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halbe Million Arbeiter beteiligt hätten, sollte der Regierung endlich
die Augen über die Lage öffnen. Aber die Arbeiterschaft erwarte
weder von der deutschen Regierung, noch von den Regierungen der
anderen Länder einen wirklich dauernden Frieden, sondern der
Weltfriede werde erst kommen, wenn das Proletariat die politische
Macht erobert habe.
Einige Tage später, am 27. Februar, rechnete auch Haase mit
der Annexionspolitik der Regierung ab. Er wies nach, dalz Rufzland
ein Gewaltfrieden aufgezwungen werden solle, wie er schlimmer
nicht gedacht werden könne. In Polen und in den baltischen Pro
vinzen habe der deutsche Militarismus ein Schreckensregiment auf
gerichtet. Tausende von wehrlosen Arbeitern seien niedergemetzelt
worden, weil sie das ihnen zugestandene Selbstbestimmungsrecht für
sich in Anspruch nehmen wollten. Die revolutionäre Bewegung in
Rulzland solle mit deutschen Truppen unterdrückt werden. Mit der
Ukraine sei zwar ein Vertrag abgeschlossen worden, das hindere
das deutsche Militär aber nicht, das ganze Land zu besetzen und die
Bevölkerung zu drangsalieren. Nach den Anschauungen, die in malz
gebenden Kreisen Deutschlands herrschten, sei es sicher, dalz wir
zu einem Frieden in der nächsten Zeit nicht kommen würden. Und
dieselbe Gewaltpolitik, die die auswärtige Politik beherrsche, wende
man auch im Inlande an. Den Januarstreik habe man mit den bru
talsten Mitteln zu unterdrücken gesucht. Ater erreicht worden sei
dadurch nur, dalz der Groll und die Erbitterung in den Arbeiter-
kreisen aufs höchste gestiegen seien. Die streikenden Arbeiter seien
vom General Groener als „Hundsfotte“ beschimpft worden, dieselben
Arbeiter, deren man sich zur Herstellung des Kriegsmaterials be
diene. Der politische Streik sei aber eine Waffe, die sich das Pro
letariat nicht entwinden lassen werde. Die unabhängige Fraktion ins
besondere erkläre, dafz sie mit den streikenden Arbeitern in engster
Fühlung gestanden habe, und dafz sie die Gedanken und Gefühle,
die sie zum Streik getrieben hatte, durchaus teile. Die Arbeiter
würden unablässig dafür eintreten, dafz auch Deutschland demokra
tisiert und der Boden für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ge
schaffen werde.
Auch Rumänien mufzte sich bald dem Diktat der Mittelmächte
beugen und den Zwangsfrieden von Bukarest annehmen. Die
deutsche Regierung hatte den Wiener Annexionisten völlig freie
Hand gelassen und unter dem Vorwand der Beschaffung von Siche
rungen für die Donaumonarchie wurden Rumänien erhebliche
Stücke des Landes entrissen.
Als diese Friedensverträge vor den Reichstag kamen, konnten
die Annexionisten ihre volle Befriedigung dazu äulzern, wenn sie
freilich auch nicht verschwiegen, dafz sie eigentlich noch mehr er
wartet und besonders erhebliche Kriegsentschädigungen
erhofft hatten. Die Koalitionsparteien waren ein wenig verstimmt,
denn weder die Verträge von Brest-Litowsk noch der von Bukarest
stimmten mit der Juli-Resolution des vorigen Jahres überein, die sie
mit so schöner Geste der Welt gezeigt hatten. Trotzdem aber
stimmten sie diesen Gewaltfriedensschlüssen zu, oder sie enthielten
sich zum mindesten der Abstimmung, mit der oberflächlichen Aus