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setzung der eigenen engen Standesvorteile stritt, trug der
Kampf der breiteren Volksschichten um die Gesellschafts
und Kirchcnerneuerung ein weit sozialeres Gepräge. Da
gab es in den Städten ein im Verhältnis zur Volkszahl
bereits zahlreiches Proletariat, das für alle sozial-religiösen
Gedanken höchst empfänglich war, und unter dem die Pro
paganda der mittelalterlichen kommunistischen Sekten, der
Begharden, der Böhmischen Brüder usw., niemals völlig
erloschen war. In Hamburg
soll die Zahl der Armen
1451 bis 1558 16 bis 24 Pro
zent betragen haben, und in
Augsburg gab es 1520 an
geblich 2000 Nichtshäbige.
Diese mehr oder minder
dem Lumpenproletariat zu
zuzählenden Schichten ent
stammten zur Hauptsache
dem Zuzug von Bauern,
die sich dem Druck ihrer
Fronherren durch die Flucht
in die Stadt entzogen hatten.
Zur Zeit der Reformation
freilich hörte diese Zufluchts
möglichkeit für das bedrückte
Landvolk mehr und mehr
auf, weil schon im ^.Jahr
hundert die Abschließung
der Handwerke gegen den
Zufluß fremder Arbeiter
beginnt. Die Fünfte sperr
ten sich rücksichtslos gegen
die „Pfuscher" und „Bön-
hasen", die außerhalb der
Zunft stehenden Handwer
ker, ab, obwohl die Zahl der
Handwerksgesellen immer
größer wurde und ihre Be
handlung immer weniger
patriarchalische Formen an
nahm. Und neben diesem
städtischen entstand ein länd
liches Proletariat, das die
unversiegliche Quelle der
Bettler und Landstreicher,
der Gauner, Räuber und
Landsknechte bildete. Wa
ren die Kriegsknechte im
14. Jahrhundert zum größ
ten Teil jüngere Bauern
söhne gewesen, die Beute-
und Abenteuerlust zu den
Fahnen getrieben hatte, so
rekrutierten sich die Lands
knechte des 15. und 16. Jahrhunderts überwiegend
aus Lumpcnproletaricrn. Diese Landsknechte liefen
während des Bauernkrieges zum Teil zu den Bauern
heeren ; die größere Masse allerdings schlug sich trotz
ihrer proletarisch-bäuerlichen Herkunft auf die Seite
der Fürsten und Herren, bei denen ihnen höherer Sold
und reichere Beute winkten. Als der Truchseß von
Waldburg mit seinen Landsknechten gegen die Donau
zog, weigerten sie sich, „wider ihre Freunde, die Bauern,
zu fechten". Aber der Truchseß stellte ihnen vor, daß der
Landsknecht auf die Seite der Fürsten und des Adels
Faksimile ckes Titelblattes von Luthers Flugschrift
,,An äen ^christlichen Aäel deutscher Nation"
gehöre, ohne die es weder Sold noch Landsknechtstum
gebe, und brachte damit die Meuterer zum Verstummen!
Tapfere Bundesgenossen fanden dagegen die aufstän
dischen Bauern in den Bergleuten, besonders denen des
Mansfcldischen Reviers, die sich in der thüringischen Er
hebung besonders hervortaten. Sie besaßen ausgeprägten
Korpsgeist, der um so selbstbewußter hervortrat, als die
Bergleute überall mit Wehr und Waffen wohl versehen
und auch in kriegerischen
Evolutionen geübt waren,
wie manche Parade und
mancher ernste Waffengang
bewiesen. Wo immer diese
proletarische Kerntruppe in
dem Bauernkrieg ein-
griff, ist die Erhebung mili
tärisch unbesiegt geblieben.
Die Bauern selbst, die
doch die große Mehrheit
der Gesamtbevölkerung bil
deten, litten unter der Be
drückung aller andern Klas
sen und Stände. Selbst
das städtische Bürgertum
war an seiner Ausbeutung
beteiligt, vor allem aber
waren die Fürsten und
Herren gewohnt, den Bau
ern als rechtlosen Sklaven
zu behandeln. Namentlich
seit dem Umsichgreifen der
Geldwirtschaft war die Gier
der junkerlichen oder geist
lichen Grund Herren ins Un
ersättliche gestiegen, da der
Ausbeutung jetzt in der per
sönlichen Konsumsähigkeit
der Grundherren und ihres
Anhanges keine Schranke
mehr gesetzt war. Die Bau
ern waren so mit Fron
diensten und Abgaben über
lastet, daß sie ihres Lebens
nicht froh wurden. Kam es
zu Kriegen und Fehden, so
war der Bauer unter allen
Leidtragenden derjenige,
dem es am schlimmsten er
ging. Im Reich und in den
Landtagen besaß der Bauer
keinerlei Vertretung. Auch
bei Rechtsstreitigkeiten war
er den Praktiken des rö
mischen Rechts, die von den
Sachwaltern seiner Unterdrücker gehandhabt wurden,
hilflos preisgegeben. Den ärgsten Wildschaden mußte
er widerstandslos über sich ergehen lassen, und wenn
die Hetzjagd seiner Fronherren seine Saaten zerstampfte,
durfte er nicht einmal die Faust ballen. Kein Wunder,
daß es schon im 15. Jahrhundert auch in Deutsch
land zu einer Reihe von Bauernerhebungen gekommen
war. So war 1476 im Fränkischen ein Hirte oder Musikant,
Hans von Böheim, als Agitator aufgetreten, der wegen
seiner volkstümlichen Redegabe viel Zulauf gefunden hatte.
Seine Reden verrieten den taboritischen Einfluß: Die