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knechten des neuen Militarismus ermordet, daiz wehrlose Gefangene
in größerer Zahl feige und hinterlistig erschossen wurden. Die Mörder
S ehen frei herum, gedeckt von den Generalen, den Herren der Regierung.
•ie revolutionären Kämpfer dagegen übergibt die sozialistische Regierung
nicht einem revolutionären Tribunal, sondern den bürgerlichen Gerichten,
die im Namen von „Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ Schreckens
urteile aussprechen.
Wie der Militarismus, so triumphiert wieder der Kapitalismus. Wer
immer geglaubt hat, daiz noch vor dem Zusammentritt der National
versammlung die Grundlage für die Sozialisierung der Betriebe geschaffen
würde, er ist bitter enttäuscht worden. Stärkung des Kapitalis
mus ist die Losung der Bourgeoisie, deren Diktat die rechtssozialistischen
Führer auch hier gehorchen. Sie planen die Einführung des Arbeits
zwanges und der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems. Sie ver
dächtigen die Arbeiter, die durch Unterernährung, Ueberarbeit, Kriegsleiden
körperlich geschwächt und erschöpft sind, der Trägheit und der Arbeits
scheu. Aber sie dulden es, daiz Kapitalisten trotz vorhandener Bestellungen,
und Rohstoffe die Produktion einschränken.
Wenn die Unabhängige Sozialdemokratie lediglich auf die Wahrung
der Interessen der eigenen Partei bedacht gewesen wäre, so hätte
sie mit dieser Entwicklung der Dinge durchaus zufrieden sein können.
Ununterbrochen strömten ihr Scharen neuer Anhänger zu, unauf
hörlich stieg die Mitgliederziffer ihrer Organisationen, der Leser
kreis ihrer Presse. Es waren, wenn auch nicht die schlechtesten, so
auch nicht immer die geschultesten Kräfte aus dem Proletariat, die
zu ihr stielzen. Neben sehr wertvollen Elementen drängte sich auch
manche Spreu in die Reihen der Partei, die später, als die hoch
gespannten Erwartungen nicht in Erfüllung gingen und die Wogen
der politischen Bewegung nicht mehr so hoch rollten, wieder von
ihr ging, entweder, um in dem anarchistisch-kommunistischen
Hexenkessel von links das neue Heil zu suchen oder wieder in die
frühere Gleichgültigkeit zu versinken. Der Parteileitung erwuchs die
Aufgabe, die neuen Kräfte zu schulen, agitatorische und journali
stische Befähigungen zu entwickeln, aus den mancherlei, sich oft
widerstrebenden Ideen eine einheitliche Linie der Taktik
zu bilden. Zugleich aber mulzten die Mittel beschafft werden, mit
denen der Kampf zu führen war. Die Partei verfügte nicht über
den alten Organisationsapparat, der bei den Rechtssozialisten zu
finden war, es mufzte fast alles von Grund auf neu geschaffen werden.
Schon bei den wenige Wochen nach den Wahlen zu der National
versammlung vorgenommenen Wahlen für die Gemeinden
zeigte sich, wie das Vertrauen der Arbeitermassen zu der Unab
hängigen Sozialdemokratie wuchs. Die rechtssozialistischen Stimmen
gingen rapide zurück, dagegen wuchs die Stimmenzahl, die auf die
Kandidaten der Unabhängigen Sozialdemokratie entfiel. In Berlin,
wo die U. S. P. D. noch bei derWahl zur Nationalversammlung hinter
den Rechtssozialisten marschierte und an zweiter Stelle der Parteien
stand, rückte sie jetzt an die Spitze vor. Auch bei den Wahlen in
den Einzelstaaten zeigte sich das gleiche Bild.
Einen schweren Verlust erlitt die Unabhängige Sozialdemokratie
am 21. Februar 1919 durch die Ermordung Kurt Eisners,
des bayerischen Ministerpräsidenten. Kurt Eisner mag kein Politiker
von grolzem Wurf gewesen sein; aber er war ein wahrhaftiger und