich auf einem Acker Oberflächenabfluss. • Die Gefährdungslage durch Hochwasser infolge von Starkregen wird voraussichtlich überall in Bayern steigen, da intensive Starkregenereignisse häufiger werden und diese auch unabhängig von Fließgewässern zu Oberflächenabfluss und Sturzfluten führen können. • An Fließgewässern muss bei einer Zunahme von Intensität und Häufigkeit großräumiger, mehrtägiger Regenereignisse zudem mit einer erhöhten Hochwassergefährdung gerechnet werden. Umsetzung von Klimaanpassung Starkregen und Hochwasser können durch den Menschen nicht verhindert werden. Der Mensch kann und muss sich jedoch auf diese Ereignisse vorbereiten und damit zu einer wesentlichen Reduzierung der negativen Folgen beitragen. Hochwasserrisikomanagement und technischer Hochwasserschutz sowie Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt müssen an die prognostizierten Veränderungen der Gefährdungslage angepasst werden. Bemühungen zur Vorsorge müssen von allen Beteiligten und Betroffenen weiter intensiviert werden. Dies gilt insbesondere auch für Gewässer dritter Ordnung, an denen häufig noch keine Hochwassergefahren und Überschwemmungsgebiete ermittelt wurden. Ein besonderer Fokus muss zudem auf Oberflächenabfluss und Sturzfluten infolge von Starkregen gelegt werden, da diese auch fern von Gewässern zu erheblichen Schäden führen können. 65 66 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Durch eine wassersensible Siedlungsentwicklung und hochwasserangepasste Bauweisen können Risiken verringert werden. Synergien mit dem ökologischen Gewässerausbau und der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung und Freiraumgestaltung müssen genutzt werden. Dabei ist auch der Umgang mit zu wenig Wasser infolge von längeren Trockenheits- und Hitzeperioden mit zu berücksichtigen und bereits frühzeitig in den Planungsprozessen einzubeziehen. Künftige Änderungen des Hochwassergeschehens an großen Fließgewässern werden im Hochwasserrisikomanagement und bei präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern bereits berücksichtigt: seit 2004 wird bei der Bemessung von Hochwasserschutzanlagen ein vorsorgender Klimaänderungszuschlag einbezogen [8]. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind im bayerischen Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus besonders der Umgang mit extremen Hochwasserereignissen und mit der Überlastung von Hochwasserschutzanlagen (Überlastfall) in den Fokus gerückt. Eine Konsequenz ist ein erweitertes Rückhaltekonzept, bei dem das Ziel verfolgt wird, Retentionspotenziale systematisch zu erheben, ihre Wirkungen zu analysieren und daraus Empfehlungen für eine verstärkte Umsetzung geeigneter Maßnahmen abzuleiten. Hierzu werden mehrere Grundlagenuntersuchungen zur Wirksamkeit unterschiedlicher Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt, von dezentralen Rückhaltemaßnahmen in der Fläche und am Gewässer, über Staustufenmanagement, bis zu Flutpoldern an großen Flüssen für den Hochwasserrückhalt bei sehr großen Hochwasserereignissen [56]. An der Donau wird zum Umgang mit dem Überlastfall bei auftretenden sehr großen Hochwasserereignissen bereits das bayerische Flutpolderprogramm umgesetzt. Der erste Flutpolder an der Donau wird Anfang 2020 bei Riedensheim (stromaufwärts von Neuburg a. d. Donau) fertig gestellt sein. Ein durch intensiven Starkregen verursachtes Hochwasser äußert sich in Form von Oberflächenabfluss und Sturzfluten an Gräben und kleinen Gewäs- sern. Der Umgang mit Hochwasser infolge intensiven Starkregens erfordert ein integrales Risikomanagement. Der Schwerpunkt für die Ausarbeitung und Umsetzung gezielter Maßnahmen eines Starkregenrisikomanagements liegt dabei auf der lokalen Ebene. Dabei nehmen die Kommunen eine Schlüsselrolle in den Bereichen Vorsorge, Bewältigung und Wiederaufbau ein [62]. Grundsätzlich gilt, dass Hochwasser infolge von Starkregen überall auftreten kann, auch fern von Gewässern. Es muss daher auch davon ausgegangen werden, dass durch den Klimawandel ganz Bayern von erhöhten Gefahren durch Oberflächenabfluss und Sturzfluten betroffen sein kann. Das Projekt HiOS (Hinweiskarten Oberflächenabfluss und Sturzflut) liefert wichtige Grundlagen für eine bayernweite Hinweiskarte für die Gefährdung der bayerischen Kommunen.18 Beispiele wie das in Kapitel 3.3 erwähnte Sturzflutereignis des Jahres 2016 von Simbach am Inn zeigen, dass auch extreme Ereignisse in Bayern möglich sind. Wie bereits im Klima-Report-Bayern 2015 [8] ausführlich beschrieben, muss im Zuge des Klimawandels auch mit einer Verstärkung von Wildbachgefahren gerechnet werden. Diesem Aspekt wird beim Wildbachausbau einerseits durch Verwendung des Klimaänderungszuschlags Rechnung getragen, andererseits werden einzugsgebietsbezogene vergangene und zukünftige Entwicklungen im Rahmen von integralen Wildbachentwicklungskonzepten berücksichtigt. Grundsteine für die Umsetzung der Klimaanpassung sind: • Konsequente Weiterführung der im Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus begonnen und durch das Gewässeraktionsprogramm 2030 ergänzten Maßnahmen • Intensivierung von Hochwasser- und Starkregenrisikomanagement • Wassersensible Siedlungsentwicklung und hochwasserangepasste Bauweisen 18 www.hios-projekt.de Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG David Piatka, Doktorand, Prof. Johannes A.C. Barth, PhD, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (bayklif); Verbundprojekt „AquaKlif“ Sauerstoff als ohnehin knappes Gut in Gewässern könnte noch weniger werden Das Verbundprojekt AquaKlif beschäftigt sich mit Einflüssen multipler Stressoren auf Fließgewässer im Klimawandel. Das nachfolgend dargestellte AquaKlif Teilprojekt 2 bestimmt Veränderungen der Konzentration des im Wasser gelösten Sauerstoffs, um ökologische Auswirkungen veränderter Umweltbedingungen und geeignete Maßnahmen zum Gewässerschutz zu eruieren. Um Aussagen über Quellen, Senken und Umsetzungen von Sauerstoffkonzentrationen zu treffen, werden mit speziellen Massenspektrometer-Techniken neben den Konzentrationen auch stabile Isotopenverhältnisse des gelösten Sauerstoffs gemessen. Hierbei geben Verschiebungen der 18O/16O-Verhältnisse Hinweise dazu, ob Sauerstoff aus der Luft oder aus Aktivitäten von Wasserpflanzen und Algen stammt. Atmung als Hauptverbraucher des Sauerstoffs verursacht oft eigene typische Isotopenverhältnisse. Damit können wichtige Beziehungen zwischen Photosynthese und Respiration definiert werden und es lässt sich bewerten, wie sie sich in Fließgewässern über Jahres- und Tageszeiten ändern. Durch Verknüpfung der Ergebnisse mit Daten gefährdeter Arten können Empfehlungen für deren Schutz erarbeitet werden. Es ist eine Herausforderung, diese Dynamiken nicht nur in frei fließenden Wässern, sondern auch in Flusssedimenten zu untersuchen. Hierzu müssen spezielle Beprobungstechniken entwickelt werden, die den wenigen Sauerstoff im oft trüben Sedimentwasser gut erhalten, bevor er im Labor gemessen wird. Solche Untersuchungen sind sowohl in natürlichen Gewässern als auch in künstlichen Fließrinnen vorgesehen. Fließrinnenexperimente können Einflüsse von Temperatur, Sedimenteintrag und Grundwasser gezielt simulieren und somit verschiedene Klimaszenarien darstellen. Bisherige Ergebnisse zeigen, wie komplex Verfügbarkeit und Umsätze von Sauerstoff in Fließgewässern und Sedimenten sind. Möglicherweise spielen bislang kaum untersuchte Prozesse wie Eisenoxidbildungen eine Rolle. Einflüsse von Grundwasser können durch spezielle Methoden des Gases Radon näher untersucht und mit Sauerstoff in Verbindung gebracht werden. Es gibt aber auch Sedimente die möglicherweise Reste von Sauerstoff aus Photosynthese vorweisen. Hierbei sind Beziehungen zu Nährstoffen und Grundwassereintrag genauer zu klären. Bislang kaum erkannte Beziehungen zu Temperaturänderungen, geringeren Abflüssen und Sedimenteinträgen sind sehr wahrscheinlich. Es müssen aber auch Einflüsse vorherrschender Landnutzung im Einzugsgebiet der Fließgewässer mit in Betracht gezogen werden. Insgesamt stellt die interdisziplinäre Untersuchung des Sauerstoffs durch Isotopenanalysen in Kombination mit einem biologischen und hydrogeologischen Prozessverständnis in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung eine sehr vielversprechende Herangehensweise dar, um Auswirkungen des Klimawandels auf Fließgewässer besser verstehen und abmildern zu können. Abb. 28: Sauerstoffkonzentrationen in Gewässern und Sedimenten hängen stark von Fließdynamiken und Lufttemperatur ab. 67 68 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.2 Landwirtschaft Kurz gesagt, • Zu pflanzenverfügbarem Wasser und Bewässerung: Steigende Temperaturen führen zu einer erhöhten Verdunstung und somit zu weniger pflanzenverfügbarem Wasser in den Böden. Um ein nachhaltiges Management der Wasserressourcen zu gewährleisten, werden (i) für ausgewählte Gebiete Wasserbilanzen erstellt und der landwirtschaftliche Wasserbedarf über eine Studie des Thünen-Institutes prognostiziert, (ii) im Rahmen des Aktionsplans Bewässerung der bayerischen Staatsregierung neue, nachhaltige Wasserressourcen für die Bewässerung ermittelt, (iii) an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) durch Forschungstätigkeiten die Grundlagen für eine ressourcenschonende und praxistaugliche Bewässerung geliefert, (iv) vom Bewässerungsforum Bayern in einer internetbasierten Informationsplattform aktuelle Erkenntnisse zu wassersparenden ­Bewässerungstechnologien veröffentlicht. 4.2.1 Ausgangslage Etwa 45 % der Gesamtfläche Bayerns werden landwirtschaftlich genutzt. Die landwirtschaftliche Produktion hängt auf diesen Flächen entscheidend von der Qualität und Verfügbarkeit zahlreicher natürlicher Ressourcen wie Boden und Wasser ab. Durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der Nutzflächen trägt die Landwirtschaft aktiv zum Ressourcenschutz wie auch zum Klimaschutz bei. Die moderne Landwirtschaft erfüllt somit neben der Produktion hochwertiger regionaler Lebensmittel heute zusätzlich diverse Öko- und Ausgleichsfunktionen für Gesellschaft, Natur und Umwelt. Abb. 29: Kohlanbau. Durch die extreme Trockenheit des Jahres 2018 (Kap. 3.3), in welchem allein die existenzbedrohenden Schäden in landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland mit 770 Millionen Euro beziffert wurden, trat die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Niederschlags- und Temperaturmustern deutlich hervor. Insbesondere im Gartenbau ist die Beregnung ein essentieller wirtschaftlicher Faktor. Generell wirken sich die veränderten Klimarahmenbedingungen unterschiedlich auf Pflanzenbau, Tierhaltung und Teichwirtschaft aus. Dabei muss sich die Landwirtschaft weiterhin auf längere Vegetationsperioden und die Aufnahme neuer, wärmeliebender Kulturen in das Anbauprogramm einstellen. Gleichzeitig profitieren manche Unkräuter, tierische Schaderreger und Pilzkrankheiten vom Klimawandel, andere werden zurückgedrängt. Durch den früheren Vegetationsbeginn werden klimabedingte Gefahren, wie z. B. Spätfröste zu einem existenziellen Problem frühblühender Kulturen des Obst- und Weinbaus. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für die Handlungsfelder Landwirtschaft und Wasserwirtschaft folgende Handlungsziele, welche die Landwirtschaft als Akteur unmittelbar betreffen [55]: Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Main Eger HAS Ma in SW Bewässerte land- und gartenbauliche Nutzfläche je Landkreis [% der landwirtschaftlichen Fläche] Hof < 0,1 > 0,1 bis 5 Bayreuth BA Würzburg WÜ KT FO ERH FÜ Ansbach Bad en Wü rtte mb erg n- Do al Donau > 20 n au - KEH Regensburg R KEH SR LA PAF Isar DEG Passau DGF Landshut FS AIC Landkreiskürzel Grenze Landkreis Do Inn Isar Lech Do nau ND Bewässerte Flächen über 1.000 ha Regen EI DON Augsburg > 15 bis 20 LAU an A > 10 bis 15 REP UBLI K Nürnberg RHK DLG > 5 bis 10 TSCH ECHI SCHE na u MÜNCHEN M EBE l za Sa ÖST ERREI CH ch • Eine Strategie für die Versicherung witterungsbedingter Risiken entwickeln. Aschaffenburg Sach se n N a ab • Die Rahmenbedingungen für geeignete Strukturen zur nachhaltigen Wasserbeschaffung und zur fairen Wasserverteilung erarbeiten und entsprechende Beratungskapazitäten aufbauen. nk. Frä Sa a l e l üh • Untersuchungen zum Bewässerungsbedarf und zur Verfügbarkeit von Wasserressourcen sowie zum Bedarf an Bewässerungstechnologien und zur Förderung geeigneter Bewässerungsstrukturen. Sa a le Th ü rin ge n Hesse n ai M • Die Förderung von Konzepten zur nachhaltigen und umweltverträglichen Bewässerung. Pflanzenverfügbares Wasser und Bewässerung Iller Bo Rosenheim Kempten de ns ee SCHW EI Z 0 Isar Der bayerische Ministerrat hat am 03.07.2018 das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beauftragt, den „Bayernweiten Aktionsplan für die Bewässerung“ auszuarbeiten. Folgende Ziele sollen zum Erhalt der regionalen und nachhaltigen Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, Obst, Wein und Gemüse umgesetzt werden: 4.2.2.1 m Alt • Große Bedeutung erhalten die Ziele, die Wasserversorgung der Kulturpflanzen durch geeignete Maßnahmen zu verbessern sowie Gefahren durch neue Schädlinge und Krankheiten so gering wie möglich zu halten. Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung ein • Eine Anpassung der landwirtschaftlichen Nutzung mit zeitnaher Umsetzung gewässerschonender Maßnahmen ist erforderlich, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer soweit möglich zu minimieren. 4.2.2 Rh • Neben der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln, soll die Landwirtschaft auch einen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz leisten. 69 ch Le Inn 25 50 km Fachdaten: Landesamt für Statistik Salzach Abb. 30: Prozentualer Anteil bewässerter land- und gartenbaulicher Flächen, bezogen auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche je Landkreis. In schraffierten Landkreisen liegt die bewässerte Flächengröße über 1.000 ha (Quelle: LfStat, abgebildet in [57]). Um Quantität und Qualität des Ertrages landwirtschaftlicher Kulturen zu gewährleisten, muss ausreichend Wasser im Boden gespeichert sein, welches dann von den Pflanzen genutzt werden kann. Insbesondere gartenbauliche Erzeugnisse müssen obligatorisch bewässert werden, aber auch Wein oder Kartoffeln werden in Bayern bewässert, sofern bestimmte Qualitätseigenschaften des Produktes sichergestellt werden sollen [57]. Laut Bayerischem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (LfStat) wurden im Berichtsjahr 2009 im Mittel zwar nur etwas weniger als 1 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Bayerns bewässert, jedoch sind die regionalen Unterschiede sehr groß: in manchen Landkreisen wurden etwa 20 Prozent der Nutzflächen bewässert (Abb. 30). Der Großteil des Bewässerungswassers stammt hierbei aus dem Grundwasser oder dem gewässernahen Uferfiltrat. Geringere Mengen werden aber auch aus Oberflächengewässern bezogen. 70 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 31: Trockenrisse im Boden. Auswirkungen auf pflanzenverfügbares Wasser und Bewässerung Die Installation von Bewässerungsanlagen ist für Landwirte zunächst einmal mit hohen Investitionskosten verbunden. Diese sind einerseits im Kontext zunehmender Qualitätsansprüche des Verbrauchers an landwirtschaftliche Produkte zu sehen [57], andererseits zahlen sie sich eher aus, wenn unter natürlichen Bedingungen das Risiko für Trockenheit und Missernten hoch ist. Die Böden sind umso trockener, je niedriger die Niederschlagsmengen und je höher die Temperaturen und somit die Verdunstungsmenge des Bodenwassers sind. Generell beobachtet man zwischen 1951 und 2019 für das Sommerhalbjahr (Apr.–Sept.) keinen statistisch signifikanten Trend der Niederschlagsmengen, für die Monate Juni bis August jedoch eine signifikante Abnahme der Niederschlagsmengen um –13 %. Projektionen für die Zukunft lassen keine eindeutigen Trendaussagen zu Niederschlagsmengen zu, wenngleich im worst-case für das Sommerhalbjahr und die nahe Zukunft (2021–2050) bayernweite Abnahmen um etwa –11 % gegenüber dem Zeitraum 1971–2000 möglich sind (Kap. 3.2). Dies ist ein bayernweiter Durchschnittswert, weshalb die Auswirkungen regional stärker oder schwächer ausfallen können. Da für die Temperaturen in Bayern jedoch zwischen 1951 und 2019 ein Temperaturtrend von 1,9 °C ermittelt wurde, und die Temperaturen in der nahen Zukunft (2021–2050) auch weiterhin ansteigen werden, ist für Bayerns Böden allein aufgrund der steigenden Verdunstung mit zunehmender Trockenheit zu rechnen. Neben diesen direkten Auswirkungen des Klimawandels ist die Landwirtschaft durch gesetzgeberische Ausgleichsmechanismen im Rahmen des Handlungsfeldes Wasserwirtschaft betroffen (Kap. 4.1). Bei Niedrigwasser muss beispielsweise im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie der ökologische Zustand eines Gewässers bei Wassernutzungen berücksichtigt werden. In den Oberflächengewässern können Trockenperioden zu erheblichen Niedrigwasserständen führen. In der Regel sind Wasserentnahmen dann bereits schon nicht mehr möglich, da eine ökologisch erforderliche Mindestwasserführung stets im Gewässer verbleiben muss. Dauern die Trockenphasen über einen überdurchschnittlich langen Zeitraum an, können insbesondere kleinere Gewässer zeitweise sogar gänzlich trockenfallen. Wenn die Wasserstände so niedrig sind, dass die Gewässerökologie von Oberflächengewässern bereits unter besonderem Stress steht, kann eine zusätzliche Absenkung der Pegel verhindert werden, indem behördliche Entnahmeeinschränkungen oder -verbote für landwirtschaftliche Bewässerung Klimawandel – Auswirkung und Anpassung erlassen werden. Ebenso hat die Trinkwasserversorgung in Bayern Vorrang vor anderen Wassernutzungen. Im Kontext einer projizierten sinkenden Grundwasserneubildungsrate wird die Reduzierung der Bewässerung aus Grundwasser durch das Nachhaltigkeitsprinzip zunehmend relevant [55]. Der größte Bewässerungsbedarf entsteht in der Landwirtschaft in der Regel während besonders ausgeprägter Trocken- und Niedrigwasserperioden [57], weshalb behördlich angeordnete Entnahmeeinschränkungen oder -verbote für Grund-, Quell- und Oberflächenwasser zu Einbußen in der landwirtschaftlichen Produktion führen. Daher würden geringere Niedrigwasserabflüssen und niedrigere Grundwasserneubildungsraten (Kap. 4.1) die Möglichkeiten landwirtschaftlicher Bewässerung eingrenzen. Die Menge an pflanzenverfügbarem Wasser wird durch den Klimawandel sowie verschiedene Anpassungsmaßnahmen im Rahmen des Handlungsfeldes Wasserwirtschaft wie folgt beeinflusst: • Die Menge des pflanzenverfügbaren Wassers wird in Bayern in der nahen Zukunft (2021–2050) ohne zusätzliche Bewässerungsinfrastruktur weiterhin abnehmen, da sich zwar (im Median) die Niederschlagsmengen des Sommerhalbjahrs kaum verändern, die Temperaturen und somit die Mengen an verdunstetem Wasser jedoch weiterhin steigen. • Die Gesamtmenge an landwirtschaftlich nutzbarem Oberflächen-, Quell-, und Grundwasser könnte in der nahen Zukunft (2021–2050) regional, im worst-case sogar bayernweit, abnehmen und mögliche Einschränkungen für die behördlich genehmigten Entnahmemengen von Beregnungswasser zur Folge haben. Umsetzung von Klimaanpassung Abb. 32: Tropfbewässerung. Durch den Klimawandel stehen sich generell zwei Trends gegenüber: einer (regional) geringeren Menge an landwirtschaftlich nutzbarem Oberflächen-, Quell-, und Grundwasser steht ein durch höhere Verdunstung verursachter, höherer Bedarf für Bewässerung gegenüber. Durch diese gegensätzlichen Trends ergibt sich ein besonderer Handlungsbedarf für Anpassungsmaßnahmen. Folgende Projekte unterstützen die Weiterentwicklung landwirtschaftlicher Anpassungsoptionen: • In einem Pilotprojekt der Regierung von Unterfranken werden hierzu Regelungsansätze zu landwirtschaftlicher Bewässerung, Niedrigwassermanagement und Grundwasserschutz entwickelt (Projekt Nutzwasser, Fall Bergtheimer Mulde, Niedrigwassermanagement). • Um gemeinschaftliche Bewässerungsstrukturen zu unterstützen, fördert der Freistaat die Erstellung von Konzepten zu Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit seit 01.01.2019 als Regelförderung. • Noch in 2020 soll die pilothafte Förderung zur Realisierung größerer Bewässerungsinfrastrukturen für landwirtschaftliche Kulturen starten. 71 72 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung • Das LfU-Projekt „Datenerhebung und Dargebotsermittlung in den Schwerpunktgebieten landwirtschaftliche Bewässerung und Erarbeitung von Regelungen für die Begutachtungspraxis bei Bewässerungsanträgen“ hat zum Ziel, das nachhaltig nutzbare Dargebot für Bewässerungszwecke zu bestimmen. Im Einzelnen sind folgende Aufgaben durchzuführen: – Aufbau eines umfassenden Datenbestandes aller Wassernutzungen und zugehöriger Informationen mit DV-Anwendung. – Erstellung hydrogeologischer Modelle und räumlich hochaufgelöster Bodenwasserhaushaltsmodellierungen. – Erstellung von Grundwasserbilanzen des nutzbaren Dargebots. – Formulierung von Vorgaben für Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern sowie Ermittlung nachhaltig nutzbarer Entnahmemengen. – Prüfung der Möglichkeiten von Beileitung und Speicherung aus Oberflächengewässern. – Vorgaben für die Begutachtung durch die Wasserwirtschaftsämter. Die Ergebnisse werden die Grundlage für künftige Bewässerungsmanagementpläne darstellen. • Die vom StMELF beim Thünen Institut beauftragte Studie zur Prognose des Beregnungsbedarfs landwirtschaftlicher Kulturen in Bayern soll den Bedarf an Zusatzbewässerung unter dem Einfluss des Klimawandels mit Hilfe von Klimamodelldaten des LfU bis auf Gemeindeebene für 2050 und 2070 abbilden. • Das Forschungsprojekt „Ressourcenschonende und automatisierte Bewässerung in Landwirtschaft und Gartenbau“ der LWG, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e. V. (ALB) soll Entscheidungshilfen für den Praktiker entwickeln, wie er nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll Wasser und Dünger einsparen kann. • Das Wissenstransfer-Projekt „Bewässerungs­ forum Bayern“ der ALB wird vom StMUV und StMELF zu gleichen Teilen finanziert. Es bietet als neutrales Informationssystem auf der Homepage der ALB allen Zuständigkeitsbereichen die Möglichkeit, ihr abgestimmtes Wissen der Praxis in Form von Merkblättern, Internetauftritten und Apps der Zielgruppe zur Verfügung zu stellen. Zielgruppe sind vornehmlich die landwirtschaftlichen Betriebe und Berater. • Die Bayerischen Landesanstalten für Landwirtschaft (LfL) sowie für Weinbau und Gartenbau (LWG) forschen u. a. an der Züchtung leistungsfähiger, klimaangepasster, stresstoleranter und krankheitsresistenter Kulturpflanzen. Eine besondere Rolle spielen bei der Züchtung die Erhaltung und Nutzung der genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen und die Erfassung der Wechselwirkung zwischen Pflanze und Klima. • Eine ausführliche Übersicht zu konkreten Klimaanpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft ist in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie 2016 veröffentlicht. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Stephan Hartmann, Dr. Peter Westermeier; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung) Genomische Vorhersage des Merkmals Trockenstress in Deutschem Weidelgras Bayern verfügt über 1 Mio. ha Grünland. Das entspricht 34 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Bayern. Im Hinblick auf die aktuelle Klimadebatte ist es wichtig zu wissen, dass in Böden unter Grünland etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie in Ackerböden gespeichert ist. Aufgrund dieser Fähigkeiten und des sich ändernden Klimas ist die klimaangepasste Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Gräsern notwendig. Bei unregelmäßig auftretenden Trockenperioden sowie kostspieligen und zudem räumlich begrenzten Gewächshausversuchen ist nur ein geringer Selektionsgewinn in der Breite der praktischen Züchtung zu erwarten. Das Merkmal Trockentoleranz eignet sich daher besonders für Methoden der genomischen Vorhersage. Dabei werden ähnlich wie bei der Milchleistungsvererbung bei Zuchtbullen bestimmte Eigenschaften von Pflanzen auf Basis von DNA-Markerdaten vorhergesagt, die zuvor an einem Testsortiment von Pflanzen kalibriert wurden. Bisher standen für Deutsches Weidelgras keine ausreichenden Markerressourcen zur Verfügung. Inzwischen existiert jedoch aus Arbeiten der Universität Aberystwyth in Wales ein Gen-Chip, mit dem in einer Analyse 3.681 unterschiedliche Markerpunkte abgefragt werden. Von diesen konnten im untersuchten Pflanzenmaterial 2.140 Marker als geeignet für weitere Analysen identifiziert werden. Die anderen Marker waren entweder gleichartig und damit nicht informativ oder lieferten im vorliegenden Material kein Signal. Der Gen-Chip wird im Rahmen dieses Projekts erstmalig an deutschem Material angewendet. Die ermittelten Vorhersagegenauigkeiten von bis zu 0,58 (max. 1,0) des geprüften Kreuzungsmaterials eignen sich für eine markergestützte Selektion auf Trockentoleranz in Deutschem Weidelgras. Die Analyse weiterer Populationen erweitert die Basis der Markerdaten und lässt aufgrund des besonderen Aufbaus des Pflanzenmaterials eine erhöhte Vorhersagegenauigkeit erwarten. Trockentoleranz ist ein komplexes Merkmal, zu dem viele Gene ihren größeren oder kleineren Beitrag leisten. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass wichtige Teile davon auf Chromosom 2 liegen. Dies wird an dem „Ausschlag“ bei diesem Chromosom im nebenstehenden Streudiagramm, deutlich erkennbar. Abb. 33: Streudiagramm verschiedener Chromosomen. Die auffällige Streuung von Chromosom 2 deutet auf eine Relevanz dieses Chromosoms für das Merkmal „Trockentoleranz“ hin. 73 74 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Daniel Heßdörfer, Institut für Weinbau und Oenologie, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim Drohnenbasierte Thermometrie-Messung zur automatisierten Trockenstressbestimmung für das großflächige Bewässerungsmanagement der fränkischen Weinbergslagen Angesichts von Dürre, Wasserknappheit und Klimawandel wird die ressourcenschonende Bewässerung eine immer wichtigere Rolle in der Traubenproduktion einnehmen. Trotz dieser Herausforderungen hat der Weinbau die Aufgabe, die Produktivität der Traubenerzeugung zu steigern. Der Weg nach vorne? Smart farming bzw. intelligente Landwirtschaft. der Reben und die Zuckereinlagerung in die Beere hat. Die Aufrechterhaltung eines moderaten Trockenstresses und damit ein leichter Wassermangel können im Rebenanbau sehr vorteilhaft sein, da sie die Einlagerung von Qualitätsparametern in die Beere stimuliert, ohne den Ertrag wesentlich zu beeinträchtigen. Um dies zu erreichen, muss der Wasserhaushalt der Pflanze ermittelt werden mit dem Ziel, einen vorgegebenen Grad an leichtem Trockenstress aufrechtzuerhalten. Abb. 34: Starker Trockenstress bei Reben. Wasser ist ein wesentlicher Faktor, der sowohl die Qualität als auch die Quantität des Erntegutes beeinflusst. Eine übermäßige Wasserversorgung der Reben führt zu einem erhöhten vegetativen Wachstum, aber die Qualitätsparameter der Trauben wie Zuckergehalt, Säuregehalt und Holzreife werden negativ beeinflusst. Andererseits resultiert starker Trockenstress zu einer Schließung der Blattschließzellen, was zu einer deutlich reduzierten Assimilation führt und negative Auswirkungen auf das Wachstum Abb. 35: Drohnen können in geringer Höhe Bestandsdaten in hoher Auflösung aufzeichnen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Die Überwachung der Bodenfeuchte sollte heutzutage Standard sein, um festzustellen, ab welchen Zeitpunkt Reben zusätzlich bewässert werden müssen. Bodenfeuchtesensoren für volumetrischen Feuchtigkeitsgehalt und Bodenwasserspannung sind seit mehr als 40 Jahren im Handel erhältlich, wurden aber ursprünglich mehr in der Forschung als im kommerziellen Pflanzenbau eingesetzt. In den letzten Jahren hat es eine starke Zunahme von handelsüblichen Bodenfeuchtemesssystemen für die Landwirtschaft sowie im Weinbau gegeben. Allen Bodenfeuchtesensoren jedoch ist gemein, dass deren Messgenauigkeit stark von der Qualität der Installation im Boden abhängig ist und die Apparaturen nur Punktmessungen erlauben. Inwieweit die drohnenbasierte Thermometriemessung als Trockenstressindikator bei Reben geeignet ist und das großflächige Bewässerungsmanagement vereinfacht, wird seit 2017 innerhalb eines dreijährigen Forschungsprojektes im Institut für Weinbau und Oenologie getestet. Die Überprüfung der drohnenbasierten Thermometriemessung findet in einem bereits etablierten Versuch mit verschiedenen Bewässerungsintensitäten statt. Innerhalb der Versuchsdurchführung wird, zeitgleich zur drohnenbasierten Thermalanalyse, an den Versuchsreben das Wasserpotential mit der Scholanderkammer bestimmt. Abb. 36 zeigt das Verhältnis der gemessenen Wasserpotential-(Ψpd-)Werte aus der Referenzmethode Scholanderkammer und der Temperaturdifferenz (Tdiff) aus der Thermalanalyse. Aus den Daten geht hervor, dass zwischen den mit der Scholanderkammer ermittelten Werten (Ψpd) und den Werten der drohnenbasierten Thermalanalyse (Tdiff) ein nicht linearer Zusammenhang besteht (R2 = 0,63). Dabei korrelierten die Messwerte beider Messverfahren zur Bestimmung des Rebenwasserstatus über einen weiten Messbereich von guter bis sehr schlechter Wasserversorgung miteinander. Abb. 36: Beziehung zwischen dem frühmorgendlichen Wasserpotential (Ψpd) und der errechneten Temperaturdifferenz (Tdiff). Die Exaktversuche an der LWG zeigen also, dass mittels der drohnenbasierten Thermalanalyse Rückschlüsse auf den aktuellen Wasserhaushalt der Rebe gezogen werden können. Die drohnenbasierte Thermalanalyse kann der Praxis helfen, den Trockenstress einer gesamten Rebanlage einfach zu bestimmen und darauf ein ressourcenschonendes Bewässerungsmanagement abzustimmen. 75 76 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Beate Wende; Institut für Weinbau und Oenologie, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim; Forschungsprojekt: „Untersuchungen zur Biologie des invasiven Schädlings Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) im bayerischen Wein- und Obstbau unter besonderer Berücksichtigung sich daraus ergebender Regulierungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten für die Praxis“ Klimawandel im Weinbau – Wohlfühlatmosphäre für die invasive Kirschessigfliege (Drosophila suzukii)? Abb. 37: Schadbild der Kirschessigfliege: saftende, einfallende Trauben und folgender Pilzbefall. Durch den Import befallener Früchte gelangte die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) 2008 nach Europa. In Bayern verursachte sie erstmals 2014 erhebliche Schäden im Wein- und Obstbau. Weibliche Fliegen verfügen über einen kräftigen, stark gezähnten Legebohrer. Mit dessen Hilfe ritzen sie die Frucht- bzw. Beerenhaut weichschaliger, reifender und reifer Früchte an, um ihre Eier in die Frucht abzulegen. Die schlüpfenden Larven ernähren sich vom Fruchtfleisch, wodurch befallene Früchte nach kürzester Zeit weich werden und zerfallen und somit nicht mehr vermarktungsfähig sind (Abb. 37). Folgeschäden durch Schadpilze oder Essigfäule sorgen ebenfalls für hohe Ernteverluste. Winzer und Obstbauern stehen vor einer großen Herausforderung im Kampf gegen die kleine Fliege. Der rasche Generationszyklus sorgt für einen rasanten Populationsaufbau im Sommer. Innerhalb von 14 Tagen entwickelt sich bei optimalen Bedingungen eine neue Generation. Da Kirschessigfliegen bis zu zwei Monate alt werden können, treten meist mehrere Generationen nebeneinander auf und erreichen zur Erntezeit im Spätsommer/Frühherbst ihren Höchststand an Individuen. Jedoch ist der Einsatz von Insektiziden zur Kirschessigfliegen-Bekämpfung aufgrund der einzuhaltenden Wartezeiten vor Ernte der Früchte nur eingeschränkt möglich. Das Forschungsprojekt hat daher einen Schwerpunkt auf die Forschung an vorbeugenden und alternativen Bekämpfungsmöglichkeiten gelegt. Kirschessigfliegen bevorzugen Temperaturen um 25 °C bei gleichzeitig hoher Luftfeuchte. Lang andauernde Hitzeperioden (wie im Sommer 2018) verträgt die Kirschessigfliege nicht. Eiablageaktivität und Schlupfraten sinken deutlich ab. Die verminderte Aktivitätsrate kann bei dauerhaften Temperaturen über 33 °C zum Zusammenbruch der Populationen führen (Abb. 38). Aufgrund der Hitzeempfindlichkeit der Kirschessigfliegen können vorbeugend Maßnahmen ergriffen werden, die den Befallsdruck mindern. Dazu gehören das beidseitige Entfernen der Blätter in der Traubenzone und eine kurz gehaltene Begrünung ab Beginn der Traubenreife. Die Maßnahmen sorgen in ihrer Gesamtheit dafür, dass sich ein trocken-heißes Kleinklima in den Rebanlagen ausbilden kann – schlechte Bedingungen für legebereite Kirschessigfliegen. Diese Maßnahmen können jedoch nur wirken, wenn im Sommer eine heißtrockene und nicht feucht-warme Witterung vorherrscht. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 38: Populationsverlauf der Kirschessigfliege über drei Jahre. Hitzewellen führten zum Zusammenbruch der Population (2016) bzw. zur stark eingeschränkten Populationsentwicklung (2018). Die prognostizierten Klimaveränderungen sagen eine Zunahme der Hitzewellen voraus. Wären dies die einzigen Auswirkungen könnten Winzer und Obstbauern aufatmen. Jedoch bleiben auch längere Dauerfrostperioden im Winter aus. Dies sorgt für gute Überwinterungsbedingungen für die frostempfindlichen Kirschessigfliegen. Der Klimawandel verursacht eine immer frühere Traubenreife. Dadurch fällt die Traubenreife gefährdeter Rebsorten in den Zeitraum, an dem viele Generationen der Kirschessigfliege nebeneinander existieren und der Befallsdruck sehr hoch ist. Abb. 39: Trauben behandelt mit einer Gesteinsmehl-Brühe. Bei feucht-warmen Klimabedingungen im Sommer kann sich rasch ein hoher Befallsdruck aufbauen. Als wirksame Vergrämungsmittel erwiesen sich in Freilandversuchen der LWG Gesteinsmehle aus Kaolin (Heilerde) und Diatomeen (Abb. 39). Beide Mittel hielten den Kirschessigfliegenbefall im Untersuchungszeitraum unter der Schadschwelle. Im weiteren Versuchsverlauf zeigte sich, dass Traubenreife, Gärung, Weinbereitung und Geschmack nicht durch den Belag aus Kaolin bzw. Diatomeen beeinflusst wurden. Im Keltertraubenanbau scheint die Lösung gegen die Kirschessigfliege gefunden, doch müssen die (weithin sichtbaren) Maßnahmen gut in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. 77 78 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.3 Wald und Forstwirtschaft Kurz gesagt, • zu Baumarten und Waldschutzrisiken: Waldschutzrisiken nehmen sowohl regional als auch baumartenspezifisch immer mehr zu. Wirtschaftlich oder ökologisch wichtige Baumarten können sowohl durch alte als auch neue Schädlinge schwer getroffen werden. Darüber hinaus werden Bäume starke Klimaveränderungen aushalten müssen. Die Baumartenwahl bei Naturverjüngung, Pflanzung oder Saat stellt die Weichen für viele Jahrzehnte. Der seit Jahrzehnten betriebene Waldumbau in klimatolerantere Mischbestände muss daher konsequent weitergehen. Neben generell mehr Mischwald müssen Waldbesitzer und Staat bei Gefahren ihre jeweilige Handlungsfähigkeit und Schlagkraft sicherstellen. Die Forstverwaltung setzt sich für die Wälder ein und unterstützt die Waldbesitzer sowie andere Akteure u. a. durch Monitoring, Forschung und Entwicklung, Wissenstransfer, Aus- und Fortbildung, flächendeckende Beratung und finanzielle Förderung bei deren Anpassungsmaßnahmen. • zu Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen: Negative Auswirkungen auf die Nutz-, Schutzund Erholungsfunktionen müssen sowohl bei der Waldbewirtschaftung als auch auf Seiten der Bürger zu Anpassungen führen. Trotzdem muss mit Einbußen bei den gewohnten Leistungen gerechnet werden. (i) Bei der Holzproduktion ist mit Schüben von großen Schadholzmengen zu rechnen, die die Verarbeitungskapazitäten und den Bedarf übersteigen können. Langfristig wird die Nadelholzmenge sinken und mehr Laubholz erzeugt werden. Hierfür sollen Innovationen entwickelt werden, u. a. in den Bereichen Holzwerkstoffe, Bioökonomie und Holzbau. (ii) Sehr viel Lebensraum für Tiere und Pflanzen, vor allem wenn sie es kühl und/oder feucht mögen, geht durch den Klimawandel verloren. Ganz wichtig im Rahmen der Bewirtschaftung sind daher, wo möglich, eine naturnahe Baumartenzusammensetzung, der Erhalt von intakten, möglichst geschlossenen Waldbeständen und das Belassen von Totholz. Wasserrückhalt wird zum entscheidenden Faktor: Jeder Tropfen ist wertvoll. (iii) Die CO2-Senkenwirkung des Sektors Forst&Holz wird durch den Klimawandel beeinträchtigt und könnte schlimmstenfalls in eine Quelle umschlagen. Insbesondere bei Wäldern mit sehr hohen Holzvorräten steigt das Risiko, dass angesammelte Kohlenstoffvorräte durch Waldbrände und andere große Störungen innerhalb kurzer Zeit wieder freigesetzt werden. • Zum „Faktor Mensch“: Die Auswirkungen des Klimawandels treffen nicht nur Bäume und Wälder, sondern vor allem auch Menschen. Maßnahmen zur Anpassung der Wälder können dies nur bedingt kompensieren. Von Waldbesitzern über Erholungsuchende und Bürger bis zu den Firmen und Verbrauchern: Alle müssen sich nach dem Prinzip „Eigenverantwortung und Solidarität“ darauf einstellen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.3.1 Ausgangslage Wälder und ihre Bewirtschaftung sind als „Freiluftveranstaltung mit Anwesenheitspflicht und Überlänge“ in besonderem Maße den Auswirkungen des örtlichen Klimas ausgesetzt. Produktionszyklen von 100 Jahren und mehr sowie die unveränderliche Bindung der Bäume an ihren Standort stellen besonders anspruchsvolle Rahmenbedingungen dar. Gravierende Änderungen stellen daher schon immer extreme Herausforderungen für Wälder und Waldbesitzer dar. Die über 2,6 Mio. Hektar Wald in Bayern (rund 37 % Landesfläche) werden von rund 700.000 privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern (56 % der Waldfläche), über 2.000 Körperschaften des öffentlichen Rechts (12 %) sowie vom Bund (2 %) und vom Freistaat (30 %) bewirtschaftet. Im weitaus größten Teil der Wälder wird regelmäßig und nachhaltig Holz geerntet. Im Cluster Forst und Holz in Bayern erzielten 2017 rund 190.000 Beschäftigte einen Umsatz von rund 39 Mrd. €. Abb. 40: Natürliche Waldtypen in Europa (nach einer Idee von Kölling (2014) [64]; Datenquelle: Bohn et al. (2004) [65]; Urheber: L. Zimmermann, LWF). Unsere Wälder erbringen zahlreiche Ökosystemleistungen für Mensch, Natur und Wirtschaft. Von 2002–2012 sind jährlich rund 30 Mio. Kubikmeter Holz nachgewachsen, von denen rund 28 Mio. genutzt wurden. Die Wälder Bayerns speichern umgerechnet rund 1,1 Mrd. Tonnen CO2 in der oberund unterirdischen Biomasse der Bäume. Hinzu kommt eine ähnlich große Menge im Totholz und im Boden. Per Saldo wirkten die Wälder, wie auf globaler Ebene (Kap. 2.2), auch in Bayern in den letzten Jahrzehnten als Kohlenstoffsenke, d. h. die Kohlenstoffspeicherung der Wälder hat stetig zugenommen [66]. Zusätzlich hilft der nachwachsende Rohstoff Holz beim Klimaschutz, indem er einerseits Kohlenstoff speichert (teilweise sogar über Jahrhunderte, z. B. in Holzhäusern) und andererseits emissionsintensivere Brenn- und Baustoffe ersetzt. Insbesondere auf Steilhängen schützen die Wälder Bayerns Siedlungen, Verkehrswege und andere Landnutzungen vor Naturgefahren wie Steinschlägen, Lawinen, Muren oder Hochwasser. Das Ökosystem Wald dient ferner als Erholungsraum für Bevölkerung und Touristen, als „grüne Lunge“ und kühlendes Klimaregulativ für die Ballungsräume sowie als Lebensraum für bundesweit etwa 29.000 Tier-, 2.900 Pflanzen- und 5.000 Großpilzarten. Von Natur aus wären Bayern und auch Europa fast vollständig bewaldet. Das natürliche Waldkleid Europas entstand durch einen Jahrtausende währenden Anpassungsprozess an vorherrschende Klimabedingungen und Böden (Abb. 40). Den Temperaturbedingungen folgend entstanden mehrheitlich boreale Fichtenwälder im Norden, Buchenwälder in den gemäßigten Breiten und Eichenwälder im Mittelmeerraum [8]. Zu Beginn der Neuzeit waren die Wälder in Deutschland weitgehend verschwunden oder ausgeplündert, weil Holz bis zur verstärkten Nutzung von Kohle und mineralischen Baustoffen der mit Abstand wichtigste, universell verwendete Rohstoff war. Seit Einführung einer geregelten Forstwirtschaft hat sich die Situation enorm verbessert, zwischendurch aber auch gesellschaftliche (Liberalismus) oder historische (Kriege, Reparationen) Rückschläge erfahren. Zur Wiederbewaldung großer Kahlflächen, Deckung des Holzbedarfs und 79 80 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Optimierung der Wirtschaftlichkeit wurde im 20. Jahrhundert die wuchsstarke aber gegenüber Trockenheit und Schädlingen anfällige Fichte mit 42 Prozent zur häufigsten Baumart Bayerns [55]. Auch die Waldkiefer wurde im Zuge dieser Entwicklung weit über ihren natürlichen Anteil hinaus gefördert. Seit den 1970er Jahren hat sich der Trend deutlich verändert: Erhaltung und Schutz von naturnahen Wirtschaftswäldern sowie von ausreichend Wäldern ohne Nutzung (z. B. in Nationalparken und Naturwaldreservaten oder durch freiwillige oder vertragliche Verpflichtungen) sind heute weitgehend Konsens und liefern wertvolle Beiträge für den Arten- und in gewissem Umfang für den Klimaschutz. Der großflächige Waldumbau von anfälligen Fichten- und Fichten-Kiefern-Reinbeständen hin zu standortgemäßen laubbaumreichen Mischwäldern verbessert die Stabilität der Wälder, hat aber noch großen Handlungsbedarf. Der Klimawandel ist auch in unseren Wäldern voll angekommen. Auswirkungen der Klimaerwärmung und der damit verbundenen Witterungsextreme in Form von Vitalitätseinbußen, Zuwachsrückgängen und einer gesteigerten Mortalität vieler Baumarten wurden in den letzten Jahren vielerorts in unseren Wäldern deutlich sichtbar. Die derzeit noch als außergewöhnlich angesehenen Beobachtungen werden zukünftig eher der Normalität entsprechen. Der Klimawandel wirkt sich massiv auf die Wälder in Bayern aus – aktuell und erst recht in Zukunft: Zum einen auf die bereits heute besonders anfälligen Waldbestände, die unter teils intensiver und häufiger auftretenden Extremereignissen (Kap. 3.3) oder Schädlingen leiden. Beispielsweise sorgten im Herbst 2017 und Frühjahr 2018 Stürme für ein hohes Schadholzaufkommen, das in den sehr trockenen und heißen Sommern 2018 und 2019 Schädlingsbefall und andere Kalamitäten zusätzlich begünstigte. Das Frühjahr 2020 setzte mit ausgeprägt trockenwarmer Witterung diesen Negativtrend fort. Zum anderen ist das Tempo der gegenwärtigen anthropogenen Erwärmung außergewöhnlich hoch: Ein im Zeitraum 1971 bis 2000 gepflanzter Baum wird gegen Ende des Jahrhunderts je nach Entwicklung der atmosphärischen Treibhausgas-Konzentrationen eine Änderung der jährlichen Mitteltemperatur Bayerns um etwa 1,1 °C (Szenario 2-Grad-Obergrenze bzw. Szenario Vorsorgeprinzip) bis 3,8 °C erleben (Szenario ohne Klimaschutz) (vgl. Kap. 3.1). Anpassung an den Klimawandel heißt für die Forstwirtschaft Bayerns, den Waldumbau hin zu klimawandeltoleranteren Waldökosystemen noch ambitionierter voranzutreiben. Die Wahl von an Wärme und Trockenheit besser angepassten Baumarten und Herkünften rückt dabei stark in den Fokus, genauso wie die rechtzeitige und schlagkräftige Bewältigung von Waldschutzrisiken. Dies ist nur für einen lokalen Temperaturanstieg von maximal 2 °C pro 100 Jahren möglich und Erfolg versprechend [8]. Daher hat die Wald- und Forstwirtschaft ein unmittelbares Interesse daran, dass das im Paris Übereinkommen gesetzte Ziel, die globale Erwärmung auf „deutlich unter 2 °C“ und möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen, möglichst schnell erreicht wird (Kap. 1), wobei neuere IPCC-Aussagen zu besonderer Vorsicht mahnen (Kap. 5). Gelingt dies der Weltgemeinschaft nicht, so könnte die Anpassungskapazität unserer Wald-Ökosysteme überstrapaziert werden, mit künftigen bayernweiten direkten und indirekten Schäden und Folgekosten in der Größenordnung von mehreren Hundert Mio. Euro pro Jahr. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Wald- und Forstwirtschaft unter anderem folgendes Handlungsziel [55]: • Zentrales Handlungsziel ist die Erhaltung und Entwicklung von klimatoleranten zukunftsfähigen Waldbeständen gegenüber den zu erwartenden Klimaveränderungen, unter Wahrung der biologischen Vielfalt. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.3.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.3.2.1 Baumarten und Waldschutzrisiken Vier Baumarten sind in Bayern besonders verbreitet: Fichte (42 Prozent), Kiefer (17 Prozent), Buche (14 Prozent) und Eiche (7 Prozent). Klimatolerantere Waldbestände aufzubauen heißt, die Auswirkungen des künftigen Klimas auf die gegenwärtigen Baumbestände zu verstehen und auf dieser Basis einen Umbau von Bayerns Wäldern voranzutreiben. Auswirkungen auf Baumarten und Waldschutzrisiken Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Vitalität der Bäume, sondern auf das gesamte Spektrum der Tier- und Pflanzenarten aus. Während manche Arten profitieren, werden andere an den bisherigen Orten zurückgehen oder gar verschwinden. Damit trägt der Klimawandel bereits seit einigen Jahren zu einer deutlich komplexeren Waldschutzsituation bei. Verschärfend kommt die Gefahr der Einschleppung neuer Schädlinge durch die globalisierten Handelsströme und Reisemöglichkeiten hinzu. Dürre, Feuer und Wind zählen genauso wie Insekten und Pilzbefall zu den bekanntesten Risikofaktoren. 2019 stieg das Schadholzaufkommen in Bayern auf den enormen Wert von 11,5 Mio. Kubikmeter. Bereits heute ist klar, dass die Gefährdung der Wälder durch extreme Wetterereignisse, Waldbrände, Schädlinge und Pilzbefall im Zuge des Klimawandels zunehmen wird. Die Kenntnisse zu den wechselseitigen Wirkungen (und ggf. Verstärkungen) dieser Faktoren sind jedoch noch lückenhaft. • Wichtigste abiotische Einflussfaktoren sind Stürme (z. B. Vivien/Wiebke 1990, Kyrill 2007, Niklas 2015, Kolle 2018, Friedericke und Burglind 2019, Sabine 2020) sowie Hitze und Sommerdürren (zuletzt 1976, 2003, 2015, 2018 und 2019). Zunehmende Extremereignisse begünstigen die Massenvermehrung heimischer Schadinsekten wie beispielsweise den Fichtenborkenkäfer. Stürme erhöhen das Brutraumangebot enorm (und erschweren wegen der Unfallrisiken die Aufarbeitung), besonders wenn sie kurz vor Schwärmphasen auftreten. Die langen warmen Sommer begünstigen dagegen die biologische Entwicklung der Borkenkäfer und schwächen die Bäume. Aber auch ohne Stürme nehmen Vitalität und Abwehrkraft von Fichten ab, die in vielen Gebieten bereits jetzt am Rand ihres standörtlichen Spektrums vorkommen. Während dies früher eine Ausnahme war, konnten die Borkenkäfer 2019 nun schon das fünfte Jahr in Folge eine 3. Käfergeneration ausbilden – 2018 erstmals sogar in den Höhenlagen des Bayerischen Waldes. Noch vor ein paar Jahren erschien dies undenkbar. Befallsschwerpunkte liegen aktuell in Südostbayern und in Nordostbayern, wo es schon mehrere Jahre zu wenig geregnet hat. • Auch der wärmeliebende Schwammspinner profitiert vom Klimawandel. Seit einigen Jahren findet in weiten Teilen Frankens eine Massenvermehrung statt, die einen bestandsbedrohenden Blattfraß an Eichen auf erheblicher Fläche befürchten lässt – wie erstmals Anfang der 1990-er Jahre. Wenn so ein starker Lichtfraß oder Kahlfraß in Jahren aufeinander folgt und Trockenheit, Mehltaubefall oder auch weiterer Insektenbefall hinzukommen, kann es zum Absterben betroffener Eichen kommen. Bei mehrjährigen, starken Ereignissen kann dies bis zur Bestandsauflösung führen – mit allen negativen ökologischen, ökonomischen und landeskulturellen Folgen. Die Forstverwaltung erstellt daher jährlich auf Basis groß angelegter Eigelegesuchen eine Befalls- und Gefährdungsprognose und bewertet wissenschaftlich die Notwendigkeit einer Bekämpfung. Im Mai 2019 wurden von über 4.000 ha befallenen und gefährdeten Eichenwäldern etwa 1.800 ha mit dem Pflanzenschutzmittel MIMIC behandelt. Viele Flächen wurden in Folge gesetzlicher Auflagen oder aus naturschutzfachlichen Gründen ausgespart. Auf ca. 1.500 ha unbehandelter Flächen fand ein Kahlfraß statt. Auch 2020 war ein Pflanzenschutzmitteleinsatz auf rund 2.800 Hektar notwendig, um eine großflächige Bestandgefährdung von Eichenwäldern abzuwenden. 81 82 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung • Wie schwierig es ist, auf die richtige Baumart der Zukunft zu setzen, zeigt sich an der Esche durch das Eschentriebsterben. Ein in Bayern erstmals 2008 entdeckter Pilz verursacht flächendeckend Schäden. Der Anbau der einst so robusten Esche ist derzeit nicht mehr zu empfehlen. • Ein Beispiel für eine sich verschiebende Interaktion zwischen Wirtspflanze und Schadpilz unter sich wandelnden klimatischen Bedingungen ist die Ahorn-Rußrindenkrankheit (vgl. Exkurs Forschung). Der Erreger Cryptostroma corticale profitiert von Sommertrockenheit und -wärme und wurde seit dem Erstfund in Deutschland 2005 bereits in vielen Bundesländern nachgewiesen. Im Sommer 2018 wurde die Erkrankung erstmals in Bayern nachgewiesen, vornehmlich im warmtrockenen Franken. Derzeit ist eine weitere Verstärkung und Ausdehnung auch in südliche Gebiete Bayerns zu beobachten. Unter warmtrockenen Bedingungen führt die Russrindenkrankheit zumeist zum zügigen Absterben der befallenen Bergahorne. Sorge bereitet, dass auch die beiden einheimischen, forstlich genutzten und wärmeliebenden Arten Spitz- und Feldahorn erkranken könnten. Die Pilzsporen können zudem negative Auswirkungen auf das Atemsystem des Menschen haben und zu einer Entzündung der Lungenbläschen führen. Es wird angenommen, dass C. corticale bereits großflächig als Endophyt verbreitet sein könnte, aber erst unter disponierenden klimatischen Bedingungen zum Krankheitsauftreten führt. Da dieses Wissen zur Sicherung aller Waldfunktionen wichtig ist, wird dies ein Schwerpunkt der Waldschutzforschung in den kommenden Jahren. • Auch die Kiefer zeigt seit 2015 aufgrund klimawandelbedingter Stressfaktoren stark zunehmende Schäden – zunächst einzel- bis nestweise, inzwischen bereichsweise flächig. Verursacher ist zum einen der Pilz Diplodia pinea, der Erreger des Diplodia-Triebsterbens, das durch zunehmende abiotische Vorschädigungen (v. a. Trockenheit, Hitze, Strahlungsschäden, Hagel) gefördert wird. Zum anderen breitet sich die Kiefernmistel immer weiter aus, die als Halbschmarotzer dem Baum Wasser entzieht und gerade in Trockenphasen die angespannte Situation verschärft. Hinzu kommen sekundäre Schaderreger, die ebenfalls von trocken-warmen Bedingungen profitieren. • Neu eingeschleppte Organismen spielen mittlerweile eine nicht unwesentliche Rolle im Waldschutz. Die Schäden und die Bekämpfung können sehr hohe Kosten verursachen, sodass ein Schwerpunkt auf der Verhinderung der Einschleppung liegen sollte. Wie langwierig, schwierig und aufwendig die Bekämpfung von invasiven neuen Schadorganismen ist, zeigt sich am Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB). Nach dem bayerischen Erstfund 2012 in Feldkirchen wurden umfangreiche Quarantänemaßnahmen ergriffen und weitere Befallsherde entdeckt, zuletzt im August 2019 in Miesbach. Quarantänezonen können erst aufgehoben werden, wenn 5 Jahre kein Nachweis vorliegt (bisher in zwei Fällen gelungen). Aktuell sind fünf Befallsgebiete bekannt. Umsetzung von Klimaanpassung Die Waldbesitzer müssen bei der Baumartenwahl eine Entscheidung treffen, die lange in die Zukunft reicht, auch wenn die konkreten Veränderungen noch nicht exakt vorhersehbar sind. Diese für die Forstwirtschaft typische Problematik hat durch den Klimawandel eine dramatische Dynamik erfahren. Die Bayerische Forstverwaltung hat daher 2020 neue Leitlinien für die Baumartenwahl im Klimawandel herausgegeben. Die erfolgversprechendste Strategie im Klimawandel ist es, die bestehende Baumartenund Herkunftspalette heimischer Baumarten intensiv zu nutzen und dabei – dort wo nötig – auch alternative Baumarten angemessen zu beteiligen und konsequent auf möglichst gesicherte Erkenntnisse zurückzugreifen. Diese Richtschnur soll für alle Waldbesitzarten in Bayern Orientierung sein und zugleich die Grundlage für die Beratung der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sowie die forstliche Förderung bei der Begründung möglichst klimatoleranter Wälder darstellen. Die Leitlinien entsprechen dem aktuellen Wissensstand, der sich im Zuge des Klimawandels sowie neuer Erkenntnisse und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis stetig weiterentwickeln wird. Es ist eine abgestufte Vorgehensweise mit vier Hauptschritten vorgesehen: Klimawandel – Auswirkung und Anpassung (1) heimische Baumarten unter Einbeziehung modellierter Anbaurisiken innerhalb Bayerns räumlich verschieben (»Assisted Population Migration«) (2) stärkere Berücksichtigung seltener heimischer Baumarten (3) Verwendung alternativer Herkünfte unserer heimischen Arten (4) Verwendung alternativer Baumarten aus anderen Ländern unter Inkaufnahme gewisser Risiken (z. B. Schädlings- und Krankheitsanfälligkeit, ökologische Integrierbarkeit, Invasionspotential, geringe klimatische Anpassungsfähigkeit, geringe Holzqualitäten). Die Eignung nach Anbaufähig- und -würdigkeit ist für zahlreiche alternative Baumarten und deren Herkünfte noch nicht hinreichend geklärt. Alternative Baumarten sind dort unverzichtbar, wo sich die Standortsund klimatischen Verhältnisse aus den Ökogrammen heimischer Baumarten hinaus verschieben, Walderhalt folglich nur mit alternativen klimatoleranten Arten möglich ist. Zum Umgang mit alternativen Baumarten wurden vor allem die Integrierbarkeit in eine naturnahe Waldbewirtschaftung, das Invasivitätspotenzial, die Schadensanfälligkeit, die Produktivität und die aktuelle Anbauerfahrung beurteilt. Auf diese Weise sind, je nach Kenntnisstand und RisikoEinschätzung, vier Eignungs-Kategorien für alternative Baumarten entstanden. Bisherige Strategien sind aber auch für die Zukunft hilfreich: Das Prinzip der „naturnahen Forstwirtschaft“ ist nach wie vor die wesentliche Grundlage für die Begründung und Pflege der heimischen Wälder, muss allerdings im Hinblick auf den Klimawandel weiterentwickelt werden: • Verjüngung allgemein – Vorrang für standortgerechte Naturverjüngung – geeignete Ergänzungspflanzungen mit sukzessiver Dynamik durch Pionierbaumarten auf Schadflächen kombinieren – vorhandene Naturverjüngung von Baumarten mit hohem Klimarisiko möglichst auf unter 50 % reduzieren – zügiger Voranbau klimatoleranter Baumarten besonders auf Waldflächen mit Baumarten mit hohem Anbaurisiko, auch wenn diese gegenwärtig noch keine akuten Schäden aufweisen – ausschließlich qualitativ hochwertiges und herkunftsgesichertes forstliches Saat- undPflanzgut verwenden – genetische Vielfalt von heimischen Haupt- und Nebenbaumarten erhalten und erhöhen • Mischwald: Geschickte Baumartenmischungen bringen Risikostreuung und ökologische Vorteile. – vorhandene Mischbaumarten insbesondere in jungen und mittelalten Wäldern durch Pflegemaßnahmen erhalten und gezielt fördern – mehrere Haupt-Baumarten geeigneter Herkunft auf gleicher Fläche anstreben – Mischung von Laubhölzern mit Nadelhölzern, Halbschatt- und Schattbaumarten – Mischung von Flach- und Tiefwurzlern – möglichst breite Altersstruktur auf gleicher Fläche schaffen • Nachhaltig und stetig wirtschaften: Wer sich jedes Jahr ein Stück Pflanzung, Pflege oder Verjüngung vornimmt, puffert Wetter- und Holzmarktrisiken ab und kann aus Erfahrungen lernen. Auch die Wissenschaft schreitet voran – so wächst das Wissen und die Unsicherheit nimmt ab. • Sicherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit (z. B. durch Fachwissen und Geräte, Vernetzung mit Nachbarn und Beratern, überbetriebliche Zusammenarbeit bei Aufarbeitung und Logistik). 83 84 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Der Waldschutz, bei dem Pflanzenschutzmittel selten, aber als letztes „Mittel der Wahl“ zur Anwendung kommen können, ist elementar für den Erhalt und die zielgerichtete Bewirtschaftung unserer Wälder im Klimawandel und zur Sicherung ihrer vielen Funktionen für Mensch, Natur und Wirtschaft. Die Forstverwaltung unterstützt die Waldbesitzer daher durch systematisches Monitoring der Risiken (z. B. Quarantäneschaderreger), Forschung zu neuen Schaderregern (z. B. Rußrindenkrankheit), aktuellen Wissenstransfer (z. B. www.borkenkaefer.org), Ausund Fortbildung des eigenen Personals und der Waldbesitzer, flächendeckende staatliche Beratung, Organisation von Bekämpfungsmaßnahmen (z. B. Schwammspinner) sowie finanzielle Förderung von Pflege, Waldumbau und Wiederaufforstung. Bei Fichte und Kiefer ist es schon seit Jahrzehnten Ziel der bayerischen Forstpolitik, Reinbestände durch Mischung mit anderen Baumarten stabiler zu machen. Hier wurden, wie die Daten der Bundeswaldinventuren zeigen, bereits deutliche Fortschritte erzielt (z.T. in Abb. 41 ersichtlich). Durch den Klimawandel sind jedoch sowohl die Schäden als auch der Handlungsdruck in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Hinzu kamen bereits in den letzten Jahren Ausfälle bei Baumarten, die bisher als vermeintlich trockenheitstolerant galten. Gerade in Nordwestbayern könn- te künftig auf zahlreichen Standorten in erster Linie die Walderhaltung im Fokus stehen. In Bayern wird ein Umbau zu klimatoleranten, zukunftsfähigen Waldbeständen durch folgende Maßnahmen vorangetrieben: • Im Privat- und Körperschaftswald in Bayern wurden mit finanzieller Förderung des Freistaats seit 2008 (Start des Klimaprogramms 2020) rund 75.000 Hektar Nadelholzreinbestände in klimatolerantere Mischbestände umgebaut. Aufgrund der zunehmenden klimawandelbedingten Schäden und der überragenden Bedeutung für das Allgemeinwohl hat das Kabinett beschlossen, die Anpassung der Wälder deutlich zu forcieren (Waldumbauoffensive 2030). Neues Gesamtziel sind rund 200.000 Hektar bis zum Jahr 2030. Herzstück der Umsetzung ist die Verstärkung der Beratung und Fortbildung der Waldbesitzer sowie eine deutlich verbesserte waldbauliche Förderung seit Mitte Februar 2020. • Die gezielten Projekte im Privat- und Körperschaftswald in Bereichen mit erhöhtem Handlungsbedarf (z. B. Initiative Zukunftswald, Bergwaldoffensive) werden erfolgreich fortgesetzt und weiterentwickelt. Dabei werden Vorzeigeprojekte (Leuchttürme) geschaffen, die auf andere Waldbesitzer ausstrahlen sollen. Abb. 41: Der Laubbaumanteil in Bayern ist stetig auf aktuell rund 36 % angestiegen (Quelle: Nachhaltig und naturnah – Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur [66]). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung • Mit dem Bayerischen Standortinformations­ system (BaSIS) wurde ein bundesweit einmaliges Werkzeug geschaffen, um die Waldbesitzer in hoher räumlicher Auflösung bei der Auswahl standortangepasster zukunftsfähiger Baumarten zu beraten (vgl. Exkurs Forschung, Beispiel 2). Das System wird laufend um neue Baumarten erweitert und weiterentwickelt. • Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat für 16 Baumarten eine Praxishilfe „Klima-Boden-Baumartenwahl“ als Entscheidungshilfe für Leser mit forstfachlichem Hintergrund entwickelt. Ein Ergänzungsband ist in Vorbereitung. • Der Waldumbau im Staatswald der Bayerischen Staatsforsten ist nach der gegenwärtigen Zielsetzung zur Hälfte – rund 80.000 Hektar – geschafft. Die BaySF streben an, die restliche Fläche bis 2030 umzusetzen. • Die Bewirtschaftung des bayerischen Staatswalds wird zukünftig an den Leistungen für den Klimaschutz ausgerichtet. Im Staatswald werden in den nächsten fünf Jahren 30 Millionen Bäume gepflanzt – eine Million Bäume pro Jahr mehr als bisher. Damit die bayerischen Staatswälder in Zukunft verstärkt Leistungen für den Klimaschutz erbringen können, müssen sie u. a. durch zusätzliche Pflanzungen von klimatoleranteren Baumarten auf Dauer stabil und vital gehalten bzw. muss dieser Zustand nach Schadereignissen wieder aktiv hergestellt werden. • Im Bergwald haben Schutzwaldpflege, Schutzwaldsanierung und Bergwaldoffensive dazu beigetragen, dass zukunftsfähige Wälder erhalten und wiederhergestellt werden konnten. • In der Forstverwaltung wurden zwei spezielle Waldbautrainer als Multiplikatoren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forstverwaltung zum Waldbau im Klimawandel installiert. • Die Sicherung der Waldverjüngung durch angepasste Schalenwildbestände ist eine entscheidende flankierende Maßnahme für den Waldumbau. Die Forstverwaltung erstellt alle drei Jahre für die rund 750 bayerischen Hegegemeinschaften Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung. Diese sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der gesetzeskonformen Abschussplanung für Schalenwild. • Initiativen zur Holzverwendung (z. B. Runder Tisch Holzbau, neue Produkte aus klimatoleranteren Baumarten) tragen zur Motivation der Waldbesitzer und damit zur Stabilisierung der Wälder bei. 4.3.2.2 Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen Mit (Nutz-, Schutz- und Erholungs-)Waldfunktionen oder dem neueren Begriff der (versorgenden, regulierenden und kulturellen) Ökosystemleistungen werden verschiedene Effekte der Natur beschrieben, die direkt oder indirekt zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Auswirkungen aufgrund des Klimawandels werden sowohl auf Seiten der Wälder und ihrer Bewirtschaftung als auch auf Seiten der begünstigten Bevölkerungsgruppen zu Anpassungsreaktionen führen (müssen). Trotzdem werden viele Beteiligte auch mit Veränderungen der gewohnten Ökosystemleistungen rechnen müssen. Auswirkungen auf die Holzproduktion Für die Holzwirtschaft spielt die sehr vielseitig verwendbare und daher besonders nachgefragte Fichte eine große Rolle. Etwa 40 % des in Deutschland erzeugten Fichtenholzes stammen aus bayerischen Wäldern. Das künftige Klima wird jedoch auf großer Fläche außerhalb des Bereichs liegen, in dem die Fichte bisher überleben konnte. Hitze und Trockenheit drohen vor allem die Fichte – auch schlagartig – zum Absterben zu bringen. Dem soll durch rechtzeitigen aktiven Waldumbau möglichst zuvorgekommen werden. Die Fichte wird vielfach nicht mehr die Haupt-, sondern allenfalls eine Nebenrolle spielen können, z. B. als Beimischung auf Zeit. Gleichwohl ist bedingt durch Kalamitäten wie Orkanschäden und Borkenkäferbefall mit Schüben von großen Holzmengen zu rechnen. Diese können die vorhandenen Kapazitäten der Holzverarbeitung und den Bedarf übersteigen. 85 86 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Umsetzung von Klimaanpassung Um Entwertung und Holzverluste zu vermeiden, sollen zur Anpassung Lagerplätze errichtet werden, auf denen das Holz konserviert und die Verwertung über mehrere Jahre gestreckt werden kann. Eine bewährte Methode ist die Nasskonservierung durch künstliche Beregnung des Rohholzes mit Wasser. Die Bayerischen Staatsforsten haben bereits Nasslagerkapazitäten von über 1 Mio. Kubikmeter aufgebaut. Aber auch außerhalb des Staatswaldes sind zusätzliche Lagerkapazitäten erforderlich. Langfristig wird die produzierte Menge von Nadelholz sinken und mehr Laubholz erzeugt werden. Bisher trifft Laubholz auf einen Absatzmarkt, der den Rohstoff überwiegend energetisch nutzt. Es stellt sich die Frage, wie sich das zukünftig vermehrt anfallende Laubholz im Hinblick auf eine mögliche Substitution von Nadelholz nicht nur energetisch, sondern auch stofflich und chemisch besser nutzen lässt. Hier sind Forschung und Entwicklung gefordert. Neben den Bereichen Holzwerkstoffe und Bioökonomie sollen auch technische Innovationen entwickelt werden, um Laubholz für konstruktive Anwendungen wie im Holzbau zu nutzen. Die Forstverwaltung unterstützt entsprechende Projekte. Auswirkungen auf den Klimaschutz durch CO2-Speicherung und CO2-Vermeidung Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie Kohlenstoff in lebender Biomasse, Totholz und Waldböden binden. Der Klimawandel wird sich darauf einerseits durch zunehmende, plötzlich auftretende Extremereignisse wie Schädlingsbefall, Waldbrand oder Stürme auswirken, andererseits durch die allmähliche Änderung der Umweltbedingungen von Wald-Ökosystemen. Das genaue Ausmaß dieser Änderungen ist aufgrund der Unsicherheit über die Höhe der künftigen Treibhausgasemissionen und –konzentrationen sowie der Komplexität des Wald-Ökosystems ungewiss. Die gravierendste Auswirkung können Waldbrände verursachen, da große Teile des über Dekaden gespeicherten Kohlenstoffs rasch wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden. Ein Teil wird in den Totholzspeicher überführt. Alle Waldspeicher, lebende Biomasse wie Totholz und Bodenkohlenstoff, sind davon betroffen. Waldbrände spielen zwar bisher in Bayern eine vergleichsweise kleine Rolle, werden aber aller Wahrscheinlichkeit nach zunehmen. Ein Teil des Schadholzes kann in bewirtschafteten Wäldern noch genutzt und in den temporären Speicher der Holzprodukte überführt werden sowie klimaschützende Substitutionseffekte bewirken. Schadereignisse (z. B. Schädlingsbefall, Stürme, Waldbrand) führen zu lokalen oder regionalen Netto-Verlusten bei der Kohlenstoffspeicherung des Waldes, da die anfänglich vergleichsweise wenig CO2 bindende neue Waldgeneration die Verluste zunächst nicht unmittelbar ausgleichen kann. Bei entsprechend hohem Schadensausmaß würde der Wald dann von einer ‚natürlichen‘ CO2-Senke (lokal oder regional) zu einer ‚natürlichen‘ CO2-Quelle (zur Definition ‚natürlicher‘ Kohlenstoffsenken, vgl. Kap. 2.3). Dabei steigt das Risiko unkontrollierter Verluste grundsätzlich mit der Höhe der Holzvorräte im Wald. In Holzprodukten kann der enthaltene Kohlenstoff zwischen einigen Monaten bis zu mehreren Jahrhunderten gespeichert werden. Daneben können sowohl durch stoffliche als auch durch energetische Verwendung des geernteten Holzes klimaschädliche Materialien und Energieträger ersetzt werden. Diese Substitutionswirkung ist beachtlich groß: Nach Klein & Schulz (2012) wurden dadurch in Bayern jährlich über 12 Mio. t CO2 vermieden [67]. Eine aktuellere Studie von Bauhus et al. (2017) zeigt für Deutschland vermiedene Emissionen von jährlich 66 Mio. t CO2 [22]. Wenn die Holzversorgung aufgrund des Klimawandels starken Schwankungen und Strukturveränderungen unterliegt, kann dies den Klimanutzen des Rohstoffs Holz deutlich schmälern. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Umsetzung von Klimaanpassung Durch die Auswahl klimatoleranterer Baumarten, regelmäßige stabilisierende Durchforstungen, rechtzeitige Holzernte und Waldverjüngung sowie durch sehr zeitnahe und schlagkräftige Waldschutzmaßnahmen muss versucht werden, den Kohlenstoffspeicher unserer Wälder auf hohem Niveau zu stabilisieren. Dies sollte geschehen bevor das Risiko für Schäden durch Borkenkäfer, Windwurf und Trockenheit steigt. Aber auch diese Anpassung der Wälder an den Klimawandel wirkt sich auf die Senkenwirkung aus: Die Reduktion der Anteile der wuchskräftigen, aber anfälligen Fichte und die erhöhten Anteile klimatoleranterer aber zugleich auch zuwachsschwächerer Baumarten werden zwar stabilere Wälder schaffen, dies kann aber insbesondere kurz- und mittelfristig auch zu einem Rückgang der durchschnittlichen CO2-Speicherung führen. Der zukünftige Biomassezuwachs ist auch ganz allgemein und baumartenübergreifend ein wichtiger Faktor: Höhere Temperaturen und längere Vegetationszeiten begünstigen den Holzzuwachs, solange die Bäume ausreichend mit Wasser versorgt sind. Ob die Holzzuwächse in Zukunft steigen oder sinken, hängt davon ab, wie häufig zuwachsschwache Trockenjahre auftreten. Die beiden anderen Waldspeicher Totholz und Bodenkohlenstoff werden bei höheren Temperaturen verstärkt durch mikrobielle Organismen abgebaut. Wenn dieser Abbau größer ist, als die Zuführung durch Mortalität und Zersetzung von abgestorbenem organischen Material, werden sich die Speicher ebenfalls verringern. Das entnommene Holz sollte zunächst möglichst lange stofflich verwendet werden und klimaschädliche Materialien und Energieträger ersetzen. Durch gezielte Forschung und Entwicklung neuer Holzprodukte, bessere Lagerhaltung sowie Ausweitung der Holzverwendung (z. B. im Holzbau) kann der Klimanutzen aufrechterhalten und optimiert werden. Auswirkungen auf den Lebensraum für Tiere und Pflanzen Auch Veränderungen in der Artenzusammensetzung können die Leistungs- und Widerstandsfähigkeit unserer Wälder schwächen. Der Schutz der Biodiversität hat daher hohe Priorität. Die in oder von den Wäldern lebenden Arten – Bäume und andere Pflanzen, Tiere und Pilze – müssen mit raschen und erheblichen Klimaveränderungen zurechtkommen. Diese zeigen sich vor allem auch in einer Häufung von Extremereignissen wie z. B. langanhaltende Trockenheit und Hitze, aber auch deutlich mehr Starkniederschlägen (Kap. 3.3). Die Auswirkungen sind bereits feststellbar. An der Professur für Geobotanik der TU München wurde ein Computer-Modell entwickelt, welches es ermöglicht, die heutige potentielle natürliche Vegetation (pnV) und die zukünftige pnV (unter unterschiedlichen Klimaszenarien) von ganz Bayern auf der Basis von Standortkarten (Boden, Relief und Klima) zu simulieren. Die Ergebnisse der Anwendung des Modells auf verschiedene Klimaszenarien zeigen, dass schon eine „moderate“ Temperaturerhöhung von 1–2 °C weit reichende Veränderungen in den Standortbedingungen und damit auf die natürliche Vegetation und Landnutzung bewirken (Details s. Fischer et al. 2019 [68]). Montane und Kälte liebende Arten müssen zunehmend in Refugien ausweichen, z. B. auf der Nordseite oder in höhere Lagen. Ein solcher „uphill shift“ gelingt aber nur, wo solche Refugien existieren, sich als Lebensraum eignen und der Weg dorthin nicht durch Barrieren etc. versperrt ist. Da viele dieser Arten weltweit nur kleine Areale haben, haben wir für sie eine relativ hohe Schutzverantwortung (Kap. 4.4.2.1). Dies gilt besonders für Arten, die ausschließlich in durch Kälte und Feuchtigkeitsüberschuss geprägten Lebensräumen (z. B. Hoch- und Niedermoore, Quellen und ihren Bachläufen) leben, vor allem wenn diese bereits durch frühere Bewirtschaftung oder andere Faktoren beeinträchtigt oder verkleinert sind. 87 88 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Eine weitere Herausforderung stellt die zunehmende Etablierung neuer Arten dar – sei es durch natürliche Ausbreitung oder aufgrund der Globalisierung. Die Risiken sind bislang kaum abzuschätzen. Da viele dieser neuen Arten wärmeliebend sind, werden sie durch den Klimawandel weiter begünstigt. Umsetzung von Klimaanpassung Schlüsselfaktoren für an stabiles, kühl-feuchtes Waldinnenraumklima oder speziell an Kälte, montanes Klima oder einen Überschuss an Feuchtigkeit angepasste Arten sind eine möglichst naturnahe Baumartenzusammensetzung, eine intakte Ausprägung der Standortsfaktoren (vor allem Wasser) sowie eine ausreichende Ausstattung an lebensraumtypischen Habitatelementen (v. a. Totholz und Biotopbäume). Durch schleichende oder schlagartige (Extremereignisse) Auswirkungen des Klimawandels geraten die spezialisierten Bewohner unter – zusätzlichen – Stress. Wichtigste Anpassungsmaßnahmen sind daher, wo immer möglich, die Schaffung und Erhaltung einer naturnahen Baumartenzusammensetzung (auch durch aktiven Waldumbau), die Vermeidung von großflächigen Kahl- und Kalamitätsflächen, die Wiederherstellung des Wasserhaushalts sowie das Belassen von Totholz im Waldökosystem. Gerade unter liegendem Totholz bleiben viel länger feuchte Bodenverhältnisse erhalten – für viele feuchtigkeitsbedürftige Arten oder ihre Entwicklungsstadien ein (über-)lebenswichtiger Rückzugsort in Trockenzeiten. Durch gezielten Wasserrückhalt auf der Fläche können zudem bei Starkregen nachgelagerte Lebensräume wie Bachläufe vor Ausspülung geschützt und zugleich die Hochwassergefahr für Unterlieger reduziert werden. Die Forstverwaltung unterstützt entsprechende Maßnahmen der Waldbesitzer durch Beratung und finanzielle Förderung im Rahmen von Waldumbau und Wegebau. Künftig sind bei Konzepten, Projekten und Monitoring zur Biodiversität im Wald die Auswirkungen des Klimawandels sowie die Vulnerabilität und Resilienz von Schutzgütern stets zu berücksichtigen. Auswirkungen auf den Schutz vor Naturgefahren Wälder spielen eine wichtige Rolle für den Schutz von Menschen und Sachwerten vor Naturgefahren wie Hochwasser, Steinschlag, Lawinen, Erdrutsche und Erosion – ganz besonders in Berglagen, aber über die Flüsse auch bis weit ins Flachland. Studien gehen davon aus, dass der Klimawandel gerade den alpinen Raum besonders betreffen wird, z. B. durch zunehmende Extremwetterereignisse. Damit steigt zum einen die Bedeutung der Bergwälder für den Schutz vor Naturgefahren. Zum anderen sind sie aber auch durch die veränderten Klimabedingungen zunehmend gefährdet, z. B. durch Borkenkäfer, Sturmwurf, Humusschwund oder Trockenphasen sowie erhöhtes Waldbrandrisiko. Umsetzung von Klimaanpassung Im Zentrum der Anpassung an den Klimawandel stehen daher der Erhalt und die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Bergwälder. Bei gleicher Zielsetzung ist dabei das Vorgehen im Staatswald sowie im Privat- und Körperschaftswald unterschiedlich. Im Staatswald stellen die Bayerischen Staatsforsten mit den „Grundsätzen für die Waldbewirtschaftung im Hochgebirge“ die Schutzwaldpflege, also die Sicherung und Verbesserung der Schutzfunktionen, in den Vordergrund. Hierzu zählt insbesondere auch der Umbau von nicht standortangepassten Fichtenreinbeständen in Mischwälder mit gemischter Waldverjüngung auf möglichst großer Fläche. Zusätzlich stellt der Freistaat Bayern den Bayerischen Staatsforsten im Rahmen der besonderen Gemeinwohlleistungen Zuwendungen für Aufgaben zur Verfügung, die über die Vorbildlichkeit der Waldbewirtschaftung hinausgehen; dies betrifft u. a. Maßnahmen im Bereich der Schutzwaldpflege sowie die Schutzwaldsanierung. Im Privat- und Körperschaftswald wurde in den letzten Jahren die forstliche Förderung für die Bergwaldbewirtschaftung zur Anpassung an den Klimawandel und Verhinderung von Naturgefahren Klimawandel – Auswirkung und Anpassung deutlich erweitert und angepasst. Gefördert werden z. B. Pflanzung und Naturverjüngung, Pflege- und Durchforstungsmaßnahmen zur Erhöhung der Mischung und der Stabilität, der Einsatz bodenschonender Seilanlagen zur Holzbringung sowie die Borkenkäferbekämpfung und die hierfür notwendigen Erschließungsmaßnahmen. Zusätzlich hat die Forstverwaltung im Rahmen des Klimaprogramms Bayern bereits 2008 die Bergwaldoffensive gestartet, um in besonderen Schwerpunktgebieten besitzübergreifend Maßnahmen im Privat- und Körperschaftswald zu planen, zu koordinieren und durchzuführen. Bereits heute kann ein Teil der Bergwälder seine Schutzfunktionen nicht mehr oder nur eingeschränkt erfüllen. Im Rahmen der Schutzwaldsanierung plant und koordiniert die Bayerische Forstverwaltung in allen Waldbesitzarten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Schutzfunktionen dieser Wälder. Auswirkungen auf den Schutz von Wasser und Boden Forstwirtschaft gehört zu den mit dem Trinkwasserschutz prinzipiell verträglichsten Nutzungsformen. Grundwasser, das aus bewaldeten Trinkwasserschutzgebieten gewonnen wird, ist in der Regel ohne weitere Behandlung als qualitativ wertvolles Trinkwasser nutzbar. Etwa die Hälfte der Trinkwasserschutzgebiete in Bayern ist bewaldet (6 % der Waldfläche) und dient damit direkt dem Wasserschutz. Neben der besonders naturnahen Landnutzung Wald an sich ist die Filterwirkung der Waldböden für die hohe Wasserqualität ein entscheidender und unverzichtbarer Faktor. Durch den Klimawandel muss in ganz Bayern viel öfter mit einem flächenhaften Absterben von Bäumen gerechnet werden. Diese plötzlichen starken Auflichtungen können zur Mineralisierung des Bodens, Mobilisierung von Nährstoffen und in der Folge zu höheren Nitrateinträgen ins Grundwasser führen. Umsetzung von Klimaanpassung Stabile, standortgerechte und laubholzreiche Wälder haben eine große Bedeutung für den Erhalt der Funktion von Waldböden und so für nitratarme Grundwasservorkommen. Die präventive Anpassung der Wälder an den Klimawandel hat daher besondere Bedeutung für den Trinkwasserschutz. Die Forstverwaltung unterstützt die Waldbesitzer beim Waldumbau durch Beratung und finanzielle Zuwendungen (Kap. 4.3.2.1). Auswirkungen auf Erholung und Gesundheit Durch den Klimawandel wird insbesondere in Ballungsräumen und stadtnahen Bereichen die Bedeutung für Gesundheit und Naherholung tendenziell steigen: Die ausgleichende kühlende Wirkung von stadtnahen Wäldern wirkt sich je nach Topographie und Bebauung auf das Stadtklima aus (Kap. 4.8.2.1). Von Erholungssuchenden wird nachweislich das vergleichsweise kühlere und feuchtere Waldinnenklima als angenehmer und erträglicher empfunden als ein Aufenthalt auf freier Fläche oder gar in der Stadt. Der Waldumbau in Richtung Mischwald wird zudem die ästhetische Attraktivität erhöhen. Von daher dürfte die Zahl der Waldbesucher weiter steigen. Sturm- und andere Waldschäden sowie deren Aufarbeitung führen aber auch zeitweise zu Störungen oder Sperrungen. Umsetzung von Klimaanpassung Wegen der – ökologisch durchaus erwünschten – Zunahme von stehendem und liegendem Totholz sollten Waldbesucher bei Wind oder Starkregen entsprechend vorsichtiger sein und den Wald im Zweifel verlassen. 4.3.2.3 Faktor Mensch – Forestry is not (only) about trees, it’s (also) about people Der bekannte, leicht abgewandelte Slogan weist darauf hin, dass Wald und Forstwirtschaft schon immer einen vielfältigen Bezug zu den Menschen und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse haben. Aus diesem Grund soll nachfolgend bewusst der Blick auf einige Bevölkerungsgruppen gelenkt werden, die in unterschiedlichen Rollen mit Wald und Forstwirtschaft zu tun haben – und deren Situation durch den Klimawandel teilweise sehr stark beeinflusst werden dürfte: • Für die rund 700.000 Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer und für die Forstleute sind die Wälder wichtiger Teil ihrer wirtschaftlichen und 89 90 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung beruflichen Existenz. Privatwald wird traditionell als Familienerbe an die nächste Generation weitergereicht, selbst wenn die ursprünglich damit verknüpfte Landwirtschaft nicht mehr besteht. Die Auswirkungen des Klimawandels bringen viele an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit: Zum einen wegen der nicht planbaren starken Arbeitsbelastung unter Zeitdruck durch die Aufarbeitung des Schadholzes, verbunden mit hohen Unfallrisiken und sinkenden, kaum kostendeckenden Holzerlösen. Der demographische Wandel kommt erschwerend hinzu. Zum anderen, weil der zeitlebens gewohnte Wald als Herzensangelegenheit verloren geht, die Wahl der künftigen Baumarten immer schwieriger wird und der Erfolg letztlich vom (ungewissen) Ausgang der weltweiten Klimaschutzbemühungen abhängt. Gleichzeitig stehen Waldbesitzer und Forstleute aufgrund des gesellschaftlichen Wertewandels immer mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Dialog und Konfliktlösung nehmen an Bedeutung zu, kosten aber auch zusätzlich Kraft. Anpassung erfolgt nach dem Grundsatz „Eigenverantwortung und Solidarität“ in Form von persönlicher Weiterbildung, betrieblicher Organisation und überbetrieblicher Zusammenarbeit. Die Forstverwaltung unterstützt dies durch Aus- und Fortbildung, Beratung und finanzielle Förderung. • Zur Situation der temporären Waldbesucher aus nah und fern, die die Wälder zunehmend zur Erholung am Feierabend, beim Wochenendausflug oder im Urlaub schätzen und nutzen, s. o. • Die dauerhaft in Waldnähe lebenden Bürger profitieren davon insbesondere als Schutz vor Naturgefahren und Lieferant von sauberem Trinkwasser. Auswirkungen des Klimawandels könnten entstehen, wenn diese (lebens-)wichtigen Standortfaktoren durch den Klimawandel in Gefahr geraten und dadurch erhebliche Sorgen um die eigene Lebensplanung auslösen. Anpassung könnte in Form von baulichen Schutzvorkehrungen im eigenen Haus oder mehr persönlichem Engagement für den Erhalt der Wälder und Waldfunktionen erfolgen. • Hersteller und Verbraucher von Holzprodukten und Holzenergie wünschen sich eine bedarfsgerechte, kontinuierliche und bezahlbare Rohstofflieferung. Die als Auswirkungen des Klimawandels auftretenden klimawandelbedingten Waldschäden können jedoch in sehr kurzer Zeit zu Situationen eines Überangebots (und entsprechend später eines Mangels) an Holz führen. Die langfristigen Änderungen der Sortimente wegen des notwendigen Waldumbaus können zu Verunsicherungen wegen Produktionsumstellungen oder notfalls sogar -aufgaben führen, aber auch die Anpassung durch Entwicklung neuer Produkte aus klimatoleranteren Baumarten stimulieren. Langfristig dürfte der Gesamtbedarf an Holz für stoffliche, energetische und chemische Verwendungszwecke steigen, auch im Hinblick auf Klimaschutz und Dekarbonisierung. Holz wird gebraucht – künftig mehr denn je. Anpassungsmaßnahmen auf der Angebotsseite (Wälder) können die Auswirkungen nur bedingt kompensieren. Für die Zukunft ist daher ein verstärktes Augenmerk auf den „Faktor Mensch“ erforderlich. Dialog und Stärkung der Eigenverantwortung gewinnen an Bedeutung. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Wolfgang Falk, Dr. Tobias Mette, Dr. Eric Thurm, Oliver Schuster, Dr. Birgit Reger, Manuela Forster, Dr. Hans-Joachim Klemmt, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft; Bayerisches Standortinformationssystem BaSIS Dynamische Standortdaten: Grundlage für den Waldumbau im Klimawandel Der Erfolg einer Baumart (Gesundheit, Zuwachs) hängt stark vom Standort (Boden, Klima, Relief) ab. Ansprüche der Baumart und Standort müssen zusammenpassen – und dies sowohl beim gegenwärtigen als auch bei einem zukünftig wärmeren Klima. Die Schäden im Wald in Folge der Trockenjahre 2015, 2018 und 2019 zeigen deutlich, wie vor allem die immer häufiger zu erwartenden heißen und trockenen Sommer unseren traditionellen Baumarten zusetzen. Aufbauend auf den Forschungsprojekten „Maps for the Future“ und „Trees for the Future“ hat die Bayerische Forstverwaltung seit 2013 das digitale Bayerische Standortinformationssystem BaSIS für die forstliche Beratung im Einsatz. Mit hoher räumlicher Auflösung können die Forstbehörden die Waldbesitzer über standörtliche Begebenheiten und das Anbaurisiko von 21 häufigen Baumarten auch mit Blick auf den Klimawandel informieren. Das System wird im Rahmen von Forschungsprojekten und im Dialog mit der Praxis ständig weiterentwickelt und erweitert (z. B. Darstellung des Einflusses der Wasserspeicherfähigkeit der Böden in Trockenjahren). Aktuell wurden weitere elf seltene Baumarten (u. a. Edelkastanie, Wildbirne, Vogelkirsche, Küstentanne, Roteiche, Robinie, Schwarzkiefer) aufgenommen. Künftig sollen weitere KlimawandelSzenarien einbezogen werden. Praxishilfe: Ergänzend zu BaSIS wurde eine Praxishilfe „Klima-Boden-Baumartenwahl“ für Forstpersonal und Waldbesitzer entwickelt. Diese greift ökologische und waldbauliche Eigenschaften der einzelnen Baumarten wie Wuchsleistung, Holzeigenschaften, Waldschutz, Biodiversität und Waldbau auf. Fundstelle: http://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/ service/dateien/praxishilfe_baumarten_bf.pdf Abb. 42: Anbaurisiko in Bayern für die Vogelkirsche (links Klima 1971–2000, rechts 2071–2100 für das SRES Szenario B1 – ein Szenario mit mäßigen globalen Klimaschutzambitionen; Graphik: E.A. Thurm, LWF). 91 92 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Nicole Burgdorf, Ludwig Straßer, Dr. Andreas Hahn; Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Abteilung Waldschutz; Forschungsprojekt „Baumarten unter Trocken- und Hitzestress – Phytopathologische Probleme“ Wenn Wärme und Trockenheit Bäume schwächen und Pilze stärken Schäden hat es im Wald schon immer gegeben. Über lange Zeit bestand ein gewisses Gleichgewicht zwischen Bäumen und Schadauslösern, wenn auch mit zeitweiligen starken Ausschlägen. Doch woran leiden und sterben Bäume heute? Sind sie schwächer geworden und/oder die Schadfaktoren stärker? Durch den anthropogenen Klimawandel geraten einerseits Bäume unter Trocken- und Hitzestress, während andererseits insbesondere pilzliche Schaderreger, altbekannte und neu eingeschleppte, profitieren. Für den Erhalt der Wälder in Bayern stellen sich daher folgende Fragen: Welche Erreger profitieren und welche Baumarten geraten dadurch unter verstärkten Stress? In den letzten Jahren sind bei verschiedenen Baumarten in Bayern Schäden sowie Absterbe-Erscheinungen aufgefallen. Neben Trockenheit und Insektenfraß konnten pathogene Pilze damit in Verbindung gebracht werden. So wurden z. B. seit dem Trockensommer 2015 starke Schäden in Kiefernbeständen in Mittelfranken festgestellt Neben Kiefernprachtkäfer und Mistel wurde eine signifikante Zunahme des wärmeliebenden Erregers des Diplodia-Triebsterbens (Sphaeropsis sapinea) nachgewiesen. Da sich die Schäden seit 2018 verstärkt fortsetzen, besteht dringender Forschungsbedarf. Auch die im Sommer 2018 erstmals in Bayern auf der Fränkischen Platte nachgewiesene Ahorn-Rußrindenkrankheit (Cryptostroma corticale) hängt mit Wärme und Trockenheit zusammen. Auf vier Untersuchungsflächen wiesen im Frühjahr 2019 knapp die Hälfte der Bergahorne rußartige Sporenlager auf. Insgesamt waren bereits 90 % der Bäume abgestor- Abb. 43: Diplodia-Triebsterben an Pinus sylvestris in Mittelfranken. ben. Bergahornbestände sind unter diesen spezifischen Standort- und Klimafaktoren somit als stark gefährdet einzustufen. Da die Pilzsporen negative Auswirkungen auf das Atemsystem haben und zu einer Entzündung der Lungenbläschen führen können, sind die Vorschriften zum Arbeitsschutz zu beachten. Weitere bestätigte Verdachtsfälle der Ahorn-Rußrindenkrankheit wurden im Frühjahr 2019 aus den Regionen Nürnberg, Regensburg und Augsburg gemeldet. Auch der Spitzahorn scheint betroffen zu sein. In Folge des Trockenjahres 2018 deutet sich eine weitere Ausbreitung und Intensivierung des Schadgeschehens an, auch in Gebieten, die nicht generell einem warm-trockenen Klima unterliegen. Auffällig ist zudem das Auftreten der Krankheit in kleineren Waldkomplexen sowie urbanen Bereichen, was an den dort erhöhten Temperaturen liegen kann. Die Epidemiologie pilzlicher Schaderreger wurde bislang wenig in direktem Zusammenhang mit den Einflussfaktoren Trocken- und Hitzestress betrachtet, da pilzliche Pathogene nach bisheriger Annahme eigentlich eher bei hoher Feuchtigkeit in Erscheinung treten können. Die begonnenen ForschungsarbeiAbb. 44: Bergahorn mit abplatzender Rinde ten sollen hierzu neue mit Sporenlagern Erkenntnisse beförvon Cryptostroma dern. corticale. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Prof. Dr. Jörg Ewald, Dr. Sabine Rösler, Michelangelo Olleck, Dr. Birgit Reger; Hochschule WeihenstephanTriesdorf (Institut für Ökologie und Landschaft); Forschungsverbund „Bayerisches Synthese-Informations-Citizen Science Portal für Klimaforschung und Wissenschaftskommunikation” (BAYSICS), Teilprojekt 6 Steigen die Baumgrenzen in den Bayerischen Alpen? Obere, kältebedingte Höhengrenzen von Bäumen im Gebirge sind artspezifisch. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sie sich durch die globale Erwärmung deutlich nach oben verschieben. Das Forschungsprojekt der HSWT untersucht die aktuellen Höhengrenzen in den Bayerischen Alpen und vergleicht sie mit rund 170 Jahre alten, sehr genauen Beobachtungsdaten des Botanikers Otto Sendtner. Damals – am Ende der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ – lag die Jahresmitteltemperatur um rund 2 °C niedriger als heute. Sendtners Veröffentlichung (1854) enthält ausführliche Ortsangaben für 493 besonders hochgelegene Vorkommen von 15 Gehölzarten in den Bayerischen Alpen, ergänzt durch die barometrisch ermittelte Meereshöhe, Exposition usw. Hiervon konnten 441 Fundorte (89 %) rekonstruiert und georeferenziert werden (Abb. 45). Die jeweils höchsten Fundorte pro Art (“Rekordbäume”) wurden für 8 Teilregionen genauer verortet: Im Radius 500 bis 2.000m rund um das Toponym wurden im Geländemodell Polygone ermittelt, für die Sendtners Angaben bezüglich Meereshöhe und Exposition zutreffen (Abb. 45). Das Projekt verfolgt einen Citizen Science-Ansatz, um durch Crowdsourcing möglichst viele Beobachtungen im gesamten bayerischen Alpenraum zu generieren. Die teilnehmenden Bergwanderer werden für die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf den Bergwald vor ihrer Haustür sensibilisiert. Neben Baumarten an der Waldgrenze sollen auch wärmebedürftige Arten wie die Eiche innerhalb der Bergwald-Stufe erfasst werden. Werbung erfolgte über Funk und Fernsehen sowie über die Medien des DAV. Das Portal www.baysics.de bietet durch Anzeige historischer „Rekordbäume” und neuer Meldungen Anreize, Lücken zu füllen und auf noch höhergelegene Vorkommen zu achten (Gamification). Vergleiche der Sendtner-Daten mit Datenbank- und Literaturauswertungen und ersten Beobachtungsdaten von Bergwanderern zeigen bereits ein deutliches Ansteigen der Höhengrenzen für Eberesche, Fichte, Weißtanne, Bergahorn und Buche. Langfristig sind Veränderungen in der Artenzusammensetzung des Bergwaldes und ein Anstieg der Waldgrenze bzw. Flächenverlust bei den alpinen Rasen zu erwarten. Abb. 45: Sendtner-Fundorte, „Rekordbäume“ der Teilgebiete rot markiert (links) und Kartenausschnitt der „Rekordbäume“ am Seinskopf im Karwendelgebirge (rechts) (Quelle Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Institut für Ökologie und Landschaft; Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung). 93 94 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.4 Naturschutz Kurz gesagt, • zur Artenvielfalt und Artenzusammensetzung: Der Klimawandel beeinflusst das Verhalten, die Verbreitung und den Stoffwechsel von Arten und bedroht damit die heimische biologische Vielfalt. Bayern verliert, vereinfacht gesagt, insbesondere von kühlen und/oder feuchten Lebensbedingungen abhängige, hochangepasste, sensible und gefährdete Arten, während gewöhnliche, wärmeliebende Arten sich ausbreiten, neu einwandern und invasiv werden können. Naturschutzfachlich kann diese Entwicklung mit intensivierten Schutzmaßnahmen für die bedrohten Lebensräume und Spezies sowie einem Ausbau der Verbundstrukturen abgemildert werden. Jedoch können Naturschutzmaßnahmen nur im Verbund mit einer vorsorgeorientierten Reduktion des globalen Treibhausgasausstoßes (gemäß Pariser Übereinkommen: „2-Grad-Obergrenze“) einen einschneidenden klimabedingten Verlust der Biodiversität aufhalten. 4.4.1 Ausgangslage Seitdem sich vor etwa 3.5 Milliarden Jahren erste Lebensformen (Cyanobakterien) entwickelten, ist die Natur stetig durch Evolution und Anpassung im Wandel. Mit Beginn der großflächigen landwirtschaftlichen Nutzung durch den Menschen vor etwa 10.000 Jahren nahm dieser Veränderungsprozess deutlich an Fahrt auf, gefährdete zunächst jedoch nicht unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Seit dem letzten Jahrhundert führt der menschliche Einfluss auf die Natur allerdings dazu, dass die Arten deutlich schneller aussterben als unter natürlichen Bedingungen (für Wirbeltiere: bis zu 100-mal schneller [69]). Im Zuge des 2019 vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES) veröffentlichten Berichts zu Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen erkennt Deutschland die Sicht der Wissenschaft an, dass gegenwärtig weltweit etwa 25 % aller Arten (ausgenommen Insekten) bzw. eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Nur ein weitreichender transformativer Wandel (Kap. 5) kann verhindern, dass sich der Zustand der Ökosysteme und damit auch die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen weiterhin mit zunehmender Geschwindigkeit verschlechtert. Abb. 46: Kleinstrukturierte Kulturlandschaft um die Biodiversitätsgemeinde Tännesberg. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Vor diesem Hintergrund wirkt sich der Klimawandel auch in Bayern als Multiplikator aus, der bestehende Ökosysteme zusätzlich unter Veränderungsdruck stellt. Dabei gilt: je intakter und vielfältiger ein Ökosystem, desto besser kann es auf Störungen – zum Beispiel auf den Klimawandel – reagieren [8], ohne dabei zu kollabieren. Daher stellen die in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) von der Bayerischen Staatsregierung genannten Handlungsziele meist allgemeine Naturschutzziele dar, die auf eine Verbesserung des Gesamt-Ökosystems abzielen. Sie umfassen [55]: • Den Schutz der Arten- und Sortenvielfalt, • die Erhaltung der Vielfalt der Lebensräume, • die Verbesserung des Biotopverbunds, und • das Erleben und Erforschen der biologischen Vielfalt. 4.4.2 4.4.2.1 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung Artenvielfalt und Artenzusammensetzung Für die Ökologie ist das Klima ein grundlegender Faktor. Änderungen des Klimas beeinflussen zwangsläufig die Verbreitung von Arten sowie die Zusammensetzung und Funktionsweise von Lebensgemeinschaften und Ökosystemen. Die heimische Artenvielfalt wurde bislang überwiegend durch Lebensraumverluste – verursacht durch den Landnutzungswandel – gefährdet. Zusätzlich gilt inzwischen der anthropogene Klimawandel als größte Bedrohung der Biodiversität und wichtigste Ursache des Artenverlustes [70]. Es verschwinden Arten – viele davon hoch spezialisiert –, welche seit Jahrtausenden heimisch und charakteristisch für die bayerische Landschaft waren. Gleichzeitig wird der Wandel in der heimischen Biodiversität durch das zunehmende Auftreten gebietsfremder Arten (Neobiota), die von selber zuwandern oder vom Menschen absichtlich oder unabsichtlich eingeführt wurden, verschärft. Dadurch wird die prägende Vegetation und die Landschaft meist kleinflächig auf bestimmten Standorten, manchmal aber auch sehr grundlegend umgebaut. Das Ausmaß und die Dynamik der Artenverschiebung hängt maßgeblich von der Intensität des weiteren Klimawandels ab. Auswirkungen auf Klimaverlierer Manche Arten und Lebensraumtypen weisen eine besondere klimabezogene Gefährdung auf. Sie lassen sich vorwiegend in eine der folgenden Kategorien einordnen: • Kälteangepasste und damit oft in höheren Lagen vorkommende Arten und Lebensraumtypen, z. B. Eiszeitrelikte oder alpine Arten, • Arten mit Populationen von hochgradiger Gefährdung (rückläufig, klein, isoliert bzw. endemisch), • stark spezialisierte, eng eingenischte Arten, z. B. an bedrohte, seltene oder schwer wieder herstellbare Lebensräume/Strukturen gebunden, • Arten mit engen Bindungen zu anderen Arten (z. B. Insekten mit nur einer Nahrungspflanzenart), • Arten von geringer Ausbreitungsfähigkeit (geringe bzw. langsame Reproduktion, wenig mobil), • Arten, die Lebensräume mit langer Entwicklungszeit besiedeln (z. B. Altbäume, Felsen, Moore) • Feuchtlebensräume, die je nach Ausprägung und Lage besonders von Dürreperioden bedroht sind (z. B. Moore, Quellen und kleine Gewässer). Als mutmaßlich einer der ersten Klimaverlierer gilt die Mond-Azurjungfer (Coenagrion lunulatum), eine Kleinlibellenart. Noch in den 1990er Jahren hatte dieses Eiszeitrelikt eine ganze Reihe von Vorkommen in Bayern, 2009 erlosch jedoch der letzte Bestand. Für die Fauna Bayerns ist die Art damit verloren, 95 96 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Lagen wirkt sich auch auf einige Vogelarten negativ aus, und zwar zusätzlich zu den Auswirkungen des Nutzungswandels. So finden das kälteangepasste Birkhuhn und Alpenschneehuhn nur noch in den Hochgebirgslagen der bayerischen Alpen geeignete Lebensräume. Auswirkungen durch Extremereignisse Die zunehmend auftretenden Witterungsextreme wie sommerliche Dürreperioden oder Hochwasserlagen bilden neben der Temperaturerhöhung einen weiteren Gefährdungsfaktor des Klimawandels für die Biodiversität. Abb. 47: Hochmoor-Gelbling (Colias paleano) – ein mutmaß­licher Klimaverlierer. denn eine Wiederbesiedlung gilt als nahezu ausgeschlossen. Beim Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) kam es um die Jahrtausendwende zu großräumigen Arealverlusten, vor allem in Südostbayern, wo die Art noch in den 1990er Jahren kopfstarke Populationen aufwies. Eine maßgebliche Beteiligung des Klimawandels für den Rückgang kann als sicher gelten [71]. Als besonders gefährdet gelten Arten und Lebensräume der alpinen Hochlagen. Dies ist alarmierend, da die Alpen, gemessen an ihrer geringen Flächenausdehnung, überproportional zum Artenreichtum Bayerns beitragen (vgl. Kap. 4.16 Klimawandel im Alpenraum). Den klimatisch eng eingenischten Arten bleiben kaum Ausweichmöglichkeiten, da die Lebensräume nur bedingt mitwandern können, wenn z. B. reine Fels(schutt)gebiete oder Gipfellagen angrenzen. Rückläufige Bestandsentwicklungen gibt es z. B. bei mehreren Laufkäferarten (Nebria bremii, Trechus latibuli). Oftmals droht nicht nur Stress durch die Klimaerwärmung, sondern sekundär auch die Verdrängung durch konkurrierende Arten oder neue Fressfeinde, die in den Lebensraum vordringen. Die Verschiebung der Waldgrenze in immer höhere Dürreperioden in Bayern ließen 2018 und 2019 wieder zahlreiche Bäche mit der hochbedrohten Bachmuschel (Unio crassus) und Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) auf geringe Restwassermengen schrumpfen oder ganz versiegen, mit direkten negativen Auswirkungen auf die Populationsgrößen dieser Bestände. Mit Ihrer starken Bindung an Feuchthabitate und hoher Sensibilität gegenüber UV-Strahlung sind Amphibien besonders von den derzeitigen Klimaveränderungen betroffen. So werden auffallend geringe Laichbestände selbst der häufigen Amphibienart Grasfrosch im Aischgrund in Mittelfranken mit der Trockenheit und Hitze in Verbindung gebracht. Seit 2013 gehen dort auch die Moorfroschbestände in einem ihrer Kernvorkommen kontinuierlich stark zurück, was vermutlich an den mehrheitlich überdurchschnittlich warmen und trockenen Frühjahren und Sommern im letzten Jahrzehnt liegt. Längere Trockenperioden nehmen auch in den Überwinterungsgebieten bayerischer Vogelarten (z. B. im Sahelgürtel) zu und verringern die Überlebenschancen der dort überwinternden Arten, wie beispielsweise Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) und Kuckuck (Cuculus canorus). Z. T. führen die längeren Zugstrecken in Ausweichquartiere zu einem späteren Eintreffen im heimischen Bruthabitat, wodurch der Höhepunkt der Nahrungsverfügbarkeit im Frühjahr nicht mehr mit der Aufzuchtzeit der Jungen übereinstimmt und es zu Nahrungsengpässen kommt. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Auswirkungen auf Klimagewinner Klimagewinner, die Bayern in jüngster Zeit erstmals auf größerer Fläche besiedeln konnten, fallen schneller auf als Klimaverlierer. Überwiegend profitieren wenig spezialisierte, anpassungsfähige Arten, die sich rasch vermehren bzw. ausbreiten können. Typischerweise stammen die Vertreter aus Gruppen, welche ihren Verbreitungsschwerpunkt in Wärmegebieten (z. B. Mittelmeerraum) haben. So gibt es auffällig viele Insekten wie Bienen-, Wespenund Heuschreckenarten, deren Verbreitung aufgrund des Klimawandels zunimmt, die inzwischen aus der Roten Liste entlassen oder überhaupt erst wieder in Bayern anzutreffen sind. dies unter anderem Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Zilp Zalp (Phylloscopus collybita) und Weißstorch (Ciconia ciconia), die in Reaktion auf die Klimaerwärmung kürzere Strecken ziehen, damit früher im Brutgebiet ankommen und sich in der Konkurrenz um das beste Territorium behaupten können. Auswirkungen auf Neobiota Aufgrund der Erwärmung dringen auch vermehrt Arten nach Bayern vor, welche früher hier nicht heimisch waren. Viele Vertreter dieser sog. Neobiota etablieren sich dauerhaft. Als Beispiele sind die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea), der KarstWeißling (Pieris mannii) oder die europaweit geschützte FFH-Art Großer Feuerfalter (Lycaena dispar) zu nennen. Ebenso die Weißrandfledermaus, die seit ihrer Erstsichtung 1998 inzwischen eine häufige Art in Teilen Südbayerns ist. Manche eingewanderten Arten werden zur potenziellen Gefahr für die heimische Biodiversität, weil sie sich als sog. invasive Arten massiv ausbreiten und die heimische Flora bzw. Fauna verdrängen. So wird befürchtet, dass die Asiatische Hornisse (Vespa velutina) in Kürze auch in Bayern als Konkurrent für die heimische Hornisse (Vespa crabro) und als neuer Fressfeind für zahlreiche Arten auftritt. Abb. 48: Die hoch bedrohte Große Hufeisennase profitiert vom Klimawandel. Unter den Wirbeltieren sind es etwa die Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum), deren einzige Kolonie in Deutschland in der Oberpfalz ein erfreuliches Wachstum zeigt. Die Klimaveränderungen haben auch einige positive Effekte auf die heimische Vogelwelt. In seiner nordwärts gerichteten Ausbreitung besonders auffällig ist der Bienenfresser (Merops apiaster), von dem 2019 in Bayern erstmals mehr als 200 Paare brüteten. Auch früher seltene Arten wie Nachtreiher (Nycticorax nycticorax) und Purpurreiher (Ardea purpurea) brüten inzwischen mit jeweils ca. 50 Brutpaaren in Bayern. Manche Zugvögel finden auf ihrem Weg in die Überwinterungsgebiete bereits früher geeignete Habitate. Bei den in Bayern beheimateten Arten sind Im weiteren Zeitverlauf werden auch einige eingewanderte Gehölze invasiv. So zu beobachten auf bislang wenig bewachsenen Felsen in Wärmegebieten, auf denen sich Zwergmispel (Cotoneaster spp.), Götterbaum (Ailanthus altissima) und vor allem auch der Sommerflieder (Buddleja davidii) etablieren. Innerhalb kurzer Zeit können diese Arten offene Kalkfelsen besiedeln und so beschatten, dass die heimischen Arten weitgehend verschwinden. Damit entfällt auch die Nahrungsgrundlage für heimische Insekten, die sich fast alle nicht von den fremdländischen Arten ernähren können. Ähnliches geschieht im Bereich der Wasservegetation, wo der invasive amphibisch wachsende Wassernabel (Hydrocotyle ranunculoides) oder das Heusenkraut (Ludwigia grandiflora) in der Lage sind dichte Schwimmdecken auf Gewässern auszubilden, die durch vollständige Ausdunkelung den Lebensraum für Fische und 97 98 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung andere Gewässerorganismen grundlegend verändern. Beide Arten kommen aktuell in Bayern aber noch nicht vor. Durch die zunehmende Sommertrockenheit können ganze Pflanzenbestände absterben, die sich vorher in einem dynamischen Gleichgewicht befanden. Neophyten nutzen dank ihrer oftmals hohen Ausbreitungsfähigkeit durch Samen die neu entstandenen Bestandslücken als Keimnischen und besiedeln diese oft schneller als einheimische Arten. Götterbaum (Ailanthus altissima), Robinie (Robinia pseudoacacia), Schmalblättriges Kreuzkraut (Senecio inaequidens) oder Goldrute (Solidago gigantea bzw. canadensis) sind Arten, die sich durch hohe Samenproduktion, effektive Fernausbreitung und hohe Keimfähigkeit auszeichnen. So konnte in den letzten Jahren beobachtet werden, wie Goldruten entlang von Bahntrassen alle Bodenstörungen (Maulwurfshaufen, Mulchschäden, Baustellen usw.) für die Etablierung nutzen und von diesen Initialen aus dauerhafte Bestände (Klone) bildeten. Dieser Prozess wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen und in Nachwirkung der Extremsommer 2018/2019 verstärkt zu beobachten sein. Abb. 49: Robinienbewuchs an einer Bahntrasse im Lkr. Schwandorf verdrängt zunehmend die natürliche Felsvegetation. Umsetzung von Klimaanpassung Der Schutz der Artenvielfalt Bayerns vor dem Hintergrund des Klimawandels ist eine Herausforderung, welcher mit naturschutzorientierten Mitteln nur eingeschränkt begegnet werden kann. Es gilt, dass negative Folgen der Klimaveränderung durch eine möglichst unversehrte Natur am besten abgepuffert und kompensiert werden können und gesunde Ökosysteme besser ihre Ökosystemdienstleistungen aufrechterhalten können [72]. Bereits geschädigte oder nur bedingt anpassungsfähige multifunktional genutzte Ökosysteme, wie z. B. ein Teil der bayerischen Wälder, müssen dagegen aktiv unterstützt und wo erforderlich wiederherstellt werden (vgl. Kap. 4.3 Wald und Forstwirtschaft). Deshalb ist die Sicherung und Entwicklung seltener und gefährdeter Lebensräume und einer strukturreichen – natur- und klimafreundlich genutzten – Kulturlandschaft ein zentraler Maßnahmenkomplex. Es gilt Ökosysteme, einschließlich ihrer vollständigen Artengarnituren, optimal zu gestalten und anthropogene Gefährdungsfaktoren so weit als möglich zu reduzieren. Ein wirksamer Biotopverbund ist dafür unverzichtbar, um z. B. im Zusammenhang mit klimabedingten Arealverschiebungen zu gewährleisten, dass Arten neue Habitate erreichen und diese erfolgreich besiedeln können. Für wenig mobile Gruppen wie Bodentiere, Mollusken, nicht flugfähige Insekten sowie viele Pflanzenarten und damit einen erheblichen Teil der Artenvielfalt müssen zusätzliche Maßnahmen, z. B. gezielte Artenhilfsprogramme ansetzen. In der Fläche sollten Agrarumweltprogramme zur Verbesserung der Strukturvielfalt und Extensivierung der Landwirtschaft ausgebaut werden. Großes Maßnahmenpotenzial bieten die von Dürreperioden bedrohten Ökosysteme der Moore und Auen. Der Wiederherstellung und Stabilisierung des ursprünglichen Grundwasserspiegels kommt dabei zentrale Bedeutung zu (z. B. [73]). Intakte hydrologische Verhältnisse sind ein wichtiger Schlüssel klimabedingte Verluste zu vermindern und zu begrenzen (zum Beitrag von Mooren als Kohlenstoffspeicher s. Kap. 4.5.2.2). Allerdings werden sich auch nicht (mehr) entwässerte Moore bei dauerhaft (zu) wenig verfügbarem Wasser verändern, z. B. in Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 50: Gelungene Wiedervernässung im Rosenheimer Stammbeckenmoor. Form von Verheidung oder durch die Entwicklung von mehr Moorwald auf vorher offeneren Flächen. Moorwälder sind ebenfalls wertvolle Lebensräume für seltene und gefährdete Arten und tragen zum Klimaschutz bei. In den von klimatischen Veränderungen besonders betroffenen Hochlagen der Alpen sind klassische Naturschutzmaßnahmen (z. B. Landschaftspflege, Biotopverbund) weitgehend wirkungslos bzw. weder sinnvoll noch realistisch. Nur durch eine vorsorgeorientierte Begrenzung der klimatischen Änderungen gemäß des Pariser Übereinkommens (2-Grad-Obergrenze) kann der Verlust an alpinen Lebensräumen und Arten zu gewissem Grade abgeschwächt werden. Allgemeine Klimaschutzmaßnahmen im Alpenraum, z. B. der Ausbau des Klimaaktionsplans der Alpenkonvention, können hierzu einen regionalen Beitrag beisteuern. Grundsätzlich sind jedoch die Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und der biologischen Vielfalt in ihrer Komplexität nicht ausreichend erforscht. Für Bayern liegen derzeit nur für wenige Arten klimarelevante Erkenntnisse vor, Daten für konkrete Effekte auf Lebensraumtypen bzw. ganze Ökosysteme fehlen weitgehend. Für die Wälder kann das aktuell im Staatswald im Aufbau befindliche grüne Netzwerk aus 10 % nutzungsfreien Naturwäldern neue Erkenntnisse bringen. Insgesamt ist kaum etwas über Auswirkungen von unterschiedlichen Nutzungsformen auf Offenlandlebensräume unter dem Einfluss des Klimawandels bekannt. Um die negativen Folgen der Klimaerwärmung etwas abfedern und rechtzeitig reagieren zu können, sollten geeignete praxisnahe Forschungsvorhaben initiiert werden mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen und Naturschutzmaßnahmen zu entwickeln. Es wäre auch zu empfehlen, für Bayern entsprechende Indikatoren zu Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität zu etablieren. Erste Anregungen liefert die LfU-Machbarkeitsstudie zu Klimaindikatoren oder Braeckevelt et al. (2018) [74]; [75]. Insgesamt bieten die Instrumente des Naturschutzes eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die nachteiligen Folgen des Klimawandels für die heimische Artenvielfalt abzumildern. Vor allem das „Klimaschutzprogramm Bayern 2050“ mit Schwerpunkt Moorschutz und das „Auenprogramm Bayern“ greifen diese Ansätze zur klimawirksamen Umsetzung auf. Jedoch dürfen die Grenzen der Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen gegenüber dem anthropogenen Klimawandel nicht übersehen werden. Der Begriff Klimaanpassung sollte in Bezug auf naturschutzfachlich-ökologische Themen zurückhaltend Verwendung finden, um nicht unrealistische Vorstellungen und Erwartungshaltungen zu wecken. Ein wirkliches und nachhaltiges Gegensteuern auf breiter Front gegen die klimabedingten Änderungen in der heimischen Biodiversität erfordert Klimaschutz-Maßnahmen, welche Treibhausgase und Klimawandel gemäß der Ziele des Pariser Übereinkommens begrenzen (deutlich unter 2 °C, vgl. Kap. 1 und 2.4). 99 100 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Sarah Redlich, Ute Fricke, Cristina Ganuza, Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter; Universität Würzburg (Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie); Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (Bayklif); Verbundprojekt „LandKlif“ – Teilprojekt 1 Klimawandel im Landschaftskontext: Auswirkungen auf Bestäubung und natürliche Schädlingsbekämpfung Steigende Temperaturen und die zunehmende Häufigkeit extremer Wetterereignisse sind eine Herausforderung für Mensch und Natur. Zeitgleich hat die zunehmend intensive Nutzung der Natur und ihrer Ressourcen dramatische Auswirkungen. Der daraus resultierende globale Insektenschwund gefährdet eine Vielzahl unverzichtbarer Leistungen von Natur und Landschaft (z. B. die Bestäubung von Wild- und Nutzpflanzen) und dadurch letztlich unsere ganze Gesellschaft (Abb. 51). Abb. 51: Konzeptioneller Ansatz des Forschungsverbundes LandKlif, TP1. Bilder © Sarah Redlich. Abb. 52: Methoden zur Erfassung der Artenvielfalt und Leistungen von Natur und Landschaft. Bodenbildung (oben links), Blattfraß (oben Mitte), Regulierung von blattfressenden Insekten (oben rechts), Bestäubung von Wildpflanzen (unten links), Nisthilfen für halmnistende Insekten (unten Mitte), Rapsertrag (unten rechts). Doch welche Folgen hat die Klimaerwärmung auf die Artenvielfalt und Wechselbeziehungen von Insekten in Bayern? Verstärkt eine intensive Landnutzung die Auswirkungen des Klimawandels? Wie können Menschen, Tiere und Pflanzen sich an den Klimawandel anpassen? Und welche Managementstrategien fördern Leistungen wie Bodenbildung, Bestäubung und natürliche Schädlingsregulierung auch in der Zukunft? Diesen Fragen gehen wir auf den Grund. In ganz Bayern wurden dazu die Insektenvielfalt von Schädlingen, Gegenspielern und Bestäubern und Leistungen von Natur und Landschaft in verschiedenen klimatischen Landschaften systematisch erfasst (vgl. Abb. 52). Wir erwarten Unterschiede in der Artenvielfalt und den erbrachten Leistungen, je nachdem ob die Versuchsflächen in kalten oder warmen Klimazonen, naturnahen, agrarisch genutzten oder urbanen Landschaften liegen. Zusätzliche Simulationen klimatischer Extremereignisse sollen helfen, das Anpassungspotential bzw. die Resilienz funktionell wichtiger Insektengruppen wie Bestäubern besser zu verstehen. Die Ergebnisse liefern die Handlungsgrundlage für ein nachhaltigeres Management der bayerischen Natur und Landschaft und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Insektenvielfalt und ihrer vielfältigen Leistungen, im Kontext des Klimawandels. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.5 Bodenschutz und Georisiken Kurz gesagt, 4.5.1 Ausgangslage • zu Bodenabtrag von Ackerflächen: Aufgrund des Klimawandels stieg der Anteil der Regenerosivität (die erosiv-wirkenden Niederschläge) auf Ackerflächen seit 1970 um 50 Prozent [76]. Bis zum Jahr 2050 könnte sich dieser verdoppeln oder gar verdreifachen [77]. Die Ausübung guter landwirtschaftlicher Bewirtschaftungspraktiken sowie der in der Bayerischen Klimaschutzinitiative forcierte Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und die Bereitstellung von Beratungs- und Förderinstrumenten zu Humuserhalt- und -aufbau in Ackerböden können diesem Trend entgegenwirken. Damit dies gelingt, müssen wirksame Maßnahmen für einen flächenhaften Bodenschutz umgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Umweltschutz, Städtebau, Gesellschaft und Politik. • zu Moorböden: Hauptgefährdungsursache von Mooren sind nach wie vor direkte menschliche Einflüsse wie z. B. die Entwässerung und die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung. Im Zuge des Klimawandels sehen wir künftig eine steigende Gefahrenlage für Moore und die Notwendigkeit verstärkter Schutz- und Regenerationsmaßnahmen. Hier kann das MaßnahmenPaket aus der Bayerischen Klimaschutzoffensive unter anderem mit den Beiträgen „Moorbauernund Moorwaldprogramm“ wertvolle Impulse geben. • zu Georisiken: Geogefahren (z. B. Hangbewegungen, Rutschungen, Felsstürze, Steinschläge, Muren) werden durch diverse Klima- und Witterungsbedingungen beeinflusst und durch den Klimawandel zum Teil verschärft. Der UmweltAtlas Bayern und die Bayerische Plattform Naturgefahren informieren über regionale Risiken, Möglichkeiten der Risikovorsorge und ein integrales Risikomanagement. Abb. 53: Bodenprofil eines Podsols. Der Boden ist Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Intakte Böden erfüllen wichtige Funktionen im Natur- und Nahrungskreislauf – auch für uns Menschen. Sie filtern Schadstoffe aus versickerndem Regenwasser und sorgen so für sauberes Grund- und Trinkwasser. In großen Teilen nutzen wir sie zum Anbau von Lebensmitteln. In Bayern werden ca. 47 % der Bodenfläche landwirtschaftlich genutzt, weitere 36 % entfallen auf Forstflächen und 17 % nutzt der Mensch u. a. als Flächen für Siedlung, Verkehr und Industrie. Der Flächenverbrauch liegt derzeit in Bayern bei 10,0 ha pro Tag (Stand 2018), von denen rund die Hälfte versiegelt wird. Dadurch gehen wichtige Bodenfunktionen verloren, insbesondere auch die Funktion der Böden als CO2-Senken. Überbaute Flächen können nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, der Lebensraum für Pflanzen und Tiere wird eingeschränkt. Regenwasser kann nicht mehr versickern und die Hochwassergefahr steigt. 101 102 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Werden Böden allzu intensiv genutzt, sind diese in ihrer natürlichen Funktionalität eingeschränkt. Landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen, die den Bodenschutz vernachlässigen, führen oft zu einem Verlust von fruchtbarem Oberboden (z. B. durch Erosion), sinkenden Humusgehalten und damit zu weniger Fruchtbarkeit. Auch der Klimawandel macht den Böden zu schaffen, dies gilt vor allem für extreme Wetterlagen wie lange Trockenphasen oder Starkregenereignisse. Neben den Auswirkungen auf die natürlichen Bodenfunktionen, kann auch die Bodenstabilität empfindlich beeinträchtigt werden. Als Folge davon steigt die Gefahr von sogenannten Georisiken. Dazu zählen z. B. massive Bodenbewegungen wie Hangrutschungen oder Fels- und Bergstürze. Solche Georisiken stellen vor allem im Bergland eine erhebliche Bedrohung von Leib und Leben, Infrastruktur und Sachwerten dar [55]. Die intensive Nutzung und der vom Menschen verursachte Klimawandel bedrohen also unsere Böden und damit eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Durch eine umsichtige und schonende Bodennutzung kann die Ressource Boden geschützt und erhalten werden. Die Bayerische Staatsregierung räumt deshalb in der bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016 [55]) dem Schutz von Mensch und Boden hohe Priorität ein: • Der Schutz des Menschen, des Bodens und die Sicherung oder Wiederherstellung der natürlichen Bodenfunktionen gelten als oberste Handlungsziele. 4.5.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.5.2.1 Bodenabtrag von Ackerflächen Böden entstehen sehr langsam. In Mitteleuropa dauert es ungefähr 100 Jahre bis ein Zentimeter Boden entsteht. Starkregenereignisse können an einem einzigen Tag ein Vielfaches davon erodieren. Werden Böden abgetragen, so vermindert sich die Ertragsfähigkeit des Ackerlandes und Oberflächenge- wässer werden mit Sedimenten und Nährstoffen belastet (Eutrophierung). Fließgewässer können dabei verschlammen und versanden, mit negativen Auswirkungen auf Abflussregime und Aquafauna [55]. Ebenso speichern Böden organische Kohlenstoffverbindungen (Kap. 2.3). Sind die Kohlenstoff­ einträge, z. B. durch Pflanzenreste oder organischen Dünger, kleiner als die durch mikrobielle Bodenatmung verursachten Kohlenstoffausträge, so entstehen im Netto CO2-Emissionen. Böden können grundsätzlich sowohl durch Wind als auch durch Wasser abgetragen werden, wobei in Bayern die Wassererosion deutlich überwiegt. Wassererosion entsteht, wenn die kinetische Energie der starken Niederschläge die Aggregate des Bodens zerstört und es somit in Folge zur Verschlämmung der Oberfläche kommt. Dadurch kann das Wasser nicht mehr versickern, sondern fließt an der Bodenoberfläche ab und nimmt die herausgebrochenen Bodenaggregate in Richtung des topografischen Gefälles mit. Bedeutendster Auslöser von Bodenabtrag durch Wassererosion sind Starkregenereignisse, wenn sie auf gering bedeckte Böden prallen [8]. Auswirkungen auf den Bodenabtrag Jährlich gehen in Bayern durchschnittlich ca. 5 Tonnen Oberboden pro Hektar Land durch Wassererosion verloren, regional zum Teil mehr als 10 Tonnen pro Hektar. Der wesentliche, vom Klimawandel beeinflusste Faktor für den Bodenabtrag ist die Regenerosivität, der als R-Faktor in die Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG) eingeht. Die Regenerosivität ist umso höher, je größer die kinetische Energie und somit die Wucht des Aufpralls des Regens auf den Boden ist. Eine Erhöhung führt in gleichem Maße zu einer Zunahme des Bodenabtrags. Verdoppelt sich also die Regenerosivität, so verdoppelt sich auch der Bodenabtrag, sofern nicht noch weitere wichtige Faktoren, beispielsweise die Bewirtschaftung der Ackerflächen, Einfluss nehmen [78]. Mit dem Klimawandel wird erwartet, dass Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen zunehmen (Kap. 3.3), weshalb auch die Regenerosivität zunehmen wird [77]. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 54: Veränderung der Regenerosivität seit 1970 (Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), IAB 1a). Im Jahr 2018 wurde die Veränderung der Regenerosivität in einem Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und der Technischen Universität München (TUM) anhand von Radardaten der Jahre 2001 bis 2017 neu berechnet [79] (Abb. 54). Dabei zeigte sich, bezogen auf die Ackerflächen Bayerns, eine mittlere Zunahme der Regenerosivität seit 1970 um 50 Prozent. Regional ist der Trend teilweise deutlich ausgeprägter, besonders im Alpenraum, mit einem Anstieg von mehr als 200 Prozent. Generell ist die prozentuale Zunahme in jenen Regionen besonders hoch, die in absoluten Zahlen gesehen bereits in der Vergangenheit hohe Werte der Regenerosivität aufwiesen. Laut der Pilotstudie „Klimawirkungskarten Bayern“ des LfU und dem oben genannten Gemeinschaftsprojekt von LfL, DWD und TUM wirkt sich der Klimawandel auf die Regenerosivität und den Bodenabtrag wie folgt aus [78]: • Der niederschlagsbedingte Anstieg des Bodenabtrags seit 1970 beträgt im Mittel auf bayerischen Ackerflächen ca. 50 Prozent, • bis zum Jahr 2050 wird sich die Regenerosivität verdoppeln oder gar verdreifachen. 103 104 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Umsetzung von Klimaanpassung Abb. 55: Bewirtschaftungsfaktor (C-Faktor) im Jahr 2018. Der C-Faktor wurde anhand der angebauten Acker-Kulturen aus dem Jahr 2018, getrennt nach ökologischen und konventionell bewirtschafteten Flächen berechnet. Je niedriger der C-Faktor, desto geringer der Bodenabtrag (Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), IAB 1a). Ohne wirksame Gegenmaßnahmen wird der Abtrag fruchtbarer Böden in Zukunft allein aufgrund der zunehmenden Regenerosivität weiter drastisch zunehmen. Um dies zu verhindern, müssen Anpassungen im Sinne einer guten landwirtschaftlichen Praxis konsequent umgesetzt werden. Die Bayerische Staatsregierung formuliert hierzu in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) diverse Maßnahmen. Beispielsweise sollen Fahrspuren und Bewirtschaftungsrinnen quer zum Hang verlaufen, Hangmulden sollen begrünt bzw. durch Vegetation bedeckt sein, erosionsgefährdete Felder sollen durch Gehölzstreifen eingefasst werden, der Boden durch Mulch bedeckt, die Bodenaggregate durch eine lebendige biologische Aktivität sowie durch Kalkung und Zwischenfruchtanbau stabil gehalten, Bodenverdichtungen soll durch bodenschonendes Befahren der Felder sowie durch einen Verzicht auf intensive Bodenbearbeitung vorgebeugt werden und stark erosionsgefährdete Hänge sollen als Grünland bewirtschaftet werden [55]. Der Bodenabtrag von Ackerflächen hängt also stark von der Art und Weise der Ackerbewirtschaftung ab. Diese wird an der LfL durch den sogenannten Bewirtschaftungsfaktor (C-Faktor) erhoben. Wie in Abb. 55 für 2018 dargestellt, ergibt sich je nach Fruchtfolge, Bodenbedeckung und Bodenbearbeitung in Bayern ein C-Faktor zwischen 0,02 (niedriger Bodenabtrag) und 0,81 (hoher Bodenabtrag). Laut Klimawandel – Auswirkung und Anpassung dem 2019 veröffentlichten „Thünen Report 65“ trägt die ökologische Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung zu einer systembedingt stärkeren Reduktion des Bodenabtrags bei [80]. Rund 11 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Bayerns wird nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Im August 2019 ist im Naturschutzgesetz das Ziel festgesetzt worden, dass bis 2030 der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche auf 30 Prozent ausgedehnt werden soll. Die Umstellung auf ökologischen Landbau kann als Klimaanpassungsaktivität gewertet werden. Klimaanpassung geschieht in Bayern • durch zahlreiche im Rahmen der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie 2016 beschlossenen Einzelmaßnahmen, welche landwirtschaftliche Nutzungsformen im Rahmen guter Bewirtschaftungspraktiken befördern und • durch die Umsetzung der im Rahmen der Bayerischen Klimaschutzoffensive im 10-Punkte-Plan verankerten Ziele: die Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft von derzeit 11 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2030 und die Bereitstellung von Beratungs- und Förderinstrumenten zu Humuserhalt und -aufbau in Ackerböden. 4.5.2.2 Moorböden Moorböden bedecken etwa 3 Prozent der Fläche Bayerns [81]. Diese humusreichen, organischen Böden erfüllen wichtige Funktionen im Natur- und Wasserhaushalt. So bieten sie z. B. Lebensraum für hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten und können große Mengen Wasser aufnehmen und speichern. Dadurch können intakte Moorböden Hochwasserereignisse puffern und in Trockenphasen ausgleichend auf den Wasserhaushalt wirken [55]. Darüber hinaus dienen sie als effektive Kohlenstoffspeicher. Denn Moorböden binden zusammen mit anderen Böden global etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Menge, welche vom Menschen seit Anbeginn der Industrialisierung in die Atmosphäre ausgestoßen wurde [10]. Bei Mooren, die intensiv Abb. 56: Das Murnauer Moos ist der flächenmäßig größte und qualitativ bedeutendste Moorkomplex der Alpenrandmoore in Mitteleuropa. genutzt werden, tritt allerdings der umgekehrte Effekt auf. Der kohlenstoffreiche Humus wird abgebaut und als klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Aktuell tragen die Moore Bayerns auf diese Weise zu etwa 6 Prozent der gesamten CO2-Emissionen Bayerns bei [81]. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, enthält der 10-Punkte-Plan zur Bayerischen Klimaschutzoffensive ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Thema Moorschutz. Auswirkungen auf Moorböden Die jahrhundertelange, nur wenig auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Bewirtschaftung der bayerischen Moore führte zu einer fortlaufenden Degradation natürlicher Moorflächen bis hin zur kompletten Zerstörung. Allerdings wirken sich auch andere menschengemachte Einflussfaktoren negativ auf den Zustand der Moore aus. Insgesamt sind folgende Hauptfaktoren ursächlich für die Abnahme intakter Moorflächen: 105 106 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung • Die Entwässerung zum Zwecke der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, • großflächiger Torfabbau zunächst zur Gewinnung von Brennmaterial, später zur Nutzung als Gartentorf bis Ende der 1980er Jahre, • die Einstellung oder wenig sachgerechte Nutzung von Kultur-Ökosystemen (z. B. Wegfall der traditionellen, schonenden Streuwiesenmahd), • großräumige Grundwasserabsenkungen, • Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Wasserwirtschaft, Siedlung und Gewerbe und • anthropogen verursachte Stickstoffeinträge aus der Luft. Zusätzlich deutet vieles darauf hin, dass sich das verändernde Klima negativ auf den Zustand des Ökosystems Moor auswirkt. Beobachten lässt sich dies z. B. daran, dass • vor allem vorgeschädigte Moorgebiete während extremer Dürreperioden besonders unter Trockenstress geraten können (so z. B. seit Sommer 2018 bis Sommer 2020), • sich die torfbildende Vegetation (insbes. Torfmoose) nur in Gebieten mit ausreichendem Niederschlag und geringer Verdunstung regenerieren kann, • die moortypischen, kältetoleranten Arten insbesondere bei Vorschädigung ihrer Lebensräume zunehmend durch invasive „Allerweltsarten“ (Ubiquisten) verdrängt werden (s. auch Kap. 4.4.2.1). Der direkte Eingriff des Menschen, wie z. B. die Grundwasserabsenkung, hat auf die Zerstörung der Moore im Moment noch einen größeren Einfluss als die Bedrohung durch den Klimawandel. Jedoch zeigt uns die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, dass die Gefährdung von Mooren klimawandelbedingt immer bedeutsamer wird. Dem Schutz und der Regeneration von Mooren ist in Zukunft daher eine besondere Relevanz beizumessen [82]. Umsetzung von Klimaanpassung Am 19.11.2019 hat die Bayerische Staatsregierung die Klimaschutzoffensive gestartet [83]. Der 10-PunktePlan enthält rd. 100 konkrete Maßnahmen und basiert auf den drei Säulen der bayerischen Klimapolitik: • Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes in Bayern, • Anpassung an die Folgen des Klimawandels und verstärkte Forschung zu Umwelt- und Klimaschutz. Dabei werden alle Bereiche mit einbezogen – von Wäldern, Mooren und Wasser über Innovationen, Energie und Mobilität bis hin zur Vorbildfunktion des Staates sowie • der Förderung des kommunalen Klimaschutzes. Neben dem Masterplan Moore startet ein neues Moorwaldprogramm mit 147 Maßnahmen im Staatswald sowie der Aufbau eines neuen Moorbauernprogramms. Ziel ist es die bayerischen Moore zu erhalten bzw. zu renaturieren. Damit die bayerischen Moore bewahrt und im Sinne der Klimaschutzpolitik aufgewertet werden können, gilt es folgende Zusammenhänge zu verstehen: • Bewusstseinsbildung, Wertschätzung und Ermutigung für alle Beteiligten entsteht, wenn in geeigneter Weise über die faszinierende Biodiversität in Mooren berichtet wird. So erfährt Moorschutz gesellschaftliche Aufmerksamkeit und bekommt ein positives Image. • Ein gutes Monitoring dient sowohl der Feststellung allgemein ablaufender Entwicklungen als auch der Dokumentation maßnahmenbezogener positiver Umwelteffekte wie etwa Klimaentlastung, reduzierte Sackung, reduzierte Nährstoffausträge (KLIP 2050 Bayern). Ergänzend dazu bietet Winterholler (2020) einen Überblick über die bisherigen Erfolge des KLIP seit seinem Start 2008 und eine ausführlichere Zusammenstellung der künftigen Anforderungen an einen klimaorientierten Moorschutz [84]. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.5.2.3 Georisiken Geologische Risiken resultieren aus Vorgängen, die in und auf der Erde stattfinden und zu Schäden führen. In Bayern stellen vor allem im Alpen- und Mittelgebirgsraum schwerkraftbedingte, also sogenannte „gravitative Massenbewegungen“ wie Hangbewegungen, Rutschungen, Felsstürze, Steinschläge, Erdfälle und Muren relevante Geogefahren dar. Auswirkungen auf Geogefahren und deren Folgen Das Klima und extreme Wetterereignisse beeinflussen das Auftreten gravitativer Massenbewegungen: • Frosteinwirkung und Temperaturschwankungen fördern Rissbildungen in Gesteinen, die Ablösung von Gesteinsmaterial und damit die Häufigkeit von Steinschlägen und Felsstürzen. • Schneeschmelze, langanhaltende Niederschläge und eine steigende Starkregengefahr (Kap. 3.3) erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass (i) Gesteine sich auf einer darunterliegenden Gleitschicht verlagern (Rutschungen – die Rutschmasse bewegt sich hierbei in einer Geschwindigkeit von wenigen Zentimetern pro Jahr bis Metern pro Sekunde). (ii) Schlamm und Gesteinsmaterial in Gerinnen schnell talabwärts fließt (Murgänge). • Abtauende Permafrostbereiche erhöhen das Risiko gravitativer Massenbewegungen in hochalpinen Gebieten. Die im Zuge des Klimawandels zum Teil erhöhte Gefährdungslage wirkt sich auf Leben, Sachwerte und Infrastruktur aus: • Die gebotene Vorsorge beim Management von Georisiken kann die Entwicklungsmöglichkeiten von Gemeinden einschränken, da risikobehaftete Flächen nicht oder nur bedingt für Wohn- und Gewerbezwecke ausgewiesen werden können. Dies betrifft vor allem Gemeinden mit steigenden Bevölkerungszahlen (z. B. im bayerischen Alpenraum). • Die Beseitigung von Schäden und die Maßnahmen zum Schutz von Siedlungen, Gewerbegebieten und Infrastruktur können hohe Kosten für Kommunen und Bürger verursachen. Umsetzung von Klimaanpassung Um geologische Risiken vor Ort zu mindern, müssen Informationen zur Gefährdungslage erhoben und im Rahmen eines Risikomanagements angemessen berücksichtigt werden: • Das Bayerische Landesamt für Umwelt berät Behörden beim Umgang mit Geogefahren. Es stellt der Öffentlichkeit sogenannte Gefahrenhinweiskarten sowie Informationen zu vergangenen Massenbewegungs-Ereignissen (GEORISK-Kataster) und zu alpinen Permafrostgebieten über den „UmweltAtlas Bayern“ zur Verfügung. • Die Bayerische Plattform Naturgefahren informiert, koordiniert und vernetzt Akteure im Sinne eines integralen Risikomanagements (u. a. zu Georisiken).19 Abb. 57: Rutschung am Immenstädter Horn. • Der beste Schutz vor Geogefahren ist die Meidung von gefährdeten Gebieten bei der Planung von Siedlungen und Infrastruktur. Eine zielgerichtete Raum- und Bauleitplanung (Kap. 4.8 und 4.9) sollte bekannte Gefahrenbereiche von vornherein bei der Landes- und Siedlungsentwicklung meiden und, wo möglich, bereits bestehende Risiken durch vorbeugende Maßnahmen mindern (z. B. durch Schutzwälder an Steilhängen). 19 www.naturgefahren.bayern.de 107 108 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Anna Kühnel, PD Dr. Martin Wiesmeier, Prof. Dr. Ingrid Kögel-Knabner, Technische Universität München (Bodenkunde); Peter Spörlein, Bay. Landesamt für Umwelt (vorsorgender Bodenschutz) Veränderungen der Humusqualität und -quantität bayerischer Böden Im Zuge des Klimawandels sind tiefgreifende Auswirkungen auf den Humuskörper und damit auf die Funktionalität und Produktivität von Böden zu erwarten. Als Folge des Temperaturanstiegs ist mit einem verstärkten Abbau der organischen Bodensubstanz zu rechnen, der mit einer unerwünschten Freisetzung bedeutender Mengen Bodenkohlenstoffs als CO2 verbunden sein könnte. Das Forschungsprojekt ging der Fragestellung nach, ob und inwieweit sich die Menge, aber auch die Qualität des Humus in bayerischen Böden im Zuge des Klimawandels bereits heute schon verändert hat und inwiefern dies anhand geeigneter Parameter/ Kenngrößen beobachtet werden kann. Hierzu wurde auf Rückstellproben der Bodendauerbeobachtung von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und vom Landesamt für Umwelt (LfU) zurückgegriffen, die rückwirkend einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren abdecken können. Neben der gängigen Betrachtung des Gesamtkohlenstoffs lag ein besonderes Augenmerk auf der Qualität des Humus, also seinen klimasensiblen Fraktionen. Qualität meint dabei einerseits, aus welchen Fraktionen der Humus besteht und andererseits, wie stark diese im Boden stabilisiert sind, also wie alt bestimmte Fraktionen sind (wenige Jahre bis zu mehreren Jahrhunderten). Während sich in Grünlandoberböden im Zeitraum zwischen 1986 bis 2015 deutlichere KohlenstoffZunahmen, aber auch -Abnahmen ergeben haben, sind die Änderungen in Ackeroberböden geringer. Verantwortlich für die Kohlenstoffänderungen sind wohl saisonale Klimaänderungen, also geringere Niederschläge im Sommerhalbjahr und höhere Niederschläge im Winterhalbjahr sowie höhere Sommer- und Wintertemperaturen, was zu einer längeren Vegetationsperiode und einer verstärkten Sommertrockenheit führen kann. Vor allem warme und trockene Ackerstandorte sind aufgrund rückläufiger Kohlenstoffeinträge bei extremen Trockenzeiten anfällig für Kohlenstoffverluste. Um diese durch den Klimawandel verursachten Kohlenstoffabnahmen ausgleichen zu können, ist ein nachhaltiges Humusmanagement in der landwirtschaftlichen Nutzung immer wichtiger. Der Klimaeinfluss auf Waldböden wird wahrscheinlich vom Einfluss der gleichzeitig hohen Stickstoffeinträge überlagert. Diese führen vermutlich zu einer erhöhten Biomasseproduktion und damit zur Zunahme des sich v. a. in der Waldauflage befindlichen Kohlenstoffs. In punkto Humusqualität haben sich die okkludierte (in Bodenteilchen eingeschlossene) partikuläre organische Substanz (oPOM) und die mineralassoziierte (an Bodenmineralien haftende) organische Substanz (MOM) als vielversprechende Frühwarnindikatoren für Kohlenstoffänderungen in Wald- bzw. Ackerböden herausgestellt. Abb. 58: Methode zur Gewinnung potenziell klimasensitiver Humusfraktionen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Annette Freibauer, Nadine Conze, Dr. Gisbert Kuhn, Dr. Anna Kühnel; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz), Prof. Dr. Matthias Drösler (Projektleitung KliMoBay), Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Professur für Vegetationsökologie; Teilprojekt 3 im Projekt KliMoBay (Klimaschutz- und Anpassungspotenziale in Mooren Bayerns) Förderung: StMUV/ EU/EFRE Anpassungspotenziale in Moorböden Bayerns Etwa 90 % der 220.000 Hektar Moorböden in Bayern werden für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung entwässert. Die derzeitige Nutzung der Moorböden ist endlich. Die Böden sacken kontinuierlich durch Torfzehrung um Zentimeter. Je tiefer die Entwässerung und je intensiver die Düngung und Nutzung sind, desto schneller laufen die Prozesse der Bodendegradation und Sackung. Schrittweise löst sich der fruchtbare Oberboden in das Treibhausgas Kohlendioxid auf und dichte Tonschichten, grober Schotter oder andere Bodenschichten, die für eine landwirtschaftliche Nutzung untauglich sind, kommen an die Oberfläche. Wo, wie schnell und wie stark begrenzen Sackung und ungünstige Bodenhorizonte die zukünftige Nutzung von Moorböden? Trockene vererdete Moorböden wirken wasserabweisend und die hydraulische Leitfähigkeit ist stark reduziert. Das führt bei Starkregen dazu, dass das Niederschlagswasser auf den Flächen stehen bleibt oder oberflächlich abfließt. Damit beschleunigen sie den Oberflächenabfluss, obwohl Moorböden durch ihr großes Porenvolumen eigentlich das Potenzial hätten, Niederschlagswasser aufzufangen, in großen Mengen befristet zu speichern und erst langsam an die Landschaft abzugeben. Zur Anpassung an den Klimawandel wäre die Wiederherstellung der ursprünglichen Speicher- und Pufferfunktion von Moorböden sehr wirkungsvoll. Das setzt eine Wiedervernässung der Böden voraus. Wo begünstigen Bodeneigenschaften eine mögliche zukünftige Wiedervernässung? Wo gefährden fortschreitende Bodendegradationsprozesse eine erfolgreiche Wiedervernässung? Keiner der Degradationsprozesse ist für Bayern bisher quantifiziert. Das Forschungsprojekt „Klimaschutz- und Anpassungspotenziale in Mooren Bayerns (KliMoBay)“ will diese Forschungsfragen schrittweise im Teilprojekt 3 „Bodeninformationen, Klimaanpassung“ beantworten. Dazu werden historische Moorkarten, Bodenprofile und physikalische Bodeneigenschaften ausgewertet und mit Beprobungen verglichen, die in den nächsten Jahren durchgeführt werden. Die Arbeiten haben in repräsentativen Moorgebieten Bayerns begonnen und werden statistisch auf alle Moorböden Bayerns hochgerechnet. Ziel sind Klimaanpassungspotentialkarten, in denen Bereiche mit besonderem Risiko für die derzeitige landwirtschaftliche Nutzung und Bereiche mit besonderer Eignung für die Wiedervernässung ausgewiesen werden. Hierbei werden die Ergebnisse aus den Projekten MOORadapt und MOORuse wesentliche Grundlagen liefern. Abb. 59: Historische Moorkarte bei Prien a. Chiemsee. Kontakt: Dr. Annette Freibauer Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Lange Point 12, 85354 Freising Telefon +49 8161 8640–4001 annette.freibauer@lfl.bayern.de www.lfl.bayern.de 109 110 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG: Projekt MOORadapt Prof. Dr. Matthias Drösler, Carla Bockermann & Dr. Tim Eickenscheidt, Hochschule WeihenstephanTriesdorf, Professur für Vegetationsökologie; Projekt MOORadapt-N – Anpassungserfordernisse der Niedermoore an den erwarteten Klimawandel in Bayern, Förderung: StMUV Anpassungserfordernisse von Grasland-Niedermooren an den Klimawandel – ein Manipulationsexperiment Der Klimawandel findet global wie regional statt. Für Bayern ist, je nach Szenario, mit einer Temperaturzunahme von 1,5 °C bis Mitte des Jahrhunderts zu rechnen. Im Projekt MOORadapt war es daher das Ziel, die Effekte einer zukünftigen Klimaerwärmung auf die Treibhausgasbilanz und die Produktivität von Grünland-Niedermoor-Systemen in Bayern zu testen und zu überprüfen, ob eine Wasserstandsanhebung die erwarteten Effekte dämpfen kann. Damit wäre eine Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel in Form von klimaschonender landwirtschaftlicher Nutzung für die Funktionsfähigkeit der GraslandNiedermoore möglich. Methodisch wurden dabei zwei Grasland-Niedermoor-Systeme verglichen: (1) klassisches IntensivGrünland und (2) extensives Seggengrünland. In einem experimentellen Versuchsdesign wurden jeweils vier Behandlungsvarianten eingerichtet: Referenz (Ref), erhöhter Grundwasserstand (GWH), Erwärmung (OTC) und die Kombination aus erhöhtem Grundwasserstand und Erwärmung (OTC/GWH). Die Erwärmung wurde mit open top chambers (OTCs; s. Abb. 60) passiv erreicht. Die Grundwasserstandsanhebung erfolgte durch eine gesteuerte Unterflurbewässerung in gespundeten Parzellen. Für das Intensiv-Grünland konnten die hohen CBilanz-Verluste der Referenz und der Erwärmungsvariante durch Grundwasser-Anhebung verringert werden. Im Seggengrünland wurde die C-Quelle sogar zu einer C-Senke nach Grundwasseranhebung. Hinsichtlich der Klimabilanz (Netto Klimawirksamkeit auf Basis GWP100) führt die Wasserstandsanhebung im Intensiv-Grünland zu einer deutlichen Reduktion, also Milderung der Klimawirksamkeit. Im Seggengrünland wird sogar eine Netto-Klimakühlungsleistung erzeugt. Diese vielversprechenden ersten Ergebnisse zeigen, dass die Anpassung von Grasland-Niedermooren an den Klimawandel mittels einer Anhebung des zentralen Steuerfaktors Wasserstand möglich ist. Allerdings handelt es sich mit dem Projekt MOORadapt um das erste Manipulationsexperiment zur Simulation der Effekte des Klimawandels auf Niedermoor-GraslandÖkosysteme in Bayern. Längere Datenreihen und eine Erweiterung auf andere Moorökosysteme (z. B. Hochmoore) wären sinnvoll, um die Erstergebnisse weiter zu konsolidieren und die Größenordnungen der Effekte zu skalieren. Eine Wasserstandsanhebung (am besten auf ein naturnahes Niveau) im Moor ist aber bereits jetzt als sinnvolle Maßnahme für die Klimawandel-Anpassung belegt. Abb. 60: Open-top-chambers (OTCs) zur passiven TemperaturErhöhung im Projekt MOORadapt. Kontakt: Porf. Dr. Matthias Drösler Professur für Vegetationsökologie Forschungsprofessur für Klimawandel und Ökosysteme Institut für Ökologie und Landschaft HS Weihenstephan-Triesdorf Am Hofgarten 1 85354 Freising matthias.droesler@hswt.de Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG: Projekt MOORuse Prof. Dr. Matthias Drösler & Dr. Tim Eickenscheidt (et multi alii s.) Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Professur für Vegetationsökologie; Projekt MOORuse – Paludikulturen für Niedermoorböden in Bayern – Etablierung, Klimarelevanz & Umwelteffekte, Verwertungsmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit Förderung: STMUV/EU EFRE Paludikulturen für Klimaschutz und Anpassung in Mooren Bayerns Klimaschutz durch Moorschutz gelingt am besten durch Renaturierung, die z. B. im Rahmen des Klip2050 in Bayern zielgerichtet durchgeführt wird. Die Renaturierung, also Wasser rein und Nutzung raus, geht aber nur, wenn keine Nutzungsansprüche an die Flächen gestellt werden. Um aber die überwiegende Fläche der genutzten Moore für den Klimaschutz und die Anpassung zu optimieren, müssen Nutzungen der Nassbewirtschaftung, sog. Paludikulturen, getestet und etabliert werden. Ziel des Forschungsvorhabens ist es daher, neue nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten für Niedermoore zu erarbeiten, die sowohl die ökologischen Funktionen (Biodiversität, Wasserhaushaltsregulierung, etc.) berücksichtigen und fördern, die fortschreitende Mineralisierung des vorhandenen Torfkörpers verhindern (weitgehend klimaneutrale Treibhausgasbilanz), wirtschaftlich tragfähig sind und in regionale Wertschöpfungsketten integriert werden können. Damit soll die Bewirtschaftung auf Mooren fit für den Klimawandel gemacht werden. Das MOORuse-Projekt ist in vier Modulen organisiert (s. Abb. 61) und spannt damit den kompletten Boden von der Etablierung, über die Umwelt-/ Klimarelevanz, die Verwertungsoptionen bis zur Wirtschaftlichkeit. In Modul 2 werden erstmals belastbare THG-Bilanzen mittels einer Automatikhaube für Paludikulturen ermittelt. Es werden erhebliche Synergien zwischen Anpassung, Klimaschutz, Nachhaltigkeit der Nutzung und Schutz der biotischen und abiotischen Ressourcen erwartet. 111 112 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 61: Modulstruktur Projekt MOORuse. Kontakt: Prof. Dr. Matthias Drösler Professur für Vegetationsökologie Institut für Ökologie und Landschaft HS Weihenstephan-Triesdorf Am Hofgarten 1 85354 Freising matthias.droesler@hswt.de Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.6 Menschliche Gesundheit Kurz gesagt, • zu nichtinfektiösen Krankheiten: Extreme Wetterereignisse können den menschlichen Organismus belasten und klinisch relevante Symptome hervorrufen oder verstärken (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Haut- und Augenkrankheiten, chronische Atemwegserkrankungen, psychische Erkrankungen, Unfallfolgen). Mit Hilfe spezifischer Aktionspläne und Anpassungsmaßnahmen können die Auswirkungen besonders innerhalb vulnerabler Gruppen gemindert werden. • zu Infektionskrankheiten: Das Infektionsrisiko wird in Bayern für mehrere Krankheitsbilder ansteigen, da sich einige heimische Krankheitsüberträger (Vektoren, bspw. Stechmücken oder Zecken) schneller vermehren und auch tropische Vektoren einwandern können. Durch Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von medizinischen Einrichtungen, sowie durch Aufklärung der Öffentlichkeit kann der erhöhten Risikolage Rechnung getragen werden. • zu Allergenen und Toxinen: Die Belastung durch natürliche Allergene und Toxine wird zunehmen, z. B. durch eine Verlängerung und Verstärkung der Pollensaison, toxische Algenblüten oder Eichenprozessionsspinner. Durch die Kombination von Beobachtungsmaßnahmen und Vorhersage (z. B. der Pollenbelastung) können adäquate Gegenmaßnahmen getroffen werden. 4.6.1 Ausgangslage Das Handlungsfeld „Menschliche Gesundheit“ hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Die Lebenserwartung der Menschen steigt an, während diese Lebenszeit gleichzeitig in immer besserer Gesundheit verbracht wird. Nichtsdestotrotz gibt es auch in der heutigen Zeit Herausforderungen im Bereich der menschlichen Gesundheit. Auch klimawandelbedingte Ereignisse können schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben. Diese Auswirkungen können entweder direkt, durch die Wirkung verschiedener Klimaparameter (z. B. Temperatur, UV-Strahlung), oder indirekt durch klimabedingte Veränderungen in der Umwelt (z. B. vermehrte Ausbreitung von Krankheitsüberträgern oder Allergenen) erfolgen. Durch ungünstige Wettersituationen können zudem beispielsweise Symptome einer Krankheit ausgelöst oder verstärkt werden. Generell besonders betroffen sind Menschen mit chronischen Krankheiten, Kinder, ältere Menschen und Schwangere. Aufgrund dieser Folgen für die menschliche Gesundheit muss das öffentliche Gesundheitswesen einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten. Das öffentliche Gesundheitswesen hat die Aufgabe, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung zu erhalten. Hierzu zählt unter anderem das frühzeitige Erkennen drohender Gefahren und das Erarbeiten von Präventionsmaßnahmen sowie von Verhaltenshinweisen, um mögliche Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Von besonderer Bedeutung sind im Zusammenhang mit Gefahren, die sich im Zuge des Klimawandels verschlimmern, häufen oder die neu auftreten können, eine zeitnahe Information und Warnung der Bevölkerung sowie die Beratung und Schulung von Multiplikatoren (z B. von Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern), da diese häufig die ersten Ansprechpartner für Betroffene sind. 113 114 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Es ist damit zu rechnen, dass sich die potentielle Gefahrenlage für gesundheitliche Folgen in den folgenden genannten Bereichen durch den Klimawandel verändern wird. Zur Beurteilung einer individuellen Belastung ist es grundsätzlich notwendig, dass regionale und individuelle Aspekte wie z. B. Akklimatisierungsgrad, Alter und Vorerkrankungen berücksichtigt werden [85]. Die Bayerische Staatsregierung formulierte in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld „Menschliche Gesundheit“ folgendes Handlungsziel [55]: • Der Erhalt der Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Menschen ist das wichtigste Handlungsziel. Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Entwicklung von Warnsystemen, der Prophylaxe und der Vorhersage zu. • Beispiele für Projekte, die in diesem Zusammenhang durchgeführt werden, werden im Folgenden unter dem Gliederungspunkt „Umsetzung von Klimaanpassung“ dargestellt. 4.6.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.6.2.1 Nichtinfektiöse Krankheiten Extreme Wetter- und Witterungsereignisse (wie z. B. Hitzeperioden, schnelle Temperaturänderungen, Überschwemmungen), die im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten, können den menschlichen Organismus belasten und klinisch relevante Symptome hervorrufen oder verstärken. Auswirkungen auf nichtinfektiöse Krankheiten Herz-Kreislauferkrankungen Hitzewellen können beim menschlichen Organismus zur sog. Hitzeerschöpfung führen, die mit starkem Schwitzen und Durstgefühl sowie Erschöpfungszuständen einhergeht. Die Hitzeerschöpfung kann sich bis zum Hitzschlag steigern. Bei beständig hohen Temperaturen sinkt der Blutdruck, da sich die Blutgefäße weiten. Nehmen Patienten blutdrucksen- kende Medikamente, kann dieser Effekt noch verstärkt werden und zu Schwindel, Schwächeanfällen und im schlimmsten Fall zu einem Kreislaufkollaps führen [86]. Es ist ferner bekannt, dass sich bei hohen Lufttemperaturen u. a. die Blutgerinnung (Hämostase) verändern kann und damit das Thromboserisiko ansteigt [87]. Steigen die Außentemperaturen von einem auf den nächsten Tag um mehr als fünf Grad, wächst die Herzinfarktgefahr für Menschen mit Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um rund 60 %. Für diese Menschen besteht auch ein erhöhtes Herzinfarktrisiko, wenn die Temperatur wieder stark abfällt oder der Luftdruck stark schwankt [88]. Auch für niedrige Temperaturen (z. B. bei sog. „Kältewellen“ im Winter) wurde ein Zusammenhang mit der Häufung von kardiovaskulären Ereignissen und Schlaganfällen berichtet [87]. Betroffen sind vor allem ältere Personen [87], da diese häufiger auch an anderen Krankheiten leiden und dadurch die Sensitivität auf thermische Belastungen erhöht ist. Als besonders gefährdete Personenkreise gelten auch Kleinkinder, die sich schlechter an Temperaturveränderungen anpassen können, sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes. Durch einen Anstieg der Anzahl und Länge der Hitzewellen pro Jahr ist mit einer Zunahme der beschriebenen Herz- Kreislauferkrankungen zu rechnen. Dem gegenüber steht, dass ein Rückgang der kalten Tage zu erwarten ist, wodurch es wiederrum zu weniger kältebedingten Todesfällen kommen wird [55]; [89]. Während und vor allem nach Hitzewellen lässt sich der sog. „Harvesting-Effekt“ beobachten. Bei multimorbiden, schwerkranken bzw. bettlägerigen Personen mit einem hohen Sterberisiko (unabhängig vom Wetter- bzw. Witterungsgeschehen) kann es zu einer Vorverlegung des Todeszeitpunktes kommen. In 2003 wurde beobachtet, dass die Mortalitätsrate während einer Hitzewelle deutlich über dem Erwartungswert liegt und nach Normalisierung der Temperaturen unter diesen Wert fällt. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Haut- und Augenkrankheiten Die erwarteten höheren Jahresdurchschnittstemperaturen könnten dazu führen, dass sich Menschen häufiger und länger leichtbekleidet im Freien aufhalten und dadurch vermehrt der solaren UV-Strahlung ausgesetzt sind. UV-Strahlung kann akute und chronische gesundheitliche Folgen haben: Akute gesundheitliche Folgen der UV-Strahlung: • Akute Schädigungen zeigen sich unter anderem an den Augen in Form von Bindehaut- und Hornhautentzündungen. • Bei der Haut sind dies Sonnenbrand, sog. „Sonnenallergien“ (Polymorphe Lichtdermatose), phototoxische und photosensibilisierende Reaktionen. Chronische gesundheitliche Folgen der UV-Strahlung: Hinsichtlich chronischer Schädigungen des Auges ist die übermäßige UV-Bestrahlung einer der auslösenden Faktoren für den „Grauen Star“ (Katarakt). UV-Strahlung wird auch mit Netzhautveränderungen und der Makuladegeneration (Erkrankung der Netzhaut) in Zusammenhang gebracht. Übermäßig der UV-Strahlung ausgesetzte Haut kann langfristig vorzeitig altern und weißen oder schwarzen Hautkrebs entwickeln. Hautkrebserkrankungen können, insbesondere wenn sie metastasieren (wie das maligne Melanom und sehr selten auch der weiße Hautkrebs), zum Tode führen. Als Risikofaktor für weißen Hautkrebs gilt die Höhe der kumulativen Sonnenexposition eines Menschen (UV-Lebenszeitkonto), für den schwarzen Hautkrebs sind Hauttyp und wiederholte Sonnenbrände in jedem Alter entscheidend [90]. Seit den 1970er Jahren nahm in Bayern die Anzahl der Neuerkrankungen an Hautkrebs stetig zu. Neben einem veränderten Meldeverhalten (kostenloses Hautkrebsscreening) wird als Hauptursache auch das veränderte Freizeitverhalten mit vermehrtem Aufenthalt im Freien (z. B. Wandern) und damit erhöhter UV-Exposition großer Teile der Bevölkerung diskutiert. Die steigenden Jahresdurchschnittstemperaturen könnten dazu führen, dass sich Menschen zukünftig häufiger und länger leichtbekleidet im Freien aufhalten und damit länger gegenüber UV-Strahlung exponiert sind. Die Folge könnte ein Anstieg der Hautkrebs-Inzidenzrate sein [88]. Chronische Atemwegserkrankungen Die Luftschadstoffe Ozon und Feinstaub (PM 10, PM 2,5) wirken sich auf chronische respiratorische Erkrankungen wie Asthma und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) aus [91]. Diese Schadstoffe können z. B. akute Verschlechterungen der COPD auslösen [92]. Aufgrund komplexer Zusammenhänge in der Atmosphäre (Emission von Vorläufer-Verbindungen, die zur Bildung der Schadstoffe führen, Temperaturabhängigkeit chemischer Reaktionen, trockene und nasse Deposition, meteorologische Prozesse) ist jedoch eine Prognose der zukünftigen Luftqualität und des Effekts auf chronische Atemwegserkrankungen mit großer Unsicherheit behaftet [93]; [94]. Effekte durch kurzzeitige Extremereignisse hingegen, die in Verbindung mit dem Klimawandel stehen, wie lange Hitzeperioden oder Waldbrände, werden zu einem Anstieg der Konzentrationen von Luftschadstoffen führen. Während langer Hitzeperioden kommt es oft zu einer Stagnation der Luftmassen und die Reinigung der Luft durch Niederschläge bleibt aus. Beides führt zu einer Anreicherung von Luftschadstoffen [95]; [96]. Sollte es im Zuge des Klimawandels auch in Bayern durch langanhaltende Trockenheit zu Waldbränden kommen, werden vor allem Asthmakranke, beispielsweise durch einen Anstieg der respiratorischen Symptomen, betroffen sein [97]. 115 116 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Psychische Erkrankungen Zu extremen Witterungsereignissen gehören u. a. auch extreme Niederschlagsmengen, die in ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmen werden (Kap. 3.3 und [98]). Diese Ereignisse können die psychische Gesundheit der betroffenen Bevölkerung gefährden. Das Auftreten von Angststörungen, depressiven Erkrankungen und posttraumatischen Stresserkrankungen werden in diesem Zusammenhang in der Literatur beschrieben [99]. Psychische Symptome, die direkt nach einem extremen Wetterereignis auftreten, können als eine normale Reaktion auf ein abnormales Ereignis betrachtet werden. So können sich sekundäre Stressoren, wie Konflikte mit Versicherungen, Baufirmen oder in sozialen Beziehungen sowie ökonomische Probleme auf die Psyche auswirken. Die erneute Konfrontation mit starken Regenfällen kann Sorgen, Ängste und Panik bezüglich möglicher Fluten in der Zukunft auslösen. Hiermit wird bei Betroffenen oft die Bedeutung des eigenen Heims, die Identifikation mit der Heimat/stätte und damit verbundenen Erinnerungen (z. B. Verlust persönlicher Gegenstände) verknüpft [93]. Kritisch wird es, wenn Symptome über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen bleiben und betroffene Personen Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder Depressionen entwickeln. Unfälle Im Straßenverkehr und bei Sport im Freien, wie bespielweise beim Bergsport, wird ein Zusammenhang zwischen einem Anstieg von Lufttemperatur und -Feuchte und der Zunahme von Unfällen vermutet. Erste Studien aus den USA [100], Verkehrsunfalldaten des Statistischen Bundesamtes sowie Daten des Deutschen Alpenvereins zu Bergnotfällen weisen auf einen solchen Zusammenhang hin. Zusammengefasst • Bestehende Herz-Kreislauferkrankungen können sich im Zuge von Hitzewellen verschlimmern. • Vermehrter Aufenthalt im Freien durch einen Anstieg der Temperaturen kann durch eine damit einhergehende höhere UV-Exposition zu einem Anstieg an Haut- und Augenkrankheiten führen. • Chronische Atemwegserkrankungen können sich durch einen Anstieg der Luftverschmutzung verschlimmern. Modellrechnungen zu künftigen Veränderung der Luftverschmutzung sind jedoch mit großer Unsicherheit behaftet. • Überschwemmungen als Folge eines Starkregenereignisses können sich negativ auf die psychische Gesundheit von Betroffenen auswirken und bspw. Angststörungen, depressive Erkrankungen oder posttraumatische Belastungsstörungen auslösen. • Unfälle im Straßenverkehr, sowie bei Sport im Freien, beispielsweise in den Bergen, scheinen mit einem Anstieg der Temperatur sowie der Luftfeuchte in Zusammenhang zu stehen. Umsetzung von Klimaanpassung Hitzewellen Im Zuge der künftig häufiger auftretenden Hitzewellen ist es erforderlich, Maßnahmen zur Klimaanpassung bzw. zur Hitzeanpassung zu etablieren. Bereits 2008 wurde die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen an Hitzewellen als dringendes Handlungsfeld im Zusammenhang mit der wachsenden vulnerablen Bevölkerung (demografischer Wandel) in der von der Bundesregierung verabschiedeten Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel hervorgehoben [101]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2008 Empfehlungen zu „Hitzeaktionsplänen“ herausgegeben, die hitzebedingte Gesundheitsschäden durch umfassende Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen vermeiden sollen [91]. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2017 mit den Mitgliedern der vom Bundesumweltministerium (BMUB) geleiteten ehemaligen Bund/Länder-Ad-hoc Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels (GAK)“ Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit [102] erarbeitet. Ein wichtiger Teil der Hitzeaktionspläne sind Hitzewarnsysteme, wie das Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD), die es bereits seit dem Jahr 2006 gibt. Diese Warnungen werden herausgegeben, wenn die gefühlte Temperatur an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ohne ausreichende Nachtabkühlung über 32 °C beträgt oder die gefühlte Temperatur auf über 38 °C ansteigt [103]. Bei der gefühlten Temperatur werden neben der Lufttemperatur auch Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit berücksichtigt. Einrichtungen, die sich im Hitzewarnsystem DWD anmelden, erhalten bei Überschreitung einer vom DWD definierten Schwellentemperatur eine elektronische Benachrichtigung. Die Benachrichtigung wird so lange fortgesetzt, wie die Schwellentemperatur überschritten wird [104]; [105]. Besonders die stetig wachsende Anzahl ambulant betreuter Wohngemeinschaften ist häufig nicht an einen Träger angeschlossen und benötigt daher spezifische Informationswege. Eine weitere Möglichkeit zur Klimaanpassung in Bezug auf Hitze sind auch Strategien der Stadtplanung. Damit können z. B. durch die Begrenzung von städtischen Wärmeinseln gesundheitliche Belastungen begrenzt werden [106]. Zunehmende Bedeutung bei großer Hitze erlangen auch stadtnahe, große zusammenhängende Waldflächen, da diese sich sowohl auf das Lokalklima innerhalb der Stadt kühlend auswirken als auch einen alternativen Aufenthaltsbereich für die Stadtbevölkerung darstellen können, insbesondere für die Bewohner von stark hitzebelasteten, unsanierten Gebäuden. Vermehrte Exposition gegenüber der UV-­ Strahlung durch vermehrt sonniges und warmes/ heißes Wetter Die Bevölkerung muss wiederholt über die Thematik UV-Strahlung und Hautkrebs aufgeklärt werden, um eine Anpassung zu ermöglichen. Bezüglich der UV-Strahlung muss zielgruppenspezifisch über die möglichen Folgen des Sonnenbadens und der Nutzung von Solarien (z. B. Initiative „Sonne(n) mit Verstand“20) sowie über die Funktion und Nutzen des UV-Index (z. B. Sonnen-Konto App21) aufgeklärt werden. Ebenso ist es wichtig Gesundheitsförderung in Kindergärten und Schulen anzustoßen. Darüber hinaus kann ein Abgleich der Daten des UV-Monitorings mit Registern UV-bedingter Krankheitsbilder sinnvoll sein. Ferner ist die Durchführung von Hautkrebspräventionsmaßnahmen gemäß S3 Leitlinie Prävention Hautkrebs [107] erforderlich. Dies hat auch das UBA in seinen Empfehlungen zu Hitzeaktionsplänen berücksichtigt. Es weist darauf hin, dass Risikogruppen, wie v. a. ältere und pflegebedürftige Menschen, besondere Beachtung benötigen. Aufgrund verschiedener Suszeptibilitätsfaktoren (chronische Krankheiten, kognitive Einschränkungen, Einnahme von Medikamenten, eingeschränkte Mobilität oder soziale Isolation) sind vor allem die höheren Altersgruppen empfänglich für (lebens-) bedrohliche Hitzefolgen. Daher ist die Schulung von Pflegepersonal in entsprechenden Einrichtungen oder ambulanten Pflegediensten ein wichtiger Bestandteil der Hitzeanpassung. 20 21 http://www.sonne-mit-verstand.de/ http://www.lass-dich-nicht-rösten.de/was-koennen-sie-tun/sonnen-kontoapp.html 117 118 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.6.2.2 Infektionskrankheiten In Bayern natürlich vorkommende potentielle Überträger von Infektionskrankheiten (sogenannte Vektoren) sind vor allem Stechmücken, Zecken, Flöhe und Wanzen. Auch kleine Nager, wie Rötelmäuse oder Spitzmäuse, können Erreger in sich tragen, die ausgeschieden werden können (Reservoirwirte). Über diese Vektoren und Reservoirwirte können verschiedene Krankheitserreger wie Viren und andere Mikroorganismen auf den Menschen übertragen werden. Der Klimawandel kann indirekt, durch eine Begünstigung der Ausbreitung von wärmeliebenden Vektoren und Reservoirwirten, die Ausbreitung von Erkrankungserregern begünstigen, die bislang nur in den Tropen bzw. wärmeren Erdregionen aufgetreten sind. Jährlich werden einige hundert Fälle von tropischen vektorübertragenen Infektionskrankheiten verzeichnet (bspw. Dengue, Chikungunya), die von Reiserückkehrern importiert werden. Durch die Etablierung von Vektoren, die diese Viren von Mensch zu Mensch übertragen können, könnten auch in Bayern autochthone Übertragungen (Einzelfälle oder Ausbrüche) möglich sein, wie dies bereits in Teilen Frankreichs, Spanien und Italiens seit einiger Zeit beobachtet wird [111]. Im Falle des West-Nil-Virus (WNV) kam es bereits im Sommer 2019 erstmalig zur autochthonen Übertragung des Virus auf den Menschen durch Stechmücken innerhalb Deutschlands. Mögliche Effekte der Klimaänderung sind laut Umweltbundesamt beispielsweise [110]: Abb. 62: Hyalomma marginatum-Zecke. Auswirkungen auf Infektionskrankheiten Sowohl das Vorkommen der Vektoren und Reservoirwirte, als auch der Krankheitserreger selbst ist von den klimatischen Verhältnissen abhängig. Durch die zunehmende Globalisierung, internationalen Handel und verstärkte Reisetätigkeit können zum einen neue Vektoren und zum andern nicht-endemische Krankheitserreger aus anderen Teilen der Erde eingeschleppt werden, wie beispielsweise die Leishmaniose durch den Vektor Sandmücke [108]; [109]. Durch veränderte Witterungsverhältnisse können sich diese ggf. zu stabilen Populationen (mit Reproduktions- und Überwinterungsfähigkeiten) entwickeln bzw. als Krankheitserreger in heimischen und eingewanderten Tierarten ausbreiten [110]. • zunehmende Vermehrung von Vektoren durch kürzere Generationsdauer (z. B. bei Malaria Erreger Plasmodium falciparum und Vibrio spp [112]) • Verlängerung der jährlichen Aktivitätsperiode der Vektoren und Reservoirwirte (z. B. bei zeckenübertragenen Erkrankungen wie Lyme-Borreliose und FSME) • höhere Überlebensraten der Vektoren und Reservoirwirte durch mildere Winter • zunehmende Verbreitung einheimischer Vektoren und Krankheitserreger (z. B. Zunahme der Zeckendichte in Deutschland durch klimatische Veränderungen) • Etablierung und Verbreitung eingeschleppter neuer Vektorarten und Krankheitserreger durch veränderte Klimabedingungen (z. B. Asiatische Tigermücke und Hyalomma-Zecke) [113] Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Zusammengefasst Der Klimawandel begünstigt • die Verbreitung eingeschleppter Vektoren und Etablierung von tropischen Vektoren, • die autochthone Übertragung tropischer Krankheiten in Bayern, • und die Vergrößerung der Risikogebiete bei bereits etablierten Krankheiten. Umsetzung von Klimaanpassung Das Wissen über die gesundheitlichen Folgen veränderter Umweltbedingungen und Veränderungen im Ökosystem im Zuge des Klimawandels ist trotz aktueller Forschungsanstrengungen derzeit noch lückenhaft und muss weiterhin erforscht werden. Bekämpfungsmaßnahmen gegen die tierischen Vektoren oder Reservoirwirte stehen oft in Widerspruch zu Umwelt- und Naturschutzinteressen. Darüber hinaus fehlen für Aufklärungs- und Vorsorgemaßnahmen präzise regionale Daten und Risikobewertungen. Zwar gibt es gemäß Infektionsschutzgesetz seitens des Robert Koch-Institutes auf nationaler Ebene Surveillancesysteme für übertragbare Krankheiten. Überwachungsprogramme für Überträger wie Mücken, Zecken oder Reservoirwirte (Mäuse etc.) fehlen jedoch in Deutschland bislang weitestgehend. 4.6.2.3 Allergene und Toxine Etliche Allergene und Toxine werden durch Tiere, Pflanzen oder Bakterien gebildet wie z. B. allergieauslösende Pollen (z. B. von Birken, Gräsern), Toxine der Cyanobakterien oder Brennhaare des Eichenprozessionsspinners. Das Verbreitungsgebiet dieser Pflanzen-, Tier- und Bakterienarten hängt von den vorherrschenden Umweltbedingungen ab. Ein wesentlicher Faktor sind dabei die klimatischen Bedingungen einer Region. Das aktuelle Wachstum, die Allergen- und Toxinproduktion, sowie deren Freisetzung – und damit die konkrete Gesundheitsgefährdung – hängen von den Bedingungen in der aktuellen Saison ab, insbesondere vom Wetter. Auswirkungen auf Allergene und Toxine Durch den Klimawandel verändern sich die Umweltbedingungen, sodass sich die Verbreitungsgebiete allergen- und toxinproduzierender Arten verschieben können. Für Bayern bedeutet dies in den meisten Fällen, dass das Verbreitungsgebiet bestehender Arten größer wird und wärmeliebende neue Arten nach Bayern einwandern können. Pollen Von allen allergischen Erkrankungen stellen durch Pollen verursachte Allergien den größten Anteil dar, in Deutschland sind mittlerweile bis zu 15 % der Bevölkerung betroffen [114]. Im Vergleich zu früheren Jahren hat sich die Pollensaison insgesamt verlängert und der Blühbeginn allergener Pflanzen tritt früher ein. Milde Temperaturen im Winter und Frühling führen dazu, dass viele Pflanzen früher im Jahr blühen (z. B. Hasel, Birke). Damit verschiebt sich der Beginn der Pollensaison vom Frühling in den Spätwinter. Durch wärmere Temperaturen und erhöhte CO2-Konzentrationen in der Luft wird die Biomassen- und Pollenproduktion der Pflanzen gestärkt. Dies kann zum einen dazu führen, dass sich die Pollensaison für die entsprechende Pollenart verlängert, zum anderen kann auch bei gleichbleibender Dauer die Intensität der Pollensaison verstärkt werden, falls mehr Pollen gleichzeitig freigesetzt werden. Mit Luftschadstoffen verunreinigte Pollen können zudem eine stärkere Wirkung haben als saubere Pollen. Durch eine höhere Exposition nimmt die Zahl der Allergiker zu [115]. Im Zuge des Klimawandels ist ferner zu erwarten, dass sich bestimmte allergene Pflanzen, wie bspw. das ursprünglich aus Nordamerika stammende beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia), aufgrund steigender Jahresdurchschnittstemperaturen in Deutschland stärker verbreiten. Die Pflanze blüht später als die einheimischen allergenen Pflanzen und verlängert damit die Allergiesaison. Ihre Pollen sind hoch-allergen. 119 120 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 63: Cyanobakterienblüten. Cyanobakterien Cyanobakterien (auch „Blaualgen“ genannt) sind ein wichtiger Bestandteil verschiedener aquatischer Systeme. Unter bestimmten Bedingungen, bspw. im Sommer, sind massive Vorkommen von Cyanobakterien, sog. Blüten, keine Seltenheit. Gerade in nährstoffreichen, flachen Seen ist dies häufiger zu beobachten. In den vergangenen Sommern 2018 und 2019 trugen die langanhaltend heißen Temperaturen, neben eingetragenen Nährstoffen, zu einem Anstieg der Vorkommen von Cyanobakterienblüten in bayerischen Seen bei. Einige Bakterienstämme können Toxine produzieren, welche bei Mensch und Tier Haut, Leber oder Nerven schädigen können. Kinder, die beim Spielen im Uferbereich in den Sommermonaten Wasser verschlucken, sind hier eine Risikogruppe. Zudem kam es in der Vergangenheit auch immer wieder zu verendeten Hunden, nachdem diese Wasser aus Seen mit Cyanobakterienblüten getrunken hatten. Eichenprozessionsspinner Raupen von Schmetterlingen wie Schwamm- und Prozessionsspinnern können eine Dermatitis verursachen. Wenn der Mensch mit den Brennhaaren der Raupen, den Häutungsresten, den Nestern oder mit Brennhaar-kontaminierten Faltern in Kontakt kommt, entsteht teils durch mechanische Reizung, teils durch die toxischen Bestandteile eine Hautentzündung. Die Hautentzündung ist geprägt durch starken Juckreiz, Hautrötung, Quaddeln und Bläschen, vor allem an nicht von Kleidung bedeckten Hautpartien wie z. B. untere Extremitäten, Hals oder Gesicht. Manchmal bilden sich insektenstichähnliche Knötchen bzw. Papeln. Die Krankheitsdauer liegt bei 2 Tagen bis 2 Wochen. Die unterschiedliche Stärke des Krankheitsbildes hängt wahrscheinlich mit einer individuell variierenden Empfindlichkeit zusammen. Neben allergischen Reaktionen der Haut kann es auch zu weiteren Symptomen kommen wie z. B. Augenbindehautentzündung/Hornhautentzündung und Ophthalmia nodosa, zu Entzündungen im Rachenbereich und in den oberen Luftwegen.22 Zusammengefasst Der Klimawandel führt zu • einer Verlängerung der Pollensaison, einem Anstieg der Pollenkonzentration und einem Auftreten neuer Pollenarten, • einer Zunahme der Sensibilisierungsrate gegenüber Pollenallergenen in der Bevölkerung durch die erhöhte Exposition, • einem verstärkten Auftreten des Eichenprozessionsspinners und • zur Häufung von Cyanobakterienblüten in Badegewässern. Umsetzung von Klimaanpassung Der wirksamste Schutz vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Allergenen und Toxinen ist die Vermeidung eines Kontakts. Am wirkungsvollsten ist hierbei die Überwachung und Bekämpfung der allergen-/toxinproduzierenden Spezies. Wo dies jedoch nicht möglich ist, kommen dem Monitoring bekannter Bestände und der Vorhersage der Allergen-/Toxinfreisetzung eine große Bedeutung zu. 22 Weitere Informationen finden Sie auch unter https://www.lgl.bayern.de/ gesundheit/arbeitsplatz_umwelt/biologische_umweltfaktoren/ eichenprozessionsspinner/index.htm#vorkommen Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Für die computergestützte Modellierung zukünftiger Belastungen sind fundierte Kenntnisse zu den Mechanismen nötig, welche zu einer Allergen-/ Toxinausschüttung führen. Eine Maßnahme der Klimaanpassung besteht daher in der Durchführung entsprechender Forschungsprojekte sowie in der Umsetzung in konkreten Anwendungen. Beim Vorkommen des Eichenprozessionsspinners in einer Region sollten einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um Gesundheitsbeeinträchtigungen soweit wie möglich zu minimieren. Förster, Waldarbeiter, Bauarbeiter und Landschaftsgärtner, die in Regionen mit starkem Befall arbeiten, gelten als besondere Risikogruppen, da durch häufigen Kontakt Reaktionsempfindlichkeit und Symptomintensität ansteigen können. Umsetzbare oder bereits ergriffene praktische Maßnahmen zur Prävention beziehungsweise Anpassung speziell an Klimawandel-bedingte Veränderungen der Exposition gegenüber Pollenassoziierten Allergenen sind beispielsweise: • Überwachung und Bekämpfung der Einschleppung oder Ausbreitung von allergie-auslösenden Pflanzen; für Bayern ist hier das Aktionsprogramm „Ambrosiabekämpfung in Bayern“ des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege23 zu nennen. • Berücksichtigung des Wissens um Pflanzen mit allergischem Potential bei der Bepflanzung öffentlicher Räume [116]. • Bayernweites Monitoring der Pollenkonzentrationen durch acht elektronische Pollenmonitore (ePIN: elektronisches Polleninformationsnetzwerk). Die Daten sind für Bürger, meteorologische Dienste und wissenschaftliche Einrichtungen online frei verfügbar.24 Abb. 64: Elektronischer Pollenmonitor auf dem Dach des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen. Der Monitor wertet den Pollenflug sowohl qualitativ als auch quantitativ elektronisch mit Hilfe eines Lichtmikroskops und einer Bilderkennungssoftware aus. 23 24 http://www.stmgp.bayern.de/aufklaerung_vorbeugung/ambrosia/index. htm www.epin.bayern.de 121 122 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Franziska Bauer, Prof. Dr. Jürgen Geist, Dr. Uta Raeder, Limnologische Station Iffeldorf (LSI) Technische Universität München; Verbundprojekt „Klimawandel und Gesundheit“ (VKG) Klimawandel und Cyanobakterien – Detektion von Toxingenen in Gewässern Cyanobakterien („Blaualgen“) gehören zur natürlichen Phytoplanktongemeinschaft fast jedes Sees. Einzelne Stämme der Cyanobakterien besitzen die Fähigkeit, Toxine ins Wasser abzugeben. Diese sogenannten Cyanotoxine können in der Trinkwasseraufbereitung, in der Fischzucht und für Badende problematisch sein. Cyanobakterien werden durch den Klimawandel in vielfältiger Weise gefördert. Steigende Wassertemperaturen bieten den wärmeliebenden Organismen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Phytoplanktonarten. Bestimmte Cyanobakterienarten profitieren von längeren Phasen in denen die Seen geschichtet sind. Außerdem sind Cyanobakterien an Schwachlichtbedingun- gen angepasst, die im Zuge von Starkregenereignissen und den damit einhergehenden Einträgen in die Gewässer häufiger werden. Toxische Cyanobakterienblüten kommen in Bayern bisher hauptsächlich in nährstoffreichen Seen während der Sommermonate vor. Nicht alle Cyanobakterienarten können Cyanotoxine produzieren. Die Fähigkeit zur Toxinproduktion lässt sich nicht an äußerlichen Merkmalen, sondern nur anhand bestimmter Gene in der DNA molekularbiologisch nachweisen. Ziel des Projektes ist es, einen Überblick über verschiedene bayerische (Bade-)Seen und deren potentiell toxische Cyanobakteriengemeinschaften zu bekommen. Abb. 65: Oberflächliche Cyanobakterienblüte im Bergknappweiher im August 2019. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 66: 1000-fache Vergrößerung der Blüte im Bergknappweiher. Zu sehen sind typische Vertreter der Cyanobakteriengemeinschaften bayerischer Gewässer: Aphanizomenon sp. (links) und Dolichospermum (rechts). Beide Gattungen sind potentielle Toxin­ produzenten. Hierzu wurden mittels Sequenzierung die aktuellen Cyanobakteriengemeinschaften der Seen aufgedeckt. Dabei standen flache, nährstoffreiche und tiefere, nährstoffärmere Seen im Fokus. Aquarienversuche dienten dazu, speziell die Auswirkungen zu untersuchen, welche im Zuge des Klimawandels zu erwarten sind. Die Untersuchung einer Vielzahl von Seen zeigte, dass zukünftig in bayerischen Gewässern neben dem bisher bereits in der Gewässerstandardüberwachung standardmäßig analysiertem Microcystin auch die Cyanotoxine Saxitoxin und Anatoxin A eine große Rolle spielen werden. Toxische Cyanobakterienblüten führen bereits heute zu Badeverboten. Es ist in Zukunft mit einer Zunahme von toxischen Cyanobakterienblüten zu rechnen, die eine Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier darstellen können und dadurch den Erholungswert von Freizeitgewässern drastisch einschränken werden. Eine gute und fundierte Kenntnis der vorhandenen Arten und ihrer Toxine bildet daher die Basis für gezielte Monitoringstrategien, damit auch in Zukunft eine sorgenfrei Nutzung von Gewässern möglich sein wird. 123 124 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG PD Dr. Andreas Philipp, MSc. Annette Straub, MSc. Verena Fricke; Institut für Geographie Universität Augsburg, Dr. Michael Gerstlauer, Universitätsklinik Augsburg, Dr. Atanasios Damialis, MSc. Daniela Bayr; Technische Universität München Gewitterbedingtes Asthma in Bayern Klimaprojektionen für das 21. Jahrhundert deuten auf eine künftige Zunahme der Gewittertätigkeit im Alpenraum sowie im Alpenvorland hin (Schefzyk, Heinemann 2017). Neben direkten Auswirkungen von Gewittern z. B. durch Windböen, Blitzschlag und Starkregen gibt es Hinweise auf indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit in zeitlicher und räumlicher Nähe zu Gewittern durch die Häufung allergisch bedingter, akuter Asthmaanfälle. Das bisher schwerste dieser sogenannten ThunderstormAsthma Ereignisse wurde in Melbourne 2016 verzeichnet und führte zu einem Kollaps des Rettungsdienstsystems, in dessen Folge neun Menschen starben (Hew et al. 2019). Als Wirkmechanismus spielt nach bisherigem Kenntnisstand die Mobilisierung von Pollen durch Windböen vor einem Gewitter eine wichtige Rolle. Die Zerstörung der Pollenhülle und Freisetzung von lungengängigen Fragmenten, möglicherweise durch den Kontakt mit Wolken- oder Niederschlagswasser, ist ein weiterer Faktor. Inwiefern auch die elektrische Ladung in Gewitterwolken eine Rolle spielt ist unklar. Im Rahmen des Verbundprojekts „Klimawandel und Gesundheit“, gefördert durch die Bayerischen Staatsministerien für Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Gesundheit und Pflege, wird das Auftreten von Thunderstorm-Asthma in Bayern untersucht. Herangezogen werden Niederschlagsradardaten des DWD, Blitzdaten der Firma Siemens zur Gewitterdetektion sowie Daten zu Notdiensteinsätzen bei Atemwegsbeschwerden der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern für den Zeitraum Januar 2010 bis Juli 2018. In Abb. 67 ist zu erkennen, dass die Häufigkeiten der allergisch bedingten Atemwegsnotfälle in Bayern, im Gegensatz zu nicht-allergischen Notfällen, aufgrund medizinischer Verbesserungen zwar deutlich zurück gegangen sind, jedoch immer noch eine bemerkenswerte Zahl pro Jahr darstellen, die durch Vorwarnung evtl. weiter reduziert werden kann, insbesondere da ein allgemeiner Anstieg von Allergien befürchtet wird (Reinmuth-Selzle et al. 2017). Die beobachtete Anzahl der Tage mit gleichzeitigem Auftritt von Gewittern und Notfällen im Vergleich zu statistischen Erwartungswerten kennzeichnet hierbei die Stärke des Zusammenhangs und wird auf Überzufälligkeit untersucht. In Abb. 68 ist für die Postleitzahlengebiete Bayerns dargestellt, wie viele Notfälle zusätzlich zum üblichen Erwartungswert bei Gewittern zu verzeichnen sind. Abb. 67: Entwicklung der Anzahl der Notarztdienstfälle bei Atemwegsbeschwerden in Bayern. Schwarz: allergisches Asthma und Heuschnupfen; rot: sonstige Fälle (Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern KVB). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Für diese ganzjährige Betrachtung aller Notfälle mit Atemwegsbeschwerden ist festzustellen, dass die überwiegende Anzahl der Postleitzahlengebiete nur schwache Anzeichen eines Zusammenhangs zeigen, die sich auch hinsichtlich des Vorzeichens uneinheitlich darstellen. Einige Regionen weisen jedoch signifikante Häufungen von Tagen mit Gewittern und Notruffällen auf. Insbesondere in den Ballungsräumen München, Ingolstadt und Nürnberg stellt sich der Zusammenhang jedoch teilweise auch umgekehrt dar (weniger Tage mit gleichzeitigen Gewittern und Notrufen als erwartet). Mögliche Einflüsse des Verhaltens und der Gesundheitsversorgung können hier eine Rolle spielen. Weitere Untersuchungen sind hierzu geplant. Als vorläufiges Ergebnis lässt sich bisher eine relativ schwache, jedoch in etlichen Fällen signifikante Häufung von Notruffällen aufgrund von Atemwegsbeschwerden an Gewittertagen feststellen, wobei diese Gleichzeitigkeit an bis zu 7 Tagen häufiger als erwartet auftritt. Momentan wird demnach die Gefahr einer starken Häufung von Notrufen an Gewittertagen als gering angesehen. Ob sich dies bei zunehmender Gewittertätigkeit und zunehmenden allergischen Beschwerden künftig ändert, ist weiteren Untersuchungen vorbehalten. Harun N.-S., P. Lachapelle, J. Douglass (2019): Thunderstorm-triggered asthma: what we know so far. Journal of Asthma and Allergy, 12, 101–108. Hew M., Lee J., Susanto NH., et al. (2019): The 2016 Melbourne thunderstorm asthma epidemic: Risk factors for severe attacks requiring hospital admission. Allergy. 74, 122–130. Reinmuth-Selzle K., C.J. Kampf, K. Lucas et al. (2017): Air Pollution and Climate Change Effects on Allergies in theAnthropocene: Abundance, Interaction, and Modification of Allergens and Adjuvants. Environ. Sci. Technol., 51, 4119–4141. Schefczyk, L, G. Heinemann (2017): Climate change impact on thunderstorms: Analysis of thunderstorm indices using high-resolution regional climate simulations. In: Meteorologische Zeitschrift, 26: 4, 409–419. Abb. 68: Differenz zwischen beobachteter und erwarteter Anzahl der Tage, an denen sowohl Gewitter als auch Notfälle auftreten, für die Postleitzahlengebiete in Bayern. Signifikante Werte (Chi-Quadrat-Test mit Sicherheitswahrscheinlichkeit 90 %) sind durch schwarze Umrandung hervorgehoben. Inkludiert sind alle Tage zwischen Januar 2010 und Juni 2018. Zur Definition der Gleichzeitigkeit von Gewittertagen und Tagen mit asthmabedingten Notfällen wurde die Entfernung zwischen Gewittern und Zentrum des Postleitzahlengebietes auf max. 10 km beschränkt. 125 126 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.7 Katastrophenschutz 4.7.1 Ausgangslage Der Katastrophenschutz in Bayern folgt dem Grundsatz: „eine nahtlose Zusammenarbeit von Staat, Behörden, Verbänden und Ehrenamtlichen macht uns stark!“ Staatliche Behörden erarbeiten dabei Grundlagendaten zu Naturgefahren. Sie beraten Gemeinden und Öffentlichkeit, beispielsweise über das Geoportal Bayern25 zu überschwemmungsgefährdeten Gebieten sowie der regionalen Gefahrenlage gegenüber Georisiken und Lawinen. Die effektivste und kostengünstigste Schutzmaßnahme kann hier durch raum- und bauleitplanerische (Kap. 4.8 und 4.9) Maßnahmen erfolgen: Besonders gefährdete Gebiete sollten möglichst nur für jene Nutzungen freigegeben werden, bei welchen die jeweiligen Naturereignisse ein geringes Schadenpotential aufweisen. Kann der Katastrophenfall trotz präventiver Maßnahmen nicht verhindert werden, so können in Bayern zur Bewältigung der Ereignisse über 450.000 ehrenamtliche und 20.000 hauptamtliche Einsatzkräfte der Feuerwehren, freiwilligen Hilfsorganisationen und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) mobilisiert werden. Dieses enorme Potential bietet die beste Gewähr für einen effektiven Katastrophenschutz. 25 https://geoportal.bayern.de/bayernatlas/ Extrem- und Naturereignisse wie Hochwasser, Stürme, Hagel, Lawinen, Murenabgänge und Waldbrände werden durch den Klimawandel oftmals häufiger und intensiver auftreten. Wird die veränderte Gefährdungslage systematisch erhoben und kommuniziert, so können Strategien und Maßnahmen zum Katastrophenschutz im Rahmen eines angemessenen Risikomanagements die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Katastrophenschutz folgendes Handlungsziel [55]: • Der Bewältigung und Abwehr von Naturkatastrophen ist vor dem Hintergrund der sich ändernden klimatischen Verhältnisse und deren Folgen eine besondere Bedeutung beizumessen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.8 Raumordnung Kurz gesagt, • Zum Schutzgut Klima und Luft: Aufgrund der steigenden Anzahl an Tagen über 30 °C (sog. Hitzetage) allein bis zum Jahr 2050, nimmt die Bedeutung eines effektiven Luftaustauschs zwischen von Hitze belasteten Räumen und Frischluft- bzw. Kaltluftentstehungsgebieten zu. Aktuell wird eine computergestützte Klimaanalyse für ganz Bayern durchgeführt, deren Ergebnisse in Klimaanalyse- und Planungshinweiskarten münden. Sie liefern damit wichtige Grundlagen für die Landes- und Regionalplanung, zu deren Aufgaben auch die planerische Sicherung eines effektiven Luftaustauschs zählt. 4.8.1 Ausgangslage Die Raumordnung beschäftigt sich mit der räumlichen Entwicklung und Ordnung Bayerns. Im Sinne einer nachhaltigen Raumentwicklung sollen die ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Ansprüche an den Raum gleichermaßen berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist, entsprechend des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG), den räumlichen Erfordernissen von Klimaschutz und -wandel Rechnung zu tragen. Hierfür sollen sowohl Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, ergriffen werden. Die Raumordnung kann mit Hilfe von formellen sowie informellen Instrumenten einen entscheiden Beitrag zur Umsetzung solcher Maßnahmen auf regionaler Ebene in vielen Handlungsfeldern leisten [117]. Sie gilt deshalb als Querschnittssektor der bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016). Die wichtigsten räumlichen Planungsinstrumente in Bayern sind das Landesentwicklungsprogramm (LEP) und die Regionalpläne der 18 Planungsregionen. Deren Vorgaben werden von der Bauleitplanung vor Ort umgesetzt (Kap. 4.9). Beispielsweise können mit Hilfe von landschaftlichen Vorbehaltsgebieten und regionalen Grünzügen klimarelevante Freiflächen von Bebauung freigehalten werden. Solche klimarelevanten Freiflächen können etwa Kaltluftproduktions­ flächen sein, die bei einem Luftaustausch mit Stadt- und Verdichtungsgebieten gesundheitsgefährdenden Hitzestress verringern und Luftverunreinigungen abbauen. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Raumordnung unter anderem folgendes Handlungsziel [55]: • Die Raumordnung koordiniert Raumnutzungen auf Landes- und Regionalebene unter Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels. 4.8.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung Schutzgut Klima und Luft Atmosphärische Einflussgrößen – Licht, Feuchtigkeit, Temperatur, Wind, Staub, Pollen, Abgase, etc. – wirken auf den menschlichen Organismus ein und definieren das sogenannte Bioklima. Ausgeglichene thermische Bedingungen und weitgehende Luftreinheit fördern Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen und somit ein hochwertiges Bioklima. Dies zu gewährleisten ist Aufgabe des Schutzgutes Klima und Luft: Gemäß § 9 Abs. 1 BNatSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr.4 BNatSchG sollen insbesondere Flächen mit günstiger lufthygienischer oder klimatischer Wirkung wie Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete oder Luftaustauschbahnen durch entsprechende Maßnahmen geschützt werden. Auswirkungen auf das Schutzgut Klima und Luft Im Zeitraum 1951 bis 2019 wurde ein positiver Trend der Tage mit Temperaturen über 30 °C (sog. Hitzetage) beobachtet, welcher bayernweit im Schnitt 8,5 zusätzliche Hitzetage aufweist (Kap. 3.1). Ausgehend von im Mittel 4 Hitzetagen im Zeitraum 1971–2000 sind in naher Zukunft (2021–2050) 3 bis 5 zusätzliche Hitzetage wahrscheinlich. Im worst-case könnten in Bayern in naher Zukunft (2021–2050) sogar bis zu 11 zusätzliche und somit durchschnittlich +15 Hitzetage pro Jahr entstehen (Kap. 3.1). In regionalen Hot-Spot Regionen können sich solche Trends noch ausgeprägter herausbilden als im bayernweiten Mittel. 127 128 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Beispielsweise sind in Stadt- und Verdichtungsräumen aufgrund des sogenannten Wärmeinseleffekts die Temperaturen bisweilen um einige Grad Celsius höher als im regionalen Umland. Hitzetage werden, insbesondere in Kombination mit hoher Luftfeuchte und schwachem Wind, vom Menschen als Belastung empfunden. Des Weiteren werden bei Hitzestress die Leistungsfähigkeit vermindert und Erkrankungen des Herz-Kreislauf Systems, Stoffwechselstörungen sowie Erkrankungen der Nieren und Atemwege befördert [117]. Der Klimawandel und das Schutzgut Klima und Luft stehen also in enger Beziehung zueinander: • Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin erwartete Zunahme der Anzahl an Tagen mit Temperaturen über 30 C (sog. Hitzetage) wird die Wärmebelastung der bayerischen Bevölkerung und Umwelt weiter erhöhen. • In besonders betroffenen Regionen ist dem Luftaustausch mit regionalen wie überregionalen Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebieten eine zunehmende Bedeutung beizumessen. Umsetzung von Klimaanpassung Um dem regionalen Anstieg der Hitzetage in besonders betroffenen Regionen entgegenzuwirken, können auf Grundlage des Landesentwicklungsprogramms (LEP) Bayern Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete, beispielsweise Moor- und Auenlandschaften (Kap. 4.4 und 4.5) oder Waldgebiete (Kap. 4.3), als landschaftliche Vorbehaltsgebiete oder regionale Grünzüge ausgewiesen werden. Während landschaftliche Vorbehaltsgebiete den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege eine besondere Bedeutung beimessen (LEP 7.1.2), dienen regionale Grünzüge der Gliederung von Siedlungsräumen, der Verbesserung des Bioklimas oder der Erholungsvorsorge. Sie sind vor Flächenumwidmungen weitgehend geschützt. Um einen Luftaustausch zwischen Frisch- und Kaltluftentstehungsgebieten und den besonders belasteten „Hot-Spots“ in Stadt- und Verdichtungsräumen zu gewährleisten, ist der Erhalt und Ausbau von Luftleitbahnen im Rahmen des Städtebaus und der Bauleitplanung (Kap. 4.9) von großer Bedeutung. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) haben dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) den Auftrag erteilt, eine landesweite Karte zum Schutzgut Klima und Luft zu erstellen. Um Hitzeregionen zu entlasten finden in Bayern durch das genannte Projekt folgende Maßnahmen statt: • Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebiete, Luftleitbahnen, bioklimatisch besonders belastete Gebiete und die Wirkzusammenhänge zwischen belasteten Räumen und Ausgleichsräumen werden durch ein dreidimensionales, mesoskaliges Klimamodell (FITNAH) berechnet. • Klimaanalyse- und Planungshinweiskarten zum Schutzgut Klima und Luft, welche Grundlage für die regionale Raumplanung sein können, werden erstellt. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 69: Die hier dargestellte Schutzgutkarte Klima und Luft aus dem Landschaftsrahmenplan der Region Donau-Wald zeigt beispielhaft auf, welche Inhalte u. a. in der landesweiten Schutzgutkarte Klima und Luft analysiert werden. 129 130 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.9 Städtebau/Bauleitplanung Kurz gesagt, • zur Hitzebelastung in Städten: Städte heizen sich in Zeiten des Klimawandels besonders auf. Bereits auf Ebene der städtebaulichen Planung müssen langfristige Weichen gestellt werden, um diesem Effekt entgegenwirken zu können. 4.9.1 • zur Hochwasser- und Starkregengefahr in Städten: Städte sind in besonderem Maße durch die zunehmenden Hochwasser- und Starkregenereignisse betroffen. Neben dem Ausbau vorhandener Schutzmaßnahmen muss hier auch die städtebauliche Planung vorausschauend reagieren. Ausgangslage Abb. 70: Zusammenspiel der unterschiedlichen Planungsebenen (Quelle: Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Die städtebauliche Planung liegt in der Verantwortung der Städte und Gemeinden im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Planungshoheit. Schranken und Grenzen dieser Planungshoheit stellen dabei die Erfordernisse der Raumordnung dar. Gemäß Baugesetzbuch sind die gemeindlichen Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Grundlegende Ziele, die für die Entwicklung des ganzen Landes bedeutsam sind, werden von der Staatsregierung nach einem umfangreichen Beteiligungsprozess im Landesentwicklungsprogramm festgelegt. Gleiches geschieht auf Ebene der 18 bayerischen Planungsregionen für regional bedeutsame Ziele durch die regionalen Planungsverbände in den Regionalplänen (Kap. 4.8). Beide planerischen Vorgaben sind schließlich von den Kommunen bei der Erstellung ihrer Bauleitpläne ebenso zu beachten wie etwaige verbindliche Vorgaben sektoraler Fachplanungen oder die Ergebnisse informeller Planungen. Im Flächennutzungsplan stellen die Städte und Gemeinden ihre grundlegenden Entwicklungsziele für einen mittelfristigen Zeitraum dar. Mit den Bebauungsplänen konkretisieren sie die bauliche Entwicklung in einem bestimmten Gebiet. Durch Festsetzung z. B. des Maßes der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundstücksflächen oder der örtlichen Frei- und Grünflächen werden hier bereits wichtige Weichen für die Klimaanpassung eines Stadtviertels gelegt. Zu beachten ist hierbei, dass die Planungshorizonte im Städtebau lang sind. Sind Flächen einmal mit einer bestimmten baulichen oder gesellschaftlichen Nutzung überplant (beispielsweise als Wohn- oder Naherholungsgebiet), so wird diese Zuordnung häufig über Jahrzehnte oder sogar über Jahrhunderte bestehen bleiben. Folglich gilt: der Stadtplaner von heute muss die Grundbedürfnisse des städtischen Lebens von morgen möglichst akkurat umfassen. Der Klimawandel wirkt sich in besonderem Maße auf die Städte aus. Durch die hohe Bevölkerungsdichte sind hier besonders viele Menschen auf vergleichsweise geringer Fläche von seinen Auswirkungen betroffen. Durch ihn ausgelöste Naturereig- nisse wie z. B. Hitzewellen oder auch Hochwasserund Starkregenereignisse werden durch den hohen Versiegelungsgrad noch weiter verstärkt. Neben der besonderen Gefährdung der Bevölkerung steigt zudem auch die Gefahr hoher Sachschäden. Im Angesicht des Klimawandels sind die zwei menschlichen Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Wohlbefinden besonders zu beachten. Erstens nimmt das Risiko, das von Naturgefahren ausgeht, zu. Die Hochwassergefährdung kann sich, je nach Umsetzungsstand von Anpassungsmaßnahmen, regional verstärken und die Gefahr von Sturzfluten wird in ganz Bayern zunehmen (Kap. 4.1). Regional kann sich die Gefahr von Georisiken erhöhen, mit negativen Folgen für Sachwerte, vereinzelt sogar für Leib und Leben. Zweitens verändert sich das Bioklima in den Städten (Kap. 4.8.2.1). Unter anderem verschärft der sogenannte Wärmeinseleffekt die ohnehin durch den Klimawandel steigende (sommerliche) Hitzebelastung der städtischen Bevölkerung Bayerns (Kap. 4.9.2). Eine vorausschauende Bauleitplanung berücksichtigt solche vorhersehbaren Auswirkungen des Klimawandels. Sie trägt nicht nur zu einem lebenswerten Wohn- und Arbeitsumfeld bei, sondern kann darüber hinaus künftige Kosten für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel reduzieren. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Städtebau / Bauleitplanung unter anderem folgendes Handlungsziel [55]: • Vorrangiges Ziel ist die Erhaltung gesunder Lebens-, Wohn-, Arbeits- und Umweltverhältnisse angesichts der erwarteten Klimawandelfolgen im Siedlungsbereich. Dies soll besonders im Rahmen einer nachhaltigen, klimaschonenden und ökologischen Siedlungsentwicklung erreicht werden. • Eine wichtige Rolle spielt dabei das 2013 gegründete und vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz finanzierte „Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK)“. Das ZSK vereint die Themenbereiche der Stadtund Landschaftsplanung, Architektur, Ingenieurwissenschaften sowie Ökologie. Ziel des interdis- 131 132 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 71: Temperaturunterschiede um 4 Uhr morgens in München (Quelle: Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt (2014), Klimafunktionskarte). ziplinären Teams aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ist es, praktische Handlungsempfehlungen für Städte und Kommunen in Bayern zu erarbeiten, die zeigen, wie mit Hilfe der Ökosystemdienstleistungen der grünen Stadtnatur (z. B. Beschattung, Wasserspeicherung, Befeuchtung) die nachhaltige Stadt der Zukunft an die Folgen des Klimawandels angepasst werden kann. 4.9.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.9.2.1 Hitzebelastung in Städten In einem Baugebiet steigt der langfristige Mittelwert der Lufttemperatur pro 10 % Versiegelungsanteil um ca. 0,2 °C gegenüber der unbebauten Umgebung an. Wie eine Stadtklimaanalyse der Landeshauptstadt München verdeutlichte, können sich an einzelnen Tagen Teilregionen von Großstädten sogar teils deutlich mehr als 5 °C im Vergleich zum Umland erwärmen [55]. Die Stadt stellt in solchen Fällen eine Wärmeinsel im Vergleich zum Umland dar, weshalb dieses Phänomen auch Wärmeinseleffekt genannt wird. Auswirkungen der Hitzebelastung in Städten Die durch den hohen Versiegelungsgrad ohnehin höheren Temperaturen in den Städten werden durch den Klimawandel noch weiter zunehmen. Besonders kritisch sind dabei weniger einzelne heiße Tage als vielmehr länger anhaltende Perioden von Hitzetagen und Tropennächten. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Hitzetage werden, insbesondere in Kombination mit dem Auftreten von Tropennächten, bei welchen die Temperaturen in der Nacht nicht unter 20 °C abkühlen, vom Menschen als Belastung empfunden (Kap. 4.8.2.1). Des Weiteren wird die Leistungsfähigkeit vermindert und Erkrankungen des Herz-Kreislauf Systems, Stoffwechselstörungen sowie Erkrankungen der Nieren und Atemwege werden befördert (Kap. 4.6.2.1; [117]). Der Klimawandel führt in Städten in besonderem Maße zu belastenden und gesundheitsgefährdenden Temperaturbedingungen: • Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin erwartete Zunahme der Anzahl der Tage mit Temperaturen über 30 °C (sog. Hitzetage) und der Nächte über 20 °C (sog. Tropennächte) erhöht die Wärmebelastung der städtischen Bevölkerung Bayerns aufgrund des Wärmeinseleffekts in besonderem Maße. Umsetzung von Klimaanpassung Städte sind aufgrund des Wärmeinseleffekts in besonderem Maße auf die Zufuhr von Frisch- und Kaltluft aus dem Umland angewiesen. Der Schaffung und dem Erhalt von regionalen wie überregionalen Kaltluftentstehungsgebieten sowie Luftaustauschbahnen kommt hierbei eine große Bedeutung zu (Kap. 4.8). Auf landesplanerischer Ebene sollte daher einer weiteren Zersiedelung der freien Landschaft, die zu einer Beeinträchtigung der Frischluftzufuhr in die Städte führen kann, entgegengewirkt werden. Bei der städtebaulichen Planung ist darauf zu achten, die Luftaustauschbahnen auch im innerörtlichen Bereich möglichst frei von Bebauung und sonstiger Versiegelung zu halten. Frischluftschneisen eignen sich beispielsweise in besonderem Maße zur Herstellung überörtlicher Grünverbindungen, die nicht nur klimawirksam sind, sondern auch Möglichkeiten für die Naherholung der ortsansässigen Bevölkerung bieten. Aber nicht nur großräumige Planungen haben Einfluss auf das Binnenklima einer Stadt. Auch mit kleinmaßstäblichen Anpassungsmaßnahmen kann der Erwärmung entgegengewirkt werden. Da insbesondere der Versiegelungsgrad maßgeblichen Einfluss auf die Aufheizung der Städte hat, kommt der Ausstattung der Städte mit grüner und blauer Infrastruktur, also mit Grün-, Frei- und Wasserflächen, eine große Bedeutung zu. Die Umweltinitiative Stadt.Klima.Natur soll, im Zuge der Bayerischen Klimaschutzoffensive und in Zusammenarbeit mit Verbänden (z. B. Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Städtetag, Architektenkammer) und Fachinstitutionen wie dem „Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung“, Instrumente für die Stärkung grüner und blauer Infrastruktur in Städten entwickeln und bündeln. Ziel ist es, die Städte bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Eine große Herausforderung stellt dabei die Nachverdichtung dar. Diese ist angesichts des vorhandenen Bedarfs an zusätzlichem Wohnraum und des anhaltend großen Flächenverbrauchs unbedingt notwendig, kann aber zu einer weiteren Zunahme versiegelter Flächen in den vorhandenen Siedlungsbereichen führen. Hier kann eine konsequente Entsiegelung nicht mehr benötigter, brachgefallener Flächen entgegenwirken. Mit der Förderinitiative „Flächenentsiegelung“ im Rahmen der Städtebauförderung können entsprechende Maßnahmen in Bayern auch in besonderem Maße finanziell und fachlich unterstützt werden. Bei der Ausweisung neuer Bauflächen oder der Überplanung von bestehenden Siedlungszusammenhängen im Zuge der Nachverdichtung sollten schließlich die Möglichkeiten des Baugesetzbuchs zur Gewährleistung klimaangepasster Siedlungsstrukturen konsequent genutzt werden. So lassen sich über die Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB nicht nur die städtebauliche Dichte, der Anteil der überbauten Grundstücksflächen oder Lage und Größe von öffentlichen und privaten Grünflächen regeln, sondern beispielsweise auch detaillierte Vorgaben zu 133 134 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Art und Umfang von Bepflanzungen, zum Umgang mit anfallendem Oberflächenwasser oder zur Art von Bodenbelägen machen. Ein sensibler Umgang mit diesen Möglichkeiten kann bereits auf Ebene der städtebaulichen Planung einer zu starken Überhitzung von Quartieren entgegenwirken. Das vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr alle zwei Jahre veröffentlichte Nachschlagewerk „Planungshilfen für die Bauleitplanung“ [118] enthält aktuelle und praxisnahe Hinweise für die Ausarbeitung und Aufstellung von Bauleitplänen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Aspekten Energieeffizienz, Klimaschutz und Klimaanpassung. Für die planerische Umsetzung in Flächennutzungs- bzw. Bebauungsplänen werden klimawirksame Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten beschrieben. Um dem Wärmeinseleffekt entgegenzuwirken, sollten folgende Maßnahmen im Zuge der Bauleitplanung verstärkt berücksichtigt werden: • Minimierung der versiegelten Flächen z. B. durch kompakte, flächensparende Baukörper, die Verwendung versickerungsfähiger Bodenbeläge und die ausreichende Bereitstellung von Grün- und Freiflächen. • Sicherstellung der Frischluftzufuhr durch entsprechende Stellung und Positionierung der vorgesehenen Baukörper. • Nutzung des Klimaeffekts von Pflanzen (Verschattung, Erzeugung von Verdunstungskälte) bei der Konzeption der Grünordnung. • Nutzung der Kühlwirkung von Wasser, z. B. durch offene Wasserflächen in den öffentlichen Freiflächen oder die oberflächen- und naturnahe Versickerung von Wasser. 4.9.2.2 Gefahr durch Hochwasser- und Starkregenereignisse in den Städten Durch die Klimaerwärmung werden sich in Zukunft häufiger Wetterlagen einstellen, die zu Hochwasseroder Starkregenereignissen führen können. Dabei stellen vor allem letztere eine große Herausforderung dar, da sie im Vergleich zu Hochwässern nur schwer örtlich genau prognostizierbar sind. Der hohe Versiegelungsgrad der Städte verstärkt das Schadund Gefährdungspotential solcher Ereignisse noch zusätzlich. Auswirkungen von Hochwasser- und Starkregenereignissen in Städten Die Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasser- und Starkregenereignisse werden ausführlich in Kap. 3.3 und 4.1.2.4 beschrieben. Hochwasser- und Starkregenereignisse stellen die Stadtplanung in vielerlei Hinsicht vor eine große Herausforderung: • Der hohe Versiegelungsgrad führt zu einem beschleunigten Durchfluss und einer verlangsamten Versickerung von Wasser • Bauliche Strukturen stellen häufig eine Barriere für den Abfluss von Wasser dar und können zu Aufstauungen führen. Durch die hohe Bevölkerungsdichte in den Städten sind vergleichsweise viele Menschen von einem lokalen Hochwasseroder Starkregenereignis betroffen. Die entstehenden Schadenssummen sind in der Regel deutlich höher als in unbesiedelten oder nur schwach besiedelten Gebieten Umsetzung von Klimaanpassung Zahlreiche Maßnahmen, die zu einer Reduzierung der Aufheizung von Städten beitragen (Kap 4.9.2.1), können sich auch positiv auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber Hochwasser- und Starkregenereignissen auswirken. So helfen ein z. B. durch kompakte Bauweise minimierter Versiegelungsgrad und das Verwenden versickerungsfähiger Bodenbeläge – wo immer möglich – die Risiken gerade durch Starkregen­ereignisse zu vermindern. Naturnahe Versickerungssysteme wie Rigolen und ausreichend Retentionsflächen sind nicht nur unverzichtbare Elemente eines nachhaltigen Wassermanagements, sondern tragen auch zur Abkühlung der Städte bei und können bei richtiger Gestaltung zu einer Aufwertung der städtebaulichen Qualität der Quartiere führen. Bei Neuplanungen sind die Risiken von Hochwasserund Starkregenereignissen immer schon zu Beginn des Planungsprozesses zu berücksichtigen. Keines- Klimawandel – Auswirkung und Anpassung falls sollte versucht werden, eine fertige städtebauliche Planung im Nachhinein „hochwassersicher“ zu machen. Hierfür ist eine genaue Kenntnis der Rahmenbedingungen im Plangebiet erforderlich. Folgendes Vorgehen bietet sich hierfür an: • Analyse der Gefährdungslage: u. a. Ermittlung und Bewertung der Häufigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit von Hochwasser- und Starkregenereignissen, der zu erwartenden Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten und der zu erwartenden Vorwarnzeiten • Einschätzung der Gefahren für Leben und Gesundheit: u. a. Anzahl der potentiell zu evakuierenden Personen, Anfahrbarkeit für Einsatzkräfte, sichere Fluchtwege • Einschätzung der Auswirkungen einer Planung auf die Hochwassersituation: u. a. Analyse des Einflusses auf das Abflussverhalten oder den zu erwartenden Wasserspiegel, Ausgleich eines möglichen Verlusts an Retentionsflächen • Anpassung der vorgesehenen Bebauung an die örtliche Situation: u. a. Vermeidung von wassergefährdenden Stoffen wie Ölheizungen, Minimierung der Auswirkungen bei Überflutung von Keller- oder Erdgeschossen durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan Eine Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten sollte dabei folgende vier Grundprinzipien in dieser Reihenfolge berücksichtigen: • Vermeiden (Baugebietsausweisungen und insbesondere die Ansiedlung bestimmter kritischer Nutzungen sollten, wenn möglich andernorts erfolgen) • Ausweichen (Errichtung baulicher Anlagen in erhöhter Lage) • Widerstehen (Schutz baulicher Anlagen vor eindringendem Wasser) • Anpassen/Nachgeben (planmäßige Flutung) Das Baugesetzbuch bietet im § 9 zahlreiche Festsetzungsmöglichkeiten, um Bauleitplanungen an die konkrete Hochwasser- und Starkregengefahren vor Ort anzupassen. Über die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung können kritische und besonders hochwassergefährdete Nutzungen (z. B. evakuierungsintensive Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder Seniorenheime) im Plangebiet ausgeschlossen werden. Durch die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche kann der Versiegelungsgrad begrenzt und die Stellung der Baukörper so gesteuert werden, dass im Ernstfall der Hochwasserabfluss nicht behindert wird. Neu sind die Regelungen des § 9 Abs. 1 Nr. 16, wonach nicht nur Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft sowie Flächen für Hochwasserschutzanlagen festgesetzt, sondern auch Gebiete definiert werden können, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen. Eine genaue Erläuterung aller möglichen Anpassungsmaßnahmen in der Bauleitplanung enthält die von den Staatsministerien für Wohnen, Bau und Verkehr und für Umwelt und Verbraucherschutz herausgegebene Arbeitshilfe „Hochwasser- und Starkregenrisiken in der Bauleitplanung“ [119]. 135 136 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Prof. Dr. Thomas Rötzer, Dr. Astrid Reischl, Dr. Mohammad Rahman, Prof. Dr. Stephan Pauleit, Prof. Dr. Hans Pretzsch; Stadtbäume im Klimawandel – Wachstum, Leistungen und Perspektiven. Forschungsverbund Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK) Die Leistungen von Stadtbäumen für das Stadtklima Stadtbäume sind ein wesentlicher Bestandteil städtischer Freiräume. Neben ihren ästhetischen Funktionen für das Stadtbild und ihrer Erholungsfunktion für den Menschen können Stadtbäume auch das Klima und den Wasserhaushalt eines Standorts beeinflussen. So kühlen Bäume ihre Umgebung durch Transpiration, beschatten durch ihr Blätterdach, setzen Sauerstoff frei, speichern Kohlenstoff aus der Atmosphäre und mindern den Abfluss von Regenwasser. Angesichts der erhöhten Lufttemperaturen in Städten und den Auswirkungen des Klimawandels wird der Einfluss der grünen Infrastruktur – insbesondere von langlebigen Bäumen – für das Klima einer Stadt immer wichtiger. Jedoch gibt es kaum anwendungsfreundliches Wissen über das Wachstum und die Umweltleistungen verschiedener Stadtbaumarten und Altersklassen an unterschiedlichen Standorten. Abb. 72: Entwicklung von Stadtbäumen über das Alter. Abb. 73: Ergebnisse des Baummodells – Jährliches Wachstum der Winterlinde Tilia cordata in Bayern über eine Altersspanne von 0 bis 100 Jahren in Abhängigkeit des Versiegelungsgrades (blau 0 % bis dunkelrot 90 %). Im Rahmen des Forschungsprojekts „City Trees“ wurden das Wuchsverhalten und die Umweltleistungen von vier häufig in bayerischen Städten vorkommenden Baumarten (Winterlinde, Robinie, Kastanie und Platane) für das heutige Klima aber auch für ein sich wandelndes Klima in Bayern untersucht. Auf Basis umfangreicher Messungen – wie sie zum Beispiel im Projekt Klimaerlebnis Würzburg erhoben werden – und mittels Simulationen konnten erstmals die Wuchs- und Umweltleistungen von Stadtbäumen in Bayern unter derzeitigem und zukünftigem Klima dargestellt werden. Abb. 73 stellt exemplarisch die Zuwachsleistung der Winterlinde (Tilia cordata) von 0 bis 100 Jahren in Bayern dar. Farbig eingezeichnet sind die jährlichen Zuwächse in Abhängigkeit von der Bodenversiegelung von 0 bis 90 % (blau zu rot). Ein negativer Einfluss der Bodenversiegelung auf den Zuwachs der Bäume ist erkennbar. So zeigt eine 80 Jahre alte Winterlinde bei einem Versiegelungsgrad von 80 % einen um 25 % verminderten Zuwachs gegenüber 20 % Bodenversiegelung. Für die Klimawandelanpassung bayerischer Städte wird die Optimierung der Wuchsverhältnisse von Stadtbäumen, etwa durch Bodenentsiegelung, ein entscheidender Beitrag für die Klimawandelanpassung sein. Zusammenfassend zeigt sich, dass Stadtbäume als Teil des städtischen Grüns ein wichtiger Bestandteil zukünftiger, klimaangepassster Stadtplanung sind. Bei der Auswahl der Baumarten sind neben den Arteigenschaften auch die Eignung für den Standort und das Stadtklima sowie die gewünschten Ökosystemleistungen zu berücksichtigen. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG M.Sc. Sandra Rojas, Dr. Leonardo Teixeira, Prof. Dr. Johannes Kollmann; Technische Universität München (Renaturierungsökologie); Bayerisches Klimaforschungsnetzwerk (bayklif); Verbundprojekt „LANDKLIF“ Renaturierung von Artenvielfalt und Ökosystemleistungen urbaner Grünflächen zur Verbesserung der Klimaresilienz und Invasionsresistenz Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Aufwertung degradierter urbaner Grünflächen durch Ansäen einheimischer Arten. Dabei könnte jedoch der Klimawandel die Ansiedlung invasiver Neophyten fördern, die bereits in vielen bayerischen Ökosystemen häufig geworden sind. Daher sind wichtige Anforderungen an Grünflächenmischungen ihre Resistenz gegen invasive Arten und Resilienz gegenüber extremer Witterung. In dem Projekt wird daher der Einfluss von drei Faktoren auf die Etablierung invasiver Neophyten untersucht: (i) die Aussaatdichte (‚propagule pressure‘) der invasiven Arten, (ii) die Resistenz der Pflanzengemeinschaften gegen Invasionen sowie (iii) die direkten und indirekten Folgen extremer Witterung. Abb. 74: Die invasive Riesen-Goldrute (Solidago gigantea) stammt aus Nordamerika. Abb. 75: Klimakammern in TUMmesa mit experimentellen Grünlandgemeinschaften. Dazu wurde ein Experiment mit der invasiven Riesen-Goldrute (Solidago gigantea, Abb. 74) und zwei einheimischen Grünlandmischungen in Klimakammern von TUMmesa durchgeführt. Hier wurden Hitzewellen und Überflutungen simuliert und der Etablierungserfolg der einheimischen Gemeinschaften und der invasiven Art erfasst (Abb. 75). – Die Aussaatdichte der invasiven Art war besonders wichtig für ihre Ansiedlung: Je mehr Samen früh in der Vegetationsentwicklung ankamen, desto häufiger trat die Goldrute auf und wirkte sich negativ auf die Etablierung der einheimischen Arten aus (Abb. 76). Die Etablierung der invasiven Art nahm mit der Konkurrenzstärke der einheimischen Pflanzgemeinschaft ab. Hitzewellen über 35 °C hatten einen schwach positiven Effekt auf die invasive Art und wirkten sich negativ auf die einheimischen Pflanzengemeinschaften aus, insbesondere, wenn sie von schwach konkurrenzfähigen Arten dominiert waren. Die Etablierung der invasiven Art wurde von Überflutungen nicht beeinflusst. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Ausbreitung invasiver Neophyten durch den Klimawandel gefördert wird. Mögliche Gegenmaßnahmen bei Aufwertung urbaner Grünflächen sind die Verwendung einheimischer Arten aus regionaler Produktion, und zwar mit funktionellen Eigenschaften, die die Konkurrenzstärke der Gemeinschaft erhöhen. Darüber hinaus wären Eigenschaften der Pflanzenarten und Gemeinschaften wichtig, die die Multifunktionalität der Grünflächen und damit ihre Ökosystemleistungen erhöhen. Abb. 76: Relativer Beitrag ökologischer Faktoren auf die Etablierung einer invasive Goldruten-Art (blau: positive Effekte; rot: negative Effekte; Zahlen in Kästchen: Effektgröße). 137 138 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.10 Bauwesen Kurz gesagt, • Zu Schäden an Gebäuden: Der Klimawandel kann die Gefährdungslage von Gebäuden gegenüber zahlreichen Schadensursachen verändern. Durch die regelmäßige Fortschreibung der technischen Baubestimmungen wird der beobachtete Wandel von Klima und Schadensursachen berücksichtigt. • Zum Innenraumklima: In Zukunft verschlechtert sich gerade für jene Gebäude das Innenraumklima, welche aufgrund ihrer baukonstruktiven Ausgangsbedingungen, unzureichenden Sanierung, nachträglichen Nutzung der Dachgeschosse oder unzureichenden Klimatisierung der Aufenthaltsräume bereits heute hohe sommerliche Innenraumtemperaturen aufweisen. Um nachhaltige Energieeinsparungen zu erzielen sollte bei der Bemessung des sommerlichen Wärmeschutzes mindestens die bereits dokumentierte Klimaänderung berücksichtigt werden. 4.10.1 Ausgangslage Rege Bautätigkeiten haben in Bayern die Wohnraumfläche pro Einwohner stetig gesteigert: im Mittel pro Einwohner von 41,2 m2 im Jahr 1999 auf über 48,3 m2 im Jahr 2019 (ein Anstieg von etwa 1,6 Prozent pro Jahr). Die Kombination neuer und historischer Bauwerke prägen dabei eine bayerische Kulturlandschaft, welche das Lebensgefühl in bayerischen Regionen beeinflusst und für viele Tourismusangebote von Bedeutung ist (Kap. 4.14). Bauen wirkt sich unmittelbar sowohl auf die Menschen als auch auf die Umwelt Bayerns aus. Bei allen Baumaßnahmen sind daher gleichermaßen soziokulturelle, ökonomische und ökologische Aspekte, beispielsweise durch Akteure der Raumordnung (Kap. 4.8) und Stadtplanung (Kap. 4.9), aufeinander abzustimmen. Ziele des Klimaschutzes bei der Konzeption von Gebäuden und Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen – dies ist aktuell eine drängende Herausforderung im Bauwesen. Rund 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Bayern entfällt auf den Gebäudesektor. Im Zuge der bayerischen Abb. 77: Planung und Bemessung Klimaschutzoffensive ermöglichen staatliche Fördermaßnahmen zu energieeffizientem Bauen und Sanieren Eigentümern einen kostengünstigen Umstieg auf klimaschonende gebäudebezogene Technologien (z. B. im 10.000-Häuser-Programm26). Im Angesicht eines auf Bundesebene beschlossenen stetig steigenden Preises für CO2-Emissionen liegt es im ökonomischen Interesse jedes Eigentümers, solche staatlichen Fördermaßnahmen zeitnah zu nutzen. Die Art und Weise des Bauens wird jedoch nicht nur durch die anstehende Dekarbonisierung des Gebäudesektors beeinflusst, sondern auch direkt durch den voranschreitenden Klimawandel. Teils häufiger auftretende Wetterextreme, beispielsweise Hagel, Winterstürme oder Starkregen, können unmittelbare Schäden verursachen. Z. B. können sich ändernde Grundwasserstände die Standfestigkeit von Gebäuden gefährden [55]. Des Weiteren werden insbesondere die steigenden Sommertemperaturen (Kap. 3.1) das Innenraumklima von Gebäuden beeinträchtigen. Eine vorausschauende Planung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen kann solche Faktoren berücksichtigen, mögliche künftige Schäden reduzieren und die Wohnqualität in Gebäuden steigern. Ein genereller Hinweis für eine vorsorgende zukünftige Planung und Anpassung ist u. a. in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Bauwesen unter folgendem Handlungsziel [55] formuliert: • Handlungsziel ist ein nachhaltiges, umweltverträgliches, energieeffizientes und an die Auswirkungen des Klimawandels angepasstes Planen und Bauen. 26 https://www.energieatlas.bayern.de/buerger/10000_haeuser_programm. html Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Dieses Handlungsziel der Klimaanpassung ist dem Vorsorgebereich zuzuordnen. Die Planung, Bemessung und Ausführung von Bauwerken richtet sich gesetzlich nach den Vorgaben des Bauordnungsrechts. Das Bauordnungsrecht befasst sich in erster Linie mit der Abwehr von Gefahren, die von der Errichtung, dem Bestand und der Nutzung von baulichen Anlagen ausgehen. Die bautechnischen Anforderungen richten sich grundsätzlich nach der Vorgabe: • Das Bauordnungsrecht befasst sich nicht mit der Vorsorge, sondern mit der konkreten Gefahrenabwehr. Der Klimawandel und dessen Auswirkung können sich auf die Standsicherheit von bestehenden Gebäuden auswirken.27 Für den Gebäudebestand gilt grundsätzlich: • Die Standsicherheit ist während der gesamten Lebensdauer einer baulichen Anlage zu gewährleisten; die Verantwortung hierfür liegt beim Eigentümer beziehungsweise beim Verfügungsberechtigten (siehe auch die entsprechenden Hinweise [120]) Der nachfolgende Beitrag geht aus bauordnungsrechtlicher Sicht auf die Szenarien „Schäden an Gebäuden“ und „Innenraumklima“ aus dem Blickwinkel der Bautechnik ein. 4.10.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.10.2.1 Schäden an Gebäuden Langfristig könnten durch veränderte Umweltbedingungen und durch die Zunahme der Intensität und Häufigkeit verschiedener Wetterereignisse die Standsicherheit von Gebäuden, die Dachstabilität und die Gebäudehülle selbst beeinträchtigt werden. Auswirkungen auf die Standsicherheit von Gebäuden Durch den Klimawandel könnten Gebäude im Hinblick auf die nachfolgend genannten Schadensursachen gefährdet werden: 27 https://www.stmb.bayern.de/buw/baurechtundtechnik/bautechnik/ standsicherheit/index.php • Durch ein Absinken der Grundwasserstände (vgl. Kap. 4.1.2.2) könnten wasserempfindliche bzw. setzungsempfindliche Schichten trockenfallen und somit die Standsicherheit von Gebäuden beeinflusst werden. • Eine Zunahme von Oberflächenwasser (vgl. Kap. 4.1.2.4) könnte die Beschaffenheit des Bodens beeinflussen und somit die Baugrundverhältnisse verändern. • Rückstauendes Grundwasser könnte Schäden an und in unterirdischen Gebäudeteilen verursachen. • Durch erhöhte Niederschlagsmengen im Winter (vgl. Kap. 3.2) könnten sich die Schneelasten erhöhen. • Durch Stürme (ggf. mit Hagel und Gewitter bzw. veränderten Windlasten) könnten sich erhöhte Einwirkungen auf die Gebäudehülle ergeben (vgl. Kap. 4.15.2.1). Langfristig könnten sich daher ohne Gegenmaßnahmen Probleme hinsichtlich der Standsicherheit und gegebenenfalls auch der Nutzbarkeit der Gebäude ergeben. Umsetzung von Klimaanpassung Für die Bemessung von Bauwerken sind die entsprechenden Bemessungsnormen (im Regelfall DINNormen) heranzuziehen, die mit den Bayerischen Technischen Baubestimmungen (BayTB) bauaufsichtlich eingeführt werden Bayerische Technische Baubestimmungen (BayTB). [121]. Auch klimabedingte Einwirkungen wie Schneelasten und Windlasten werden schon immer – versehen mit einem individuellen Sicherheitsfaktor – bei der Bemessung von Bauwerken berücksichtigt. Die Bemessungsnormen basieren auf über einen bestimmten Zeitraum gemachten und aufgezeichneten Erfahrungen. Schwankungen werden durch individuelle Sicherheitsfaktoren berücksichtigt. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) überprüft alle DIN-Normen (also auch die Bemessungsnormen) in einem Abstand von 5 Jahren, ob die Notwendigkeit besteht, diese Normen zu überarbeiten. Somit könnten klimabeeinflussende Faktoren auch 139 140 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung zeitnah in den Bemessungsnormen berücksichtigt werden. Derzeit wird beispielsweise die Schneelastzonenkarte deutschlandweit überarbeitet. Grundwasser- und Baugrund: • Im Vorfeld einer Baumaßnahme ist der Baugrund zu erkunden. Die Ergebnisse sind bei der weiteren Planung des Bauwerks zu berücksichtigen. Somit wird auf geänderte Baugrundverhältnisse zeitnah reagiert. Erprobung neuer Baustoffe und Bauweisen: • Neue Baustoffe bzw. Bauweisen können bereits jetzt schon zeitnah eingesetzt werden, da hierfür eine Zustimmung im Einzelfall bzw. vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erteilt werden kann. Schäden an Gebäuden könnten durch folgende Maßnahmen auch bei voranschreitendem Klimawandel vermieden werden: • Anpassung der Bemessungsnormen • Berücksichtigung der veränderten Gegebenheiten bei der Planung von Bauwerken • ggf. Erprobung neuer Baustoffe und Bauweisen durch Zustimmung im Einzelfall und vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen Unbestritten kann der projizierte Klimawandel (Kap. 3) auf vielfältige Weise Einflüsse und Auswirkungen auf die Konstruktion von Bauwerken haben. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind bei Planung und Bau von Gebäuden jedoch die ohnehin bereits heute im Regelwerk verankerten Sicherheitspolster so groß, dass die mittelfristig zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels, auch im Sinne der Vorsorge, „indirekt“ mit berücksichtigt sind. Insofern erscheint aus heutiger Sicht eine periodische Prüfung und ggf. Anpassung des bautechnischen Regelwerks als ausreichend. 4.10.2.2 Innenraumklima Auswirkungen auf das Innenraumklima Die beobachtete und allein bis 2050 weiterhin erwartete Zunahme der Anzahl der Tage mit Temperaturen über 30 °C (sog. Hitzetage) wirkt sich potentiell negativ auf das sommerliche Wohnraumklima in Gebäuden aus. Ein erhöhter Wärmeeintrag durch höhere Temperaturen im Sommer kann das Innenraumklima von Gebäuden negativ beeinflussen. Dies könnte insbesondere für jene Gebäude gelten, die aufgrund ihrer baukonstruktiven Ausgangsbedingungen, unzureichender Sanierung, nachträglicher Nutzung der Dachgeschosse oder unzureichender Klimatisierung der Aufenthaltsräume bereits heute hohe sommerliche Innenraumtemperaturen aufweisen. Umsetzung von Klimaanpassung Bereits heute stellt die Energieeinsparverordnung (EnEV) Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz bei Wohn- und Nichtwohngebäuden.28 Hierbei wird auf die Technische Baubestimmung DIN 4108–2 verwiesen. Diese technische Regel wurde zuletzt 2013 fortgeschrieben. Unter anderem sollte der Änderung der klimatischen Randbedingungen Rechnung getragen werden, die auch mit Änderungen hinsichtlich sommerlicher Temperaturen, Einstrahlungen und kritisch langer Hitzeperioden einhergeht. Ferner werden moderne Methoden zur Vermeidung von Energieaufwand zur Gebäudekühlung (Nachtlüftungskonzepte, passive Kühlung) berücksichtigt. Es ist im Interesse einer nachhaltigen Energieeinsparung geboten, bei der Bemessung des sommerlichen Wärmeschutzes mindestens der bereits dokumentierten Klimaänderung (siehe Testreferenzjahre Ausgabe 2011) Rechnung zu tragen; dies wird durch die Verweisung auf den aktuellen Stand der DIN 4108–2 sichergestellt [122]. Mit dem geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Bundesregierung, das Energieeinsparverordnung (EnEV), Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammenfasst, ist eine regelmäßige Evaluierung der Regel­ ungen geplant. Allerdings ist auch zu beachten, dass zusätzliche winterliche Wärmedämmmaßnahmen sich tendenziell negativ auf den sommerlichen Wärmeschutz (Nachtauskühlung) auswirken (Quelle: Zeitschrift „Bauphysik“). 28 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Gesetze/Energie/EnEV.html Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.11 Straßenbau und Verkehr Kurz gesagt, 4.11.1 Ausgangslage • Zur Binnenschifffahrt: Klimabedingte Veränderungen der Transportbedingungen (Niedrigwasser, Hochwasser, Eisgang) sind wahrscheinlich. Bis 2050 sind voraussichtlich keine ausschließlich durch Klimaveränderungen bedingten Investitionsentscheidungen nötig. Ohnehin geplante Maßnahmen, z. B. beim Hoch- und Niedrigwassermanagement, können die Verwundbarkeit der Binnenschifffahrt gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels vermindern. • Zum Schienenverkehr: Der Schienenverkehr ist gegenüber starken Niederschlägen (Schnee oder Regen), extremen Temperaturen und Sturm zunehmend gefährdet. Um das Risiko einer witterungsbedingten Einstellung des Schienenverkehrs zu vermindern, werden u. a. das Vegetationsmanagement und streckenbezogene Störfallkonzepte optimiert, Schienen mit Weichenheizungen ausgestattet und Klimaanlagen sowie Waggons modernisiert. • Zum Straßenverkehr: Höhere Temperaturen, größere Temperaturschwankungen und stärkere Niederschlagsereignisse erhöhen die Anforderungen an die Straßeninfrastruktur deutlich. Insbesondere das Management des Betriebsdienstes gilt es, an die gestiegenen Anforderungen anzupassen. • Zum Luftverkehr: Der Klimawandel könnte insbesondere zu Kapazitätseinschränkungen und Schäden an der Flughafeninfrastruktur infolge extremer Wetterlagen, zu Flugannulierungen und Verspätungen von Flügen führen. Flughäfen und Airlines treffen hier entsprechende Vorsorge z. B. durch erhöhten Erhaltungsaufwand, Reservekapazitäten etc. Abb. 78: Verkehrsprognose – Entwicklung der Verkehrsleistung von 2007 bis 2025 (Quelle: StMB). Die Verkehrsinfrastruktur beansprucht aktuell etwa 3.300 km2 oder 4.7 Prozent der Fläche Bayerns. Diese Flächen sind im Kontext eines ungebrochen steigenden Verkehrsaufkommens zu sehen: dieses hat sich seit 1955 allein auf Bayerns Straßen um den Faktor 10 erhöht. Getrieben durch das wirtschaftliche Wachstum wird bis 2025 weiterhin ein Zuwachs des Verkehrsaufkommens für Luft-, Straßen-, Güterverkehr und Schifffahrt prognostiziert. Das Handlungsfeld Raumordnung (Kap. 4.8) moderiert dabei bei der Planung von Verkehrsprojekten zwischen dem Ziel einer leistungsfähigen Infrastruktur und den Auswirkungen dieser auf die Schutzgüter menschliche Gesundheit, biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie auf Kultur- und Sachgüter. Im Zuge des Klimawandels verändert sich die Exposition der Verkehrsinfrastruktur gegenüber wetter- und klimabezogenen Schäden und Beeinträchtigungen. Verändert sich Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen, Überschwemmungen, Hochwassern, Niedrigwassern, Erdrutschen, Stürmen, Frost- und Hitzetagen (Kap. 3 und 4.1), so entstehen neue Herausforderungen für Verkehrssicherheit und Transportleistung von Straßen- und Schienenverkehr sowie der Binnenschifffahrt. Klimaanpassung der Verkehrsinfrastruktur heißt, bestehende und geplante Infrastrukturprojekte gemäß der veränderten Gefährdungslage anzupassen. 141 142 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Straßenbau und Verkehr folgendes Handlungsziel [55]: • Aufrechterhaltung der Transportwege und der Transportleistung, Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie Steigerung der Effizienz der Verkehrsinfrastruktur. • Verbesserung des ÖPNV-Verkehrsnetzes und der Rahmenbedingungen für den Radverkehr sowie bessere Vernetzung des ÖPNV mit anderen Verkehrsträgern (multimodaler und intermodaler Verkehr). 4.11.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.11.2.1 Binnenschifffahrt Zu den Vorteilen der Binnenschifffahrt für den Güter- und Warenverkehr (Güterschifffahrt) zählen vor allem die sehr hohe Ladekapazität der Güterschiffe und Schubverbände, der niedrige Energieverbrauch, die niedrigen Transportkosten und die Umweltfreundlichkeit. Diese Vorteile kommen besonders beim Transport von Massengütern zum Tragen. Mit der Fertigstellung des Main-Donau Kanals (MDK) im Jahre 1992 wurde eine durchgehende Binnenwasserstraße von der Nordsee bei Rotterdam bis zum Schwarzen Meer bei Constanza (Rumänien) geschaffen. Ein „Nadelöhr“ stellt aus Sicht der Schifffahrt der Abschnitt zwischen Straubing und Vilshofen dar. Behinderungen für die Güterschifffahrt ergeben sich aus den natürlichen Wasserstandsschwankungen mit saisonal zu geringen Tiefen und Breiten der Fahrrinne. Auswirkungen auf die Binnenschifffahrt Die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels auf die Binnenschifffahrt sind vielfältig. Die Binnenschifffahrt ist bereits gegenwärtig durch wechselnde Pegelstände sowohl von Niedrig- als auch von Hochwasser betroffen. Hinzu kommen mögliche Beeinträchtigungen durch Eisbildung im Winter. Es ist zunächst bis 2050 jedoch nicht mit unmittelbaren, ausschließlich durch Klimaveränderungen bedingten Investitionsentscheidungen zu rechnen. Hierfür sind die kurzfristigen klimabedingten Auswirkungen auf diese Ereignisse nicht stark genug bzw. sie werden durch andere, wirtschaftliche Faktoren überlagert. Langfristig wären bis in das Jahr 2100 jedoch, im Falle eines (nicht angestrebten) Treibhausgasemissionspfades „ohne Klimaschutz“ (vgl. Kap. 1 und 2.4), deutliche Veränderungen der Transportbedingungen in der Binnenschifffahrt wahrscheinlich. Ein erfolgreicher Verhandlungsprozess gemäß des Pariser Übereinkommens verhindert solche Beeinträchtigungen hingegen (vgl. Kap. 2.4 Klimaschutzszenario „2-Grad-Obergrenze“). Abb. 79: Zu Berg fahrender Verband beim Isarschüttkegel im Sommer 2018. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Umsetzung von Klimaanpassung Folgende Maßnahmen verringern die Verwundbarkeit der Binnenschifffahrt gegenüber Niedrigwasserereignissen: • Zum einen wird Niedrigwasser durch eine vorausschauende Regulierung des Wasserstandes (z. B. Stauwehre, die die Abflussverhältnisse puffern) insbesondere an Main und Main-Donau-Kanal begegnet, zum anderen wird je nach Lage und Beschaffenheit der Wasserstraße mithilfe des Niedrigwasserinformationsdienstes durch die Binnenschifffahrt bereits frühzeitig auf zu erwartende Pegelveränderungen reagiert (vgl. Kap. 4.1.2.1). Deutlich geringer ist die Wirksamkeit vorausschauender Maßnahmen hingegen an den ungeregelten Abschnitten der Donau. Außerdem wird dem Niedrigwasser eingeschränkt auch mit schiffsseitigen Maßnahmen bzw. Innovationen im Schiffbau begegnet, wie etwa einer Gewichtsreduzierung. Abb. 80: Flussbauliche Maßnahmen bei Pfelling. Folgende Maßnahmen verringern die Verwundbarkeit der Binnenschifffahrt gegenüber Hochwasserereignissen: • Die Maßnahmen im Rahmen des Hochwasserschutzprogramms kommen teilweise auch der Binnenschifffahrt zu Gute. Mit Vermeidungsmaßnahmen etwa in höher gelegenen Gewässerabschnitten und Rückhalteeinrichtungen werden die schadhaften Auswirkungen eines Hochwassers ggf. begrenzt, so dass weniger Einschränkungen der Schifffahrt auftreten oder diese schneller wieder aufgehoben werden können. • Donauausbau: Der Ausbau der Donau im Engpass StraubingVilshofen nach Variante A (in einem gemeinsamen Verfahren mit der Verbesserung des Hochwasserschutzes) dient der Verbesserung der wirtschaftlichen Befahrbarkeit durch Angleichung des Streckenabschnitts an die Fahrrinnentiefen der oberhalb und unterhalb gelegenen Strecken (Erhöhung der Fahrrinnentiefe um 20 cm auf 1,80 m Abladetiefe für eine qualitativ verbesserte Befahrbarkeit durch flussregelnde Maßnahmen; eine Abladetiefe von 2,50 m wird dann an ca. 185 Tagen/Jahr erreicht. Zudem wird die Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt verbessert, indem einige nautisch besonders schwierige Stellen entschärft werden.). Der Ausbau soll in zwei Teilabschnitten erfolgen (Straubing-Deggendorf und Deggendorf-Vilshofen). Nach fast 2-jähriger Prüfung hat die EU-Kommission den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Straubing – Deggendorf incl. Hochwasserschutz im November 2019 genehmigt. Mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wird nun zeitnah gerechnet. Der Baubeginn für die Maßnahmen zum verkehrlichen Ausbau der Wasserstraße ist dementsprechend für 2020 geplant. Anschließend soll das Planfeststellungsverfahren für den zweiten Teilabschnitt Deggendorf – Vilshofen eingeleitet werden. Vorbereitungsarbeiten hierfür haben bereits begonnen. 143 144 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.11.2.2 Schienenverkehr Umsetzung von Klimaanpassung Auswirkungen auf den Schienenverkehr Der Schienenverkehr wird durch die Witterungsbedingungen in vielfältiger Weise tangiert. Die Deutsche Bahn hat 2015 durch ein Gutachten festgestellt, dass sie von den Auswirkungen des Klimawandels so stark betroffen sei, wie kein anderes großes Unternehmen in Deutschland. So lassen sich Beeinträchtigungen des Schienenverkehrs durch starke Niederschläge (Schnee oder Regen), extreme Temperaturen und Sturm feststellen, die bis zur Einstellung des Schienenverkehrs führen können. Exemplarisch seien hier die schneebedingte vollständige Einstellung des Schienenverkehrs im Oberlandnetz im Januar 2019 für zehn Tage oder die nahezu bundesweite Einstellung des Eisenbahnfernverkehrs aufgrund des Sturmtiefs Friederike im Januar 2018 genannt. Bereits der Herbststurm „Xavier“ führte vom 5. bis 12. Oktober 2017 zum völligen oder teilweisen Ausfall von 7.709 Regionalzügen und 1.260 Fernzügen. Diese beiden Stürme haben zu Schäden an Gleisen und Anlagen in Millionenhöhe geführt. Anpassungsmaßnahmen gegen Sturm: Mit dem „Aktionsplan Vegetation“ hat die Deutsche Bahn ein Vegetationsmanagement eingeführt, das strategisch auf einen stabileren Waldbestand an den Gleisen ausgerichtet ist. Die Bahn hat dazu Forstleute engagiert, die an besonders gefährdeten Streckenabschnitten nach kranken und umsturzgefährdeten Bäumen suchen. Dabei kommt modernste Technik zum Einsatz. In einem Pilotprojekt in Bayern werden zur Untersuchung des bahnstreckennahen Waldes auch Drohnen eingesetzt. Auch extreme Hitze führt zu Beeinträchtigungen des Eisenbahnverkehrs. So sind Störungen bei der Elektrik und bei Klimaanlagen auf hohe Außentemperaturen zurückzuführen. Aufgrund ausgefallener Klimaanlagen müssen insbesondere im Personenverkehr bei großer Hitze einzelne Wagen für die Fahrgäste gesperrt werden oder es fallen ganze Züge aus. Weichenstörungen können auch durch extreme Temperaturen hervorgerufen werden. Nicht nur Vereisung von Weichen, sondern auch Hitze kann die Funktionsfähigkeit von Weichen beeinträchtigen. Daneben ist insbesondere im Winter bei besonderen Wetterlagen eine Vereisung der Oberleitung zu beobachten, die zu betrieblichen Störungen führen kann. Vielfältige Anpassungsmaßnahmen sind darauf ausgerichtet, das System Schiene robuster und weniger störungsanfällig für unterschiedliche Witterungsbedingungen zu gestalten. Etliche dieser detektierten Risikobäume stehen dabei auf Grundstücken von Staats-, Kommunal- und Privatforstbetrieben. Bislang fehlte eine gesetzliche Grundlage, um die jeweiligen Grundstückseigentümer zu verpflichten, diese den Bahnverkehr gefährdenden Bäume zu beseitigen oder im Falle der Untätigkeit die Bäume im Wege einer Ersatzvornahme zurückzuschneiden oder zu fällen. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf initiiert, der für Eisenbahninfrastrukturunternehmen vergleichbare rechtliche Handlungsmöglichkeiten schafft wie für Straßenbaulastträger. Ziel der Neuregelung im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) ist es, den Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf Grundstücken, die an eine Eisenbahnstrecke angrenzen, unabhängig von den Eigentums- und Besitzverhältnissen der Grundstücke eine effektive Vegetationskontrolle zu ermöglichen, sowie Schutzeinrichtungen zu errichten, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten ist. Darüber hinaus erfolgt mit dem Gesetzentwurf eine Klarstellung der Verpflichtung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen, vegetationsbedingte Gefahrensituationen für den Eisenbahnbetrieb abzuwehren. Anpassungsmaßnahmen gegen Schnee: Schneefallbedingte Zugausfälle sollen durch eine zielgerichtete und stabsmäßige Auswertung der Wetterprognosen und darauf abgestimmte streckenbezogene Schneeräum- und Störfallkonzepte vermieden werden. Spezielle Arbeitsstäbe sollen die Maßnahmen zwischen den beteiligten Eisenbahn- Klimawandel – Auswirkung und Anpassung verkehrsunternehmen und dem Betreiber der Schienenwege und der Dienstleister (Schneeräumdienste) koordinieren. Es werden mobile Reparaturtrupps zur Reparatur der Schneeräumgeräte gebildet. Bei der Ausschreibung der Winterdienste werden die Kriterien Qualität und Reaktionszeit stärker gewichtet. Dabei werden auch höhere Kosten in Kauf genommen. Zur Verbesserung der Qualität werden die Räumdienste strenger kontrolliert und Mängeln wird nachgegangen. Umsetzung der zwischen der BEG und den Eisenbahnverkehrsunternehmen bzw. den Eisenbahninfrastrukturunternehmen vereinbarten Maßnahmen zur Bewältigung von Extremwetterlagen werden Stresstests und Simulationen unterzogen, um im Störungsfall über eingespielte Routinen zu verfügen. Auch hier spielt die Vorsorge durch eine intensivierte Vegetationskontrolle eine wichtige Rolle um den Bruch von Bäumen unter Schneelast zu verhindern. Anpassungsmaßnahmen gegen Hitze: Alte Waggons werden kontinuierlich durch neue Fahrzeuge ersetzt, die mit Klimaanlagen ausgestattet sind. Darüber hinaus werden weitere Fahrzeuge beschafft, um im Störungsfall auch über Reserveeinheiten zu verfügen, die für defekte Züge eingesetzt werden können. Moderne Klimaanlagen werden mittlerweile für Außentemperaturen bis 45 °Celsius ausgelegt. Regelmäßig vor Beginn des Sommers lassen Eisenbahnverkehrsunternehmen speziell die Klimaanlagen in den Zügen auf eine fehlerfreie Funktionsweise überprüfen. Anpassungsmaßnahmen gegen Kälte und Eis: Mittlerweile ist ein Großteil der Weichen (ca. 50.000) mit Weichenheizungen ausgestattet, die diese Anlagen frei von Schnee und Eis halten und so einen zuverlässigen Winterbetrieb gewährleisten sollen. Neben Strom gibt es auch innovative Techniken, wie Grundwasser oder Geothermie, die hier noch vereinzelt als Energiequelle zum Einsatz kommen. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass sich der Freistaat im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz beim Bund für eine Verbesserung des Wetterschutzes für die Fahrgäste an Bahnhöfen einsetzt. 4.11.2.3 Straßenverkehr Die Straße ist nicht nur in Bayern Verkehrsträger Nummer eins. Das Netz der übergeordneten Straßen in Bayern beträgt rund 42.000 km und ist mit 93,4 Milliarden Kfz-km ausserorts (Stand 2017) für das Flächenland Bayern der zentrale Verkehrsträger sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Da mehr als 60 % des Güterverkehrs über die Straße abgewickelt wird, erfordert insbesondere die in modernen Produktionsprozessen übliche Zulieferung „just-in-time“ zuverlässig befahrbare Straßen, damit die Logistikkette nicht ins Stocken gerät. Aufgrund des anhaltenden Zuzuges nach Bayern und der robusten Wirtschaft kann weiter von einer steigenden Verkehrsbelastung ausgegangen werden. Auswirkungen auf den Straßenverkehr Abb. 81: Durch Hitze begünstigte Spurrinnenbildung. Starkregenereignisse, Frost, Hitze und Stürme können an der Straßeninfrastruktur erhebliche Schäden verursachen. Der Klimawandel kann daher zu erhöhten Anforderungen an den Bau und den Betrieb der Straßeninfrastruktur führen, um Gefährdungen und Behinderungen der Verkehrsteilnehmer möglichst zu reduzieren. Starkregenereignisse und hohe Temperaturschwankungen erhöhen die Anforderungen an den Aufbau und die Dimensionierung der Straßeninfrastruktur. Häufigere Frost-Tau-Wechsel im Winter und lange Hitze- und Trockenperioden im Sommer begünstigen nicht nur Schäden an der Fahrbahn selbst, sondern auch u. a. Hangrutschun- 145 146 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung gen, Felsstürze und Schäden an der straßenbegleitenden Vegetation. Während extrem hohe Niederschlagsmengen möglichst schnell und schadlos abgeleitet werden müssen, setzen hohe Temperaturen oft über längere Zeiträume der Fahrbahn und den Bauwerken zu. Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit steht hierbei an oberster Stelle. Starke, langanhaltende Schnellfälle wie im Januar 2019 erhöhen insbesondere im Voralpenland die Anforderungen an den Winterdienst. Straßensperrungen sind in diesen Fällen aufgrund erhöhter Lawinengefahr häufig unumgänglich, um die Verkehrsteilnehmer keine unnötigen Risiken auszusetzen. Nach der Vulnerabilitätsstudie des Umweltbundesamtes hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels aus dem Jahr 2015 [123] ist bereits in naher Zukunft mit einer deutlichen Zunahme von Überschwemmungen und Unterspülungen von Straßen zu rechnen. Umsetzung von Klimaanpassung Im Bereich Straßeninfrastruktur werden anhand von Forschungsprojekten Bewertungsverfahren entwickelt, die die Sicherheit und Verfügbarkeit von Verkehrsinfrastrukturen während extremer Ereignisse vorhersagen. So werden beispielsweise vom Deutschen Wetterdienst Klimamodelle und kleinräumige Klimasimulationen insbesondere mit Starkniederschlagsereignissen entwickelt, um die Klima-Langzeit-Wirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur verlässlicher zu ermitteln. Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass die derzeit geltenden Bemessungsansätze zur Ableitung von Starkregenereignissen noch ausreichend hohe Reserven beinhalten, wohingegen die Vorgaben zur Bemessung von Speicheranlagen (z. B. Regenrückhaltebecken) modifiziert werden müssen. Die im Vergleich höheren Risiken haben innerörtliche Straßen im Umfeld von großen versiegelten Flächenanteilen und gemeinsamen Entwässerungseinrichtungen. Im Bereich des Betriebsdienstes werden über das Projekt KliBet die Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst analysiert. Durch Anpassung des Winterdienstmanagements an sich häufende Extremereignisse sollen die Transportwege aufrechterhalten und die Verkehrssicherheit gewährleistet werden. Abb. 82: Abblasen von Bäumen zur Verringerung der Schneebruchgefahr. 4.11.2.4 Luftverkehr Auswirkungen auf den Luftverkehr Der Luftverkehr könnte insbesondere durch nachfolgend aufgelistete Phänomene durch den Klimawandel betroffen sein: • Temperaturerhöhung • wechselnde Niederschläge • Intensität der Stürme • wechselnde Vereisungsbedingungen • Änderungen in den Windmustern • Ökonomische Effekte In aller Regel können die eng verzahnten Teildienstleistungen im Luftverkehr, also Flug- und Flughafenbetrieb sowie Flugsicherung gleichzeitig, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität, von den durch den Klimawandel verursachten Phänomenen betroffen sein. Für Europa sind im Luftverkehr im Besonderen Temperaturerhöhungen und wechselnde Niederschläge von Bedeutung. Ökonomische Effekte ergeben sich implizit aus den sich verschlechternden Bedingungen sowie den Folgeeffekten. Höhere Temperaturen wirken sich auf die Luftdichte und den Auftrieb eines Flugzeugs aus. Wärmere Luft dehnt sich aus, zudem nimmt ihre Dichte ab. Dies hat zur Folge, dass an den Flügeln der Flugzeuge weniger Auftrieb herrscht. Um trotzdem abheben zu können, müssen Flugzeuge unter diesen Bedingungen schneller sein. Dafür ist wiederum eine längere Start- und Landebahn sowie mehr Schub für den Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Start von Flugzeugen erforderlich, was zu größeren Lärmbelastungen und CO2-Emissionen führen kann. Zudem könnte das maximale Startgewicht von bestehenden Flugzeugen aufgrund höherer Temperaturen eingeschränkt werden. Dies könnte im Ergebnis zu Veränderungen in der Flugzeugflotte führen. Höhere Temperaturen können zudem die Oberflächen der Anlagen beschädigen, wenn die Temperaturen die bisherigen Baustandards überschreiten. Es können dabei höhere Kosten für Reparaturen oder Erneuerungen anfallen. Große Hitze und Trockenheit kann zu einem erhöhten Brandrisiko auf Flughafenanlagen beitragen. Steigende Temperaturen bewirken, global betrachtet, u. a. auch eine Intensivierung des Wasserkreislaufes. Für Bayern werden künftig häufigere und intensivere Starkregenereignisse erwartet (vgl. Kap. 3.3). Dies kann Auswirkungen auf den Hochwasserschutz und auf die Entwässerungssicherheit eines Flughafens haben. Bei häufigeren oder intensivieren Niederschlägen ist die Gefahr von Überschwemmungen und Hochwasserschäden an Start- und Landebahnen, am Instrumentenlandesystem, oder an der sonstigen Flughafeninfrastruktur als auch diejenige gegeben, dass sich den Betrieb hindernde – temporäre – Wasserflächen auf Verkehrsflächen bilden. Dies kann sich auf vielfältige Weise auf den Flughafenbetrieb auswirken: Insbesondere wenn die Wetterbedingungen auf den Start- und Landebahnen keinen gefahrlosen Betrieb mehr ermöglichen, d. h. es etwa zu kurzfristigen Einstellungen des Flugbetriebs oder zeitweiliger Verringerung der Start- und Landebahnkapazität seitens der Flugsicherung kommt und damit zu Verspätungen und Stornierungen. Diese Entwicklungen können zudem Auswirkungen auf die Anzahl von Nachtflügen bzw. Nachtflugausnahmegenehmigungen haben. Auch die landseitige Verkehrsanbindung kann gestört werden. Ein Ausfall von Entwässerungssystemen kann zudem zum Ausfall von Umweltschutzsystemen mit der Gefahr der Kontamination des Grundwassers führen. Sich verstärkende Wetterphänomene wie Frühnebel können dazu führen, dass für einige Standorte die Abflüge vom frühen auf den späteren Morgen verschoben werden, was zu erheblichen Verzögerungen im gesamten Tagesablauf führen kann. Änderungen der Windrichtung führen zu veränderter Verteilung der An- und Abflüge auf die Flugrouten mit der Folge veränderter Lärmbelastung für die Anwohner. Änderungen der Schneeverhältnisse können zu erhöhten Anforderungen an die Schneeräum- und Enteisungsanlagen führen. Passagiere können durch Schnee-Ereignisse an und um Flughäfen vermehrt von Verspätungen und Stornierungen und Nichterreichen des Fluges betroffen sein. Eine kurzfristige Erhöhung der Häufigkeit von Frost-Tau-Zyklen kann die Möglichkeit der Beschädigung von Start- und Landebahnen erhöhen. Umsetzung von Klimaanpassung Am Flughafen München haben Experten bereits den bestehenden Hochwasserschutz im Hinblick auf sogenannte Sturzfluten und Starkregenereignisse, die bei entsprechenden Wetterlagen und intensiven Niederschlägen in Gewässer südlich des Flughafens auftreten können, untersucht. Weitere Details werden z. B. in Bezug auf Rückstaueinflüsse in das Kanalsystem (Überflutungsnachweis) des Münchner Airports derzeit noch durch die FMG geklärt. Die Annullierung oder Verspätung von Flügen aufgrund von Unterbrechungen oder extremen Wetterbedingungen hat finanzielle Auswirkungen für Fluggesellschaften und Flughäfen aufgrund von Umsatzeinbußen und gestiegenen Betriebskosten, beeinträchtigt das System insgesamt und verursacht nicht zuletzt Unannehmlichkeiten für die Fluggäste. Die Luftverkehrsbranche unternimmt daher bereits erhebliche Anstrengungen, um die durch den Luftverkehr entstandenen Klimaauswirkungen zu minimieren. Gleichzeitig hat die Luftverkehrsbranche das Thema klimabedingte Kapazitätseinschränkungen sowie Zusatzherausforderungen im Betrieb, die den Luftverkehr einschränken bzw. zu höheren Kosten für Kompensationen führen könnten, auf ihrer Agenda. 147 148 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Christian Holldorb, Franziska Rumpel, Hochschule Biberach Institut für Immobilienökonomie, Infrastrukturplanung und Projektmanagement (IIP), Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe, Hermann Österle, Peter Hoffmann, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst (KliBet) Das oben bezeichnete Forschungsprojekt wurde im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erstellt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst zu ermitteln. Im Forschungsprojekt werden die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Straßenbetriebsdienst abgeschätzt. Der Schwerpunkt hierbei liegt auf der Ermittlung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Straßenbetriebsdienst, wofür in einem ersten Schritt der generelle Einfluss der Witterung auf die Leistungen des Straßenbetriebsdienstes analysiert wird, da eine Vielzahl der Leistungen im Straßenbetriebsdienst durch die Witterung beeinflusst wird. Aufbauend auf umfangreichen Klimaprojektionen werden dann die Änderungen infolge des Klimawandels ermittelt. Ergänzend erfolgt eine Abschätzung, inwieweit durch die Optimierung des Straßenbetriebsdienstes die Emission der Treibhausgase reduziert werden kann. Bis 2030 zeigt die Klimaprojektion nur geringe Änderungen der Lufttemperatur. Erst in den weiteren Perioden ist mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen. Die Niederschläge werden im Winter zuund im Sommer abnehmen. Regionale Unterschiede dieser Entwicklungen sind nur schwach ausgeprägt. Für den Winterdienst führen die stagnierenden Temperaturen bei gleichzeitigem Anstieg der Niederschläge bis 2030 zu einer Zunahme bei Einsatzstunden und Salzverbrauch um etwa 10 %. Danach ist mit einer deutlichen Reduktion der Einsatzstunden sowie der erforderlichen Salzmengen um durchschnittlich 16 % bis 2050 und – in einem Szenario ohne Klimaschutz – um 40 % bis 2080 gegenüber 1991 bis 2010 zu rechnen. Die Aufwendungen infolge von Frostschäden an Fahrbahnen werden sich bis 2030 kaum verändern. Erst danach wird es zu einem signifikanten Rückgang der Frostschäden kommen. Bei der Grasmahd wird sich bis 2030 der Aufwand für die Grasmahd ebenfalls nicht signifikant ändern, erst in den darauffolgenden Perioden ist mit einer Zunahme zu rechnen. Die Schadstoffemissionen, die durch den Straßenbetriebsdienst hervorgerufen werden, haben einen Anteil von unter 2 % an den gesamten Emissionen des Kfz-Verkehrs. Maßnahmen, die zu einer Reduktion des Schadstoffausstoßes beitragen, sind jedoch trotz des geringen Anteils vielfach zu empfehlen. Bericht online verfügbar unter: https://bast.opus. hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/docId/1709 zuletzt geprüft am 17.12.2019 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.12 Energiewirtschaft Kurz gesagt, • zu Rohstoffimport und Stromübertragung: Förderung und Transport fossiler Rohstoffe unterliegen je nach Herkunft unterschiedlichen Einflüssen des Klimawandels. Auswirkungen sind z. B. Sturmschäden an Ölbohrinseln oder absinkende Gaspipelines auf tauenden Permafrostböden. Eine Zunahme von Extremwetterereignissen wirkt sich auch auf die Energieinfrastruktur in Bayern aus. Eine kontinuierliche Wartung und Weiterentwicklung der Infrastruktur erhöht die Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen. • zu Photovoltaik-Anlagen und Windenergienutzung: Eine mögliche klimawandelbedingte Abnahme stratosphärischen Ozons würde die Energieleistung von PV Anlagen erhöhen. Gleichzeitig sinkt ihre Leistung tendenziell bei steigenden Temperaturen. Änderungen der Windgeschwindigkeiten wirken sich auf die Windenergieerzeugung aus. Insgesamt machen zunehmende Schwankungen bei der Stromerzeugung intelligentes Lastmanagement von Seiten der Netzbetreiber noch stärker notwendig. • zu Wasserkraftwerken: Eine klimawandelbedingte Häufung von Niedrigwasserereignissen kann zur Verringerung des Wasserdargebots und somit zu einer sinkenden Stromproduktion in Wasserkraftanlagen führen. Auch Hochwasserereignisse beeinträchtigen die Möglichkeit zur Stromerzeugung in Wasserkraftanlagen. Für den Ausbau oder die Modernisierung von bestehenden Anlagen sind deshalb zu erwartende Extremwetterereignisse in die Überlegungen mit einzubeziehen. • zu Energie aus Biomasse: Die Produktion von Biomasse ist schon heute von den Folgen des Klimawandels beeinträchtigt. Um eine Anpassung zu gewährleisten, sind neue Arten beziehungsweise Sorten sowie Anbaumethoden notwendig. Reststoffe und Abfälle biogenen Ursprungs bieten zudem ein großes energetisches Potenzial, das zum Teil noch unerschlossen ist und die Energieproduktion vom Wachstum angebauter Energiepflanzen entkoppelt. 4.12.1 Ausgangslage Mit Anbeginn der Industrialisierung vor etwa 200 Jahren fand die erste große Energiewende statt: Der Energieträger Biomasse wurde Schritt für Schritt durch fossile Energien ersetzt. Die neu gewonnene, reichlich vorhandene und bezahlbare Energie war eine Grundbedingung für anhaltendes ökonomisches Wachstum und Wohlstand. Das durchschnittliche reale jährliche Einkommen westeuropäischer Bürger stieg von 2.000 € vor etwa 150 Jahren um das zwanzigfache auf nun knapp unter 40.000 € [124] – eine Entwicklung, welche eng an die Nutzung fossiler Energieressourcen und den Ausstoß des Treibhausgases CO2 gebunden war. Die Projektionen des „Weiß-blauen Klimas“ der Zukunft sowie plausible Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft (Kap. 3 und 4) zeigen aber: Ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen, d. h. ohne eine schnelle Reduktion von Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten, würde Bayern drastische Veränderungen erleben. Was bedeutet diese notwendige bayernweite wie globale Abkehr von fossilen Energieressourcen für den Wohlstand Bayerns? Abb. 83: Die Energiewende schreitet voran. Bis 2025 soll die Photovoltaik in Bayern dabei mit einem Anteil von 22 bis 25 % an der gesamten Bruttostromerzeugung weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. 149 150 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Ein weiterhin, ähnlich wie bisher anhaltendes Wachstum von Wohlstand und ambitionierter Klimaschutz im Zuge der 2-Grad-Obergrenze: Auf Basis der Bewertung des Weltklimarats (IPCC) erscheinen diese zwei Ziele sehr wohl vereinbar [31]. Ambitionierter Klimaschutz regt die Marktteilnehmer, hier die Energiewirtschaft, zu Innovationen an, sodass anfänglich hohe Investitionskosten mittelfristig zur Bereitstellung preiswerter Energie führen. Dies zeigt sich bereits heute bei den erneuerbaren Energien Sonne und Wind. Mit ihnen kann in vielen Fällen Energie kostengünstiger erzeugt werden als mit Braunkohleanlagen. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2035 aufgrund technologischer Innovationen die Produktionskosten von Wind- und Sonnenstrom etwa nur halb so groß sein werden wie bei fossilen Energieträgern [125]. Diese politisch eingeleitete zweite Energiewende ist ein historisches Projekt, das für Bayern sowohl Herausforderungen mit sich bringt (Netz- und Versorgungsstabilität, Energiespeicherung, Sektorkopplung, etc.) als auch die Chance bereithält, technologische Innovationen zu etablieren und somit Absatzmärkte zu erweitern. Einerseits werden also als Folge ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen unsere Energiesysteme fortlaufend transformiert. Maßgebend ist hier für den Freistaat das Bayerische Aktionsprogramm Energie [126]. Andererseits betrifft der Klimawandel auch unmittelbar alle Bereiche der Energiewirtschaft. In den nächsten Jahren werden konventionelle Kraftwerke nach wie vor in Hitzeperioden von einem Mangel an Kühlwasser betroffen sein. Mit der Beendigung der Kernenergienutzung wird dieses Problem aber immer unbedeutender. In diesem Kapitel liegt der Fokus daher auf der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Des Weiteren wirkt sich der Klimawandel auf die Energienachfrage aus, beispielweise durch einen höheren Kühlungsbedarf im Sommer und einen geringeren Wärmebedarf im Winter. Die Forschung geht davon aus, dass der Energiebedarf privater Haushalte durch die Klimaerwärmung mittelfristig keinen nennenswerten Änderungen unterliegen wird. Einerseits wird die Anzahl der Heiztage abnehmen, andererseits wird im Sommer mehr Energie für Klimaanlagen aufgebracht werden müssen [127]. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Energiewirtschaft folgendes Handlungsziel [55]: • Eine klimafreundliche Energieproduktion sowie das Aufrechterhalten einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung für Bevölkerung sowie Industrie und Gewerbe haben, auch in klimabedingten Krisensituationen, oberste Priorität. 4.12.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.12.2.1 Rohstoffimport und Stromübertragung Nahezu 60 % des Primärenergieverbrauchs in Bayern entfielen im Jahr 2017 auf Mineralöl und Gas [128], die fast vollständig aus anderen Ländern importiert werden. In einigen Sektoren wie der Mobilität werden fossile Energieträger zukünftig vermehrt durch Strom ersetzt. Gemäß der Energiewende sollte auch dieser Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden. Dadurch ändern sich die Standorte der Stromerzeugung in Deutschland. Windenergie wird schwerpunktmäßig im Norden, Solarenergie schwerpunktmäßig im Süden ausgebaut. Um eine sichere, umweltfreundliche und bezahlbare Stromversorgung in Bayern zu sichern, muss das Stromnetz aus- und umgebaut werden. Auswirkungen auf Rohstoffimport und Stromübertragung Der Klimawandel wird Förderung und Transport fossiler Rohstoffe wie Erdgas oder Erdöl weltweit beeinflussen. Pipelines werden gefährdet durch tauende Permafrostböden, Erdrutsche und Waldbrände. Raffinerien und Häfen werden durch einen Anstieg des Meeresspiegels ebenso beeinträchtigt wie durch eine mögliche Zunahme von Intensität und Häufigkeit von Stürmen. Stürme treffen auch vermehrt die Arbeiten auf Bohrinseln. Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, in Folge eines Rückgangs arktischen Meereises neue Fördergebiete zu erschließen. Inwiefern die beschriebenen Änderungen Auswirkungen auf die Energieversorgung in Bayern haben werden, kann aktuell Klimawandel – Auswirkung und Anpassung nicht abgeschätzt werden. Weitere Untersuchungen sind hierzu notwendig. Es wird davon ausgegangen, dass insbesondere Energieimporte aus Russland beeinträchtigt werden könnten [129]. einen mehr Akzeptanz beim Netzausbau und zum anderen eine höhere Resilienz gegenüber Witterungsschäden. 4.12.2.2 Photovoltaik- und Windenergieanlagen Mit einer zunehmenden Erderwärmung werden auch für Bayern extreme Wetterereignisse vermehrt auftreten. Stürme, Starkniederschläge, Schneelast oder Blitzschlag können Leitungen beschädigen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Beeinträchtigung durch den Klimawandel nur gering sein wird [127]. Umsetzung von Klimaanpassung Mit einem Ausbau erneuerbarer Energien und einer Effizienzsteigerung im Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich sinkt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Hiermit sinkt auch die Vulnerabilität gegenüber Klimaveränderungen durch den Import der Rohstoffe aus betroffenen Ländern. Das Stromnetz kann auf verschiedene Weise an eine Zunahme an Extremwetterereignissen angepasst werden. Generell ist der Wartungszustand der verwendeten technischen Komponenten von großer Bedeutung. Viele Knotenpunkte im Netz bieten Redundanz beim Ausfall einzelner Leitungen und sorgen somit dafür, dass Beschädigungen keinen Einfluss auf die Endverbraucher haben. Im Zuge der Energiewende werden bei Gleichstromleitungen Erdverkabelungen favorisiert. Diese schaffen zum Aus Sonne und Wind stammten im Jahr 2018 rund 45 % des in Bayern regenerativ erzeugten Stroms. Um die Potenziale aus Sonne und Wind weiter zu erschließen soll in Bayern im Zeitraum von 2019 bis einschließlich 2022 ein Zubau von 3.200 MWp Photovoltaikleistung erreicht werden sowie 300 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt 1 GW initiieren werden. Der Ausbau der Photovoltaik verlief ab dem Jahrhundertwechsel äußerst dynamisch. Die installierte Leistung hat sich von rund 100 MWP im Jahr 2002 bis auf rund 11 GWP Ende 2015 mehr als verhundertfacht. Über die Hälfte der heute installierten Leistung stammt dabei von Dachanlagen. Lange hieß es, Windenergie in Bayern lohne sich nicht. Doch die Weiterentwicklungen in der Technik ermöglichen auch hierzulande immer mehr Windparks, die rentabel verbrauchsnahen Strom liefern. Windenergie ist eine gute Ergänzung zur Solarenergie, da der Wind meist dann stärker weht, wenn kaum Sonne scheint, insbesondere in den Wintermonaten. Abb. 84: Entwicklung der installierten Leistung von Photovoltaik und Windenergie in Bayern [130] 151 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Sa a le Th ü rin ge n Hesse n nk. Frä Sa a l e Sach se n Kronach Fluss-/Staukraftwerk Pumpspeicherkraftwerk Main ai M üh Ka n l Donauwörth n- Do al n In Isar Lech Landshut ns ee SCHW EI Z ch Le au ÖST ERREI CH Traunstein Isar de ein Bo Rosenheim Do n h Kempten Weilheim i.OB. c lza Sa Windenergieanlagen gilt es vor Stürmen zu schützen. Die hierfür notwendigen Technologien sind bereits flächendeckend im Einsatz. Durch eine Deggendorf Isar MÜNCHEN Iller Umsetzung von Klimaanpassung Eine Erwärmung stellt neue Anforderungen an die Montage von Photovoltaikmodulen. Werden diese gut belüftet, so heizen sie sich weniger stark auf und erzielen höhere Wirkungsgrade. Besondere Beachtung sollte auch den Wechselrichtern geschenkt werden. Diese regeln bei Überhitzung ab und begrenzen somit die Leistung, um einer Überlastung vorzubeugen. Bei der Planung und Installation sollte deshalb eine möglichst kühle und gut belüftete Stelle gewählt werden [131]. Regensburg Ingolstadt Do nau Donau Regierungsbezirksgrenze Regen n au - N a ab Bad en Wü rtte mb erg REP UBLI K Nürnberg t Al m keine Angabe TSCH ECHI SCHE Weiden i.d. Opf. Ansbach Windenergieanlagen sind optimiert für mittlere Windgeschwindigkeiten. Zunahmen oder Abnahmen beeinträchtigen die Nennleistung der Anlagen. Bei zu kräftigen Stürmen müssen Windenergieanlagen aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden. Quantitative Abschätzungen zur Beeinflussung der Stromproduktion aus Wind in Bayern durch den Klimawandel liegen nach aktuellem Stand noch nicht vor. Es wird für die Zukunft eine höhere Volatilität erwartet. Tendenziell wird von einer Zunahme des Windenergiepotentials ausgegangen, wodurch mehr Strom produziert werden kann [127]. Ausleitungskraftwerk Eger Ma in Aschaffenburg Auswirkungen auf Photovoltaik- und Windenergieanlagen Der Klimawandel in Bayern wird die Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen beeinflussen. Einerseits wird voraussichtlich die Globalstrahlung zunehmen, was zu einer Steigerung des Ertrags führen würde. Grund ist eine erwartete Abkühlung der Stratosphäre und eine hiermit einhergehende Beschleunigung des Ozonabbaus. Dieser Effekt wird allerdings durch den allgemeinen Temperaturanstieg der Troposphäre abgeschwächt. Photovoltaikmodule erzielen bei hohen Temperaturen einen schlechteren Wirkungsgrad [55]. Die Frage, ob in Summe eine Steigerung oder eine Minderung des Stromertrags die Folge ist, und die Quantifizierung der Auswirkungen für Bayern bedürfen weiterer Forschung. Zusätzlich drohen durch möglicherweise häufiger auftretende Gewitter mit Hagel Beschädigungen an den Anlagen. Wasserkraftanlagen [> 1 MW] Stand Juli 2015 Hof Bad Kissingen Rh 152 0 Inn 25 50 km Salzach Abb. 85: Wasserkraftanlagen mit einer Ausbaugröße über 1 MW (Stand Juli 2015) [57] Zunahme von Schwankungen der Windgeschwindigkeiten werden vor allem höhere Anforderungen an die Netzbetreiber gestellt. Intelligentes Lastmanagement auch unter Zuhilfenahme von Speichern ist hier gefordert. 4.12.2.3 Wasserkraftwerke In Bayern vereinen ca. 4.200 Wasserkraftanlagen (ohne Pumpspeicherwerke) eine Ausbauleistung von etwa 2.400 MW (Megawatt). Die bayerischen Wasserkraftanlagen erzeugen im langjährigen Jahresmittel rund 12 TWh (Terawattstunden = Mrd. kWh) Strom, mit dem bilanziell etwa 3,5 Mio. bayerische Haushalte versorgt werden können. Aufgrund der Topographie, den hydromorphologischen Gegebenheiten und dem Wasserdargebot konnte Bayern im Jahr 2018 knapp 15 Prozent der Bruttostromerzeugung aus Wasserkraft generieren – ein Höchstwert unter allen Bundesländern. Dabei erzeugen rund 200 große Anlagen mit über 1 MW Leistung etwa 90 Prozent des Stroms aus Wasserkraft. Sie liegen überwiegend an den alpinen Donauzuflüssen in Südbayern (Abb. 86) [57]. Bei der Wasserkraftnutzung fließen energiewirtschaftliche und gewässerökologische Belange in den Abwägungsprozess für die Bewilligung einer Anlage ein. Auswirkungen auf Wasserkraftwerke Die Leistung eines Wasserkraftwerks hängt ab von der Menge des durchfließenden Wassers, der Fallhöhe, der Ausbauleistung und vom Wirkungsgrad der Anlage. Sind die Turbinen einmal für eine bestimmte Durchflussmenge ausgelegt, so reduziert sich die Stromerzeugung teils deutlich, falls weniger Wasser durch die Turbinen geleitet werden kann als in Normalsituationen [57]. Je stärker also der Durchfluss im Jahresverlauf schwankt, desto weniger effizient ist in der Regel die Erzeugung von Strom Klimawandel – Auswirkung und Anpassung aus Wasserkraft. Verringern sich in der nahen Zukunft (2021–2050) die Niedrigwasserabflüsse regional um bis zu 15 Prozent (Kap. 4.1), so ergeben sich Leistungseinbußen bei der Wasserkraftnutzung. Die Niedrigwassersituation im Juli 2015 führte beispielsweise zu einer Reduktion der Stromerzeugung durch Wasserkraft in diesem Monat gegenüber dem langjährigen Mittelwert um 39 % am Main, 36 % an der Donau, 32 % an der Isar und 54 % am Lech [55]. Im Jahresmittel war der Stromertrag des Jahres 2018 wegen der monatelangen Dürre um zehn Prozent geringer als im Jahr zuvor. Auch Hochwasserereignisse beeinträchtigen die Stromproduktion aus Wasserkraft. Überall in Bayern muss zukünftig mit häufigeren und intensiveren Starkniederschlägen gerechnet werden, die Hochwasser an Fließgewässern und Überflutungen durch Oberflächenabfluss nach sich ziehen können (Kap. 4.1). Umsetzung von Klimaanpassung Um Beschädigungen an Stau- beziehungsweise Kraftwerksanlagen zu verhindern, ist eine möglichst gute Prognose des Wasserpegels sowie die vorausschauende Regulierung des Abflusses notwendig. Eine für die Anlage optimierte Steuerung aller wichtigen Komponenten, die eingesetzte Turbinentechnologie, aber auch die Regulierung des Zuflusses sind entscheidend, um auch bei Hoch- oder Niedrigwasser möglichst effektiv Strom produzieren zu können. Das für die Zukunft erwartete Abflussverhalten sollte nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Modernisierungsvorhaben bei bestehenden Anlagen berücksichtigt werden. 4.12.2.4 Energie aus Biomasse Energie aus Biomasse besitzt eine lange Tradition. Schon vor 12.000 Jahren wurde Biomasse in Form von Holz oder Dung von Tieren für Wärme-, Kochund Beleuchtungszwecke verwendet. Energie aus Biomasse (Bioenergie) erlebt heute eine bemerkenswerte Renaissance. Der Erfolg der Bioenergie ist auch darin begründet, dass sie speicherbar ist und in Form von Strom, Wärme und Kraftstoff genutzt werden kann. Biomasse kommt als fester, flüssiger oder gasförmiger Energieträger zum Einsatz. Die höchste Effizienz wird mit Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen erreicht. Sie können systembedingt einen sehr hohen Anteil der Brennstoffenergie in Nutzenergie überführen. Im Jahr 2018 war Biomasse in Bayern für rund 12 % der Bruttostromerzeugung verantwortlich, bis 2025 soll der Anteil auf 14 – 16 % steigen. Auswirkungen auf Energie aus Biomasse Die Auswirkungen des Klimawandels auf energetisch genutzte Biomasse in Bayern sind vielfältig. C3-Pflanzen wie Raps profitieren von einem höheren CO2 Gehalt in der Atmosphäre. C4-Pflanzen wie Mais profitieren zusätzlich auch von einer Erwärmung. Hitze und Trockenheit wirken sich jedoch negativ auf die meisten Pflanzen aus, wenn auch unterschiedlich stark (Kap. 4.2 und 4.3). Holz spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Energieerzeugung, meist in Form von Hackschnitzeln oder Pellets. Schon jetzt haben die Wälder in Bayern mit Klimaveränderungen zu kämpfen. Auf Grund der langen Reproduktionszeiten ist eine frühe, vorausschauende Anpassung des Waldbestands zwingend notwendig (Kap. 4.3). Sowohl für Ackerbau als auch für die Forstwirtschaft stellt eine oftmals zunehmende Anzahl und Intensität von Extremwetterereignissen eine Bedrohung dar. Umsetzung von Klimaanpassung Um die Biomasseproduktion an die veränderten Rahmenbedingungen in Zeiten des Klimawandels anzupassen, sind neue Arten beziehungsweise Sorten sowie Anbaumethoden notwendig (Kap. 4.2 und 4.3). Anstatt nachwachsende Rohstoffe für die Energieproduktion zu verwenden, ist die Verwendung von Biomasse aus anderen Quellen möglich. Reststoffe und Abfälle biogenen Ursprungs bieten ein energetisches Potenzial, das zum Teil noch unerschlossen ist. Je nach Eignung werden sie zur Erzeugung von Strom, Wärme oder Kraftstoff eingesetzt. Die energetische Nutzung von biogenen Rest- und Abfallstoffen trägt dazu bei, Flächenkonkurrenzen für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Rohstoffen, Energiepflanzen sowie für Naturschutzmaßnahmen zu vermindern. 153 154 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.13 Industrie und Gewerbe Kurz gesagt, • Zur Wärmeeinleitung in Gewässer: Um die Belastung der Gewässerökologie bei gleichbleibenden gesetzlichen Mindeststandards zu begrenzen, werden in der nahen Zukunft (2021–2050) die maximal erlaubten Wärmeeinleitmengen von Industrie und Energiewirtschaft in Gewässer insbesondere bei Niedrigwassersituationen regional abnehmen. Wärmelastrechnungen ermöglichen für Industrie und Energiewirtschaft, der klimawandelbedingten veränderten Risikosituation bei Investitionen in Kühlsysteme Rechnung zu tragen. 4.13.1 Ausgangslage Allein die Industrie, d. h. das Verarbeitende Gewerbe, erwirtschaftet 27,3 Prozent der bayerischen Bruttowertschöpfung. Der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe und IKT (Informations- und Kommunikationstechnik) trägt mit 20,6 Prozent ebenfalls stark zur Bruttowertschöpfung in Bayern bei. Daher sind Industrie und Gewerbe Eckpfeiler der Innovations- und Wirtschaftskraft Bayerns. Für die bayerische Industrie bietet die weltweit zunehmende Bedeutung von Umweltschutz und „Grüner Technologien“ eine große Chance um mit neuen Produkten und Industrien Wertschöpfung im Freistaat zu schaffen. Eine marktbasierte und zugleich ökologisch motivierte Umweltpolitik setzt hier ordnende Leitplanken, im Rahmen derer die bayerische Industrie selbständig nach den besten Lösungen für die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit sucht (Kap. 4.13.2.1 und 5). Drei Ebenen des Themenkomplexes Klimawandel und Transformationsgestaltung lassen sich unterscheiden. Erstens setzen die Klimaschutzziele neue Anreize für Industrie und Gewerbe zur Stärkung ihrer Stellung als innovativer Anbieter und Markt für klimafreundliche Technologien: Wertschöpfung und Treibhausgasemissionen müssen gemäß der bayerischen Klimaschutzoffensive in spätestens 30 Jahren vollständig entkoppelt werden (Kap. 1). Zweitens wirkt sich der Klimawandel direkt auf Produktionsprozesse aus, beispielsweise über oftmals intensivere und häufiger auftretende Extremereignisse (Kap. 3.3), welche die direkten Schäden an gewerblicher und industrieller Infrastruktur erhöhen und Produktionsabläufe sowie Logistikprozesse empfindlich stören können [55]. Der Klima-Report Bayern 2021 widmet dem handlungsfeldübergreifenden Ausgleich verschiedener Wassernutzungsformen besondere Aufmerksamkeit, woran sich, drittens, der Einfluss des Klimawandels auf Industrie und Gewerbe im Rahmen neuer bzw. bestehender gesetzlicher Umweltstandards widerspiegelt (Kap. 4.13.2.1). Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Industrie und Gewerbe unter anderem folgende Handlungsziele [55]: • Aufrechterhalten des leistungsfähigen Wirtschaftsstandortes Bayern im Verbund mit einer Ausrichtung der Produktionsweise gemäß fortschrittlicher Nachhaltigkeitsstandards. • Steigerung der Energieeffizienz/-produktivität. 4.13.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.13.2.1 Wärmeeinleitung in Gewässer Bei Produktionsprozessen in der Chemie-, Papierund Lebensmittelindustrie wird oftmals Oberflächenwasser als Kühlmittel verwendet, welches nach Verwendung erwärmt in die Gewässer rückgeführt wird. Gleiches gilt für konventionelle Wärmekraftwerke in der Energiewirtschaft wie Gas-, Kohle-, Öl-, Biomasse-, Abfall- oder Kernkraftwerke [57]. Insgesamt gibt es in Bayern aktuell etwa 40 Kraftwerke und Industriebetriebe mit bedeutenden Kühlwassereinleitungen (Abb. 86). Grundsätzlich bedarf eine solche Wärmeeinleitung einer wasserrechtlichen Erlaubnis, in der Aufwärmspannen und Maximaltemperaturen eines Gewässers gemäß der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) festgelegt werden [57]. So soll verhindert werden, dass bei ungünstigen Abfluss- und Temperaturverhältnissen die Gewässerökologie übermäßig beeinträchtigt wird (Kap. 4.1.2.3). Insbesondere bei komplexen Industriestandorten ist jedoch eine flexible Steuerung der eingeleiteten Wärmemengen in Abhängigkeit von den Abfluss- und Temperaturverhältnissen durch Eingriffe in die Produktionsprozesse oftmals nur Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Sa a le Th ü rin ge n Sach se n Hesse n Wärmeeinleiter (> 10 MJ/s) Hof le nk. S a a Frä Aschaffenburg Main Eger Main Sitz Bezirksregierung Sitz Kreisverwaltung bzw. kreisfreie Stadt Bayreuth Würzburg TSCH ECHI SCHE Regierungsbezirksgrenze REP UBLI K Nürnberg ai M Ansbach n- al Do R e g en n au - Alt N a ab Ka n hl mü Bad en Wü rtte mb erg Regensburg Do nau Lech Isar Inn Isar Augsburg Donau MÜNCHEN • In der Vergangenheit sind aufgrund einer adäquaten Beschaffenheit der Kühlsysteme industrieller Wärmeeinleiter keine unmittelbaren Produktionsausfälle durch wasserrechtliche Einschränkungen zu verzeichnen. • In der nahen Zukunft (2021–2050) werden insbesondere bei Niedrigwassersituationen regional die erlaubten maximalen Wärmeeinleitmengen sinken, was ohne eine Anpassung der Kühlsysteme zu unmittelbaren wirtschaftlichen Einbußen führen könnte. Umsetzung von Klimaanpassung In der Regel sind jene Kühlsysteme, welche eine hohe Kühlleistung mit einer geringen Wärmebelastung von Gewässern verbinden, besonders kostenbzw. energieintensiv. Daher stehen im Kontext der Wärmebelastung die Ziele Klimaschutz und Klimaanpassung in keiner win-win-Beziehung. Klimaanpassung heißt beim Management der Wärmebelastung durch Industrie und Gewerbe sowie Energiewirt- 0 25 50 km Isa r Kempten ns ee Rh SCHW EI Z ein de ÖST ERREI CH ch Der Klimawandel beeinflusst den seit langer Zeit reglementierten Zielkonflikt zwischen Wärmeeinleitung und Gewässerökologie: Bo l za Sa Rosenheim Auswirkungen auf Wärmeeinleitung In der Vergangenheit waren bei Niedrigwassersituationen (Kap. 4.1.2.1) lediglich einige Wärmekraftwerke mit Durchlaufkühlung zu leistungsmindernden Maßnahmen gezwungen. Bei Industriestandorten reichte die Wärmeeffizienz der Kühlsysteme bislang aus, um Betriebseinschränkungen als Folge wasserrechtlicher Vorgaben zu vermeiden. Für die Zukunft lässt sich derzeit noch nicht verlässlich abschätzen, ob die klimawandelbedingten Änderungen der Wassertemperatur- und Niedrigwassersituation, mit im Median regional bis zu 15 Prozent geringeren Abflüssen in der nahen Zukunft (2021–2050) gegenüber dem Referenzzeitraum 1971–2000, die Möglichkeiten der Wärmeeinleitung signifikant beeinträchtigen [57]. Sicher ist jedoch, dass die erwarteten höheren Wassertemperaturen und die regionale Verschärfung von Niedrigwasserereignissen die erlaubte maximale Wärmeeinleitmenge verringern werden. Passau Don au Landshut Iller bedingt möglich. Insofern können wirtschaftliche Einbußen von Industriebetrieben (und Wärmekraftwerken) bei ungünstigen Abfluss- und Temperaturverhältnissen nur verhindert werden, wenn die vorhandenen Kühlsysteme für solche Verhältnisse ausgelegt wurden [57]. 155 ch Le Inn Fachdaten: Informationssystem Wasserwirtschaft Stand 2015 Salzach Abb. 86: Kraftwerke und Industriebetriebe mit Wärmeeinleitungen (> 10 MJ/s) in Bayern. Nahe beieinander liegende Standorte erscheinen als ein Punkt in der Karte. schaft, auf Basis aktueller Informationen, unter Berücksichtigung der klimawandelbedingten, veränderten Belastungssituation der Gewässerökologie, optimale Kühlsysteme zu verwenden. Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) werden derzeit sog. Wärmelastrechnungen aktualisiert (Projektende: voraussichtlich 2020). Diese zeigen für Donau, Main, Isar und Mittlerer Isarkanal auf, welchen Einfluss Wärmeeinleiter, insbesondere bei gewässerökologisch relevanten Extremsituationen wie z. B. bei Niedrigwasser, auf die Wassertemperatur haben. So können die Betreiber frühzeitig über Betriebsrisiken informiert werden, welche wiederum bei Investitionen in optimierte Kühlsysteme berücksichtigt werden können. Die Industrie sowie der Freistaat Bayern berücksichtigen also die Belange der Klimaanpassung: • Das Landesamt für Umwelt (LfU) stellt sog. Wärmelastpläne zur Verfügung, welche unter Berücksichtigung gesetzlicher gewässerökologischer Mindeststandards als Entscheidungsgrundlage dienen können, um für betriebliche Wärmeeinleitungen in Industrie und Energiewirtschaft den optimalen Einsatz von Kühlsystemen zu ermöglichen. • Industrie und Energiewirtschaft sind gesetzlich verpflichtet, im Rahmen der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Oberflächengewässerverordnung ökologische Mindeststandards bei der Wärmeeinleitung zu berücksichtigen. Verschärft sich durch den Klimawandel die ökologische Gefährdung, so passen sich Industrie und Energiewirtschaft bei gegeben ökologischen Mindeststandards aufgrund des betriebswirtschaftlichen Effizienzprinzips an diese neue Gefährdungslage an. 156 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.14 Tourismus Kurz gesagt, • zum schneebasierten Wintertourismus: Insbesondere tiefer liegende Wintersportgebiete, etwa in den bayerischen Voralpen oder Mittelgebirgsregionen, spüren bereits heute die Auswirkungen des Klimawandels durch eine verminderte Schneesicherheit. In ausreichend hoch gelegenen Skigebieten kann eine künstliche Beschneiung der Pisten als Anpassung dienen. Der Ausbau schneeunabhängiger Tourismusangebote, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Wellness und Kulinarik, kann ebenfalls den Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken. • zum Sommertourismus: Durch die höheren Sommertemperaturen und dem erwarteten Gästezuwachs wird die Tourismusbranche vom Klimawandel profitieren. Gleichzeitig steigt jedoch die Gefahr gegenüber Extremwetterereignissen. Eine an den Klimawandel angepasste Angebots -und Marketinggestaltung sowie bauliche Maßnahmen an touristisch genutzten Gebäuden können Chancen befördern und Risiken vermindern. 4.14.1 Ausgangslage Etwa 600.000 Menschen (4.6 Prozent der Bevölkerung Bayerns) erzielen ihr Einkommen vollständig im Tourismus. Gerade in strukturschwachen Regionen Bayerns kann ein Ausbau des Wirtschaftsfaktors Tourismus dazu beitragen, dass bestehende Strukturdefizite abgemildert werden. Im Zuge der regionalen Wirtschaftsförderung stärkt das Bayerische Wirtschaftsministerium daher mit über 80 Prozent der bewilligten Fördermittel insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in strukturschwachen Regionen bei Investitionen. Einerseits kann die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung der bayerischen Tourismuswirtschaft durch Investitionen, beispielsweise in digitale Tourismusangebote und -marketing, in Erholungs-, Gesundheits-, Kulinarik- und Wellnessangebote ausgebaut werden. Andererseits hängt die Profitabilität von Investitionen gerade im Outdoor Bereich vom Klima und dem Erhalt prägender kultureller wie natürlicher Landschaftsbilder ab. Im Zuge des Klimawandels gilt es, die Veränderungen des Klimas in Bayern zu beobachten sowie zu antizipieren (Kap. 3), und nachfolgend Tourismusangebote graduell anzupassen. Im Sommertourismus führen steigende Temperaturen eher zu Chancen: Outdoor Angebote wie Mountainbiken, Klettern, Freizeitbäder, Badeseen oder Biergärten profitieren von einer verlängerten Saison und einer steigenden Attraktivität des gemäßigten Klimas in Bayern gegenüber dem Mittelmeerraum [55]. Im Wintersporttourismus ist gerade in den tiefer liegenden Voralpen- und Mittelgebirgsregionen der Rückgang der Schneesicherheit bereits jetzt spürbar. Die Möglichkeiten der technischen Beschneiung können dem nur teilweise entgegenwirken [8]. Soll die touristische Attraktivität betroffener Regionen erhalten oder gar ausgebaut werden, so müssen vorausschauende Tourismusangebote und -konzepte die Schneeabhängigkeit des Wintertourismus verringern. Letztendlich hängen Ausmaß und Tempo dieses klimawandelbedingten Strukturwandels im Handlungsfeld Tourismus davon ab, wie schnell in Bayern und der Welt eine tiefgreifende Transformation des Wirtschaftens gelingt (Kap. 5). Wenn die Erzeugung von Wohlstand zügig von der Emission von Treibhausgasen entkoppelt wird, so wird die jährliche Mitteltemperatur Bayerns bis Ende des Jahrhunderts nur um etwa 1,1 °C gegenüber dem Zeitraum 1971–2000 steigen (Szenario 2-Grad-Obergrenze bzw. Szenario Vorsorgeprinzip), wohingegen ohne Klimaschutz 3,8 °C wahrscheinlich wären – mit entsprechend dramatischeren Folgen für den zu bewältigenden Strukturwandel der Tourismuswirtschaft. Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Tourismus folgende Handlungsziele [55]: • Entwicklung und Vermarktung eines an die Folgen des Klimawandels und die zu erwartende Verschiebung der räumlichen Präferenz und Reisezeit von Touristenströmen angepassten touristischen Angebots. • Anpassung der touristischen Infrastruktur, z. B. durch Dämmung beziehungsweise Einbau möglichst energieeffizienter Kühlsysteme. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.14.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.14.2.1 Schneebasierter Wintertourismus Auswirkungen auf den schneebasierten Wintertourismus Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintertourismus fallen regional unterschiedlich aus. Während sehr hoch gelegene Winterurlaubsorte weitestgehend Schneesicherheit bieten, sind in tiefer liegenden Wintersportgebieten, etwa in den bayerischen Voralpen oder Mittelgebirgsregionen, die Auswirkungen des Klimawandels bereits spürbar. Diese Skigebiete und vom Wintersport abhängige Regionen müssen auf Grund ihrer Höhenlage mit einem Rückgang des Skitourismus rechnen. Um einen pünktlichen Saisonstart terminlich sicherzustellen, ist der Einsatz künstlicher Beschneiung gerade in niedrigeren Lagen vielerorts unverzichtbar geworden. Etablierte Markenbegriffe wie „Schneebayern“, aber auch die großen Wintersportevents, die oftmals einen entscheidenden Imagefaktor darstellen und hohe ökonomische Bedeutung für Tourismusregionen aufweisen, sind durch die klimatischen Entwicklungen bedroht. So werden Umsatzeinbußen und steigende Energie- und Versicherungskosten als größte Risiken gesehen. Auf der anderen Seite bringt der Klimawandel allerdings nicht nur negative Veränderungen mit sich. Hohes Entwicklungspotenzial bieten vor allem der Erholungs-, Gesundheits- und Wellness-Sektor, der verstärkt von sich verändernden Kundenwünschen profitiert. So wird eine weiter steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Angeboten erwartet, die dem Trend hin zu einem bewussteren und nachhaltigen Lebensstil gerecht werden. Für den Tourismus eröffnet sich dadurch eine neue Kundengruppe und somit Entwicklungschancen. Es wird zudem mit geringeren Kosten für Raumwärme und Winterdienst sowie insgesamt sichereren Straßenbedingungen gerechnet. Umsetzung von Klimaanpassung Mögliche Anpassungsmaßnahmen beziehen sich auf die Bereiche technische Ausstattung und bauliche Maßnahmen, Ausbau von Angeboten, Marketing und Forschung. So kann in ausreichend hoch gelegenen Skigebieten eine künstliche Beschneiung der Pisten erfolgen. Der Strombedarf für die Beschneiungsanlagen stammt optimalerweise aus lokal erzeugten erneuerbaren Energien. Das Angebot für Nicht-Wintersportler wird weiter ausgebaut, um die Schneeabhängigkeit zu reduzieren. Insbesondere die Bereiche Gesundheit, Wellness und Kulinarik bieten sich hierfür an. Eine wichtige Rolle kann dabei auch das Thema Erlebnisinszenierung am Berg spielen. Denkbar wären Projekte wie spezielle Themenhütten, Aussichtsplattformen, Erlebnispfade und ein umfassend ausgebautes Wanderwegenetz, das ganzjährig genutzt werden kann. Die Bayerische Staatsregierung unterstützt dabei die Modernisierung der noch bestehenden 122 bayerischen Seilbahnanlagen (Stand 2018). Förderfähig sind nur Investitionsvorhaben, die mit den Belangen des Umweltschutzes sowie der Raumordnung, insbesondere dem Alpenplan und dem Regionalplan in Einklang stehen. Als Ergänzung könnten außerdem wetterunabhängige Indoor-Angebote wie Schwimmbäder oder Kletterhallen weiter ausgebaut werden, um potentiellen Gästen weitere Alternativen zur Urlaubsgestaltung zu bieten. 4.14.2.2 Sommertourismus Auswirkungen auf den Sommertourismus Auch in den Sommermonaten bietet der Klimawandel sowohl Chancen als auch Risiken für den Tourismus. Wärmere Temperaturen insbesondere in den Sommermonaten machen das Urlaubsland Bayern für Gäste noch attraktiver und sollten zu einem Gästezuwachs führen. Ein zusätzliches Besucherplus erwartet man durch die Umlenkung von Reiseströmen aus dem Mittelmeerraum, der zu trocken und zu heiß für einen Urlaub werden könnte. Insgesamt ist von einer Verlängerung der Sommersaison ins Frühjahr und bis weit in den Herbst auszugehen (Vor- bzw. Nachsaison). Profitieren wird davon besonders der Wander-, Fahrrad- und Wellnesstourismus. Höhere Wassertemperaturen führen zu einer 157 158 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung steigenden Bedeutung von Badetourismus und Wassersport an den bayerischen Seen. Vor allem Bergseen, die jetzt noch zu kalt zum Baden sind, könnten in Zukunft warm genug dafür sein und eröffnen so ein zusätzliches Potenzial für den Sommertourismus im Alpen- und Mittelgebirgsraum. Die Risiken des Klimawandels für den Sommertourismus in Bayern liegen in erster Linie in Extremwetterereignissen. Überschwemmungen können die touristische Nutzbarkeit beeinträchtigen und zu erheblichen Ersatzinvestitionen sowie Einkommenseinbußen führen. Aber auch die deutliche Erhöhung der Anzahl von Hitzetagen, stellt eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung für Kleinkinder und ältere Personen dar. Ein möglicher künftiger Rückgang der Niederschlagsmengen (Kap. 3.2), verbunden mit den steigenden Temperaturen, könnte zum Absinken des Grundwasserspiegels und einer Verschärfung der Niedrigwassersituation an Flüssen und Seen führen, was eine Verschlechterung der Wasserqualität sowie Algenwachstum zur Folge haben kann (Kap. 4.1). Weitere Folgen können Nutzungskonflikte um die Ressource Wasser sein, die besonders in landwirtschaftlich und touristisch intensiv genutzten Regionen entstehen könnten. Auch der steigende Bedarf nach Klimatisierung stellt ein Risiko für die Tourismusbranche dar. Neben hohen Kosten für Einbau und Wartung sind damit vor allem höhere Energiekosten verbunden, die zu Preissteigerungen für die touristischen Gesamtprodukte führen können. Als weitere Risiken sind eine erhöhte Waldbrandgefahr und vermehrter Schädlingsbefall zu nennen, die infolge steigender Temperaturen und zunehmender Trockenphasen auftreten und neben einem regionalen Imageverlust zu hohen finanzielle Schäden führen können. Umsetzung von Klimaanpassung Mögliche Anpassungsstrategien liegen bei Bau und Sanierung touristisch genutzter Gebäude nach einschlägigen Niedrigenergiestandards sowie im Einsatz energieeffizienter Technik bei Betrieb und Nutzung. Weitere Anpassungsmöglichkeiten liegen beispielsweise in einem eigenen Energiemanagement sowie dem Einbau von Regenwassertanks. Auch im Bereich der Angebotsgestaltung sind Anpassungsmaßnahmen möglich. So ist – wie im Wintertourismus – darauf zu achten, dass ganzheitliche Angebote entstehen und ausreichend Angebotsalternativen für Tage mit hohen Temperaturen zur Verfügung stehen. Auch im Tourismusmarketing kann Anpassung erfolgen. Hier liegt der Schwerpunkt auf einem integrierten Destinationsmanagement, das durch Vernetzung und Kooperationen Synergien erzeugt. Auch die Konzentration auf regionale Waren und Erzeugnisse stellt eine sinnvolle Anpassungsmaßnahme dar. So wird einerseits die regionale Produktion gestärkt und andererseits das Klima durch den Wegfall langer Lieferwege geschont. Darüber hinaus sind die Entwicklung und Stärkung regionaler Marken durch eine einheitliche „Corporate Identity“, einem gemeinsamen Wertesystem in Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit, Klimafreundlichkeit und Gesundheit sowie Qualität weitere Beispiele für gelungene Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Prof. Dr. Jürgen Schmude, Ludwig-Maximilians-Universität München, Department für Geographie; Dr. Michael Bischof, Institut für Ecomedicine, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg Klimawandel und Gesundheitstourismus: Destinationen und ihre Anpassung Wetter und Klima sind Komponenten des ursprünglichen Angebots im Tourismus. Die Veränderung des Klimas hat veränderte Rahmenbedingungen zur Folge, die sich für die einzelnen touristischen Marktsegmente (z. B. Wintersport- oder Gesundheitstourismus) unterschiedlich auswirken. Der Klimawandel und seine vielfältigen Folgen sind hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Tourismus sowohl für die touristischen Leistungsträger als auch für die touristischen Zielgebiete und die Touristen selbst von großer Bedeutung. Entsprechend stehen auch gesundheitstouristische Zielgebiete vor der Herausforderung, sich an die ändernden klimatischen Rahmenbedingungen anzupassen. Prädikatisierte Heilbäder und Kurorte (z. B. Moorbäder oder Luftkurorte) sind in diesem Zusammenhang besonders gefordert, da sie als besonders vulnerabel gelten, denn ihre natürlichen, ortsgebundenen Heilmittel (z. B. Moore oder Luftqualität), die Voraussetzung für ihre Prädikatisierung sind, werden durch den Klimawandel beeinflusst. Die gravierendste mögliche Folge ist die Gefahr des Prädikatsverlusts, wenn die Destinationen die Richtlinien für das jeweilige Prädikat nicht mehr erfüllen können. Andererseits ergeben sich durch den Klimawandel durchaus auch Chancen (z. B. Möglichkeiten zur Saisonverlängerung). Als Handlungsfelder für Heilbäder und Kurorte unter dem Eindruck des Klimawandels gelten insbesondere: • Gäste (z. B. Beobachtung und Analyse Reiseverhaltensänderungen der Gesundheitstouristen), • Kurmittel (z. B. frühzeitiges Erkennen der Veränderung/Verfügbarkeit der natürlichen Heilmittel), • Landschaftsbild und Vegetation (z. B. klimaresistente Pflanzen und natürliche Verschattung), • (touristische) Aktivitäten (z. B. Angebotsdiversifizierung im In- und Outdoorbereich), • Infrastrukturen und Dienste (Klimatisierung und neue Dienstleistungen wie z. B. Gesundheitsmanager). Ziel für Kurorte und Heilbäder muss es sein, für jedes Handlungsfeld die individuellen Chancen und Risiken des Klimawandels frühzeitig zu analysieren, um jeweils passende Anpassungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Auf Grund der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Problem des Klimawandels und der Analyse der bisher vorgenommenen und/oder zukünftig geplanten Anpassungsmaßnahmen lassen sich für Heilbäder und Kurorte aktuell vier Anpassungstypen differenzieren: Skeptiker (Diskussion um den Klimawandel muss noch angestoßen werden, um ein Bewusstsein für die Betroffenheit zu schaffen), Planer (Chancen und Risiken des Klimawandels werden analysiert und die Zukunftsbedürfnisse der Bevölkerung und der Gäste diskutiert), Pragmatiker (Umsetzbarkeit und Nutzen von Anpassungsmaßnahmen stehen im Mittelpunkt) und Macher (bereits begonnene Klimaanpassung und die Bewusstseinsarbeit werden auf breiter Ebene fortgeführt). Abb. 87: Anpassungstypen der Heilbäder und Kurorte: Skeptiker, Planer, Pragmatiker und Macher. 159 160 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Prof. Dr. Jürgen Schmude, Dipl. Geogr. Maximilian Witting; Ludwig-Maximilians-Universität München, Department für Geographie Klimawandel und Skitourismus: Ökonomische Auswirkungen und Reaktion der Skitouristen Der Klimawandel hat für den Skitourismus gravierende Folgen. Insbesondere für niedrig gelegene Skigebiete verringert sich die Schneesicherheit und es kommt zu einer zeitlichen Verschiebung der sog. optimalen Skitage von Weihnachten ins Frühjahr Richtung Fasching bzw. Ostern (Christmas-EasterShift), die zudem in geringerer Frequenz auftreten. Bereits in der Vergangenheit haben sich die durch den Skitourismus generierten Umsätze zwischen „guten“ und „schlechten“ Wintern deutlich unterschieden. Wie das Beispiel des Skigebiets Sudelfeld zeigt (vgl. Abb. 88), kann die Variabilität zwischen „guten“ und „schlechten“ Wintern auch durch den Ausbau der künstlichen Beschneiung nur abgefedert, nicht aber vollständig ausgeglichen werden: So belief sich die Umsatzdifferenz vor dem Ausbau der Beschneiungsanlagen zwischen dem „guten“ Winter 2005/06 (Durchschnittstemperatur – 1,58 Grad Celsius) und dem darauffolgenden „schlechten“ Winter 2006/07 (+2,51 Grad Celsius) auf nahezu 12 Mio. €, während nach dem Ausbau der Beschneiungsinfrastruktur die Differenz zwischen dem „guten“ Winter 2017/18 (+ 1,49 Grad Celsius) und dem „schlechten“ Winter 2015/16 (+ 2,37 Grad Celsius) lediglich 4,5 Mio. € betrug. Die Wintersporttouristen reagieren sehr unterschiedlich auf die klimatischen Veränderungen und die daraus resultierenden Bedingungen für das Skifahren. Grundsätzlich lassen sich folgende fünf Reaktionstypen auf der Nachfrageseite unterscheiden: • Business-as-usual: Dieser Typus behält sein Verhalten bei und bleibt der Destination treu, solange das Skifahren dort noch möglich ist. • Activity-Switcher: Selbst bei deutlich schlechteren Bedingungen zum Skifahren bleibt auch dieser Typus der Destination treu, ändert allerdings seine Aktivitätsmuster und weicht auf andere (Outdoor-) Aktivitäten aus (z. B. Mountainbiken, Wandern, Schneeschuhwandern). • Time-Switcher: Dieser Typus handelt zeitlich flexibel und fährt entsprechend dann Ski, wenn es die Bedingungen zulassen. Dabei kann es unter Umständen zum Wechsel in andere Destinationen kommen. • Destination-Switcher: Wenn sich die Skibedingungen in „seiner“ Destination deutlich verschlechtern, wechselt dieser Typus zum Skifahren in eine Destination, die ihm höhere Schneesicherheit bietet. • Stop-it: Dieser Typus wendet sich komplett vom Wintersporttourismus ab. Die Anteile der verschiedenen Typen differieren zwischen den skitouristischen Destinationen sowie zwischen Tages- und Übernachtungsgästen. Für die skitouristischen Destinationen bedeutet dies, dass sie sich je nach Veränderung der klimatischen Rahmenbedingungen und die für sie daraus resultierenden zukünftigen Möglichkeiten zum Skifahren darauf einrichten müssen, dass sie einen Teil ihrer Klientel verlieren (insbesondere Destination-Switcher und Stop-it). Vor diesem Hintergrund stehen diese Destinationen vor der Aufgabe, sich neue Marktsegmente im Tourismus (z. B. Wander- oder Fahrradtourismus) zu erschließen oder – falls bereits vorhanden – weiter auszubauen, um die Umsatzrückgänge im Skitourismus zu kompensieren. In der Regel ist es notwendig, die hierfür benötigte Infrastruktur aufoder auszubauen. Dieser Umsteuerungsprozess ist langwierig und erfordert eine frühzeitige Planung und zielgerichtete Umsetzung. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 88: Umsatzunterschiede zwischen “guten” und “schlechten” Wintern (vor und nach der Modernisierung) am Beispiel Sudelfeld/ Obb. 161 162 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.15 Finanzwirtschaft Kurz gesagt, • zu Schäden an privaten Wohngebäuden: Insbesondere bei Sturm- und Sturzflutereignissen ist für private Wohngebäude in Zukunft mit einer erhöhten Verwundbarkeit gegenüber Schäden zu rechnen. Eine weiterhin steigende Versicherungsquote von Wohngebäuden, insbesondere für Elementarschäden, trägt zu einer höheren Katastrophenresilienz Bayerns bei. • zu Globalen Klimarisikoversicherungen: Die klimapolitische Landschaft setzt einen zunehmenden Fokus darauf, die Verwundbarkeit von Entwicklungsländern gegenüber den negativen Auswirkungen von klima- und wetterbedingten Risiken durch Klimarisikoversicherungen zu verringern. Die Münchner Initiative für Klimaversicherungen (MCII) unterstützt diese Entwicklungen, und erarbeitet dadurch Chancen für die bayerische Finanzwirtschaft. 4.15.1 Ausgangslage Die Banken- und Versicherungswirtschaft trägt dazu bei, dass bayerische Bürger und Unternehmen klimaund wetterbedingte Risiken bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen und die natürlichen Schwankungen des Wetters nicht zu gleichermaßen stark schwankenden Einkommen und Vermögenswerten führen. Unternehmen und Eigenheimbesitzer können ihren Besitz gegen Schäden aus Hochwasser-, Sturm- und Hagelereignissen absichern. In jedem Einzelfall ist von Banken je nach Art und Lage eines finanzierten Objekts die Erheblichkeit der Risiken zu prüfen, sodass ggf. zur finanziellen Absicherung des Sicherungsguts unter Berücksichtigung bereits ergriffener Vorsorgemaßnahmen risikomindernde Instrumente wie Versicherungen vom Kreditnehmer gefordert werden. Im Rahmen einer Vereinbarung der Bayerischen Staatsregierung mit Partnern der Wirtschaft sowie den kommunalen Spitzenverbänden (siehe ausführlicher 4.15.2) haben die Verbände der bayerischen Kreditwirtschaft zudem zugesagt, ihre Mitgliedsinstitute darin zu bestärken, zukünftig ihre Kunden bei der Vergabe von Immobilienkrediten auf die Risiken von Naturereignissen sowie auf die Vorteile von Versicherungen gegen Elementarschäden im Rahmen der Absicherung von Immobiliensicherheiten hinzuweisen. Mit dem Klimawandel verändert sich das Wetter Bayerns und somit das Risiko, welches Bayerns Bürger und Unternehmen bei ihren ökonomischen Entscheidungen berücksichtigen müssen. Die Finanzindustrie ist auf zwei Skalenebenen betroffen: sowohl in Bayern, aber auch global, ergeben sich Risiken und Chancen für neue und alte Geschäftsfelder. Generell können drei Arten von Auswirkungen des Themenkomplexes Klimawandel und Transformationsgestaltung auf die Finanzwirtschaft unterschieden werden. Erstens werden durch Klimaschutzmaßnahmen zahlreiche Produktionsprozesse tiefgreifend transformiert. Insofern könnten sich erhöhte Ausfallrisiken für Investitionen in traditionellen, mit Treibhausgasemissionen verbundenen Geschäftsfeldern ergeben. Dies sind keine unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels selbst. Zweitens beeinflusst der Klimawandel direkt das Risiko, welchem zahlreiche Vermögenswerte ausgesetzt sind (Kap. 4.15.2.1). Drittens ergeben sich neue Geschäftsfelder durch das weltweite Bestreben, Klimaanpassung zu betreiben, um widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu werden (Kap. 4.15.2.2). Die Bayerische Staatsregierung formuliert in der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) für das Handlungsfeld Finanzwirtschaft folgendes Handlungsziel: • Die Finanzwirtschaft ist gefordert, ihre Produkte an klimatische Veränderungen und an die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft anzupassen. 4.15.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.15.2.1 Schäden an privaten Wohngebäuden Starkregen, Hochwasser, Sturm und Hagel können erhebliche Schäden an Gebäuden verursachen. Im Zeitraum 2010 bis 2018 verursachten in Deutschland die fünf schadenintensivsten Winterstürme zusammen 5 Milliarden Euro und die fünf teuersten Hochwasserereignisse 13,5 Milliarden Euro an Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 89: In Simbach am Inn hinterließen die Wassermassen des Simbachs am 1. Juni 2016 ein Bild der Verwüstung. Schäden. Von den Gesamtschäden der bundesweiten Wintersturm- und Winterschäden des Zeitraums 2010 bis 2018 waren in etwa 66 Prozent versichert. Für Hochwasserschäden waren es nur 29 Prozent (laut NatCatService der Münchner Rückversicherung). Exemplarisch für Hochwasserschäden, welche durch ein Starkregenereignis entstanden, steht die Sturzflut des Jahres 2016 in Simbach am Inn (Abb. 89). Allein für den am stärksten betroffenen Regierungsbezirk Niederbayern (Schwerpunkt Landkreis Rottal-Inn) werden die resultierenden Gesamtschäden auf Sachwerte mit über 1 Milliarde Euro beziffert. Auswirkungen auf Schäden an privaten Wohngebäuden Typischerweise wird bei Gebäuden zwischen Schäden aus Hagel- und Sturmschäden und sogenannten Elementarschäden unterschieden. Elementarschäden umfassen grob alle weiteren Schäden aus Naturkatastrophen wie Überschwemmungs-, Erdrutsch- oder Lawinenschäden. Eine Möglichkeit, Schäden an privaten Wohngebäuden zu messen, ist der sogenannte Schadensatz. Er beschreibt das Verhältnis der vom Versicherer getätigten Aufwendungen für Versicherungsfälle und dem Wert der versicherten Gebäude [74]. Steigt der Schadensatz, so kann man auf eine gestiegene Verwundbarkeit der versicherten Gebäude gegenüber der Schadensursache schließen. Für Bayern ist seit 1997 kein eindeutiger Trend der Verwundbarkeit gegenüber Sturm-, Hagel- (Abb. 90) und weiteren Elementarereignissen erkennbar [74]. Generell erwartet die Wissenschaft laut dem letzten Sachstandsbericht des Weltklimarates, dass der Klimawandel zu mehr wetterbedingten Naturkatastrophen führt. Jedoch sind je nach Region und Art der Extremereignisse unterschiedliche Entwicklungen zu erwarten [10]. Für Winterstürme wird in Deutschland im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 ein 20 bis 30 Prozent höherer Schadensatz um die Mitte des Jahrhunderts (2041–2070) projiziert [132]. Generell werden in Bayern für die Zukunft häufigere und intensivere Starkregenereignisse erwartet (Kap. 3.3). Einer möglichen Zunahme der mehrtägigen, großräumigeren Starkregenereignisse und daraus resultierender höherer Flusshochwasser wird grundsätzlich durch präventive Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern Rechnung getragen: ein sog. Klimaänderungszuschlag wird seit 2004 bei Hochwasserschutzanlagen berücksichtigt [8]. Hochwasserschutzwände werden beispielsweise gemäß eines um 15 Prozent erhöhten Bemessungshochwassers ausgelegt (Klimazuschlag), weshalb Klimaveränderungen hier zumindest nicht automatisch zu einer höheren Verwundbarkeit von Gebäuden gegenüber Hochwasserereignissen führen. Jedoch tragen in Zukunft häufiger auftretende lokale, extrem intensive Starkregenereignisse wie zum Beispiel das oben erwähnte Ereignis von Simbach am Inn zu einer steigenden Verwundbarkeit von Gebäuden gegenüber Sturzflut- und lokalen Hochwasserereignissen überall in Bayern bei, da diesen durch präventive Maßnahmen nur beschränkt beizukommen ist (Kap. 4.1). Zusammenfassend für die Auswirkungen des Klimawandels auf Schäden an Gebäuden gilt: • Die Verwundbarkeit von privaten Wohngebäuden Bayerns gegenüber klima- und wetterbedingten Ereignissen folgt seit 1997 keinem eindeutigen Trend. • Für die Zukunft kann insbesondere für Starkregenereignisse und Stürme von einer deutlich erhöhten Verwundbarkeit von privaten Wohngebäuden ausgegangen werden. 163 164 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 90: Schadenhäufigkeit und Schadensatz für Sturm- und Hagelschäden in Bayern seit 1997. Die Schadenhäufigkeit lässt Aufschlüsse über die Anzahl der versicherten Schäden zu, der Schadensatz hingegen über Aufwendungen, welche Versicherer durch Schadensereignisse tätigen müssen. Umsetzung von Klimaanpassung Klimaanpassung heißt, die Katastrophenresilienz zu erhöhen, also die Verwundbarkeit von Gebäuden gegenüber wetterbedingten Extremen durch präventive Maßnahmen zu verringern sowie die Folgen des Extremereignisses für das alltägliche Leben des Eigentümers, Mieters oder Pächters gering zu halten. Beides wird durch höhere Versicherungsquoten befördert, denn für jedes versicherte Gebäude muss zunächst das Risiko eines Schadensfalls erhoben werden – eine Grundvoraussetzung, um über präventive Maßnahmen nachzudenken – und durch die Auszahlung der Versicherungssumme im Schadensfall kann der Eigentümer Reparaturmaßnahmen finanzieren, ohne dabei Einkommen oder Vermögen aufzuzehren. Daher setzt die Bayerische Staatsregierung in der Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS 2016) auf den Maßnahmenmix aus einer Sensibilisierung der Bevölkerung, beispielsweise durch die Bayerische Elementarschadenskampagne „Voraus denken – elementar handeln“29, und dem Schaffen von Anreizmechanismen für Präventionsmaßnahmen [55]. Der Anteil der gegen Elementarschäden versicherten Gebäude in Bayern betrug im Jahr 2019 34 Prozent. Ausgehend von unter 5 Prozent im Jahr 2002 ist ein stark positiver Trend der 29 https://www.elementar-versichern.de/ Versicherungsquote zu verzeichnen (Abb. 91). Diese Entwicklung ist mutmaßlich auch auf zahlreiche Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung zurückzuführen. So verpflichteten sich zahlreiche große Versicherungsunternehmen, kommunale Spitzenverbände sowie Verbände der gewerblichen Wirtschaft, gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung die Bürgerinnen und Bürger über die Gefahren durch Elementarereignisse umfassend zu informieren. Ausgehend von dieser Vereinbarung informierten führende Versicherungsunternehmen ihre Kunden großflächig mittels eines Informationsschreibens der Bayerischen Staatsregierung über die Notwendigkeit, Vorsorge gegen Elementargefahren zu betreiben. Auch hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, bei Elementarereignissen ab dem Stichtag 1. Juli 2019 keine staatlichen finanziellen Unterstützungen in Form von Soforthilfen mehr zu gewähren, wenn keine Versicherung abgeschlossen wurde, obwohl diese möglich gewesen wäre. Unbeschadet davon bleiben Härtefallregelungen im Einzelfall. Für Sturm- und Hagel beträgt die Versicherungsquote deutschlandweit etwa 93 %. In Bayern lag die Versicherungsdichte 2017 dagegen lediglich bei 77 % (nach Zahlen des GDV). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Land- und Forstwirtschaft ab. Jedes Jahr rutschen 26 Millionen Menschen durch die Auswirkungen von Klima- und Wetterextremen, beispielsweise durch Mangelernten oder Viehsterben, in die extreme Armut ab (und somit in ein Einkommensniveau unter 1.90€ pro Tag). Die Folge sind oftmals Krankheiten, Mangelernährung und erzwungene Migration. Klimarisikoversicherungen können diese negativen Folgen durch rechtzeitige Auszahlungen im Schadensfall verhindern und dazu beitragen, dass verwundbare Nationen widerstandsfähiger gegen klimaund wetterbedingte Risiken werden. Abb. 91: Entwicklung der Versicherungsdichte der in Bayern gegen Elementargefahren versicherten privaten Wohngebäude seit 2002 (Quelle: Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft) Zusammenfassend gilt zur Umsetzung von Klimaanpassung: • Informationskampagnen wie „Voraus denken – elementar versichern“ und zahlreiche Anreizmechanismen tragen dazu bei, die Versicherungsquote von privaten Wohngebäuden gegen Elementarschäden und somit die Katastrophenresilienz Bayerns weiter zu erhöhen. Eigentümer, Mieter und Pächter sind gefordert, präventive Maßnahmen umzusetzen und ausreichenden Versicherungsschutz zu erwerben. 4.15.2.2 Globale Klimarisikoversicherungen Im Jahr 2018 forderten Stürme, Hochwasser, Georisiken, Trockenperioden und Waldfeuer weltweit ca. 6.900 Todesopfer und verursachten Schäden von ca. 133 Milliarden Euro, wovon etwa die Hälfte versichert war. Mit dem Klimawandel wird erwartet, dass die Frequenz und Intensität vieler Extremwetterereignisse weiter zunimmt. Entwicklungsländer sind besonders verwundbar gegenüber obigen Naturgefahren: 95 Prozent der klima- und wetterbedingten Schäden in Entwicklungsländern sind nicht versichert. Dabei hängen oft mehr als die Hälfte der Beschäftigten eines Entwicklungslandes von Auswirkungen auf Klimarisikoversicherungen Obgleich der Klimawandel als Bedrohungsmultiplikator angesehen werden kann, der inner- und zwischenstaatliche Trends, Spannung und Instabilitäten weiter verschärft [133], bieten sich genau dadurch Chancen für die bayerische Finanzindustrie. Diese kann ihre Expertise im Risikomanagement und für Risikotransferlösungen, beispielsweise im Rahmen von Klimarisikoversicherungen, zum Wohle der internationalen Gemeinschaft anbieten. Für die bayerische Versicherungswirtschaft war hierzu das Jahr 2015 ein Meilenstein, da entscheidende politische Weichen gestellt wurden. Auf Initiative des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde im Rahmen des G7-Gipfels in Elmau (Deutschland) die G7-Initiative „InsuResilience“ angenommen, welche zum Ziel hatte, bis zum Jahr 2020 zusätzlich 400 Millionen arme und verwundbare Menschen gegen Klima- und Wetterrisiken zu versichern.30 Dazu wurden bis 2018 etwa 630 Millionen Euro bereitgestellt. Im Jahr 2017 wurde die Initiative zu einer „Globalen Partnerschaft für Risikofinanzierung und Versicherungen für Klima- und Katastrophenrisiken“ (InsuResilience Global Partnership) im Zuge des G20-Gipfels in Hamburg und der Klimakonferenz (COP23) in Bonn, unter Einbezug von nahezu 50 besonders verwundbaren Entwicklungsländern, ausgeweitet. Diese Entwicklungen zeigen ein weltweit steigendes Interesse für Klimarisikoversicherungen. 30 https://www.insuresilience.org/ 165 166 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Abb. 92: Teilnehmer der 21. Weltklimakonferenz in Paris (COP21). Als zweiter politischer Meilenstein des Jahres 2015 wurde in den Pariser Klimaverhandlungen (COP21) vereinbart, dass die Industrienationen aufgrund ihrer besonderen Verantwortung ihre finanziellen Hilfen für Entwicklungsländer auf jährlich 90 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 erhöhen, wovon eine Hälfte für Anpassungs- und eine für Klimaschutzzwecke genutzt werden soll. Dabei wurde für Anpassungshilfen ein Fokus auf jene Staaten vereinbart, welche besonders verwundbar gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels sind. Hier können Klimarisikoversicherungen grundsätzlich einen Beitrag leisten. Für die bayerische Versicherungswirtschaft ergeben sich also folgende Auswirkungen aus den klimapolitischen Bestrebungen, die globale Widerstandskraft der Nationen gegen Klima- und Wetterereignisse zu erhöhen: Umsetzung von Klimaanpassung Im April 2005 wurde, unter der aktiven Mitwirkung von Akteuren der bayerischen Versicherungsindustrie, die Münchner Initiative für Klimaversicherungen („Munich Climate Insurance Initative“) als ein gemeinnütziger Verein gegründet. In ihm haben sich Versicherer, wissenschaftliche Institute und Nichtregierungsorganisationen zum Ziel gesetzt, die Rolle von Klimarisikoversicherungen im Rahmen der internationalen Klimapolitik als ein Mittel zur Umsetzung von globaler Klimaanpassung zu betonen. Der Fokus liegt dabei auf einer Reduktion von Schäden durch präventives Risikomanagement sowie darauf, unvermeidbare Schäden durch Klimarisikoversicherungen abzusichern. Die Hauptaufmerksamkeit widmet die Initiative dabei einem erhöhten Versicherungsschutz jener Staaten, welche gegenüber klima- und wetterbedingten Risiken besonders verwundbar sind.31 • Die „InsuResilience Global Partnership“ Initiative für Klimarisikoversicherungen sowie die im Rahmen der Klimaverhandlungen vereinbarten Finanzhilfen für Entwicklungsländer bieten die Chance, die Versicherungsdichte für klima- und wetterbedingte Schäden in Entwicklungsländern deutlich zu erhöhen. • Durch die „Munich Climate Insurance Initiative“ werden Klimarisikoversicherungen für besonders verwundbare Entwicklungsländer im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der Klimaverhandlungen als ein Mittel beworben, welches die globale Widerstandskraft gegenüber dem Klimawandel erhöhen kann. 31 http://www.climate-insurance.org Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 167 4.16 Klimawandel im Alpenraum Kurz gesagt, • Die Alpen zeichnen sich durch ein charakteristisches Klima aus, welches durch die Topographie und die damit einhergehenden meteorologischen Bedingungen geprägt wird. Der Klimawandel führt im Alpenraum zu stärkeren Auswirkungen als im restlichen Bayern, weshalb intensive Anpassungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden müssen. • Der Klimawandel äußert sich im Alpenraum in veränderten Niederschlagsintensitäten und einer verkürzten Schneebedeckungsdauer in tieferen Lagen. Die bayerischen Gletscher werden weiter an Größe verlieren. • Der ganzjährig gefrorene Untergrund (Permafrost) im Fels des Gipfelkamms der Zugspitze hat seit dem Jahr 1900 von ursprünglich 34 m Tiefe bereits 10 m eingebüßt. Bis Ende des Jahrhunderts könnte der Permafrost an der Zugspitze gänzlich verschwunden sein. 4.16.1 Ausgangslage Das Klima der Alpen kennzeichnet sich durch komplexe, lokale Variationen auf kleinem Raum und stellt damit eine Besonderheit innerhalb der gemäßigten Klimate dar. Prägend für die klimatischen Gegebenheiten im alpinen Raum sind weniger der geographische Breitengrad, als die Höhe und die Exposition des entsprechenden Berghanges oder Tals. Die jeweilige Höhenstufe hat für die Ausprägung des Klimas eine hohe Bedeutung. Innerhalb weniger hundert Höhenmeter ändert sich das Klima aufgrund des Temperaturgradienten so stark, dass eine vertikale Zonierung vorliegt. Bedingt durch die komplexe Topographie und verstärkt durch lokale Windsystemlagen können Niederschläge begünstigt werden oder geringer ausfallen. Die mitunter sehr mächtige Schneedecke über die Wintermonate hat eine besondere Bedeutung als Wasserspeicher für die Vegetation, Quellen und Fließgewässer bis in die Sommermonate hinein. Studien zeigen, dass sich die bayerischen Alpenregionen in der Zukunft womöglich schneller erwärmen als das globale Mittel, tendenziell aber auch schneller als das bayerische Mittel. Diese höhenabhängige Erwärmung begründet sich in der kontinentalen Lage des Alpenraums, der Nähe zu den sich erwärmenden Polregionen und auch in womöglich regionalen Rückkopplungseffekten v. a. infolge der Schneebedeckung [134]. Der generelle Trend der Erwärmung steigt mit der Höhe, wobei es hier regionale und saisonale Unterschiede gibt und sich auf kleiner Skala die treibenden Kräfte auch ausbalancieren können [135]. Der Alpenraum ist eine klimasensitive Region und kann damit als Frühwarnsystem für Bayern dienen. 4.16.2 Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung 4.16.2.1 Auswirkungen auf die Schneedecke und Eisflächen Global zeigt sich eine generelle Abnahme der Schneebedeckungsdauer, der Mächtigkeit und Ausdehnung der Schneedecke in niedrigen Lagen sowie ein Rückgang von Gletschern und Permafrost aufgrund des Klimawandels in den letzten Jahrzehnten [137]. Abb. 93: Abb. 93: Veränderungen der Fläche der Bayerischen Gletscher seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (linke Achse). Die schwarze Linie zeigt die Gesamtfläche (rechte Achse). NSF: Nördlicher Schneeferner; HTF: Höllentalferner; SSF: Südlicher Schneeferner; BEI: Blaueis; WMG: Watzmanngletscher. [136] 168 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Studien für den bayerischen Alpenraum prognostizieren diese Entwicklung ebenso. Die steigenden Temperaturen führen zu einem stärkeren Abschmelzen der vorhandenen Schneedecke in tiefen Lagen und bewirken, dass mehr Niederschlag als Regen fällt und nicht als Schnee [134]. Die fünf bayerischen Gletscher (Nördlicher und Südliche Schneeferner, der Höllentalferner, das Blaueis und der Watzmanngletscher) sind sensible Klimaindikatoren, weil sie stark und schnell auf Schwankungen des Klimas reagieren. Es gibt zahlreiche Untersuchungen und lange Messreihen über diese Gletscher. Die Zeitreihen zeigen einen Gletscherschwund ([138]; Abb. 93). Beispielhaft zeigt Abb. 94 die Abnahme des Eises am Blaueis-Gletscher im Nationalpark Berchtesgaden. Die ursprüngliche zusammenhängende Eisfläche besteht nun aus mehreren Teilen. Damit folgen die bayerischen Gletscher dem globalen Trend der Massenabnahme. Hock et al. (2019) zeigen in ihrer Analyse die negativen Massenbilanzen der letzten Jahrzehnte aller Gletscher von 11 alpinen Regionen der Erde [137]. Wenn durch einen voranschreitenden Klimawandel beobachtete Schmelzraten weiterhin bestehen bleiben, so werden die bayerischen Gletscher in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten verschwinden [138]. Abb. 94: Blaueis-Gletscher im Nationalpark Berchtesgaden im Jahr 2019 Aber nicht nur die Gletscher zeigen eine Abnahme des Eises, sondern auch die Eiskapelle in Berchtesgaden, das niedrigste ganzjährige Eisfeld der Alpen. Mott et al (2019) zeigen in ihrer Studie die Verkleinerung der Eisfläche über die letzten Jahrzehnte [139]. Seit 1974 hat sich die Länge des Eisfeldes in OstWest Richtung um 200 m verkürzt. Die größte Abnahme des Eises fand in ihrer Höhe zwischen 1973 und 1994 statt, mit einer Abnahme der Eisdicke um 30 Meter (Abb. 95). Abb. 95: Oberflächenprofil der Eiskapelle gemessen am Ende der Ablationsphase der Jahre 1973, 1994, 2007 und 2014 (Urheber: Rebecca Mott in [139]). Klimawandel – Auswirkung und Anpassung Zusammenfassung: • Sowohl die Schneedecke als auch die bayerischen Gletscher sind vom Klimawandel betroffen. Die Schneebedeckungsdauer wird sich in tiefen Lagen verringern und die Gletscherflächen und Gletschervolumen werden weiter abnehmen. Es ist zu erwarten, dass dies weitreichende ökologische und sozioökonomische Folgen hat. Umsetzung von Klimaanpassung Exemplarisch seien hier die möglichen Auswirkungen der verringerten Schneebedeckungsdauer in tieferen Lagen auf den Wintertourismus genannt. Dem muss durch eine Intensivierung wintersportbezogener Forschung und angepasste technologische Innovationen entgegengesteuert werden [140]. Dies gilt ebenso für die Betreiber von alpinen Wasserkraftanlagen, die gleichermaßen von dieser Entwicklung durch veränderte Abflussmengen betroffen sein werden. Darüber hinaus sind weitere Auswirkungen zu erwarten, wie zum Beispiel eine mögliche Wasserknappheit für Weidebetrieb, alpine Hütten und lokale Bevölkerung sowie Extremereignisse wie Muren oder Überschwemmungen und die damit zusammenhängende Gefährdung von Infrastrukturen. 4.16.2.2 Entwicklung von Permafrost Permafrost, also ganzjährig gefrorener Untergrund, ist in Deutschland auf wenige hochalpine Felsbereiche beschränkt. Vorkommen gibt es an der Zugspitze, am Allgäuer Hauptkamm und im Watzmanngebiet. Außeralpin kommt kein Permafrost im eigentlichen Sinne vor. Einzelne kleine außeralpine Vorkommen von Eis im Untergrund gehen auf lokalspezifische physikalische Effekte zurück. „Böden“ im Sinne von Lockermaterial sind in Deutschland allenfalls als geringmächtige Überdeckungen des Felses mit Hangschutt oder Moräne betroffen. Die Entwicklung von Permafrost im Fels wird im Gipfelkamm der Zugspitze konkret beobachtet. Dort wurden im Jahr 2007 in Gipfelnähe zwei Bohrungen quer durch den Kamm vorgetrieben und mit Temperatursensoren ausgestattet. Die stündlich gemessenen Werte werden vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) per Datenfernübertragung abgerufen, Abb. 96: Zeitliche Entwicklung der gemessenen Temperaturen entlang der Bohrlochachse (Quelle: LfU). ausgewertet und der Öffentlichkeit über das Internet zur Verfügung gestellt.32 Nach inzwischen über 10 Jahren Messdauer zeichnen sich erste Trends ab. Aufgrund der sehr geringen Wärmeleitfähigkeit des Kalksteins sind äußere Temperatureinflüsse nur zeitlich verzögert zu beobachten. So kommt das sommerliche Maximum der Außentemperatur erst etwa im Dezember im Berginneren an. Die langfristigen Messreihen zeigen mit ihren Jahresschwankungen eine leichte Tendenz der Erwärmung. Im Kamm der Zugspitze hat sich der dauergefrorene „Kern“ im Inneren des Felsmassivs in den letzten 10 Jahren leicht verkleinert. So ist die Eindringtiefe der südseitigen Auftauzone von ca. 12 m im Jahr 2010 auf ca. 15 m in 2019 gestiegen. Modellrechnungen haben ergeben, dass der ganzjährig gefrorene Untergrund (Permafrost) im Fels des Gipfelkamms der Zugspitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen an der Zugspitze im Jahr 1900 um etwa ein Drittel zurückgegangen ist. Bis Ende des Jahrhunderts lassen die Modelle – bei Annahme eines Szenarios weitgehend ohne Klimaschutz (SRES A1B) – ein gänzliches Verschwinden des Permafrosts an der Zugspitze erwarten. 32 https://www.lfu.bayern.de/geologie/permafrost/zugspitze/index.htm 169 170 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 4.16.2.3 Umweltforschung an der Zugspitze Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) ist auf 2.650 m ü NN Deutschlands höchst gelegene Forschungsstation, knapp 300 m unterhalb des Zugspitzgipfels. Sie entstand durch weitgehenden Umbau eines 1931 errichteten Hotels Schneefernerhaus als gemeinsame Initiative des Freistaats und des Bundes als Antwort auf die Ergebnisse der Konferenz von Rio 1992 (Globalisierung der Klimadiskussion, „Nachhaltige Entwicklung“). Die UFS wird unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz als „Virtuelles Institut“ geführt, dem neben nachgeordneten Einrichtungen des Freistaates Bayern (z. B. Bayerisches Landesamt für Umwelt) weitere Partner angehören. Damit haben sich insgesamt zehn führende deutsche Forschungsinstitutionen und -gesellschaften auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus zusammengefunden, um als feste Partner im Rahmen eines Konsortialvertrages Forschung auf höchstem Niveau zu betreiben. Die Konsortialpartner der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus haben ihre Forschungsaktivitäten untereinander interdisziplinär vernetzt und in acht Forschungsschwerpunkte gegliedert, denen jeweils mehrere Institute angehören. Abb. 97: Umweltforschungsstation Schneefernerhaus – UFS 1. Regionales Klima und Atmosphäre 2. Satellitenbeobachtung und Früherkennung 3. Kosmische Strahlung und Radioaktivität 4. Hydrologie 5. Umwelt- und Höhenmedizin 6. Global Atmosphere Watch 7. Biosphäre und Geosphäre 8. Wolkendynamik Der operative Betrieb der Station wird von der Betriebsgesellschaft Umweltforschungsstation Schneefernerhaus GmbH (UFS GmbH) wahrgenommen. Die UFS wurde am 12.05.1999 als Forschungsstation offiziell eingeweiht und feierte im November 2019 ihr 20-jähriges Bestehen. Die UFS bildet eine weltweit einzigartige Plattform für die kontinuierliche Beobachtung physikalischer und chemischer Eigenschaften der Atmosphäre sowie die Analyse wetterund klimawirksamer Prozesse – Grundlagen für die Beschreibung von Zustand und künftiger Entwicklung des weltweiten Klimas. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 171 EXKURS FORSCHUNG Dr. Alice Claßen, Janika Kerner, Fabienne Maihoff; Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie, Universität Würzburg; Juniorforschergruppe im Bayerischen Netzwerk für Klimaforschung (bayklif) „Anpassungsstrategien von alpinen Bestäubern an den Klimawandel“ (ADAPT) Anpassungsstrategien von Bestäubern an den Klimawandel Die Biomasse und Artenvielfalt der Insekten hat sich deutschlandweit in den letzten Jahrzehnten drastisch reduziert. Gleichzeitig war das letzte Jahrzehnt global die heißeste Dekade seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Studien entlang von räumlichen Temperaturgradienten (z. B. entlang von Berghängen) deuten darauf hin, dass die Temperatur nicht nur die Diversität von Insekten, sondern auch die Ausprägung funktioneller Merkmale (z. B. Körpergröße, Färbung), biotische Wechselbeziehungen und wichtige Ökosystemfunktionen maßgeblich beeinflusst. Da es von den meisten Insektengruppen keine oder nur unzureichend standardisierte Langzeitdaten gibt und die Auswirkungen landwirtschaftlicher Intensivierungen potenzielle Klimaeffekte entscheidend maskieren können, ist bislang unklar ob Temperaturveränderungen über die Zeit ebenfalls zu Veränderungen von Insektengemeinschaften führen werden. Auch die Frage ob und wie sich Insekten an den Klimawandel anpassen können ist noch weitestgehend ungeklärt. Die Nachwuchsgruppe ADAPT sucht im Nationalpark Berchtesgaden Antworten auf diese Fragen. Hier wurden im Jahr 2009 wichtige Bestäubergruppen (Wildbienen, Schwebfliegen, Schmetterlinge) und die Pflanzengemeinschaften auf 33 Graslandflächen entlang eines Höhengradienten (630 m–2030 m ü. NN) standardisiert erfasst. ADAPT hat diese Graslandflächen 10 Jahre später unter Anwendung der gleichen Methoden erneut beprobt. Bei den Pflanzen zeigen vorläufige Analysen, dass der Anstieg der Artenvielfalt im Schnitt mit der Höhe zunimmt, d. h. insbesondere die Bergspitzen scheinen diverser zu Abb. 98: Malaisefalle oberhalb des Watzmannhauses. Mit diesem Fallentyp können Insekten standardisiert erfasst werden. werden. Jetzt analysieren wir, ob sich auch das Artenreichtum und die Häufigkeiten von Insekten in den verschiedenen Höhenlagen verändert haben und versuchen die dahinterstehenden Mechanismen zu identifizieren. Dazu analysieren wir zum Beispiel auch ob sich die Häufigkeit von Merkmalen in Artengemeinschaften, aber auch innerhalb einzelner Arten entlang des Höhengradienten verschoben hat. Neben morphologischen Merkmalen (z. B. Körpergröße), betrachten wir dabei auch besondere Merkmale wie die chemische Komposition der Kutikula (Oberfläche) von Insekten oder die thermalen Toleranzen der Arten. Erste Analysen zeigen, dass verschiedene Bestäubergruppen unterschiedliche Toleranzen gegenüber heißen (und kalten) Temperaturen aufzeigen. So waren in unserem Experiment Temperaturen von im Schnitt 42.4 °C tödlich für Schwebfliegen, während die Wildbienen im Schnitt Temperaturen bis 44.7 °C tolerierten (Abb. 99). Schwebfliegen, die als Bestäuber und Prädatoren wichtige Ökosystemfunktionen übernehmen, könnten damit in Zukunft unter extremen Hitzebedingungen eher an ihre physiologischen Limits geraten als Wildbienen. Ob dies in der Folge auch zu einer stärkeren Verschiebung von Schwebfliegen in Richtung Höhenlagen Abb. 99: Hitzetoleranzen von führt, bleibt zu testen. Schwebfliegen (blau) und Wildbienen (gelb). 172 Klimawandel – Auswirkung und Anpassung EXKURS FORSCHUNG Dr. Gabi Leonhardt, Kurt Lichtenwöhrer, Annette Lotz, Dr. Sebastian Seibold, Prof. Dr. Rupert Seidl – Sachgebiet Forschung und Monitoring, Nationalpark Berchtesgaden. Quellen in den bayerischen Nationalparken als Zeiger des Klimawandels Quellen sind punktuelle Grundwasseraustritte und damit besondere ökologische Übergangszonen zwischen dem Grundwasser und dem Oberflächengewässer, in denen viele angepasste Pflanzen- und Tierarten leben. Zugleich sind Quellen ein wichtiger Bestandteil des Wasserhaushalts, und bilden das Klima ihres Einzugsgebietes ab. Sie gelten grundsätzlich als sehr stabile Habitate mit speziellen Lebensbedingungen. In Nationalparken sind Quellen weitgehend unberührt von anthropogenen oder anderen Einflüssen. Aufgrund des Klimawandels ist jedoch von einer Trendentwicklung bestimmter Wasserparameter und folglich biologischer Gegebenheiten in Quellhabitaten auszugehen. Um Aussagen treffen zu können, wie sich Quellhabitate durch die Einflüsse des Klimawandels verändern ist eine standardisierte Methode und eine langfristige Beobachtung abiotischer und biotischer Parameter notwendig. Das hier beschriebene Forschungsprojekt beantwortet die Frage, wie natürliche Quelllebensräume langfristig beobachtet werden müssen, um den Einfluss des Klimawandels feststellen zu können. Dabei wurde von den Projektpartnern Nationalpark Berchtesgaden, Nationalpark Bayerischer Wald und Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. ein Leitfaden zum klimabezogenen Quellmonitoring erarbeitet. Basis für die Entwicklung der Methode waren langjährige Datenreihen von Quellparametern im Nationalpark Berchtesgaden, die im Zuge des Projektes ausgewertet wurden, die Analyse bestehender Quellliteratur und eine kontinuierliche Rücksprache mit Quellexperten. Die beiden bayerischen Nationalparke dienten dabei als Referenzgebiete. Die letztendlich erarbeitete Methode beinhaltet eine Kriterienliste für die adäquate Auswahl von Referenzquellen und -arten, die aufzunehmenden abiotischen und biotischen Parameter, sowie die einzuhaltenden Monitoringintervalle. Diese reichen dabei von stündlichen Datenaufnahmen der Wassertemperatur bis zu fünfjährigen Aufnahmen der Flora und Fauna. Ferner bestätigten Auswertungen der langjährigen Datenreihen im Nationalpark Berchtesgaden, dass Quelllebensräume sehr stabil sind und eine langjährige Klimafolgenforschung notwendig ist, um Veränderungen festzustellen. Für die Anwendung an Standorten außerhalb der Schutzgebiete wurde die Methode in einem Leitfaden dokumentiert. Mit diesem Leitfaden wurde ein bayernweites Monitoringkonzept zur Abschätzung der Folgen des Klimawandels an natürlichen bayerischen Quellen erstellt. Zukünftig sollen mit Hilfe dessen klimawandelbedingte Veränderungen natürlicher Quellen – wie beispielsweise Veränderungen der Schüttungsmenge oder der Wassertemperatur – festgestellt werden. Basierend darauf können Erkenntnisse über ökosystemare Zusammenhänge gewonnen, ökologische und sozioökonomische Folgewirkungen abgeleitet und Anpassungsmaßnahmen ausgearbeitet werden. Abb. 100: Stark-schüttende Rheokrene (Fließquelle) im Nationalpark Berchtesgaden. Klimawandel – Auswirkung und Anpassung 173 5 Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung 5 Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung Bayern steht zum Übereinkommen von Paris. Nur das in Artikel 2 des Pariser Übereinkommens vereinbarte Ziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung deutlich unter 2 °C kann Bayern vor einem möglicherweise drastischen Wandel bewahren. Zugleich bieten die zur Durchsetzung dieses Ziels notwendigen Klimaschutzmaßnahmen auch die Chance, mit technologischer Innovationskraft eine wirtschaftliche Wachstumsdynamik zu entwickeln. Vorsorgeprinzip als Maßgabe Staatlichen Gestaltens „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung […] (Art. 20a GG).“ Wandelt sich das Klima, so wandeln sich in Bayern sowie in anderen Regionen der Erde die Ökosysteme und mit ihnen unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Im Jahre 1992 einigte man sich in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) auf eine Begrenzung dieses Wandels im Rahmen des Vorsorgeprinzips. Einem „gefährlichen menschlichen Eingriff“ in das Klimasystem soll vorgebeugt werden. Atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen sollen dabei in einem Zeitfenster stabilisiert werden, welches „den Ökosystemen erlaubt, sich natürlicherweise an den Klimawandel anzupassen, sicherstellt, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht gefährdet ist sowie ökonomisches Wachstum weiterhin voranschreiten lässt, und zwar in nachhaltiger Art und Weise (Artikel 2 UNFCCC)“. Diese in Artikel 2 der Klimarahmenkonvention verankerte Zielsetzung wurde vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung (WBGU) bereits 1995 in eine für die Gesellschaft verständliche und für politische Entscheider handhabbare ökologische Obergrenze übersetzt: Die 2-Grad-Obergrenze. In den vergangenen 0,5 – 1 Million Jahren war die globale Mitteltemperatur nie höher als 1,5 °C (bis maximal 2 °C) im Vergleich zum Zustand zu Beginn der Industrialisierung. Es ist daher anzunehmen, dass die Ökosysteme der Erde bis zu einem gewis- sen Grad an solche Temperaturschwankungen angepasst sind [141]. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden viele mögliche irreversible Kipppunkte unterhalb der 2-Grad-Obergrenze wahrscheinlich nicht überschritten: Beispielsweise würden, trotz des derzeit zu beobachtenden regionalen Auftauens arktischer Permafrostböden, etwa die Hälfte bis knapp drei Viertel dieser Böden auch langfristig (über Jahrhunderte und darüber hinaus) in einem stabilen Zustand erhalten bleiben [17]. Die 2-Grad-Obergrenze markiert aber keine scharfe Systemgrenze, bei welcher „diesseits kaum ein Risiko besteht und jenseits unmittelbar schwere Schäden oder gar Katastrophen zu erwarten sind (WBGU [14])“. Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung Mit der Bayerischen Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS) von 2016 forciert Bayern das Ziel, die Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme zu stärken und damit negativen Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken [55]. Der Klima-Report Bayern 2021 zeigt in Kapitel 4 auf, dass zahlreiche staatliche und private Akteure bereits heute die Folgen des Klimawandels berücksichtigen müssen. Zusätzlich zeichnen sich oberhalb der 2-Grad-Obergrenze in einzelnen Feldern Grenzen der Anpassungsfähigkeit ab. Beispielsweise ist ein Waldumbau zu klimaresilienten Wäldern nur sinnvoll realisierbar, wenn gleichzeitig die Treibhausgasemissionen wirksam gesenkt werden (Kap. 4.3). Die in Kapitel 4 beschriebenen Auswirkungen des Klimawandels auf die 15 Handlungsfelder der BayKLAS bieten einen spezifischen Eindruck des gegenwärtigen und möglichen künftigen gesellschaftlichen Lebens, des Wirtschaftens in Bayern sowie des Zustandes der Umwelt. Bayern ist jedoch als Region wirtschaftlich, sozial und ökologisch mit allen Teilen dieser Erde verflochten. Eine systematische Bewertung der durch den Klimawandel hervorgerufenen Risiken für Bayern kann daher letztlich nur unter Einbezug der globalen Auswirkungen des Klimawandels erfolgen. 175 176 Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung Abb. 101: Einschätzung der globalen Risiken für die vom Weltklimarat (IPCC) identifizierten fünf Risikofelder (nach Assessment Box SPM.1 in [142]). Der Weltklimarat (IPCC) identifiziert fünf Risikofelder, welche im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels auch für Bayern in Betracht gezogen werden müssen (Abb. 101) [142]; [19]. Bereits heute zeigen sich die Auswirkungen auf einzigartige und bedrohte Ökosysteme der Erde. In Zukunft werden z. B. CO2-Emissionen durch die Versauerung der Ozeane sowie durch die globale Erwärmung ein weiter voranschreitendes Absterben von Korallenriffen hervorrufen, und zwar um etwa 70–90 Prozent bei 1,5 °C Erwärmung und beinahe vollständig (mehr als 99 Prozent) bei 2 °C Erwärmung [19]. Die von diesen Systemen bisher bereitgestellten Ökosystemdienstleistungen u. a. für die Fischerei und den Tourismus werden in den betroffenen Regionen entsprechend verloren gehen. Bewertungen der global aggregierten Auswirkungen des Klimawandels versuchen, sowohl solche Ökosystemdienstleistungen als auch unmittelbare ökonomische Schäden einzubeziehen. Die global aggregierten Auswirkungen werden bei einer Risikobewältigung im Rahmen des Vorsorgeprinzips (2-Grad-Obergrenze) als moderat (Abb. 101), bei einer globalen Erwärmung von mehr als 2,5 °C als hoch angesehen [19]. Großmaßstäbliche singuläre Ereignisse besitzen oberhalb von 3 °C globaler Erwärmung ein hohes Risikopotential [142]. So ist beispielsweise die Gefahr eines vollständigen Abschmelzens des Grönlandgletschers oberhalb von 3 °C Erwärmung als hoch einzuschätzen [142] (neuere Erkenntnisse mahnen hierbei zu zunehmender Vorsicht [17]). Als Folge könnte der Meeresspie- gel allein aufgrund des schmelzenden Grönlandeises um bis zu 7 m pro 1000 Jahre (oder etwa 0,7 m pro 100 Jahre) ansteigen. In manchen Inselstaaten sowie in zahlreichen Regionen und küstennahen Großstädten käme es zu einer graduellen erzwungenen Migration von Menschen in höhergelegene Gebiete [142]. Des Weiteren ändern sich die regionalen Risiken bei Extremwetterereignissen wie Dürre, Starkregen oder Sturmfluten, was insbesondere für Menschen in Entwicklungsländern u. a. den Zugang zu Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser in gefährlichem Maße einschränken kann. Generell sind die Risiken für gering entwickelte Staaten höher als für Industrienationen, da begrenzte ökonomische Möglichkeiten den Spielraum für Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels beschneiden. Die fünf Risikofelder von Abb. 101 bedingen sich bei vielen Frage- und Problemstellungen wechselseitig. Jeder Versuch einer im Detail genauen und gleichzeitig allumfassenden quantitativen Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels ist aufgrund der Wechselwirkungen und Komplexität der einzelnen Risikofelder nur eingeschränkt möglich. Der Klimawandel ist als ein Bedrohungsmultiplikator anzusehen, der bestehende Trends, Spannungen und Instabilitäten weiter verschärft. Laut eines Berichts der Europäischen Kommission droht der Klimawandel insbesondere jene Staaten und Regionen zu überfordern, welche ohnehin bereits instabil und konfliktträchtig sind [133]. Daher stellen Risiken des Klimawandels gleichsam politische und Sicherheitsrisiken dar, welche direkt und indirekt europäische und bayerische Interessen tangieren. Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen gemäß des Vorsorgeprinzips (2-Grad-Obergrenze) sind deshalb auch Bestandteil einer vorbeugenden Sicherheitspolitik [133]. Transformationsgestaltung zur Durchsetzung des Vorsorgeprinzips Bayern steht zum Vorsorgeprinzip. Sollen die Risiken des Klimaproblems im Sinne des Vorsorgeprinzips (2-Grad-Obergrenze) bewältigt werden, so müssen die globalen, vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf (netto) null gesenkt werden (Artikel 4, Wandel, Anpassung und Transformationsgestaltung Pariser Übereinkommen). Für Bayern, das spätestens bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein soll (siehe Bayerische Klimaschutzoffensive), stellt sich folgende Frage: Wie kann sich das Leben und Wirtschaften im Rahmen einer weiterhin anhaltenden Wachstumsdynamik so transformieren, dass in den kommenden drei Jahrzehnten tatsächlich eine historisch beispiellose Entkopplung von Wohlstand und Treibhausgasemissionen gelingt? Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU) greift diese Herausforderung in seinem Gutachten „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation“ auf [14]. Der WBGU betont die besondere Rolle des Staates bei der Nachhaltigkeitstransformation. Der Staat kann die bevorstehende Transformation zwar nicht in ihrer exakten Ausgestaltung vorhersehen oder gar zentral planen, er kann jedoch den ordnungspolitischen Rahmen des Lebens und Wirtschaftens so setzen, dass eine Veränderungsdynamik auf das Ziel Nachhaltigkeit hin initiiert und verstetigt wird [2]. Die weltweit voranschreitende Transformation der Energiewirtschaft ist hierbei ein besonders ermutigendes Beispiel. Um die Jahrtausendwende waren Windkraft- und insbesondere Photovoltaikanlagen Nischentechnologien, welche sich ohne ordnungspolitische Anreize kaum am Markt behaupten konnten. Deutsche und globale klimapolitische Maßnahmen lenkten jedoch Investitionen in eben solche Nischentechnologien. Die (in erster Linie privaten) Investitionen setzten damals wie heute im Rahmen des Marktgeschehens einen Wettlauf um Systeminnovationen in Gang, welche ihrerseits zu dramatischen Kostenreduktionen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien führten und führen [125]. Diese Investitionen haben heute bereits zu Regimeveränderungen im globalen Strommarkt geführt: Windkraft und Photovoltaik (PV) sind vielerorts weltweit die profitabelste und kostengünstigste Art der Stromerzeugung. Unter anderem darum wird von der Internationalen Energieagentur (IEA) für den Zeitraum 2017 bis 2023 erwartet, dass etwa 70 Prozent des Zuwachses der globalen Stromerzeugungskapazitäten auf Basis erneuerbarer Energien (PV, Wind, Wasserkraft, Bioenergie) geschieht. Die energiebedingten CO2-Emissionen machen etwa 82 % der deutschen und 62 % der globalen Treibhausgasemissionen aus. Eine Dekarbonisierung der Energieerzeugung ist somit eine Grundvoraussetzung für die Vermeidung eines Großteils der anthropogenen Treibhausgasemissionen. Insofern wurde durch politische Steuerung faktisch bereits heute eine weitreichende globale Transformation eingeleitet. Andererseits besteht jedoch auch ein Konsens, dass zusätzliche strukturpolitische Maßnahmen notwendig sind, um die Emissionen in Übereinstimmung mit einer kosten-effektiven Reduktion gemäß der 2-Grad-Obergrenze zu senken [4]; [143].“ Die 2-Grad-Obergrenze wird bereits 1995 vom WBGU im Sinne des Vorsorgeprinzips als eine Abwägung zweier normativer Grundsätze motiviert: a) die Bewahrung der Schöpfung und b) die Verhältnismäßigkeit der Kosten [141]. Grundsätzlich zeigt sich, dass bei Einhaltung einer 1,5-Grad-Obergrenze das durch den Klimawandel hervorgerufene Artensterben gegenüber der 2-Grad-Obergrenze weiter abgeschwächt würde [19]. In Bezug auf die Kosten der anstehenden Transformation beziffert der Weltklimarat (IPCC) die im Zuge der 2-Grad-Obergrenze weltweit zu erwartende Reduktion des Wirtschaftswachstums auf etwa 0,06 Prozent pro Jahr gegenüber einer hypothetischen Welt ohne Klimaproblem [31]. Dies bedeutet: Ökonomisches Wachstum ist bei Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze in gleichen Größenordnungen wie bisher möglich. Die Transformation hin zu dekarbonisierten Volkswirtschaften ist ein aktuell weltweit stattfindender Prozess. Die Bayerische Klimaschutzoffensive und ihr ehrgeiziges Ziel der vollständigen Klimaneutralität bis spätestens 2050 zeigen den Anspruch Bayerns auf, Treiber dieses Wandels zu sein. Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik schafft u. a. Innovationen und neue Wertschöpfungsketten für klimafreundliche Technologien. 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M.; Österle, H.; Prahl, B. F.; Werner, P. C.; Befort, D. J.; Burghoff, O. (2013): Projections of global warming-induced impacts on winter storm losses in the German private household sector. In: Climatic Change 121 (2), S. 195–207. DOI: 10.1007/ s10584–013-0872–7. [133] Europäische Kommission (Hg.) (2008): CLIMATE CHANGE AND INTERNATIONAL SECURITY. Paper from the High Representative and the European Commission to the European Council (S113/08). [134] Kotlarski, S.; Gobiet, A.; Frei, P.; Morin, S.; Rajczak, J.; Scherrer, S.; Verfaillie, D. (2018): Das Alpeinklima im Wandel. In: FdSnow: Fachzeitschrift für den Skisport. Expertenforum Klima.Schnee.Sport. 36. Jahrgang. S. 38–54. Freunde des Skisports e. V. Im Deutschen Skiverband, Planegg. [135] Warscher, M.; Wagner, S.; Marke, T.; Laux, P.; Smiatek, G.; Strasser, U.; Kunstmann, H. (2019): A 5 km Resolution Regional Climate Simulation for Central Europe. 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[139] Mott, R.; Wolf, A.; Kehl, M.; Kunstmann, H.; Warscher, M.; Grünewald, T. (2019): Avalanches and micrometeorology driving mass and energy balance of the lowest perennial ice field of the Alps. A case study. In: The Cryosphere 13 (4), S. 1247–1265. DOI: 10.5194/ tc-13–1247-2019. [140] Schmid, H. P.; Kunstmann, H.; Warscher, M. (2018): Was ist mit dem Schnee von morgen? Gedanken zu Klimawandel und Bergsport in den kommenden Jahrzehnten. In: FdSnow: Fachzeitschrift für den Skisport. Expertenforum Klima.Schnee.Sport. 36. Jahrgang. S.20–26. Freunde des Skisports e. V. Im Deutschen Skiverband, Planegg. [141] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (Hg.) (1995): Scenario for the derivation of global CO2 reduction targets and implementation strategies. Statement on the occasion of the First Conference of the Parties to the Framework Convention on Climate Change in Berlin. Adopted at the 26th Session of the Council, 17th February 1995, Dortmund. Bremerhaven. [142] IPCC (2014): Summary for policymakers. In: Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part A: Global and Sectoral Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Field, C.B., V.R. Barros, D.J. Dokken, K.J. Mach, M.D. Mastrandrea, T.E. Bilir, M. Chatterjee, K.L. Ebi, Y.O. Estrada, R.C. Genova, B. Girma, E.S. Kissel, A.N. Levy, S. MacCracken, P.R. Mastrandrea, and L.L. White (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, pp. 1–32. [143] Gielen, D.; Boshell, F.; Saygin, D.; Bazilian, M. D.; Wagner, N.; Gorini, R. (2019): The role of renewable energy in the global energy transformation. In: Energy Strategy Reviews 24, S. 38–50. DOI: 10.1016/j.esr.2019.01.006. 185 Anhang Anhang 20 0 −20 −40 Niederschlagssumme im Jahr % Änderung zu 1971−2000 40 Bayern 1950 2000 um 1985 (Referenzzeitraum) Messungen 2050 um 2035 um 2085 Projektionen RCP2.6 30−jähriges Mittel einzelne Jahreswerte Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel 2100 RCP8.5 Median 30−jähriges Mittel Bandbreite 30−jähriges Mittel Abb. 102: Prozentuale Abweichung des Jahresniederschlags. 60 40 20 0 −60 −40 −20 Niederschlagssumme im Winter (DJF) % Änderung zu 1971−2000 Bayern 1950 2000 um 1985 (Referenzzeitraum) Messungen 30−jähriges Mittel einzelne Jahreswerte Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel 2050 2100 um 2035 Projektionen RCP2.6 um 2085 RCP8.5 Median 30−jähriges Mittel Bandbreite 30−jähriges Mittel Abb. 103: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssumme im Winterquartal Dez.–Feb. 187 Anhang 80 60 40 20 0 −20 −40 Niederschlagssumme im Frühling (MAM) % Änderung zu 1971−2000 Bayern 1950 2000 um 1985 (Referenzzeitraum) Messungen 2050 2100 um 2035 um 2085 Projektionen RCP2.6 30−jähriges Mittel einzelne Jahreswerte Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel RCP8.5 Median 30−jähriges Mittel Bandbreite 30−jähriges Mittel Abb. 104: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssumme im Frühjahrsquartal März–Mai. −50 0 50 100 Bayern Niederschlagssumme im Herbst (SON) % Änderung zu 1971−2000 188 1950 2000 um 1985 (Referenzzeitraum) Messungen 30−jähriges Mittel einzelne Jahreswerte Schwankungsbereich 30−jähriges Mittel 2050 2100 um 2035 Projektionen RCP2.6 um 2085 RCP8.5 Median 30−jähriges Mittel Bandbreite 30−jähriges Mittel Abb. 105: Prozentuale Abweichung der Niederschlagssummen im Herbstquartal Sept.–Nov. Anhang ale Main Naa b a Sa Augsburg ÖST ERRE ICH Kempte en de ns ee SCHWEIZ +10 MÜNCHEN N Südbayerisches Hüg ella +10 Bo +10 nd orla Al p e nv +1 12 A l p en Inn Trendwert Signifikanzniveau +25 an d Do na +19 nicht signifikant +19 signifikant u Inn Isar Naa b Isar au Don Lec h Lec h Klimaregionsgrenze +15 +14 ion Landshut Rhe in Main Sp es s ale Sa a Sp es s Rhe in +5 au Do n Be rg l Abb. 106: Relativer Trend der Niederschlagssummen in den sieben Klimaregionen Bayerns zwischen 1951–2019. 0 ÖST ERRE ICH nd ch lza Sa -5 Do nau reg u Frühjahrsquarrttal d un -15 Regen Regen nsburg Ingolstadt na - -25 el üg H Do TSCHE CHISCHE REPUB LIK es Niederschlag Tr T end 1951-2019 in % ch SCHWEIZ Inn is er ay ee nd orla Al p e nv ±0 A l p en tb ns d Inn MÜNCHEN N Nürrnberg l de BadenWürttemberg ch lza Sa Kempte en an Iller Iller ±0 Bo +5 +11 üh ion Südbayerisches Hüg elland Eger +16 m Alt Augsburg Bayreutth n l üh +10 Be rg l Landshut au Don io eg nr m Alt au Do n Wü ürzburg Ans sbach Regen nsburg Don aur eg Sachsen d un Regen Ingolstadt ai M TSCHE CHISCHE REPUB LIK l- Nürrnberg . Frän k Main e üg H +9 Ans sbach BadenWürttemberg es n +5 Thüringen ön Asch haffen nburg ch Main Wü ürzburg Bayreutth h t-R r+ 2 Os Eger ris ye io eg nr ai Asch haffen nburg Hessen ba M . Frä n k Sachsen Saale Thüringen ön t Os h t-R r+ 5 Saale Hessen Herbstquarrttal 50 km Fachdaten: LfU, basierend auf Daten des Deutschen Wetterdienstes 189 Glossar Glossar 2-Grad-Obergrenze Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur wird bei Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze unter 2 °C begrenzt. Die 2-Grad-Obergrenze unterstreicht, im Gegensatz zur Bezeichnung des 2 Grad Ziels, das im Pariser Übereinkommen in Art. 2 genannte Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg unter 1.5 °C zu begrenzen. B Bayerische Klimaschutzoffensive Die Bayerische Klimaschutzoffensive umfasst den Dreiklang eines Bayerischen Maßnahmenpakets zum Klimaschutz (➝ Zehn-Punkte-Plan), einem eigenen Bayerischen Klimaschutzgesetz und Investitionen für nachhaltigen Klimaschutz. Biotopverbund Ein Biotopverbund besteht, wenn Populationen (z. B. von Tierarten) und Organismen zwischen einzelnen Biotopen (Lebensräumen) miteinander vernetzt sind und keine unüberwindbaren Barrieren zwischen den Biotopen bestehen. In Bayern wird seit dem Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ im Bayerischen Naturschutzgesetz in Artikel 19 ein konkret zu erreichender Flächenanteil für Biotopverbunde festgeschrieben. C Cyanobakterien Gehören im taxonomischen Sinn nicht zu den Algen (keine Zellkerne), sondern zu den Bakterien. Massenentwicklungen können in hohem Maß die Wasserqualität und damit die Gewässernutzung beeinträchtigen. E Emissionsszenario Emissionsszenarien für Treibhausgase sind das erste Glied der Modellkette zur Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Klimawandels. Sie zeigen die Mengen an Treibhausgasen auf, welche die Menschheit zukünftig möglicherweise emittiert (➝ Repräsentative Konzentrationspfade – RCPs). Eutrophierung Das Überangebot an Pflanzennährstoffen (insbesondere Stickstoff und Phosphor) in Gewässern oder im Boden. Dies hat in der Regel eine Förderung des pflanzlichen Wachstums mit entsprechender Verschlechterung des ökologischen Zustands zur Folge. Meist werden dabei empfindliche Arten durch das üppige Wachstum nährstoff-liebender Arten verdrängt. G Gasaustausch Der Ozean tauscht mit der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aus. Der CO2-Gehalt von Atmosphäre und Ozean steht durch den Gasaustausch bei stabilen Randbedingungen in einem spezifischen Gleichgewicht, das durch anthropogene CO2-Emissionen grundlegend beeinflusst wird. Die CO2-Emissionen führen über den Gasaustausch zu einer Versauerung der Ozeane. Grundwasserleiter Wasserführende Gesteinsschicht mit einheitlichen Eigenschaften. Grundwasserkörper Ein an die Europäische Wasserrahmenrichtlinie angelehnter Begriff (dort: bodies of water, groundwater body) der ein zusammenhängendes, einheitlich reagierendes System aus einem oder mehreren Grundwasserleitern beschreibt. Aufgrund der Unzugänglichkeit des Untergrundes und seinem komplexen Aufbau sind Grundwasserkörper praktisch nie eindeutig festlegbar. H Habitat Lebensraum einer bestimmten Tier- oder Pflanzenart. Habitate bilden Teillebensräume in Biotopen (➝ Biotopverbund). Hitzewelle Eine Hitzewelle ist eine mehrtägige Periode mit ungewöhnlich hoher thermischer Belastung. Eine Hitzewelle ist ein Extremereignis, welches die menschliche Gesundheit, die Ökosysteme und die Infrastruktur schädigen kann (Quelle: DWD Lexikon). 191 192 Glossar Humus Organischer Anteil des Bodens, bestehend aus zersetzten Bestandteilen von Tieren und Pflanzen. I IPCC Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist ein wissenschaftliches Gremium und gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN), welcher alle sechs bis sieben Jahre in Sachstandsberichten den Stand der Wissenschaft zu den Themen Klimawandel, Auswirkung des Klimawandels und Minderung des Klimawandels (Mitigation) zusammenträgt und wissenschaftlich bewertet. Die IPCC Berichte bilden wichtige fachliche Grundlagen für die globalen politischen Verhandlungen zur Milderung und Bewältigung des Klimawandels. K Klimaneutralität Unter Klimaneutralität werden gemeinhin Handlungen und Prozesse verstanden, die keine Treibhausgasemissionen verursachen oder deren Emissionen vollständig kompensiert werden. Klimaanpassung Der IPCC versteht Klimaanpassung als Prozess, in dem man sich auf das aktuelle und zukünftige Klima mit seinen positiven wie negativen Folgen einstellt Klimaregion Um die heterogene Natur des bayerischen Klimas angemessen abzubilden, wurde Bayern vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in sieben zusammenhängende Klimaregionen unterteilt, die in sich möglichst ähnlich bezüglich Temperatur und Niederschlag sind. Klimaschutzmaßnahmen Klimaschutzmaßnahmen umfassen sowohl die Vermeidung anthropogener THG Emissionen als auch die Nutzung anthropogener Kohlenstoffsenken Klimaproblem Das Klimaproblem ist in seinem Wesenskern in Artikel 2 und 3 der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen definiert. Dort wurde bereits im Jahre 1992 das Ziel vereinbart, die Risikobewältigung des Klimaproblems im Rahmen des ➝ Vorsorgeprinzips einzuleiten. Artikel 2 des Pariser Übereinkommens konkretisiert die ökologische Dimension des Vorsorgeprinzips: Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur soll deutlich unter 2 °C gegenübergegenüber vorindustriellen Werten gehalten werden und Anstrengungen sollen unternommen werden, den Temperaturanstieg unter 1.5 °C zu begrenzen (➝ 2-Grad-Obergrenze). Klimarahmenkonvention Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen wurde 1992 als internationales Umweltabkommen verabschiedet. Ziel ist, eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern, die globale Erwärmung zu verlangsamen und ihre Folgen zu mildern. Klimamodell Klimamodelle werden dazu verwendet, das Klimasystem in seinen physikalischen, biologischen und chemischen Vorgängen abzubilden. Damit sind sowohl Simulationen des vergangenen als auch Abschätzungen des zukünftigen Klimas der Erde möglich. KLIWA Kooperationsvorhaben „Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst. Klimaprojektionen Eine Klimaprojektion stellt jeweils eine mögliche zukünftige Entwicklung des Klimas dar. Dabei unterliegt es dem Handlungsspielraum politischer Entscheider, das zugrundeliegende ➝ Emissionsszenario durch Klimaschutzmaßnahmen herbeizuführen. Kohlenstoffbudget Summe der Emissionen, die im Rahmen einer Begrenzung der globalen Erwärmung ausgestoßen werden darf. Der IPCC gab 2018 ein Budget von 1.170 Milliarden Tonnen CO2 für eine Begrenzung der Erwärmung unter 2 °C an und 420 Milliarden Tonnen CO2 für 1,5 °C. Glossar N R Nationale Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contributions – NDCs) Unter dem Pariser Übereinkommen muss jede Vertragspartei die Ambitionen der Klimaschutzmaßnahmen offenlegen und kommunizieren. Hierzu werden die NDCs herangezogen. Repräsentative Konzentrationspfade (Representative Concentration Pathways – RCPs) In der Zeit vor dem Pariser Übereinkommen wurden von weltweit anerkannten Wissenschaftlern, in Vorbereitung für den 5. Sachstandsbericht des IPCC, sogenannte Repräsentative [THG-] Konzentrationspfade entwickelt, welche u. a. zum Ziel hatten, eine für die gesamte wissenschaftliche Literatur repräsentative und plausible Beschreibung möglicher künftiger Entwicklungen der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen bereitzustellen. Die vier RCPs sind repräsentativ für ein Klimaschutzszenario (RCP 2.6) gemäß ➝ 2-Grad-Obergrenze, ein Szenario mit mäßigem Klimaschutz (RCP 4.5), weitgehend ohne Klimaschutz (RCP 6.0) und ein Szenario ohne Klimaschutz (RCP 8.5). Die RCPs lösten die älteren ➝ SRES Szenarien ab. Natürliche Kohlenstoffsenke: Zahlreiche Prozesse im Kohlenstoffkreislauf führen dazu, dass ein bedeutender Teil der anthropogenen CO2-Emissionen natürlicherweise der Atmosphäre entzogen wird. Diese ‚natürliche‘ CO2-Aufnahme, die aus sich heraus in Antwort auf die anthropogenen CO2-Emissionen abläuft, definiert die Wirkung natürlicher Kohlenstoffsenken. Besonders relevant ist hier die Änderung der Kohlenstoffbestände in Ozean und Biomasse. Negative Emissionen Negative Emissionen entziehen der Atmosphäre CO2, und zwar durch bewusste anthropogene Eingriffe zusätzlich zu den natürlichen Kohlenstoffsenken. Negative Emissionen können einerseits im engeren Sinne durch technologische Ansätze erzielt werden, z. B. durch geologische Speicherung (CCS) von atmosphärischem CO2. Sie können aber auch die natürlichen Senken verstärken, z. B. durch Aufforstung. P Pariser Übereinkommen Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz (COP21) im Dezember 2015 haben sich 195 Länder erstmals auf ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites Klimaschutzübereinkommen geeinigt: das Pariser Übereinkommen. Photosynthese Prozess, in dem Pflanzen mithilfe von Licht aus dem Kohlenstoffdioxid (CO2) der Luft und Wasser Zucker und darauf aufbauende Stoffe bildet. Primärenergieverbrauch Der Primärenergieverbrauch bezeichnet den Energiegehalt aller im Inland eingesetzten Energieträger (Quelle: UBA). S Schichtung (von Seen) Gewöhnlicherweise sind die tiefen Seen in Bayern geschichtet. Das heißt, im Sommer liegt eine sauerstoffreiche, warme Wasserschicht über einer kalten, verhältnismäßig sauerstoffarmen Wasserschicht. Im Winter befindet sich das kältere Wasser über dem verhältnismäßig wärmeren Tiefenwasser. Im Frühjahr und Herbst findet eine Umkehr der Schichtung und damit eine Durchmischung statt. SRES Szenarien (Special Report on Emissions Szenarios – SRES) Die bis zum 4. Sachstandbericht vom IPCC verwendeten SRES ➝ Emissionsszenarien umfassen soziale und wirtschaftliche Annahmen, z. B. über die künftige globale Bevölkerungsentwicklung und die Knappheit fossiler Ressourcen. Die maßgebliche politische Steuerungsgröße – das Ambitionsniveau von Klimaschutzmaßnahmen bzw. deren Umsetzung – ist in den SRES Szenarien, im Gegensatz zu den ➝ RCPs, jedoch nicht transparent abgebildet. Die Emissionen des in älteren Publikationen häufig verwendeten Szenarios SRES A1B verlaufen bis zum Jahr 2100 meist unterhalb der Emissionen von RCP 8.5 und oberhalb von RCP 6.0. Die Emissionen des Szenarios SRES B1 verlaufen ähnlich zu RCP 4.5. 193 194 Glossar T W Treibhauseffekt Durch partielle Rückstrahlung durch Treibhausgase verursachte Erwärmung der Erde zusätzlich zur direkten Einstrahlung der Sonnenenergie. Der natürliche Treibhauseffekt beruht zum größten Teil auf den Treibhausgasen Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) und macht die Erde für die hier existierenden Lebewesen bewohnbar. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt wäre die durchschnittliche Oberflächentemperatur um ca. 33 °C geringer als heute (–18 °C statt derzeit etwa 15 °C). Der zusätzliche, durch den Menschen verursachte (anthropogene) Treibhauseffekt resultiert aus der Emission durch den Menschen auf Grund seiner Aktivitäten erzeugter natürlicher (z. B. CO2, CH4, N2O) und nicht natürlicher (z. B. PFC, HFC, SF6) Treibhausgase. Weltklimarat ➝ IPCC V Vorsorgeprinzip Das in Artikel 34 Absatz 1 des Einigungsvertrags und Artikel 20a des Grundgesetzes verankerte Vorsorgeprinzip beauftragt den Staat, auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, was neben Gefahrenabwehr auch Vorsorge gebieten kann. In Situationen der Ungewissheit können die Folgen eines Tuns für die Umwelt wegen unsicherer oder unvollständiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht endgültig eingeschätzt werden, die vorliegenden Erkenntnisse geben aber Anlass zur Besorgnis. In diesen Fällen muss der Staat nicht abwarten, bis Gewissheit besteht, sondern er kann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Besorgnisanlass reagieren (Quelle: UBA). Z Zehn-Punkte-Plan Der Zehn-Punkte-Plan der Bayerischen Klimaschutzoffensive enthält rd. 100 konkrete Maßnahmen und basiert auf den drei Säulen der bayerischen Klimapolitik: Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes in Bayern, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und verstärkte Forschung zu Umwelt- und Klimaschutz. Dabei werden alle Bereiche mit einbezogen – von Wäldern, Mooren und Wasser über Innovationen, Energie und Mobilität bis hin zur Vorbildfunktion des Staates sowie der Förderung des kommunalen Klimaschutzes. Beteiligte Institutionen Beteiligte Institutionen Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Konzeption, Entwürfe, Koordination und Redaktion Gesamtbericht: • Klima-Zentrum, Manuel Wifling Nationalpark Berchtesgaden • Kap. 4.16 Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) • Vorwort, Kap. 1, 2, 4.1, 4.4, 4.5 und 5 Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten • Kap. 4.2 und 4.3 Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege • Kap. 4.6 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr • Kap. 4.9, 4.10 und 4.11 Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie • Kap. 4.8, 4.12, 4.13, 4.14, 4.15 195 www.klima.bayern.de Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) Rosenkavalierplatz 2, 81925 München Internet: E-Mail: Druck: Gestaltung: Bildnachweis: Stand: www.klima.bayern.de poststelle@stmuv.bayern.de Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Schneckenlohe CMS – Cross Media Solutions GmbH, Würzburg Titel: stock.adobe.com / Malp; S. 9 und S. 166: Presidencia de la República Mexicana; S. 10: Fotolia.com / ExQuisine; S. 11: Fotolia.com / Vege; S. 13 und S. 16: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU); S. 30/31: stock.adobe.com / Dieter; S. 44: Polizeipräsidium Niederbayern; S. 50 und S. 52: bayklif – Bayerisches Netzwerk für Klimaforschung; S. 65: Berndt Thomas; S. 67: LfU; S. 68: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel­sicherheit (LGL); S. 70: LfU; S. 71: M. Müller / ALB Bayern e.V.; S. 74: Dr. Daniel Heßdörfer / Bayerische Landes­ anstalt für Wein­bau und Gartenbau (LWG); S. 76 und S. 77: Dr. Beate Wende / LWG; S. 92: Hannes Lemme / Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Freising; Nicole Burgdorf (LWF); S. 94 und S. 105: Sina Heppner / LfU; S. 96: Wolfgang Völkl / LfU; S. 97: Rudolf Leitl / LfU; S. 98: Markus Ducheck / Freistaat Bayern; S. 99: Ulrich M. Sorg; S. 100: Ute Fricke, Cristina Ganuza, Sarah Redlich; S. 101: F. Schmidt / LfU; S. 107: Mayer / LfU; S. 110: M. Drösler; S. 118: LGL; S. 120: Franziska Bauer / LSI, Iffeldorf; S. 121: LGL; S. 122 und S. 123: Archiv LSI; S. 137: Sandra Rojas / LfU; S. 138: Andreas Hechtl / StMI; S. 142: Hafen Deggendorf; S. 143: WSV; S. 145: Dr.-Ing. Johann Eicher / StMB; S. 146: Hauptstraßenmeister, Rene Herberg; S. 149: Fotolia.com / Gerisch; S. 159: Oliver Teschner / LfU; S. 163: LfU; S. 168: Christoph Mayer / BAdW; S. 170 und S. 173: Martin Frede; S. 171: Lukas Bofinger; S. 172: Gabi Leonhardt April 2021, geringfügig korrigierte Auflage (Abb. 12) © StMUV, alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier Diese Publikation wird kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Jede entgeltliche Weitergabe ist untersagt. Sie darf weder von den Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Publikation nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzel­ner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Publikation zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Das Werk ist urheber-­ rechtlich geschützt. Alle Rechte sind vorbehalten. Die publizistische Verwertung der Veröffentlichung – auch von Teilen – wird jedoch ausdrücklich begrüßt. Bitte nehmen Sie Kontakt mit dem Herausgeber auf, der Sie – wenn möglich – mit digitalen Daten der Inhalte und bei der Beschaffung der Wiedergaberechte unterstützt. Diese Publikation wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden. Für die Inhalte fremder Internetangebote sind wir nicht verantwortlich. 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