Das Rätesystem in Deutschland
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somit zur revolutionären Kampforganisation des Prole
tariats. Es faßt das Proletariat zu einheitlichen Kampf-
maßnahmen zusammen, zur Niederhaltung seiner Gegner.
Dieser Zustand ist und darf kein Dauerzustand sein. So
bald die sozialistische Demokratie, die Aufhebung des
Eigentums an den Produktionsmitteln erreicht ist, hört
die Diktatur des Proletariats aus. Damit fällt auch der
Staat und ein sozialistisches Gemeinwesen tritt an seine
Stelle. Über diese Übungsperiode schrieb Karl Marx:
.. .„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen
Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Um
wandlung der einen in die andere. Der entspricht auch
eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts
anderes sein kann als die revolutionäre Dikta
tur des Proletariat s."
Das Rätesystem erfaßt die werktätige Bevölkerung zu
einheitlichem Handeln. Es kommt damit der wahren
Demokratie näher, denn es schließt nur eine geringe
3. Sozialisierung
Unter Sozialisierung verstehen wir die Überführung
der Produktionsmittel in den Besitz der Gesellschaft.
Die Sozialisierung ist noch nicht Sozialismus oder gar
Kommunismus. Sozialisierung heißt, der kapitalistischen
Gesellschaft die ökonomische Macht entreißen, was nur
durch den politischen Kampf möglich ist. Sozialisie
rung ist unmöglich, solange der demokratische Staat be
steht. Alle Sozialisierungsmaßnahmen der demokra
tischen Staatsgewalt halten die kapitalistische Produk
tionsweise aufrecht, die nur mit einem scheindemokra-
tischen Gewände umgeben wird. Im günstigsten Falle
tritt neben den Besitzer der Produktionsmittel als Nutz
nießer der Arbeitskraft der Staat selbst und beide teilen
sich dann den durch Ar
beit erschaffenen Mehr
wert. Dem Arbeiter
wird die „Betriebsdemo
kratie" versprochen, er
darf scheinbar mitreden;
in Wirklichkeit wird das
Ausbeutungsrecht der
Unternehmer fester ge
fügt, ihr Profit gesichert.
Das Rätesystem wird
in seiner politischen Be-
tätigungssorm den
Kampf führen müssen,
um die Sozialisierung,
um die Aushebung des
Kapitalismus zu errei
chen. Die Sozialisierung
bedingt aber auchWeiter-
führung der Produktion
auf der vom Kapitalis
mus geschaffenenGrund-
lage. Diese Grundlage
darf nicht zerstört wer
den; darum muß sofort
an Stelle der anarchi
schen kapitalistischen Pro
duktion die organisierte
sozialistische Bedarfs
deckungswirtschaft treten,
womit nicht gesagt sein
Minderheit aus und macht aus der Diktatur des Prole
tariats den Willensausdruck der überwältigenden Mehr
heit des Volkes. Es bringt die Produktionsmittel in den
Besitz der ganzen Gesellschaft; es leitet die erste Phase
der kommunistischen Gesellschaft ein. Das Rätesystem
schafft aber noch nicht den Kommunismus. Es bedient
sich auch noch gewisser bürgerlicher Rechtsnormen. Der
Übergang von der kapitalistischen Produktion und den
bürgerlichen Rechtsbegriffen zur gesellschaftlichen Pro
duktion und der Erkenntnis der gesellschaftlichen Gleich
heit kann nur auf dem Wege der Entwicklung erreicht
werden. Der von Karl Marx ausgestellte Grundsatz:
„Jeder nach seinen Fähigkeiten, je
dem nach seinen Bedürfnissen" wird,
wie auch Karl Marx selbst ausführte, erreicht sein,
wenn „die Arbeit nicht nur Mittel zum
Leben, sondern selb st das erste Le
bensbedürfnis geworden i st".
und Rätesyftem
soll, daß an einem bestimmten Tage überall gleichmäßig
die Sozialisierung beginnen muß. Es gibt große, um
fassende Produktionsgebiete, die sofort sozialisiert werden
müssen, während andere, weniger wichtige zunächst un
berührt bleiben können. Den Arbeitern im Betriebe kann
nicht die Sozialisierung überlassen werden; sie kann nur ge
schehen durch gemeinsames Wirken aller Arbeiter und Kon
sumenten, wobei die Mitwirkung der Männer der Wissen
schaft gleichfalls erforderlich ist. Die Organisierung dieser
Kräfte liegt im Rätesystem zur wirtschaftlichen Betätigung.
Im Rätesystem vereinigen sich zwei Organisationen, die
der Arbeiter und die der Konsumenten. Beide Organi
sationen sind verschieden, in beiden muß die Wissenschaft
ihren Einfluß geltend
machen.
Die Triebkraft der
kapitalistischen Produk
tion ist der Profit. Ilm
den Bedarf der Gesell
schaft kümmert sich der
Kapitalismus nicht. Das
schafft jene anarchischen
Zustände, die wir gegen
wärtig besonders in
Deutschland finden. Da
mit erweist der Kapita
lismus seine Ünfähig-
kcit, die zusammenge
brochene Wirtschaft wie
der aufzurichten. Er geht
der völligen Auflösung
entgegen, denn er ver
nichtet selbst die ökono-
mischenVoraussetzungen
für den Bestand der Ge
sellschaft. Die soziali
stische Produktion ruht
auf dem Bedarf der
Gesellschaft. Sie hebt
die Planlosigkeit der
kapitalistischen Produk
tion auf, versucht, jede
Verschwendung von
Kraft und Material zu
Berlin, 23. November.
In einem großen Teile der Presse steht man dem Institut der
Arbeiter- und Soldatenrate ablehnend gegenüber. In vielen Fällen
werden die Kundgebungen des Vollzugsrates der Groß-Ber-
liner Arbeiter- und Soldatenräte totgeschwiegen. Systematisch
wird das Mißtrauen gegen diesen Bollzugsrat geschürt.
, Der Vollzugsrat der Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte
betrachtet seine Aufgabe der Reichsregierung gegenüber als die einer
provisorischen Kontrollinstanz. Er hält es aber für notwendig, seine
Kundgebungen in größerem Maßstabe den Kameraden und Genossen
des Reiches zur Kenntnis zu bringen.
Die staatsrechtliche Stellung der Arbeiter- und Soldatenräte
und der Volksbcaustragtcn.
1. Die politische Gewalt liegt in den Händen der Arbeiter- und
Soldatenräte der deutschen sozialistischen Republik. Ihre Aufgabe
ist, die Errungenschaften der Revolution zu behaupten und aus
zubauen, sowie die Gegenrevolution niederzuhalten.
2. Bis eine Delegiertcnversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte
einen Vollzugsrat der deutschen Republik gewählt hat, übt der
Berliner Vollzugsrat die Funktionen der Arbeiter- und Soldaten
räte der deutschen Republik im Einverständnis mit dem Arbeiter
und Soldateurat aus.
3. Die Bestellung des Kabinetts durch den Arbeiter- und Soldatenrat
Groß-Berlins bedeutet die Übertragung der Exekutive.
4. Die Berufung und Abberufung der Mitglieder des entscheidenden
Kabinetts der Republik — und bis zur endgültigen Regelung der
staatlichen Verhältnisse auch Preußens — erfolgt durch den zen
tralen Bollzugsrat, dem auch das Recht der Kontrolle zusteht.
5. Vor der Berufung der Fachminister durch das Kabinett ist der
Vollzugsrat zu hören.
Erklärung über die staatsrechtliche Stellung der Arbeiter-
unä Soldatenräte