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Partei zu erhalten und ihre Politik auf die alten sozialdemokratischen
Grundsätze zurückzuführen. Einzelne Genossen, wie Julian Borchardt
Jn den „Lichtstrahlen", haben wohl mit dem Gedanken der Spaltung
gespielt und schon damals mit der Einstellung der Beitragszahlung
an den Parteivorstand gedroht; aber in der Praxis bekannten doch
auch sie sich immer zur Einheit der Partei und wollten im Rahmen
der Partei ihre oppositionellen Absichten verwirklichen. Geschicht
liche Tatsache dagegen ist es, daß die Spaltung der Partei zuerst
von den Mehrheitsinstanzen begonnen worden ist; so in Württem
berg, wo ganze Organisationen aus der Partei einfach ausgeschlossen
wurden, weil sie die offizielle Kriegspolitik nicht unterstützen wollten,
oder in Bremen, wo die in der Minderheit gebliebenen Sozial
patrioten gegenüber der oppositionellen „Bremer Bürger-Zeitung“
ein eigenes Blatt herausgaben. Und erst, als die Opposition von
den Instanzen aus der alten Partei hinausgedrängt worden war, war
sie gezwungen, sich eine selbständige Organisation zu geben.
Die Besprechung des „Gebot der Stunde" mußte sich in den
oppositionellen Parteiorganen auf ein geringes Malz beschränken,
weil die Zensur jede freie Meinungsäußerung aufs schärfste ver
folgte. In der bürgerlichen Presse hub selbstverständlich ein grofzes
Lärmen über den Bruch des Burgfriedens an, und auch der sozial
patriotische Teil der Parteipresse ließ es an Scheltworten gegen die
Unterzeichner des Aufrufs nicht fehlen.
Auch die Mehrheit des Parteivorstandes und der Fraktionsvorstand
wandten sich gegen den Aufruf. Sie erließen eine Erklärung
unter der Ueberschrift „Gegen die Parteizerrüttung", worin sie be
haupteten, daß sie vom Beginn des Krieges gegen eine imperiali
stische Eroberungspolitik gewesen seien. Schließlich machte auch
die Generalkommission der Gewerkschaften gegen das Massen
schreiben an den Parteivorstand und gegen das „Gebot der Stunde“
mobil. Im „Korrespondenzblatt“ veröffentlichte sie einen Artikel,
worin es hieß, daß durch das Schreiben alles über den Haufen ge
worfen worden sei, was bisher in der Arbeiterbewegung Deutschlands
als unantastbar galt.
Zwischendurch hatte sich Hugo Haase der heftigsten Angriffe der
sozialpatriotischen Presse zu erwehren. Zwar wurde dort das „Gebot
der Stunde" nicht abgedruckt, aber unter den niedrigsten Verdächti
gungen und Schmähungen wurden die Leser über den Inhalt und
den Zweck des Aufrufs irregeführt. An der Spitze dieser gehässigen
Kampfesweise stand das „Hamburger Echo". Mit Recht konnte
Haase in einem Artikel gegen dieses Blatt sagen; „Wenn ein ver
bissener politischer Gegner eine solche Methode des Kampfes gegen
uns anwendet, so gehen wir mit kühlem Lächeln oder einer Hand
bewegung der Verachtung darüber hinweg, aber ein Gefühl tiefer
Scham ergreift uns, daß ein Mitarbeiter des „Hamburger Echo" auf
ein so niedriges Niveau hat herunterkommen können."
Am 30. Juni und am 1. Juli tagte der Parteiausschuß in
Berlin. Die Sitzung wurde mit den Verhandlungen über den
Parteistreit ausgefüllt. Am Ende der Beratungen wurde eine Reso
lution beschlossen, in der die Haltung des Parteivorstandes und der