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ner Produktionsstätten für -wichtige Lebensbedürfnisse vom Kapita
lismus vollständig unabhängig machen wollte. Diesen drei Haupt
strömungen der deutschen Arbeiterbewegung reihten sich noch jene
mannigfachen Organisationen an, die den Arbeiter auch auf den
Gebieten der Kultur, der Körperbildung, der Erholung selbständig
machen wollten.
So mufzte sich denn das Wesen der Sozialdemokratie im letzten
Vierteljahrhundert vor dem Weltkriege vollständig verändern. Die
Form bestimmte immer mehr den Inhalt des Parteigefäßes, die
K ' ische Arbeit für den Alltag verdrängte den Kampf für die Zu-
. In den Organisationen der Partei, der Gewerkschaften, der
Konsumvereine, der Volksfürsorge, der Krankenkassen, all der ande
ren Vereinigungen der Arbeiterbewegung salzen Tausende von An
gestellten, „Beamten", deren Sinn darauf gerichtet sein mußte, das
ihnen anvertraute Gut an Kassen und Sachen zu wahren und zu
mehren. Es mag unter ihnen manchen gegeben haben, der aus
Angst um die eigene Existenz jede sprunghafte Veränderung, jedes
Abweichen von dem Boden des einmal Gegebenen zu verhindern
suchte. Aber das waren doch nur Ausnahmen; in der Regel waren
und sind diese Angestellten, die die Partei- und Gewerkschafts-
bureaukratie vorstellen, lautere Charaktere, die sich im Laufe der Zeit
trotz kärglicher Entlohnung ein ganz respektables Wissen auf ihren
Spezialgebieten angeeignet haben. Um so schädlicher mulzte es aber
auf die ganze Bewegung wirken, dafz diese Angestellten zum großen
Teil infolge ihrer Arbeitsbeschränkung in ihren besonderen Wissens
gebieten verknöcherten oder von ihrer beruflichen Tätigkeit so in
Anspruch genommen wurden, daß sie den Blick für die grolzen Zu
sammenhänge verlieren mußten. Sie sorgten sich um die Bewältigung
ihres Tagespensums, vergaben darüber aber den revolutionären Kampf
um die Verwirklichung des Sozialismus. Die ihrer Leitung unter
stellten Organisationen mulzten naturgemäß aus einem Mittel zum
Zweck zum Selbstzweck werden. Aus den Verwaltern der Organi
sationen wurden Leiter und schwer kontrollierbare Führer.
Erkennt man die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung an, so wird
man die Schuld daran, daß der Ausbruch des Weltkrieges keine re
volutionäre, sondern eine reformistische Sozialdemokratie vorfand,
nicht bei den Führern und bei der Parteibureaukratie suchen, son
dern sie aus der Gestaltung der allgemeinen wirtschaftlichen und
politischen Verhältnisse erklären. Revisionismus, Reformismus,
Opportunismus sind eben keine Kunstprodukte, sondern die Ergeb
nisse der jeweiligen Zustände der kapitalistischen Gesellschaft, wenn
seit 1918 der Glaube, nur durch brutale Mittel könne der Sozialis
mus verwirklicht werden, wieder stärkeren Widerhall bei den Ar
beitern fand, so ist das nicht das Ergebnis der Gedankenarbeit von
Einzelmenschen, sondern eine Folge des Weltkrieges. Es handelt
sich also auch heute nur um den geistigen Ausdruck gegebener
wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse. Dem durch die Schule
des wissenschaftlichen Sozialismus geschrittenen Arbeiter aber ziemt
es, nicht vom Wind und den Wellen der Zeit sich umherschleudem
zu lassen, heute nur an die mildere, morgen nur an die brutale Form
der Revolution zu glauben, sondern von dem immer gegebenen Boden