demokratischer Forderungen sollte die Opposition gegen die sozial
demokratische Kriegspolitik beschwichtigt werden. Auf der anderen
Seite wollte er durch die „besonnene" Form seiner Rede den un
günstigen Eindruck verwischen, den die Rede von Haase auf die
Bourgeoisie gemacht hatte. Konnte doch die junkerliche „Deutsche
Tageszeitung" von Scheidemanns Rede sagen, dalz „unsere Feinde"
aus dessen Ausführungen entnehmen könnten, wie auch die deutsche
Sozialdemokratie entschlossen sei, alles zu tun und allem; zuzu
stimmen, was nötig sei, um den Sieg zu erringen. Dalz er auch
einige Spitzen gegen die Regierung gebraucht habe, das sei nicht
weiter schlimm.
Anders aber war es um die Reden bestellt, die Stadthagen und
Ledebour am 20. März im Reichstag gehalten hatten. Suchte die
bürgerliche Presse die Ausführungen von Stadthagen mit Schweigen
zu übergehen, so fiel sie um so lebhafter über Ledebour her. Die
„Post" verlangte, dalz die sozialdemokratische Partei jetzt endlich
„das Häuflein derer am Liebknecht" von sich abschüttele. Wenn
sich die Liebknecht und Genossen fortgesetzt in Rede und Abstim
mung in schroffsten Widerspruch zu dem völkischen Kriegswillen
stellten, die die überwiegende Mehrheit der Sozialdemokratie unbe
dingt bejahe, so klafften Gegensätze so wesentlicher Art, dalz eine
Trennung unausbleiblich erscheine.
Der sozialpatriotische Teil der Partei beeilte sich denn auch, diesen
Forderungen der Scharfmacher nachzukommen. Das „H amburger
Echo", das in diesem Treiben führend vorangehe, behauptete, dalz
die Opponenten nur noch das löbliche Handwerk der Haarspalterei
betrieben. Eigensinn setze sich über alle politische Vernunft hin
weg. Die ganze Art der Rede von Ledebour sei nicht so gewesen,
dalz die Wahrung der Gerechtigkeit und Menschlichkeit hervortrai
sondern der eigensinnige Wille, einen Skandal zu provozieren. Ein
anderes Blatt, die „Bergwacht" in Waldenburg, schrieb, dalz sie auf
das tiefste empört über den Skandal sei, den Ledebour verursacht
habe.
Noch schärfer wurden die Auseinandersetzungen in der Partei, als
die sozialdemokratische Reichstagsfraktion das Budget bewilligt hatte.
Mochte man immerhin noch die Bewilligung der Kriegskredite als
Ausnahmeerscheinungen hinnehmen, die verschwinden würden, wenn
der Krieg vorüber war, so wurde die Zustimmung zum Etat von allen
Seiten und mit Recht so gedeutet, dalz die Fraktion end
gültig mit der bisherigen Politik der Partei ge
brochen hatte. Die Beschlüsse der Parteitage hatten die Ab
lehnung des Etats als grundsätzliche Frage festgelegt, und das war
besonders in Magdeburg zum Ausdruck gekommen. Nunmehr sollte
die Taktik bestimmt werden nicht mehr von den Grundsätzen der
Partei, sondern von den parlamentarischen Bedürfnissen des Augen
blicks. Aus der proletarischen Partei, die im schärfsten Gegensatz
zur Bourgeoisie stand und bisher davon durchdrungen war, dalz nur
im Kampf mit diesem Gegner um den Sozialismus gerungen werden
konnte, war eine Reformpartei geworden, die in friedlichen Verhand
lungen mit den kapitalistischen Mächten einige Vorteile für die Ar
beiterschaft herauszuschlagen hoffte. So wurde die Zustimmung
zum Budget von der Partei, so wurde sie auch von der bürgerlichen