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Regierung hat es nicht verstanden, die durch die russische Revolution
geschaffene Situation dazu auszunützen, um eine Verständigung über
den Frieden herbeizuführen. Sie erklärte ganz kühl, dafz sie über
ihre Kriegsziele nichts zu sagen und keine neuen Erklärungen ab
zugeben habe. Die deutsche Regierung werde sich auch nicht dazu
drängen lassen, sich für einen Frieden ohne Annexionen und Kriegs
entschädigung auszusprechen. Das konnte von der ganzen Welt nur
so aufgefalzt werden, dalz die deutsche Regierung auch künftighin
den Krieg mit dem Ziele führen wolle, Deutschland die Beherrschung
der übrigen Welt zu sichern.
Eine Förderung der von der russischen Revolution ausstrahlenden
Friedens':estrebungen konnte man sich von der internatio
nalen sozialistischen Konferenz versprechen, die auf
den Sommer 1917 nach Stockholm einberufen worden war. Die
Initiative dazu war von den holländischen Mitgliedern der alten Inter
nationale ausgegangen. Es sollten daran alle sozialistischen Parteien
der kriegführenden wie der neutralen Länder teilnehmen. Zuerst
schien es zweifelhaft, ob die alliierten Sozialisten sich an diesen
Besprechungen beteiligen würden. Nachdem aber von der russischen
Revolution ein neuer Impuls für die Ziele der Konferenz ausgegangen
war, konnten auch sie sich ihr nicht entziehen. Die Schwierigkeiten
der Kriegszeit haben die Durchführung des Planes verhindert, eine
gemeinschaftliche Besprechung der sozialistischen Vertretungen aller
Länder ist nicht zustande gekommen. Das eine aber wurde erreicht,
dalz die Parteien ihre Auffassungen zu Protokoll gaben, und dalz man
daraus ein Gesamtbild über ihre Kriegspolitik gewinnen konnte. Die
Sozialdemokratische Partei liefz durch Eduard David in
Stockholm einen mehrstündigen Vortrag halten, der dann als
Broschüre verbreitet worden ist. Ihr Inhalt wird dadurch gekenn
zeichnet, dalz es sich auch die deutsche Kriegsführung nicht nehmen
liefe, sie in Massenauflagen unter den Soldaten zu verteilen. David
wiederholte in seinem Vortrag alle die Gründe, die die rechtssozia
listischen Parteiführer unzähligemal für die Bewilligung der Kriegs
kredite angeführt hatten; ihm war noch immer der Krieg ein Mittel,
um das deutsche Vaterland vor den Anschlägen der Feinde zu retten.
Die deutsche Delegation der Unabhängigen Sozialdemo
kratie falzte ihren Standpunkt für die Stockholmer Konferenz in
einem Manifest zusammen, das während des Krieges nur einmal
durch Hugo Haase von der Tribüne des Reichstags aus verlesen
wurde, sonst aber nicht veröffentlicht werden konnte. Es möge
deshalb hier seinen Platz finden:
Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands geht in
ihrer Friedenspolitik wie in ihrer gesamten Politik aus von den Ge
samtinteressen des internationalen Proletariats und
der sozialen Entwicklung.
Diese Interessen erheischen den sofortigen Frieden. Wir for
dern beim Friedensschlufz ein internationales Uebereinkommen über
allgemeine Abrüstung. Dies ist das wichtigste Mittel, den ge
schwächten Volkskörper überall wieder zu stärken, dem niedergetretenen
ökonomischen Leben der Völker in absehbarer Zeit wieder zum Auf
schwung zu verhelfen. Nur so kann die Herrschaft des Militarismus