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Der Zusammenbruch.
Sozialdemokratischer Parteitag in Würzburg. — Die bolschewistische
Herrschaft in Rußland. — Die Gewaltfriedensschlüsse von Brest-Litowsk
und Bukarest. — Streikbewegungen in Oesterreich und Deutschland. —
Dittmann wird auf die Festung geschickt. — Der Zusammenbruch der
Mittelmächte. — Die revolutionären Forderungen der Unabhängigen
Sozialdemokratie.
Die Führung der Rechtssozialistischen Partei hatte es
für geraten gehalten, auf Mitte Oktober des Jahres 1917 einen
Parteitag nach Würzburg einzuberufen. Sie brauchte sich nicht
darum zu sorgen, daß dort ihre Politik heftige Anfeindungen er
fahren würde. Was noch an Opposition zurückgeblieben war, hatte
jeden Einfluß verloren, Scheidemann und B ert, Kolb und Lensch
beherrschten die Situation. So nahm denn der Parteitag den vor
schriftsmäßigen Verlauf, die Politik vom 4. August wurde gebilligt,
die heftigsten Angriffe auf die Unabhängige Sozialdemokratie und
auf die „marxistische Scholastik“ erfuhren kaum Widerspruch. Man
schlug zwar auch einige kräftige Töne gegen die Regierung an,
weil bisher von der versprochenen Neuorientierung so gut wie nichts
in Erfüllung gegangen war; aber dieser Vorstofz konnte schon des
halb keine Wirkung auslösen, weil die rechtssozialistische Partei in
allen entscheidenden Fragen mit dieser gleichen Regierung durch
Gedeih und Verderb ging. Auch über die Möglichkeit einer Wieder
vereinigung wurde gesprochen. Aber der Parteitag verstand sie so,
dalz alle von ihm hinausgeworfenen Genossen reumütig in den alten
Parteipferch zurückkehren und die Instanzenpolitik nunmehr rück
haltlos anerkennen sollten. Dem Würzburger Parteitag wurde von
der bürgerlichen Presse das Zeugnis ausgestellt, dalz er brave Arbeit
geleistet habe; was vom Standpunkt des Sozialismus und der Arbeiter
klasse dazu zu sagen war, das wurde in einem Aufruf ausgeführt,
den das Zentralkomitee der Unabhängigen Sozialdemokratie bald
danach veröffentlichte. Ueber die Frage der Einigung hieß es dort:
„Niemand ist mehr als wir von der Notwendigkeit durchdrungen,
die sozialdemokratischen Massen zu einer einheitlichen Front
zusammenzuschweifzen. Aber es muß eine Front gegen den ge
meinsamen Feind sein, nicht eine Front, die sich anschickt zum
Abmarsch ins feindliche Lager.
Heute gibt es nur eine wahrhaft sozialdemokratische Partei in Deutsch
land: die Unabhängige Sozialdemokratische Partei!
Im Zusammenschluß aller Männer und Frauen, die sozialdemokratisch
fühlen und denken, auch wenn sic heute noch aus Unkenntnis oder
falschen Rücksichten im andern Lager stehen, gewinnt sie die Kraft, in