so
Die Französische Devolution
Miserere mei populus secondum magnum misericordiam
tuam, mea culpa — mea culpa — mea maxima culpa
Nach einem zeitgenössischen satirischen Ztich
bestehenden Ordnung gleich zu Anfang, schon in dem
Augenblick ein, wo das Volk seinen großen Sieg über
die gelähmte königliche Militärmacht davongetragen hat.
Die spontane, von bürgerlichen Enthusiasten wie Des-
moulins mitgemachte Volksbewaffnung wird in das
fast ebensosehr reaktionäre wie liberale Polizeiinstitut
der bürgerlichen „Na
tionalgarden" umgebo
gen; eines Instruments,
das dem Volk, von
Ausnahmen abgesehen,
schon infolge der absicht
lich sehr hohen Aus
rüstungskosten unzu
gänglich ist, ebenso wie
infolge des habilen Auf-
nahmeverfahrens — das
aber sehr bald direkt
gegen das Volk verwen
det wird — dessen An
sammlungen zu zer
streuen, bald die vor
nehmste Ausgabe der,
durch eben diese An
sammlungen ins Leben
gerufenen, „National"-
(Volks-l)wache ist. So wird u. a. 1790 das Palais Royal
mit seinen Galerien, der Mittelpunkt des revolutionären
Ausschwärmens, unzugänglich gemacht; die bürgerlichen
Patrouillen regieren wie in einem veritablen Be
lagerungszustand ; „der P a t r o u i l l i t i s m u s", so hieß
es damals, „jagte und vertrieb überall den Patriotismus".
Die revolutionäre, in den Bastillen
tagen von den Wählerdistrikten ein
gesetzte Pariser Stadtverwaltung
(die spätere „Kommune") lähmte
sehr bald die Organisationen, aus
denen sie selbst hervorgegangen
war, durch das Verbot, sich
weiterhin aus eigener, nicht be
hördlicher, Initiative zu versam
meln! „Bis hierher und nicht
weiter!", so lautete das Macht
wort der Bourgeoisie bereits in
den Wochen des ersten liberalen
Enthusiasmus, und während man
die Menschenrechte und Bürger
rechte feststellte, legte man größ
ten Wert daraus, das Privat
eigentum zum Hauptausfluh der
sozialen Persönlichkeit zu machen.
Man half sich durch einen in sei
ner Grobheit gleichwohl kaum über-
sehlichen Trugschluß, indem man
jedermann ein Recht aus „s e i n"
Eigentum zuerkannte, während doch
offenbar gerade in dem Possessivum „sein" schon das
Recht vorausgesetzt war, das man in der bestehenden
Willkür und Exzessivität vergeblich aus dem Gesellschafts
vertrag abzuleiten versucht hätte; mit derselben petitio
principii ließ sich ja auch der Absolutismus wie alles positiv
Gesetzte überhaupt „recht"fertigen.
So besorgte schon mit dem Bastillensturm das Volk
einige Geschäfte seines neuen Herrn, des Bourgeois, den
es nur in den Sattel heben muhte, zu reiten verstand er
schon von selber. Trotzdem ist dieser Tag der erste
große Entscheidungstag der Freiheit gewesen. Das Volk
setzte zum erstenmal einen bisherigen Herrn, den Abso
lutismus, ab und allerdings zugleich einen neuen Herrn
ein. Es war ein neuer Gesellschaftsvertrag,
der geschlossen wurde, ein Löwenvertrag für das besitzende
und gebildete Bürger
tum. Indessen war das
Bürgertum innerhalb
dieses ihm vorteilhaften
Vertrags ehrlich. Vom
Sommer 1789 bis zum
Frühjahr 1790 wurden
nach den Grund- und
Menschenrechten noch
die politischen Funda
mente der neuen libe
ralen Gesellschaft gelegt;
im August in der be
rühmten „Augustnacht",
aus Initiative der libe
ralen Adelspartei die
Feudallasten formell
(allerdings auf lange
bloß formell) aufgeho
ben, für ablösbar er-
Teil gegen hohe Ent-
in der Dauphine und
die belastenden Doku-
Wahlspruch äer französischen Republik:
Einheit unä Anleilbarkeil der Republik
klärt, und zwar zum größten
schädigung — während draußen
anderswo die Schlösser und
mente ohne Entschädigung verbrannten. Im Novem
ber wurde nach langen interessanten Debatten das
Kirchengut vom Staat eingezogen durch eine, eigentlich
eine in Krisen seit dem Alter
tum geübte fränkische Maßnahme;
der Staat übernahm jedoch dies
mal die Verpflichtung, für den
Lebensunterhalt der Priester zu
sorgen, woraus er dann aller
dings den sehr falschen Schluß
zog, die Priester als seine bezahl
ten sMirabeau sagte einmal („sa-
larie“)] Funktionäre anzusehen,
von denen er dann den Eid des
Gehorsams fordern zu dürfen
meinte. So bereitete sich aus
einem falschen Gesellschaftsbegrisf
der für die Revolution selbst nicht
ungefährliche Kamps zwischen
der geistlichen und der
weltlichen Herrschaft vor,
ein Kampf, der wenigstens nach
Rousseaus Grundsätzen einiger
maßen vermeidlich war und den
der Rousseauaner Robespierre
auf dem Gipfel der staatlichen All
macht auch tatsächlich vermieden
hat. Kurz darauf wurden — was weit logischer war
— die Klostergelübde vor dem staatlichen Forum für
unverbindlich erklärt, und dies bedeutete ebenso tat
sächlich die Nichteinmischung des Staates in die Reli
gion, wie die spätere „Fivilverfassung" des Klerus ein
schließlich seiner direkten Wählbarkeit durch die Ge
meinden nach ihrer politischen, nicht kirchlichen, Kon
stitution — die Einmischung bedeutete.
Im Herbst kamen noch die großen, eigentlich po-