zember nicht als Handelsgeschäft betrachte. Aber es sei nicht zu
billigen, dalz die Regierung dem Reichstage trotz der unermelzlichen
Opfer, die das Volk bisher gebracht habe, lediglich diesen Etat vor
lege. Die Regierung müsse dafür sorgen, dafz allen Staatsbürgern
ohne Unterschied der Klasse, der Partei, der Konfession, der Natio
nalität volle Gleichberechtigung gewährt werde. Vergeblich warte
das Volk auf die Aufhebung des Belagerungszustandes, der eine
Erbitterung erzeugt habe, von deren Stärke die Regierung sich keine
Vorstellung zu machen scheine. Und wie werde die Zensur gehand-
habt! Es spotte jeder Beschreibung, aus welchen Gründen Zeitungen
verfolgt und unterdrückt werden. Die Berufung auf den Burgfrieden
arte vielfach geradezu zu einem Unfug aus. Das deutsche Volk
dürfe sich nicht ausschalten lassen, wenn es sich um die schicksals
schwere Frage seiner Zukunft handele. Es habe mitzureden und an
den Entscheidungen mitzuwirken. Die Sozialdemokratie als Vertre
terin des internationalen Sozialismus und die Partei des Friedens
wünsche, dafz ein dauerhafter Friede geschlossen werde, der nicht
neue Keime von Zwietracht in sich trage. Bis das blutige Ringen
zum Abschlufz gekommen sei, müsse die Ernährung des Volkes
sichergestellt werden. Von den Kreisen, die in dieser Zeit der Not
besonders hohe Gewönne einstreicV.en, müfzten hohe Besitzsteuern
erhoben werden.
Einige Tage darauf hielt der Herrenhaus-Präsident von Wedel-
Piesdorf eine Eroberungsrede, und ein Teil der Fraktion verlangte
nunmehr, dalz Scheidemann, der zum Etat des Reichskanzlers
sprechen sollte, eine Absage an die Annexionspolitik bringe. Es
wurde dagegen eingewandt, dalz die Regierung keine Annexionen
wolle, deshalb bestehe kein Anlalz, sich jetzt gegen sie zu wenden.
Scheidemann wollte lediglich bemerken, dalz die Fraktion an ihrem
früheren Standpunkt zur Annexionsfrage festhalte. Ein Antrag von
Simon, die Rede von Wedel ausdrücklich zu erwähnen, wurde mit
48 gegen 39 Stimmen abgelehnt.
In seiner Rede am 18. März berief sich Scheidemann auf
die Erklärungen vom 4. August und vom 2. Dezember und be
hauptete, dalz sich seitdem nichts zugetragen habe, was die Haltung
der Fraktion ändern könnte. Das Volk müsse durchhalten, um den
Glauben der Gegner an die Besiegbarkeit Deutschlands zu zerstören.
Allerdings müsse man verlangen, dafz wirtschaftliche Mafznahmeff
getroffen würden, die das Durchhalten besser ermöglichten. Scheide
mann bedauerte sehr, dafz der „Ausbau der Freiheit" erst nach dem
Kriege erfolgen solle; man hätte jene Verheifzungen vom 4. August
doch jetzt schon erfüllen können. Aber auch, wenn diese Ver
heilzungen nicht erfüllt würden, so dürfe es jetzt zu inneren Kämpfen
nicht kommen. Man kann sich vorstellen, dalz dieses Gerede nicht
den geringsten Eindruck auf die Regierung und auf die bürgerlichen
Parteien machte.
Die Fraktion befasste sich nunmehr mit der Frage der Kredit-
b e w i 11 i g u n g. Einige Abgeordnete verlangten, dafz man nicht
10, sondern nur 5 Milliarden bewilligen solle. Wurm warnte die
Mehrheit davor, den Bogen zu überspannen. In den Arbeitermassen
wachse die Opposition gegen die Fraktionstaktik. David griff die
Opposition heftig an und meinte, sie werde die Regierung in die